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2. ZUR PFLANZE CANNABIS SATIVA

2.2. E INE KLEINE G ESCHICHTE DES H ANFES

2.2.4. Verwendung als Nahrung

Cannabis sativa wurde ursprünglich von China aus in Korea eingeführt und Jahrtausende lang als Nahrungsmittel verwendet. Heutzutage ist in Südkorea der Anbau zur Gewinnung von Hanfsamen weitaus geringer als jener zur Fasergewinnung und die Samen und das Öl werden kaum als Nahrung konsumiert. In Nordkorea jedoch zählen Hanfsamen immer noch als ein Grundnahrungsmittel, insbesondere unter der ländlichen Bevölkerung (Clarke und Merlin 2013, 204). Laut Clarke und Merlin (2013) könnte der Grund dafür der Politik und der wirtschaftlichen Lage geschuldet sein und in Zusammenhang mit der Wohlstandslage stehen (Clarke und Merlin 2013, 204). So führen sie in ihrem Buch an mehreren Stellen aus, dass über die Jahrtausende Hanfsamen vielerorts und häufig als Nahrungsmittel für Hungersnöte und Armut gesehen wurden und durch ihre leicht verdaulichen Proteine und wertvollen essenziellen Fettsäuren ein wertvolles Grundnahrungsmittel darstellten (Clarke und Merlin 2013).

In Japan gibt es kaum historische Aufzeichnung über den Einsatz von Hanfsamen als Nahrungsmittel und auch in der Gegenwart ist der Verzehr eher eine Seltenheit.

Vollkommen anders sieht es im Anbau zur Fasergewinnung aus, denn diese soll laut Nishida (2002) bereits seit der Einführung in Japan in der Jōmon-Zeit (ca. 13000-300 v. u.

Z.) bis heute anhalten (nach Clarke und Merlin 2013, 205). Archäologische Funde von Samen deuten darauf hin, dass Cannabis sativa bereits vor ungefähr 10000 Jahren in der Geschichte Japans eine Rolle spielte (Okazaki et al. 2011; Kudo et al. 2009 nach Clarke und Merlin 2013, 205).

Auch wenn Hanfsamen im gegenwärtigen Japan eine eher geringe Rolle in der Ernährung einnehmen, finden sie sich dennoch als Teil gewisser Gewürze vor, wie z. B. in Shishimi, eine Gewürzmischung, welche aus sieben verschiedenen Gewürzen besteht und als Würzung in der Zubereitung von Udon Nudeln dient. Reis und Soja sind bekannte japanische Grundnahrungsmittel mit einer langen Geschichte, aber auch Hanfsamen trugen einen kleinen geschichtlichen Teil zur traditionellen japanischen Ernährung bei und kamen als Zusatz bei Gemüsen und Haferbrei zum Einsatz (Clarke und Merlin 2013, 205). Insbesondere während der Feudalzeit Japans waren Hanfsamen für die Ernährung der Armeen sehr wichtig und es ist überliefert, dass sie oft von nicht mehr lebten als einer Kugel gemahlenen Hanfsamen vermengt mit braunem Reis (Olsen 1997 nach Clarke und Merlin 2013, 206). Des Weiteren wird auch die Verwendung als Medizin und Tierfutter (insbesondere Vögel) in historischen Aufzeichnungen beschrieben (Clarke und Merlin 2013, 206).

Die Menschen, welche in den nordwestlichen Gebirgsausläufern des Himalayas in Nepal und Indien lebten, haben für viele Jahrhunderte Hanfpflanzen zur Gewinnung der Fasern und auch zum Rösten und Verzehr der Samen angebaut (Watt 1908 nach Clarke und Merlin 2013, 206). Im heutigen Indien werden Hanfsamen immer noch von vielen in Armut lebenden Menschen gegessen. Es gibt einige klassisch indische Gerichte, in welchen Hanfsamen eine Zutat darstellen. Beispiele hierfür sind Bosa, welches aus Fingerhirse (Eleusine indica) und Hanfsamen besteht, und Mura, in welchem getrockneter Weizen gemeinsam mit Amaranth, Reis und Hanfsamen vermengt wird.

