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3. NÄHRSTOFFZUSAMMENSETZUNG DER SAMEN VON CANNABIS SATIVA

3.7. I NHIBIERENDE K OMPONENTEN DER N ÄHRSTOFFAUFNAHME

Als inhibierende Komponenten der Nährstoffaufnahme werden Bestandteile in Nahrungsmitteln bezeichnet, welche die biologische Verfügbarkeit von Nährstoffen oder die Nahrungsmittelaufnahme selbst reduzieren, aber auch jene, die, wenn verstoffwechselt, verantwortlich sind für die Freisetzung toxischer Stoffe und dadurch die Leistung des Stoffwechsels oder des Gastrointestinaltrakts beeinträchtigen. Zu solchen chemischen Stoffen zählen z.B.: Phytinsäure, bestimmte Oligosaccharide, cyanogene Glykoside, Alkaloide, Saponine, Proteasehemmer, Tannine und Glucosinolate.

In Hanfsamen konnten einige dieser Stoffe nachgewiesen werden, auf welche in den folgenden Kapiteln eingegangen wird (vgl. Farinon et al. 2020)

3.7.1. Phytinsäure

Die Hauptspeicherform und der primäre Speicher für Phosphor in Pflanzen ist Phytinsäure (PA); sie stellt ungefähr 60-70 % des gesamten Phosphors in Ölsamen, Getreidekörnern, Nüssen und Hülsenfrüchten dar und beträgt zwischen 1-5 % des Gesamtgewichts dieser (Gupta et al. 2015 nach Farinon et al. 2020). Phytinsäure besteht aus chemischer Sicht aus einem Inosit (ein sechswertiger cyclischer Alkohol), welcher mit sechs Phosphatgruppen verestert ist, unter welchen keine Verbindung besteht, und ist somit eine Hexaphosphorsäureester des Inosits (IP6). Durch ihre 12 ersetzbaren Protonen ist es der Phytinsäure möglich, mehrwertige Kationen (wie z.B. Ca2+, Zn2+, Cu2+, Fe2+/3+, Mn2+ und Mg2+), Stärke über Wasserstoffbrücken und positiv geladene Eiweiße zu binden und unlösliche Komplexe zu formen, welche Phytat genannt werden (Bohn et al.

2008 nach Farinon et al. 2020). Diese unlöslichen Phytat-Komplexe können von monogastrischen Organismen, wie es der Mensch ist, nicht verdaut werden, da ihnen Phytat abbauende Enzyme im Gastrointestinaltrakt für die Aufschließung dieser Komplexe fehlen. Durch die Bildung dieser Mineral- und Protein-Komplexe, welche die Verfügbarkeit der sowohl endogenen als auch über die Nahrung zugeführten Nährstoffe senkt, wird Phytinsäure als nährstoffhemmend angesehen (Farinon et al. 2020). Es darf jedoch davon ausgehend nicht angenommen werden, das Phytinsäure einen rein negativen Einfluss auf die Ernährung hat. Phytinsäure weist eine Reihe an Wirkungen auf, die im Zusammenhang mit der Prävention und Behandlung verschiedener, durch Oxidationsprozesse ausgelöster Erkrankungen und auch Krebs stehen. Es wird vermutet, dass dieser Effekt auf die Eigenschaft zurückzuführen ist, dass Phytinsäure einen Überschuss an Fe+-Ionen verhindert, indem sie die Bildung von Eisen induzierten Hydroxyl-Radikalen (–OH) unterbindet und dadurch Lipidperoxidation und die Oxidation anderer biologisch verfügbarer Moleküle stark unterdrückt (Farinon et al. 2020). Es gibt bis dato noch keine eindeutigen Empfehlungen dahingehend, in welcher Menge Phytinsäure aufgenommen werden sollte. Klar ist jedoch, dass der Gehalt dieser im Verdauungstrakt hoch genug sein sollte, um die positiven Wirkungen entfalten zu können; gleichzeitig aber sollte dieser niedrig genug sein, um die Bioverfügbarkeit von Proteinen und Mineralien nicht zu behindern (Farinon et al. 2020).

Russo und Reggiani (2015) empfehlen die Reduzierung des Phytinsäure-Gehalts auf maximal 0,45 g/100 g entfetteter Samenmasse (nach Farinon et al. 2020). Farinon et al.

