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4. GESUNDHEITSFÖRDERNDE WIRKSAMKEIT VON CANNABIS SATIVA UND IHRE WIRKSAMKEIT BEI

4.2. E RKRANKUNGEN DES ZENTRALEN N ERVENSYSTEMS

Wie bereits im Kapitel über Phenole erwähnt, weisen die meisten phenolischen Bestandteile eine hohe freie-Radikale-bindende Aktivität auf und die phenolischen Amide zeigten in In-vitro-Studien eine Hemmung des Acetylcholinesterase-Enzyms, wodurch sie Eigenschaften ähnlich des Galantamins aufweisen, welches in Medikamenten gegen milde bis moderate Verläufe von Alzheimer eingesetzt wird (Yan et al. 2015 nach Farinon et al. 2020). Unter den phenolischen Amiden, welche aus Hanfsamenmehl extrahiert wurden, erwies sich N-trans-Caffeoyltyramin als jenes mit der höchsten antioxidativen Wirkung und Arginasehemmung. Die Hemmung von Arginase könnte die Bioverfügbarkeit von Stickstoffmonoxid erhöhen und damit die Funktionalität der inneren Gewebeschicht von Blutgefäßen (dem Endothel) verbessern. Es kann überdies oxidativen Stress reduzieren, welcher eine Schlüsselrolle im Auftreten und Voranschreiten von Endothel-Dysfunktionen und dadurch in vielen verschiedenen Krankheiten innehat (Bourjot et al. 2017 nach Farinon et al. 2020). Die wesentlichsten Wirkungen der Phenylproprionamide aus Hanfsamen sind ihre neuroprotektive und entzündungshemmende Aktivität. Zhu et al. (2018) isolierten und beschrieben die chemischen und funktionellen Eigenschaften zweier bisher nur in Hanfsamen bekannter bioaktiver Bestandteile, dem Sativamid A und B. Diese beiden chemischen Bestandteile sollen sich aus N-trans-Caffeoyltyramin ableiten und bei der Behandlung menschlichen Neuroblastoms den Zelltod durch Stress des Endoplasmatischen Retikulums reduzieren, welcher eine große Rolle bei neurodegenerativen Krankheiten – wie z. B. Alzheimer und Parkinson – spielt (Zhu et al. 2018 nach Farinon et al. 2020). In einer anderen Studie von

Maiolo et al. (2018) wurde ebenso die neuroprotektive Wirkung verschiedener natürlich vorkommender Wirkstoffe getestet, unter welchen sich auch N-trans-Caffeoyltyramin aus Hanfsamen befand. In den Ergebnissen zeigte sich, dass 150 µM dieses phenolischen Amids den von durch bis zu 150 µM Wasserstoffperoxid (H2O2) herbeigeführten Zelltod verhindern konnte, welcher eigentlich durch oxidativen Stress und mitochondriale Dysfunktion eintreten sollte und eine Begleiterscheinung von Parkinson ist (Maiolo et al.

2018 nach Farinon et al. 2020).

Die neuroprotektive Wirkung der verschiedenen sekundären Pflanzenstoffe in Hanfsamen scheint sich auch auf Mikrogliazellen auszuwirken, welche die Immunzellen des zentralen Nervensystems und verantwortlich für Immunreaktionen im Gehirn sind.

Mikrogliazellen spielen eine wichtige Rolle bei Entzündungen und Infektionen des Gehirns und eine anhaltende bzw. übermäßige Aktivierung dieser Zellen steht oft in Verbindung mit neuronalen Schäden und dem Ausbruch neurodegenerativer Krankheiten wie Multiple Sklerose, Alzheimer und auch Parkinson. Für all diese Krankheiten bzw. Syndrome sind oxidativer Stress und chronische Entzündungen charakteristisch (Farinon et al. 2020). Um herauszufinden, wie sich bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe auf diese Symptomatik(en) auswirken, untersuchten Zhou et al. (2018) die neuroprotektive und anti-neuroinflammatorische Wirkweise von 20 verschiedenen phenolischen Bestandteilen, die sie aus Hanfsamen isolierten, auf die Freisetzung des Zytokins Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha). Dabei entdeckten sie, dass unter den analysierten Phenylpropionamiden die Lignanamide die höchste Hemmung des TNF-alpha aufwiesen (Zhou et al. 2018 nach Farinon et al. 2020). Zu den bisher am besten untersuchten zählen Cannabisin F, Grossamid und Cumaroylaminobutanol Glucopyranoside (CLG). Alle drei Lignanamide reduzierten in Studien die Ausschüttung der entzündlichen Zytokine IL-1beta, IL-6 und Talpha durch die Inaktivierung des

NF-KB-Signalwegs, welcher für die Regulation einer Immunantwort von größerer Bedeutung ist, in unterschiedlichen Stufen (Farinon et al. 2020). Darüber hinaus erwiesen sich Cannabisin F und CLG als fördernde Faktoren in der Bildung eines für die Modulierung der Redox-Homöostase wichtigen Proteins (Nrf2), welches die zelluläre antioxidative Antwort auf reaktive Sauerstoffspezies (ROS) reguliert und antioxidativen Stress abschwächt. Für gewöhnlich befindet sich dieses Protein im Cytoplasma der Zellen,

jedoch im Fall oxidativer Reize wird Nrf2 in den Zellkern befördert und aktiviert in diesem Gene, welche für die antioxidative Abwehr zuständig sind. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass trotz der Stimulation von Lipopolysacchariden (LPS), die zu einer erhöhten Produktion reaktiver Sauerstoffspezies durch Mikrogliazellen führen, die Vorbehandlung mit Cannabisin F oder CLG den Nrf2-Signalweg ankurbelt und damit eine antioxidative Wirkung ausübte (Wang et al. 2019 nach Farinon et al. 2020).

Die neuroprotektive und anti-neuroinflammatorische Wirkung der in Hanfsamen enthaltenen Phenole wurde auch in unterschiedlichen In-vivo-Studien an Mäusen nachgewiesen. Die positiven Effekte traten bereits nach drei Wochen Behandlung mit Hanfsamenextrakt in der verabreichten Menge von 1g/kg/Tag auf. Die positive Wirkung zeigte sich durch eine Reduktion in der Ausschüttung der entzündlichen Zytokine IL-1beta, IL-6 und TNF-alpha im Gehirn der Versuchstiere und sowohl in der Prävention des durch Lipopolysaccharide verursachten Schadens an Nervenzellen des Hippocampus als auch in einer verbesserten Lernfähigkeit, Gedächtnisfunktion und allgemeinen kognitiven Funktion der Tiere (Zhou et al. 2018 nach Farinon et al. 2020).

Die orale Einnahme von Hanfsamenöl wirkte sich auch positiv auf die Behandlung von an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Mäusen aus, einer chronisch entzündlichen und neurodegenerativen Krankheit, welche sich durch eine weitläufige Demyelinisierung, der Verlust der die Nervenzellen umhüllenden und isolierenden Myelinschicht durch Angriff körpereigener Immunzellen, charakterisiert. Hanfsamenöl kann aufgrund seiner immunmodellierenden Wirksamkeit, insbesondere durch eine entzündungshemmende Wirkung, eine Verbesserung der Remyelinisierung der Myelinscheiden im Gehirn hervorrufen und somit eine schützende Wirkung auf das zentrale Nervensystem (ZNS) haben. Diese schützende Wirkung auf das Gewebe des zentralen Nervensystems scheint eine Folge der Aufnahme von Omega-3-PUFAs und der Omega-6-PUFA GLA zu sein. Die Senkung sowohl des Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnisses als auch die Aufnahme von SFAs scheinen Faktoren zu sein, welche fähig sind, Signalwege zu regulieren und eine Veränderung von Immunantworten von entzündungsfördernd zu entzündungshemmend hervorzurufen, wodurch die chronische Entzündungserscheinung abnimmt, die ein wichtiger Faktor für den weiteren Verlauf und die Entwicklung von Multipler Sklerose ist

(Rezapour-Firouzi et al. 2018; Rezapour-Firouzi et al. 2019 nach Farinon et al. 2020).

Jedoch ist es wichtig zu erwähnen, dass in einigen dieser von Farinon et al. (2020) gesammelten und zusammengefassten Daten Hanfsamen in Kombination mit anderen Pflanzen bzw. pflanzlichen Mitteln verabreicht wurden, wie beispielsweise Gemüse-Gänsedistel (Sonchus oleraceus) bei Li et al. (2018) und Öl der gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis) bei Rezapour-Firouzi et al. (2018; 2019). Daher kann in diesen Fällen nicht mit absoluter Sicherheit geschlussfolgert werden, dass die gesundheitsfördernden Wirkungen ausschließlich auf die Aufnahme von Hanfsamen und aus Hanfsamen abgeleiteten Produkten zurückzuführen ist; möglicherweise ist es doch die gemeinsame Wirkung der verabreichten Supplemente (Farinon et al. 2020).