Hanfsamen werden in Indien als Zusatz von Speisen gesehen, welche Gemüse verdaulicher machen und Gerichte im Allgemeinen vervollständigen (Robinson 1996 nach Clarke und Merlin 2013, 206).

Im alten Persien, heutiger Iran, wurden Hanfsamen dem Anschein nach seit ungefähr dem 10. Jahrhundert als Nahrungsmittel und Öl verwendet. Einige alte literarische Fragmente deuten auf die wirtschaftliche Nutzung von Cannabis sativa, jedoch als Öl und nicht als Faser, hin. Im Bundahishn, dem „Buch der Urschöpfung“, welches als Quelle des zoroastrischen Glaubens und ebendieser Mythologie gilt, finden sich Erwähnungen vieler Pflanzen, aus welchen nützliche Öle gewonnen werden können, und unter diesen findet

sich auch Cannabis sativa wieder. Der Beginn der Nutzung von Hanfsamen im alten Persien, so wird es vermutet, soll jedoch noch viele Jahrhunderte früher begonnen haben (Clarke und Merlin 2013, 206).

Immanuel Löw (1926) berichtet von einer Speise in Persien aus dem 6. Jahrhundert mit dem Namen Sahdanag, das übersetzt in etwa „königliches Korn“ oder „Korn des Königs“

bedeutet, in welchem Hanfsamen als eine der Zutaten verwendet wurde. Er berichtet auch weiter, dass das jüdische Volk eine lange und wertvolle Beziehung zur Pflanze Cannabis sativa hatte, welche es Q’aneh-bosm nannte. Es lernte auch die Zubereitung von Sahdanag von den Perser:innen und war verantwortlich für den Erhalt dieses Namens vor langer Zeit (Löw 1926 nach Bennett 1999 nach Clarke und Merlin 2013, 206).

Die Reise dieser aus gerösteten Hanfsamen bestehenden und von jüdischen Leuten adoptierten Speise war damit jedoch noch lange nicht an ihrem Ende angelangt. Denn jüdische Einwander:innen brachten diese im Mittelalter mit nach Europa, wo sie sich unter der dort lebenden Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut haben soll (Clarke und Merlin 2013, 206). Lev und Amar (2006) zufolge wurden die Samen von Cannabis sativa und auch andere aus der Pflanze gewonnene Produkte als ärztliche Verordnungen von der jüdischen Gemeinschaft im mittelalterlichen Kairo in Ägypten verschrieben (Lev und Amar 2006 nach Clarke und Merlin 2013, 206). Um die Geschichte von Cannabis sativa in Süd- und Südwestasien der vergangenen Millennia genauer zu ergründen, fehlt noch einiges an archäobotanischer und geschichtlicher Aufarbeitung dieses Teils der Erde (Clarke und Merlin 2013, 206).

Uralte Funde der Reste von Hanfsamen können an zahlreichen Orten in Europa verzeichnet werden. Die meisten dieser stammen aus der Zeit zwischen dem Mittelalter und der Römerzeit und einige reichen sogar bis in die Eisenzeit (ca. 1200-332 v. u. Z.) zurück. Der deutsche Archäologe Hermann Busse fand 1896 in einem Grab in Wilmersdorf in Deutschland eine Vase, deren Ursprung auf das 5. Jahrhundert v. u. Z.

datiert wurde und die mit Sand und pflanzlichen Überresten gefüllt war (Reininger 1967 nach Clarke und Merlin 2013, 206). Der Botaniker Ludwig Wittmack untersuchte diese Überreste und konnte darin die Samen und deren Perikarp von Cannabis sativa identifizieren (Clarke und Merlin 2013, 206). Diese Entdeckung wurde von Busse im Jahr

1897 der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gemeldet, schlussfolgernd, dass Hanf bereits in der Urgeschichte des nördlichen Europas bekannt war (Clarke und Merlin 2013, 206).

