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die Wirtschaft Liechtensteins: eine empirische Erhebung

2. Vorarlberg und die EU-Mitgliedschaft Österreichs

Osterreich ist seit dem 1.1.1995 Mitglied der Europäischen Union. Zu­

vor hat es bereits seit dem 1.1.1994 als EFTA-Mitglied ein Jahr am EWR teilgenommen. Da mit dem österreichischen Bundesland Vorarlberg eine unmittelbare Nachbarregion Liechtensteins in eine «tiefere» Form der Integration als dies der EWR darstellt, involviert ist, bietet sich ein wei­

terer Erfahrungsvergleich an.

Die Sogwirkung des EU-Binnenmarktes, das Ende des Ost-West-Konfliktes und die Einsicht, dass bestimmte Politiken nur noch mittels internationaler Zusammenarbeit zu bewältigen sind (z.B. Umwelt, inter­

nationale Kriminalität), veranlassten Osterreich bereits 1989 einen An­

trag auf EU-Vollmitgliedschaft zu stellen.203 In politischer Hinsicht ge­

lang es Österreich bei Wahrung seiner traditionellen Neutralität, ein Mitsprache- und Gestaltungsrecht in einem nach dem Ende des «Kalten Krieges» zusammenwachsenden Europa zu erlangen.

201 Hierauf verweist auch der Bundesrat in seinem Zwischenbericht zur Schweizer Integ­

rationspolitik von 1995 (Schweizerischer Bundesrat, Zwischenbericht 1995, S. 15f.).

202 So der Schweizerische Bundesrat im Integrationsbericht 1999 (Schweizerischer Bundes­

rat, Schweiz - Europäische Union: Integrationsbericht 1999, S. 397f.).

203 Vranitzky 1997, S. 7.

Die österreichische Wirtschaft hat schon kurz nach dem EU-Beitritt branchenübergreifend eine generell positive Bilanz der Mitgliedschaft gezogen.204 Der Industriesektor bestätigte schon 1996, dass sich die Ab­

satz- und Beschaffungsmöglichkeiten im Binnenmarkt deutlich verbes­

sert hätten, aber auch, dass sich die Wettbewerbssituation verschärft hätte. Insbesondere sei zudem die Anbahnung von Geschäftsbeziehun­

gen leichter und die Teilnahme an EU-Ausschreibungen chancenreicher geworden. Einzelne Sektoren begrüssten die Möglichkeit zur Mitwir­

kung an der Erstellung harmonisierter Normen.205 Der Wegfall der Grenz- und Zollkontrollen macht für österreichische Produzenten die

«just-in-time»-Lie{erung möglich.

Gewerbebetriebe nahmen schon nach dem EWR-Beitritt die neuen Möglichkeiten im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr wahr.

Die Gründung z.B. österreichischer Niederlassungen in Deutschland bzw. deutscher Niederlassungen in Osterreich wurde allerdings durch bürokratische Hürden erschwert, welche de facto wie ein Protektionsin­

strument wirkten. Bilaterale Vereinbarungen zwischen Osterreich und den deutschen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg besei­

tigten diese Hindernisse.206 Zu beobachten war anfangs zudem, dass österreichische Unternehmen grössere Schwierigkeiten hatten an öffent­

liche Aufträge im EU-Ausland zu gelangen als EU-Unternehmen an öffentliche Aufträge in Osterreich.207

Auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Mitglied-schaft Österreichs werden positiv eingeschätzt.208 Hinsichtlich des Brut­

toinlandsprodukts, der Einkommen und der Beschäftigten bestätigen Simulationsrechnungen einen positiven Nettoeffekt.209

Das unmittelbar an Liechtenstein angrenzende österreichische Bun­

desland Vorarlberg zählt mit einem Bruttoinlandsprodukt pro Einwoh­

ner von umgerechnet ca. CHF 36'000 zu den reichsten Regionen der Europäischen Union. Mit einer Arbeitslosenquote unter 5 %, einem Wirtschaftswachstum von 2.5 % und einem Exportvolumen von umge­

204 Eine ausführliche Analyse der Europäischen Integration auf die österreichische Wirt­

schaft liefern Breuss/Kitzmantel 1993.

