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2. ZUR PFLANZE CANNABIS SATIVA

2.2. E INE KLEINE G ESCHICHTE DES H ANFES

2.2.1. Erster Kontakt mit Menschen

Die ersten Kontakte zwischen Menschen und Cannabis sativa stammen vermutlich aus einer Zeit, noch bevor Menschen wussten, wie man Pflanzen kultiviert oder Tiere domestiziert. In ihrem Buch Cannabis: Evolution and Ethnobotany verorten Clarke und Merlin (2013) die Pflanze in einer historischen Zeit, in welcher sich menschliche Gruppierungen im Übergang vom Dasein als Jäger:innen und Sammler:innen zur Agrikultur befanden. Darüber hinaus stellen sie die Hypothese auf, dass Cannabis sativa als eine der ältesten Kulturpflanzen sogar eine Rolle darin gespielt haben könnte, wie einige kleine Menschengruppierungen durch Zufall die Möglichkeit entdeckten, für sie nützliche Pflanzen gezielt anzubauen (Clarke und Merlin 2013, 1).

Während der uns bekannte Ursprung der Mensch-Cannabis-Beziehung (verhältnismäßig) leichter durch Funde rekonstruierbar ist, erschwert gerade die zeitlich weit zurückreichende Beziehung die Rückverfolgung des tatsächlichen Ursprungs der Pflanze selbst, da sie dadurch ein sehr weites Verbreitungsgebiet besitzt. Aber auch unvollständige fossile Funde erschweren diese Datierung zusätzlich. Die allgemeine, für lange Zeit geltende Vermutung war – beruhend auf Wildpflanzen-Beständen – dass Cannabis sativa ihren endemischen, aber auch Kultivierungsursprung in Zentralasien habe, wo demnach auch der erste Kontakt mit Menschen vermutet wurde (Clarke und

Merlin 2013, 26). Ergebnisse aus einer zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Arbeit erst kürzlich veröffentlichten Studie liefern jedoch neue wissenschaftliche Erkenntnis darüber und versetzen den möglichen Ursprungsort der Pflanze als auch den der Mensch-Cannabis-Beziehung nach Ostasien, in die frühe Jungsteinzeit des heutigen nördlichen Chinas vor ungefähr 12.000 Jahren nämlich (Ren et al. 2021). Diese Theorie wurde bereits von Vavilov (1949-51) und etwas später auch Harlan (1975) vertreten, welche sich beide im Konsens darüber befanden, dass die eurasischen Steppen ein eher unbedeutender Ort für den Beginn von Domestizierungen und eine darauffolgende Landwirtschaft waren.

Daher vermuteten sie, dass die ursprüngliche Heimat des Hanfes im nördlichen China lag (nach Clarke und Merlin 2013, 86), was durch die Forschung von Ren et al. (2021) nun auch bestätigt wurde.

In ihrer Studie verwendeten Ren und Kolleg:innen (2021) Sequenzierungen des vollständigen Genoms von 110 verschiedenen Hanfpflanzenarten weltweiten Ursprungs, um das gesamte Spektrum wild wachsender Arten, historischer Cultivare und moderner Hybride, von sowohl THC-reichem als auch Faserhanf zu erfassen, und legten dabei einen besonderen Fokus auf Zentral- und Ostasien, da dort der Ursprung der Domestizierung der Pflanze vermutet wird (Small 2015; Clarke und Merlin 2013 nach Ren et al. 2021).

Tatsächlich stimmten alle DNA-Sequenzen mit dem Genpool einer wilden bzw.

verwilderten Art überein, welche auch heute noch im Nordwesten Chinas zu finden ist.

Dies lässt darauf schließen, dass alle heutigen Varietäten auf den Genpool eines domestizierten Vorfahren aus dieser Region in Ostasien zurückzuführen sind, dessen genetisch nächste Nachfahren noch heute als Wild- bzw. verwilderte Pflanzen in China wachsen. Diese Erkenntnis stimmt auch mit archäobotanischen Funden aus dieser Region überein (Ren et al. 2021). Die Beschreibung der wild wachsenden Cannabis Unterarten als möglicherweise verwildert rührt daher, dass es bei so alten Kulturpflanzen oft schwer ist, eindeutig festzustellen, ob es sich um eine tatsächliche Wildart oder eine aus der Kultivierung entkommene und wieder verwilderte Art handle. Dies trifft besonders auf eine Pflanze wie Cannabis sativa zu, die sehr geschickt darin ist, sich an eine Vielzahl gemäßigter und subtropischer Klimata anzupassen (Clarke und Merlin 2013, 18).

Interessant ist auch, dass mit dieser Entdeckung die Liste der antiken Domestizierungen in Ostasien um einen weiteren Vertreter ergänzt wird, denn aus diesem Teil der Welt

stammen unter anderem auch Kulturpflanzen wie z. B. Soja, Reis, Kolbenhirse, der Pfirsich und die Aprikose (Doebley et al. 2006; Gepts 2014; Larson et al. 2014 nach Ren et al. 2021).

Zum ursprünglichen Nutzen, den unsere Vorfahren aus Cannabis sativa zogen, gibt es verschiedene Theorien und die Frage, ob es zuerst als Faser, Nahrung oder wegen seiner psychoaktiven Wirkung verwendet wurde, ist nicht vollends geklärt. Dennoch sollte erwähnt werden, dass die Nutzung als Droge für bewusstseinsverändernde oder spirituelle Erfahrungen vermutlich der Verwendung als Faser- und Nahrungsquelle nachzureihen ist (Clarke und Merlin 2013, 6 und 32). Eine Hypothese ist, dass aufgrund des unterschiedlich schnell voranschreitenden Verrottungsprozesses der Bestandteile des Sprosses die resistenteren, langen Fasern freigelegt werden und so von frühen Menschen gefunden und zur Herstellung von Tauwerk, Netzen oder anderer Gegenstände verwendet werden konnten (Clarke und Merlin 2013, 32). Klar ist jedenfalls, dass Cannabis sativa seit Jahrtausenden zur Fasergewinnung genutzt wird und auf sie als eine der ältesten, kultivierten Faserpflanzen verwiesen wird (Small et al. 1975;

Damania 1998 nach Clarke und Merlin 2013, 33).

Andererseits gibt es auch Theorien, dass Hanf vor der Verwendung als Faserpflanze bereits als Nahrungsmittel diente. Im Altertum des nördlichen Chinas zählten Hanfsamen gemeinsam mit zwei Hirse Arten (Setaria italica und Panicum miliaceum) und Buchweizen (Fagopyrum esculentum) zu den vier wichtigsten Feldfrüchten. Dies hielt an bis zur Kultivierung und Verbreitung von Reis (Oryza sativa) und der Sojabohne (Glycine max), welche beide vor ungefähr 3000 Jahren eingeführt wurden. In Gegenden, in welchen bereits andere Faserpflanzen existierten, wie z.B. in Südasien die Abacá (Musa textilis) oder Jute (Corchorus spp), wurde Cannabis sativa selten als Faserpflanze verwendet, weshalb von dort auch keine Faser Varietäten stammen (Clarke und Merlin 2013, 33).

Es geht jedenfalls deutlich hervor, dass die mannigfaltigen Nutzungsmöglichkeiten von Cannabis sativa sie verständlicherweise als eine kostbare und essenzielle Ressource für eine sich gerade erst niederlassende Menschheit positionierte. Darüber hinaus formte sie, als eine der ältesten Kulturpflanzen, die Geschichte eines Teils der Menschheit

maßgeblich mit und es wird davon ausgegangen, dass sie sich vermutlich durch ihre denkbare Teilhabe an der Entdeckung des bewussten Anbaus einer Pflanze zur Produktion von Nahrung und anderen Rohstoffen am Legen des Grundsteins für die Entwicklung der Landwirtschaft einiger früher Kulturen beteiligte und damit in weiterer Folge auch an der Entstehung von Städten, Staaten und Zivilisation (Clarke und Merlin 2013, 30-31). Wo der tatsächliche Ursprung der Landwirtschaft liegt, ist jedoch noch nicht gänzlich geklärt und es gibt gegenwärtig auch keine definitive Antwort auf diese Frage. Auskünfte hierzu finden sich nur in Theorien, welche auf geschichtlichen Rekonstruktionen von archäologischen Funden und kulturellen Überlieferungen beruhen.