Porcher (1863) verwies bereits darauf, dass unter den Völkern Polens und Russlands, selbst die Oberschicht, Hanfsamen quetschen oder rösten, salzen und damit Brote zum Verzehr belegen, verbreitet war (nach Clarke und Merlin 2013, 206). Es gibt darüber hinaus zahlreiche ethnographische Verweise auf die Zubereitung und den Verzehr von Hanfsamen unter den baltischen und osteuropäischen Völkern. Zum Beispiel wurden in Polen Hanfsamen geschmort und dem in Klöstern, Kasernen und unter den weniger einflussreichen Leuten üblichen und beliebten Haferbrei beigemengt (Dembinska 1999;

Zajaczkowa 2002 nach Clarke und Merlin 2013, 206). Viele dieser Verweise stehen aber auch in Verbindung mit der rituellen Nutzung von Hanf und betreffen dessen berauschende Wirkung (Clarke und Merlin 2013, 206).

In weiten Teilen Litauens und Lettlands, aber auch der Ukraine und Polens, wird eine Suppe, zubereitet aus Hanfsamen und bekannt als Semientiatka, als festliche Speise am Weihnachtsabend gegessen (Clarke und Merlin 2013, 207). Im 18. Jahrhundert wurden Kartoffeln mit ihrer Einführung in Litauen schnell zu einem Grundnahrungsmittel. In der Region Zemaitija werden diese gemeinsam mit Hanfsamen als Mahlzeit serviert (Ambrazevicius 1996 nach Clarke und Merlin 2013, 207). In Estland wurden Hanfsamen auf traditionelle Weise mit Butter, Milch und Haferbrei zubereitet (Kokassar 2003 nach Clarke und Merlin 2013, 207) und in Finnland wurden sie zu Mehl gemahlen, gemeinsam mit Buchweizen, Gerste und Salz vermengt und dienten als Dip für gekochte Rübenwurzeln. Auch in Zeiten von Knappheit an Getreidemehl verwendete die finnische Bevölkerung oft Hanfmehl, um Mehl zu strecken und Brot zu backen (Ahokas 2007 nach Clarke und Merlin 2013, 207).

Ebenso war das aus Hanfsamen gewonnene Öl von großer Bedeutung für die traditionellen Gesellschaften Russlands, Polens, Finnlands und anderer osteuropäischer Länder. Hanfsamen wurden in Finnland zum Beispiel als Brennstoff für Lampen, in der Produktion von Lack und als Rohmaterial für Seifen verwendet (Laitinen 1996 nach Clarke

und Merlin 2013, 207). Des Weiteren waren in Osteuropa die aus Schlafmohn (Papaver sominferum) und Hanf gewonnenen Öle besonders in der Verwendung als Speiseöle wichtig aufgrund der mancherorts bestehenden religiösen Restriktionen, welche die Zubereitung von Speisen mittels aus Tieren gewonnenen Fetten verbot. In Russland wurden traditionellerweise nur wenige andere Fette neben Butter, Hanfsamenöl und importiertem Olivenöl verwendet (Mack und Surina 2005 nach Clarke und Merlin 2013, 207). Hanfsamen selbst oder das aus ihnen gewonnene Öl wurde(n) in den verschiedensten Speisen genutzt, entweder wurden sie direkt in die Gerichte eingearbeitet oder das Öl wurde zum Braten der Speisen eingesetzt. Darüber hinaus waren Hanfsamen als Teil von Zuwendungen oder Spenden an Bedürftige im 16.

Jahrhundert weit verbreitet (Smith und Christian 1984 nach Clarke und Merlin 2013, 207).

In der russischen Geschichte reichen Hanfsamen weit zurück und gelten als uralte Kulturpflanze mit einer Reichweite bis weit in den Norden. Sie sind sogar im Domostroi vorzufinden, das übersetzt so viel wie „Hausregeln“ oder „häusliche Ordnung“ bedeutet und eine Sammlung von 43 russischen Manuskripten ist, welche ursprünglich vermutlich in den 1550er-Jahren verfasst wurde und bis ins 19. Jahrhundert im Gebrauch war. Das Sammelwerk beschreibt, wie ein ordentlicher, russischer, christlicher Haushalt zu führen ist (Pouncy 1994; Khorikhin 2001; Kolesov 2001 nach Clarke und Merlin 2013, 207). In den Kapiteln über Nahrungsmittel wird angegeben, dass Vorräte an Hanfsamen und Hanfsamenöl zuhause zu lagern sind, und es beinhaltet auch Rezepte zu Speisen, deren Zubereitung diese enthalten (Pouncy 1994 nach Clarke und Merlin 2013, 207). Hanf zählte gemeinsam mit einigen anderen Getreiden als eines der wichtigsten Exportprodukte Russlands und dies für Jahrhunderte. Speziell in den Jahren von 1758 bis 1762 waren sie Russlands Hauptexportgüter (Davidyan 1972 nach Clarke und Merlin 2013, 207), bis dies schließlich um die Wende zum 20. Jahrhundert stark abnahm, da der inländische Verbrauch stark anstieg und es zur Hauptquelle für essbare Fette wurde.

Besonders die ländliche Bevölkerung in Zentralrussland war darauf angewiesen, denn Rinder- und Schweinefett waren sehr rar (Clarke und Merlin 2013, 207). Die flächenmäßig größte Kultivierung von Cannabis sativa in Russland erfolgte im Jahr 1925 und betrug ungefähr 816.910 Hektar (Grigoryev 2007 nach Clarke und Merlin 2013, 207).

Im Mittelmeerraum und den westlichen Regionen Europas reichen literarische Belege zur Existenz und Nutzung von Hanf auch weit zurück. Laut Butrica (2006) belegen schriftliche Überlieferungen, dass Hanfkuchen (vermutlich der Presskuchen, welcher nach der Ölextraktion überbleibt) bereits im 4. Jahrhundert v. u. Z. konsumiert wurde. Ephippus, ein Dichter von Komödien, verfasste Aufzeichnungen über Snacks, sogenannte Tragêmata, welche während Zusammenkünften (bekannt als Symposia) gereicht wurden, bei denen Männer zusammenkamen, um zu diskutieren, anzugeben, zu feiern und auch sich zu verschwören. Diese Treffen wurden begleitet von Speis und Trank und eine der Speisen war etwas, das den Namen Kannabides trug und ein Zuckerwerk aus Hanfsamen und Honig darstellte (Butrica 2006 nach Clarke und Merlin 2013, 207).

Mehrere Jahrhunderte später erfahren wir durch den bekannten römischen Arzt Claudius Galen, welcher von 129 bis ca. 216 u. Z. lebte, dass auch zu dieser Zeit noch Kuchen verzehrt wurden, welche Hanfsamen beinhalteten, und diese in Leuten ein Gefühl von Begeisterung und Wärme hervorriefen (Clarke und Merlin 2013, 207).