205 Ibid.

206 Leitner/Henkel 1996, S. 285.

207 Ibid.

203 Zu den Gewinn- und Verteilungseffekten siehe Keuschnigg/Kohler 1996.

209 Schneider 1996, S. 266.

rechnet ca. CHF 7 Mrd. (ca. CHF 17'000 pro Kopf) hat die Vorarlber­

ger Wirtschaft einen Spitzenplatz innerhalb Europas inne.210

Vorarlberg ist durch eine hohe Industriedichte (1996: 28*500 Beschäf­

tigte) und einen starken, breitgefächerten Gewerbesektor (1996 über 30'000 Beschäftigte) gekennzeichnet. Auf 1*000 unselbständig Erwerbs­

tätige entfielen 1995 221 Industriebeschäftigte (in Osterreich durch­

schnittlich 167). Vorarlberg ist stärker als andere Bundesländer vom Export abhängig. Fast 50 % der Produktion wird exportiert. Damit war die pro-Kopf-Exportquote 1995 fast doppelt so hoch wie im öster­

reichischen Durchschnitt.211 Hauptzielregionen der vorarlbergischen Exporte sind zur Hälfte die Länder der Europäischen Union, gefolgt von der EFTA mit ca. 18 %.212

Anders als Liechtenstein betreibt das Land Vorarlberg zur Stärkung der vorarlbergischen Wirtschaftsstruktur eine aktive Wirtschaftsförde­

rung. Im Rahmen der «Aktion zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur Vorarlbergs» werden Sektionen der Industrie und des Gewerbes finan­

ziell unterstützt, welche Mitglieder der Wirtschaftskammer Vorarlberg sind.213 Förderungsmöglichkeiten bestehen zudem für die Neugründung von Unternehmen214, speziell für kleine und mittlere Unternehmen215, für die betriebliche Forschung und Entwicklung216 sowie für Internatio-nalisierungsaktivitäten217 (z.B. Erstellung von Machbarkeitsstudien für die Erschliessung neuer Auslandsmärkte). Ferner hat Österreich auf Bundesebene spezielle Programme zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe sowie des Kleingewerbes eingerichtet, um zu deren Wettbe­

werbsfähigkeit und zur Sicherung und Schaffung von Beschäftigung bei­

zutragen.218 Schliesslich werden besonders innovative Projekte aus einem «Zukunftsfonds» des Landes, der mit einem Volumen von ATS 500 Mio. (ca. CHF 63 Mio.) ausgestattet ist, unterstützt.219

210 EuroRegio Wirtschaft, 20.5.1999, S. 5.

211 Alle Zahlen: Wirtschaftskammer Vorarlberg 1996.

212 Zahlen für 1996; Wirtschaftskammer Vorarlberg 1997a, S. 30. Zum Vergleich Öster­

reich gesamt: 62 % der Exporte in die EU, 6 % in die EITA (WIFO-Wirtschaftsdaten).

213 «Richtlinien «Aktion zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur Vorarlbergs)», Paragraph 1.

214 «Richtlinien für die Gewährung von Förderungszuschüssen an Jungunternehmer».

215 «Richtlinien für das Chancenkapitalmodell Vorarlberg».

216 «Richtlinien <Gewährung von Beiträgen zur Förderung der betrieblichen Forschung und Entwicklung (Vorarlberger F&E-Projektförderung)>».

217 «Richtlinien für die Förderung von Internationalisierungsaktivitäten».

218 Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten der Republik Österreich 1997;

Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten der Republik Österreich 1996.

219 EuroRegio Wirtschaft, 20.5.1999, S. 5.

Insgesamt hatte Österreich nach seinem EU-Beitritt zunächst leichte Anpassungsprobleme zu bewältigen. Das neue EU-Recht schuf kurz­

fristig bürokratische Hürden, österreichische Betriebe hatten Schwierig­

keiten an öffentliche Aufträge aus dem EU-Raum zu gelangen. Ausser­

dem musste Osterreich einen massiven Kaufkraftabfluss ins benachbarte Ausland verzeichnen, welcher den Abbau von ca. 11 '000 Arbeitsplätzen zur Folge hatte. Den öffentlichen Haushalten entgingen Steuereinnah­

men von ATS 3.6 Mrd. (ca. CHF 0.5 Mrd.).220 Andererseits wirkte die EU-Mitgliedschaft insbesondere im Nahrungsmittel- und Industriewa­

rensektor preisdämpfend, sodass Osterreich einen raschen Rückgang der Inflation verzeichnete.221 Die österreichische Exportindustrie hat von einem weiteren Abbau der nicht-tarifären Handelshemmnisse (ins­

besondere Wegfall der Zollkontrollen) sowie der engeren Einbindung Österreichs in die europäische Unternehmenskooperation profitiert.222

Für das Land Vorarlberg war die Integration Österreichs in den Bin­

nenmarkt vor allem deshalb wichtig, weil seine Wirtschaft besonders exportorientiert ist. Der zunehmende Standortwettbewerb innerhalb Europas und weltweit ist aber auch für die Regierung Vorarlbergs Grund genug, den Standort aktiv zu fördern. 1999 wurden für die Wirt­

schaftsförderung ATS 180 Mio. (ca. CHF 23 Mio.) zur Verfügung ge­

stellt.223

220 Kratena/Wüger 1997.

221 Pollan 1996.

222 Siehe auch Stankovsky 1996.

223 EuroRegio Wirtschaft, 20.5.1999, S. 5.

1. Zwischenbilanz der EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins