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3. NÄHRSTOFFZUSAMMENSETZUNG DER SAMEN VON CANNABIS SATIVA

3.6. S EKUNDÄRE P FLANZENSTOFFE

3.6.2. Phenole

Phenole sind sekundäre Stoffwechselprodukte pflanzlichen Ursprungs, welche – wie bereits erwähnt – der Pflanze zum Schutz vor biotischen und abiotischen Stressoren dienen sollen. Darunter fallen der Fraßschutz vor Fressfeinden ebenso wie der Schutz vor UV-Strahlung (Farinon et al. 2020). Dank ihrer chemischen Struktur besitzen Phenole eine natürliche antioxidative Wirkung und schützen Zellbestandteile vor oxidativen Stress, was das Risiko vor mit diesem im Zusammenhang stehenden degenerativen Erkrankungen mindert. Tatsächlich können Phenole im menschlichen Körper eine Vielzahl an physiologischen Aktivitäten ausüben, welche unter anderem entzündungshemmende und Herz-Kreislauf schützende Wirkungen aufweisen. In der Literatur angeführte Angaben zu der antioxidativen Wirksamkeit von Phenolen sind häufig schwer miteinander vergleichbar, da unterschiedliche Extraktions- und Analysemethoden zum Einsatz kommen und unterschiedliche Mengen an Referenzverbindungen verwendet werden (Farinon et al. 2020).

Die antioxidative Wirksamkeit der Phenole in Hanfsamen wurde insbesondere an Hanfsamenöl getestet. Die am meisten darin vorhandenen Antioxidantien sind Tocopherole (Vitamin E), welche durch ihre -isoformen gemeinsam mit anderen Phenolverbindungen dem Hanfsamenöl seine hohe oxidative Stabilität verleihen, und das trotz seines hohen Gehalts an leicht oxidierbaren, ungesättigten Fettsäuren (Farinon et al. 2020). Tatsächlich konnte bewiesen werden, dass kaltgepresstes Hanfsamenöl eine hervorragende Quelle für Antioxidantien ist und dadurch das Potential für Gesundheitsförderung und Prävention von durch oxidativen Stress ausgelösten Krankheiten mit sich bringt (Farinon et al. 2020). Beispiele solcher Erkrankungen wären Arteriosklerose, Alzheimer, rheumatoide Arthritis und Dermatitis, auf welche im folgenden Kapitel genauer eingegangen wird.

Smeriglio et al. (2016) veröffentlichten eine detaillierte Evaluation der Polyphenol-Zusammensetzung aus kaltgepresstem Hanfsamenöl und deren antioxidativen Eigenschaften. Sie untersuchten dafür Öl, das aus den Samen der Sorte Finola gewonnen wurde, und fanden heraus, dass im Öl dieses Cultivars vor allem Flavonoide wie z.B.:

Flavanone, Flavanole, Flavonole und Isoflavone vorkommen (nach Farinon et al.

2020,24). Auch Faugno et al. (2019) untersuchten das kaltgepresste Öl einer Hanfsamen-Sorte (Uso 31) hinsichtlich ihres Polyphenol-Profils und welche Auswirkung landwirtschaftliche Praktiken auf dessen Mengenverhältnis haben (nach Farinon et al.

2020, 24). Dabei fanden sie heraus, dass die Produktion von Polyphenolen am höchsten war, wenn bereits vor der Aussaat gedüngt wurde und die Pflanzendichte 60 Pflanzen/m2 betrug. Eine Halbierung der Dichte führte zu einer Abnahme an produzierten phenolischen Stoffen. An Phenolen waren die am meisten vertretenen Stoffe Dihydroxybenzoesäure, Caftarsäure isomere, p-Cumarsäure, Caffeoyltyramine und N-Feruoyltyramine. Vertreter aus der Familie der Flavonoide waren Isorhamnetin, Kaempferol und Quercetin Glykoside (Faugno et al. nach Farinon et al. 2020, 24). Auch hinsichtlich des Gehalts unterschiedlicher Polyphenole bestätigt sich wieder der Einfluss biotischer und abiotischer Faktoren, ebenso wie Anbaujahr und Genotyp der Pflanze, welcher von Irakli et al. (2019) nachgewiesen wurde (nach Farinon et al. 2020). Dennoch stellte sich heraus, dass der Gesamtphenolgehalt am stärksten von den Umwelt- und Standortbedingungen und dem Anbaujahr beeinflusst wurde (Farinon et al. 2020).

Obwohl Tocopherol als das primäre Antioxidant in Hanfsamenöl angeführt wird, trifft dasselbe nicht auf ungeschälte Hanfsamen zu. Irakli et al. (2019) fanden heraus, dass die antioxidative Wirkung von ganzen Hanfsamen hauptsächlich auf die phenolischen Bestandteile und nicht dem Tocopherol zurückzuführen ist (nach Farinon et al. 2020).

Auch die Erkenntnisse von Chen et al. (2012) unterstützen diese Ergebnisse, da sie herausfanden, dass die Bindung freier Radikale in positiver Verbindung zum Gesamtgehalt an Phenolen steht (Farinon et al. 2020). Der Grund für den Unterschied der antioxidativen Wirkung zwischen Öl und ganzen Samen könnte daran liegen, dass Polyphenole polare, wasserlösliche Bestandteile sind und daher bei der Extraktion hauptsächlich im zurückbleibenden Mehl verbleiben und nicht mit dem Öl gelöst werden.

Im Gegenteil dazu werden die fettlöslichen Tocopherole sehr wohl mit samt dem Öl aus den Samen gepresst und sind daher in größerer Menge im Hanföl vorzufinden als im verbleibenden Mehl (Farinon et al. 2020). Auch Siano et al. (2018) und Moccia et al.

(2019) untersuchten die Fähigkeit der freien Radikal-Bindung von Hanfsamenöl, Hanf-Mehl und ganzen Hanfsamen und kamen zu vergleichbaren Ergebnissen wie Irakli et al.

(2019) (Farinon et al. 2020). Im Vergleich zu Leinsamen, einem weitreichend bekannten Vertreter der Ölsamen, weisen Hanfsamen eine leicht erhöhte Gesamtmenge an Polyphenolen auf. So enthalten Leinsamen zwischen 4,64–9,40 mg Kaffeesäure Equivalent (CAE)/g Trockengewicht entfetteter Leinsamen, in Hanfsamen findet man 5,88–10,63 mg CAE/g Trockengewicht entfetteter Hanfsamen (Galasso et al. nach Farinon et al. 2020).

Die meisten Polyphenole sind in der Schale der Samen von Cannabis sativa vorzufinden und bestehen zu einem großen Teil aus Vertretern der Stoffgruppe der Lignane mit ihrer Biosynthese im Shikimisäureweg (Mattila et al. 2018; Pojić et al. 2014; Chen et al. 2012 nach Farinon et al. 2020). Auch Smeds et al. (2012) bestätigen das und fanden zudem heraus, dass der Gehalt an Lignanen in geschälten Hanfsamen lediglich 1 % des Gesamtgehalts ausmacht (nach Andre et al. 2016). Im Detail sind Lignane Derivate der Zimtsäure, welche biochemisch mit dem Stoffwechsel von Phenylalanin in Verbindung stehen. Daher werden Lignane aus Hanfsamen auch oft als Phenylproprionamide bezeichnet, da ihre beiden Hauptbestandteile den Lignanamiden und Phenylamiden entstammen (Irakli et al. 2019 nach Farinon et al. 2020). Lignanamide entstehen durch eine zufällige Polymerisation von Phenylamiden. Phenylamide hingegen bestehen aus einem Amin-Teil, dem Tyramin, welches durch die oxidative Decarboxylierung von Tyrosin entsteht, und einem Phenol-Teil, einer Hydroxyzimtsäure, wie z.B.: Ferula-, Cumar- oder Kaffeesäure (Farinon et al. 2020). Einige dieser Phenole wurden bisher lediglich in Cannabis sativa gefunden. Mehr als 20 unterschiedliche Phenylpropionamide konnten aus Hanfsamen isoliert werden, von denen die meisten Lignanamide sind (Farinon et al. 2020). Zwei dieser Lignane aus Hanfsamen konnten von Chen et al. (2012) isoliert werden und es zeigte sich, dass diese sowohl eine starke in vitro Wirkung gegen freie Radikale aufweisen als auch einen schützenden Effekt vor der Oxidation von menschlichem LDL in einem Ethanolextrakt aus Hanfsamen-Schale (nach Farinon et al.

2020). Die beiden eben erwähnten Komponenten waren das Phenylamid N-trans-Caffeolyltyramin und das Lignanamid-Cannabisin-B. Sie sind die mengenmäßig zahlreichsten Phenole in der Schale von Hanfsamen. Pojić et al. (2014) zeigten darüber hinaus, dass die am zahlreichsten vorhandenen Polyphenole in den Kotyledonen, dem inneren Teil der Samen, p-Hydroxybenzoesäure und Catechin waren (nach Farinon et al.

2020). Weitere Phenylpropionamide, die in Hanfsamen unterschiedlicher Cultivare vorgefunden wurden, waren Cannabisin A, Cannabisin F und Grossamid (Irakli et al. 2019;

Mattilla et al. 2018 nach Farinon et al. 2020). In einer weiteren Studie von Yan et al.

(2015) konnten 14 für Hanfsamen charakteristische Phenole isoliert werden, von welchen 12 Lignanamide waren (nach Farinon et al. 2020). Weitere Phenylpropionamide, die aus Hanfsamen isoliert werden konnten, waren Cannabisin Q, Cannabisin I und Cumaroylaminobutanol Glucopyranoside (CLG) (Bourjot et al. 2017; Zhou et al. 2018 nach Farinon et al. 2020).