Claudius Galen war ein anerkannter Gelehrter und Schriftsteller, der dem berühmten griechischen Arzt Hippokrates nacheiferte und sogar der Leibarzt Mark Aurels, dem römischen Kaiser von 161 bis 180, war. Seine Schriften hatten einen weiten und langen Einfluss auf medizinische Praktiken in Europa, welcher über seine eigene Zeit hinaus bis ins 16. Jahrhundert reichte. Unglücklicherweise fielen die meisten seiner Werke Bränden zum Opfer. Bekannt ist jedoch, dass Galen in seiner De Facultatibus Alimentorum (Über die Eigenschaften von Nahrungsmitteln) ein Dessert auflistet, das Hanfsamen enthält (Galen 2003; Brunner 1973; Butrica 2006 nach Clarke und Merlin 2013, 207). Serviert wurde dieses Gericht hauptsächlich in der Form kleiner Kuchenstückchen auf Banketten und soll sich großer Beliebtheit erfreut haben. Die beschriebenen Wirkungen nach dem Verzehr umfassten Heiterkeit (Watt 1908; Gerard 1633 nach Clarke und Merlin 2013, 207) und ebenso erhöhtes Durstgefühl und Trägheit, wenn im Übermaß konsumiert (Lewin 1964 nach Clarke und Merlin 2013, 207). Wenn diese Zuckerwaren jedoch, wie von Galen angeführt, Euphorie und Entspannung hervorriefen, dann enthielten sie neben Samen vermutlich auch die Infloreszenzen der Pflanzen, in welchen sich die psychoaktiven Stoffe befinden (Clarke und Merlin 2013, 207).

Auch weiter westlich in Europa wurden frühe Funde von Hanfsamen-Überresten zutage getragen. Eine dieser Fundstätten war am Grunde des Boulou Tals im südwestlichen Frankreich bei der Al-Poux-Stätte und die Hanfsamen-Funde wurden auf die späte Eisenzeit vor ungefähr 2100 Jahren datiert. Gegenwärtig zählt dieser Fund zu den ältesten in Westeuropa (Bouby 2002 nach Clarke und Merlin 2013, 207).

Meerschaert et al. (2007) berichten von Funden von Hanfsamen in den Stadtmauern des 17. Jahrhunderts der Stadt Damme in Westflandern, Belgien (nach Clarke und Merlin 2013, 207). Diese und weitere Hanfsamen-Funde in Belgien, England, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und weiteren westeuropäischen Ländern legen nahe, dass Cannabis sativa spätestens seit dem Mittelalter für die Gewinnung von Fasern, Samen und Öl kultiviert wurde (Clarke und Merlin 2013, 207-208). Im Westen der Niederlande zum Beispiel fand Bakels (2005) alte Hanfsamen in mehreren frühmittelalterlichen Kontexten und verwies daher darauf, dass Cannabis sativa eine weiterverbreitete Kulturpflanze in vor allem feuchteren Regionen dieser Zeit war (Bakels 2005 nach Clarke und Merlin 2013, 208). Hanfsamen wurden an einer Vielzahl an Ausgrabungsstätten gefunden, welche vom 7. Jahrhundert bis ins frühe 20. reichen.

Zumeist wurden sie in Klärgruben gefunden, was darauf hindeutet, dass sie primär zur Produktion von Fasern für Tauwerk und Samen für Öl gepflanzt wurden. Ein niederländisches Beratungsunternehmen dokumentierte in einem Bericht eine durchaus aufschlussreiche archäobotanische Entdeckung, bei der zerstoßene Hanfsamen in einer mittelalterlichen Ausgrabungsstätte in Lochem, einer Gemeinde der niederländischen Provinz Gelderland, gefunden wurden und darauf schließen lassen, dass dies Überreste einer Ölpressung sein könnten (De Man 1996 nach Clarke und Merlin 2013, 208).

Natürlich legte diese uralte Kulturpflanze auch den Weg über den Atlantischen Ozean zurück und schaffte es, in der Neuen Welt Fuß zu fassen. Im Grunde genommen wurde Cannabis sativa in Nordamerika sowohl zur Gewinnung von Samen als auch der Fasern von den Anfängen der Siedler- und Kolonialzeit bis zum Verbot im 20. Jahrhundert angebaut. Osteuropäische Siedler:innen brachten die Hanfsamen mit sich und pflanzten sie, als sie in die weiten Prärie-Regionen emigrierten. Aber nicht nur die osteuropäischen Einwander:innen, welche die Samen zur Erzeugung von frischem Öl, zum Backen oder für

traditionelle Gerichte verwendeten, führten Cannabis mit sich, sondern auch Einwander:innen chinesischer Herkunft, die ohnehin eine lange Historie im Verzehr von Hanfsamen für medizinische und diätische Zwecke hatten (CHTA/ACCC 2004 nach Clarke und Merlin 2013, 208). Nach jahrelangen, mit der Regierung abgesprochenen Studien legalisierte Kanada 1998 wieder den Anbau von Hanf zu Zwecken der Nahrungsmittel- und Fasererzeugung (Clarke und Merlin 2013, 208). Die US-Regierung ließ sich damit 20 Jahre länger Zeit und erst mit Dezember 2018 nahm sie Hanfsorten, welche sehr geringe Konzentrationen des psychoaktiven Bestandteils Delta-9-Tetrahydrocannabinol (nicht mehr als 0,3% im Trockengewicht) aufweisen, von der Liste der kontrollierten Substanzen, auf welcher 1937 alle Cannabis-sativa-Unterarten ungeachtet dessen landeten, ob sie überhaupt als Rauschmittel eingesetzt werden können oder nicht (Abernathy 2019; Clarke und Merlin 2013, 208). Seitdem ist es bundesweit wieder möglich, Hanf als industriell genutzte Kulturpflanze zu kultivieren.

Auch hinsichtlich der psychoaktiven Cultivare gab es bisher (August 2021) im Großteil der Bundesstaaten der USA Veränderungen und Schritte in Richtung Entkriminalisierung bis hin zur Legalisierung (DISA 2021). Dies könnte sich auf den Rest der Welt auswirken, da die USA 1937 ihr Verbot Jahrzehnte vor dem internationalen Verbot 1961 durch die UN-Konvention in Kraft setzten und in der Zeit dazwischen möglicherweise auch stark für ein internationales Verbot plädierten. Ein gegenteiliger Effekt könnte auftreten und internationale Lockerungen könnten die Folge sein, wenn eine einflussreiche Nation diesen Weg vorangeht. Denn das negative Image, mit dem Cannabis sativa zu kämpfen hat, wirkt sich auch auf Industrien und Wirtschaftszweige aus, welche fernab jeglicher psychoaktiven Nutzung positioniert sind.

In Frankreich und Osteuropa war das Kultivieren von Faserhanf-Cultivaren kommerziell während des gesamten späten 20. Jahrhunderts möglich. Jedoch war die Produktion viel zu kostspielig für die Verwendung als Nahrungsmittel. In Nordamerika war Jahrzehnte lang Kanada der einzige Hanfsamenproduzent und die bepflanzte Fläche wuchs von 2370 Hektar 1998 auf 19.458 Hektar im Jahr 2006 an (Alberta Government 2007 nach Clarke und Merlin 2013, 209). Interessanterweise brach der Anbau 2007 wieder auf 11.569 Hektar ein, da es an Verarbeitungseinrichtungen für Schaft und Fasern der Hanfpflanzen

fehlte. Darüber hinaus litt die Kulturpflanze trotz ihres von der Regierung freigegebenen Wiedereinsatzes immer noch unter der Assoziation mit dem schlechten Ruf der mit ihr nah verwandten bewusstseinsverändernden Cultivare, welche gemeinhin als Marihuana bekannt sind (Alberta Government 2007 nach Clarke und Merlin 2013, 209).

Nichtsdestotrotz war der Anbau zur Gewinnung von Samen und Fasern aus Hanf seit 1998 in Kanada wieder erlaubt und zur selben Zeit stieg die Produktion von Hanfsamen auch in Deutschland, Spanien, Frankreich und den Niederlanden wieder an. Durch das Entfernen der knackigen Schale und der Einführung von geschälten Hanfsamen stieg auch das Interesse der Konsument:innen deutlich an. Die nährstoffreichen Samen und das Hanfsamenöl fanden Verwendung in einer breiten Palette an Pflegeprodukten, wie z. B.

Body Lotions, Balsamen, Shampoos und Seifen (Clarke und Merlin 2013, 209).