(2020) sammelten die Daten aus verschiedenen Studien in einer Tabelle und kamen zum Ergebnis, dass die Menge an Phytinsäure in Hanfsamen zwischen 4-8 % des entfetteten Trockengewichts liegt (Farinon et al. 2020). Im Vergleich dazu besitzt Soja einen Gehalt an Phytinsäure von ca. 2 % der Gesamtmasse. Auch am Beispiel dieses Inhaltsstoffs zeigte sich abermals, dass die Menge an Phytat von den bereits mehrmals erwähnten Faktoren wie Genotyp, monözische oder diözische Varietäten und Anbaujahr signifikant beeinflusst wird (Farinon et al. 2020). Es zeigte sich auch, dass der Gehalt an Phytinsäure im Vergleich zu anderen Ölsamen, Pseudogetreiden und Hülsenfrüchten in Hanfsamen am höchsten ist. So formen zwar unter diesen drei Gruppen die Ölsamen generell die Gruppe mit dem höchsten Gehalt an Phytinsäure, an der Spitze dieser stehen aber dennoch Hanfsamen (Farinon et al. 2020).

3.7.2. Kondensierte Tannine

Kondensierte Tannine (CTs) sind allgegenwärtige pflanzliche Gerbstoffe, welche insbesondere aus Flavonoid Oligomeren bestehen und auch als Oligomere Proanthocyanidine bezeichnet werden. Sie werden unter anderem als Nährstoffaufnahme hemmende Stoffe gesehen, da sie unlösliche Verbindungen mit Mineralien und Proteinen eingehen und dadurch die Aufnahme von Stickstoff-Verbindungen und Mineralien negativ beeinflussen, wodurch natürlich eine Minderung des Nährstoffwerts von Nahrungsmitteln entsteht (Russo und Reggiani 2015 nach Farinon et al. 2020). Des Weiteren können kondensierte Tannine – je nach Konzentration – auch den Geschmack von Lebensmitteln beeinträchtigen (Farinon et al. 2020).

Nichtsdestotrotz besitzen sie als Phenole auch eine Reihe an gesundheitsfördernden Wirkungen und agieren unter anderem als Antioxidantien. Sie weisen eine Herz-Kreislauf schützende, anti-mikrobielle, anti-karzinogene und anti-diabetische Wirkung auf (Mattila et al. 2018 nach Farinon et al. 2020). Obwohl der Gehalt an kondensierten Tanninen in Hanfsamen-Mehl höher ist als in anderen pflanzlichen Quellen – z.B. enthält Soja 10 mg/100 g – befindet er sich dennoch unter dem Schwellenwert von 1 % der Trockenmasse und beeinträchtigt damit weder den Geschmack noch ist er gesundheitlich

bedenklich (Russo und Reggiani 2013 nach Farinon et al. 2020). In ihrer in 2015 durchgeführten Studie fanden Russo und Reggiani (2015) heraus, dass auch der Gehalt an CTs in monözischen und diözischen Cultivaren variiert und in den diözischen nur in halb so hoher Menge vorzufinden ist wie in den monözischen (nach Farinon et al. 2020).

Dahingegen untersuchten Mattila und Team (2018) den CCT-Gehalt in ganzen Hanfsamen und auch in der Schale alleine. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass der Wert an kondensierten Tanninen in der Schale einen geringen, aber dennoch vorhandenen Unterschied aufweist mit 105 ± 4 mg/100 g in der Schale alleine und 144 ± 5 mg/100 g im gesamten Hanfsamen. Sie fanden auch heraus, dass sich die kondensierten Tannine in Hanfsamen fast ausschließlich aus aus Epicatechin produzierten Polymeren wie z.B.

Procyanidin zusammensetzen (Mattila et al. 2018 nach Farinon et al. 2020, 22).

3.7.3. Trypsin-Inhibitoren

Protease-Inhibitoren, wie jene, welche die Aufnahme der Aminosäure Trypsin im Dünndarm hemmen, sind in verschiedenen Gemüse-, Samen- und Getreidesorten – unter anderem eben auch in Hülsenfrüchten und Nüssen – enthalten. Diese negative Auswirkung auf den Nährstoffgehalt in den Nahrungsmitteln für Mensch und Tier soll der Pflanze sowohl als Schutz vor mikrobiellen Proteinasen dienen als auch zur Regulation eigener, endogen produzierter Proteinasen (Farinon et al. 2020). Trypsin Inhibitoren (TIs) verringern aus ernährungstechnischer Perspektive die Verdaulichkeit von in Nahrungsmitteln enthaltenen Proteinen und senken somit auch die Bioverfügbarkeit von Aminosäuren, da sie unverändert den Magen passieren, durch ihre Resistenz gegenüber eines niedrigen pH-Werts und Pepsin (Francisco und Pinotti 2000 nach Farinon et al.

2020). Im Dünndarm angelangt hemmen sie die biologische Aktivität der Verdauungsenzyme Chymotrypsin und Trypsin (Farinon et al. 2020). Beide dieser Enzyme sind von besonderer Wichtigkeit für die Aufspaltung von Eiweißen in lebenden Organismen. Ihre Aktivität wird durch Trypsin-Inhibitoren gehemmt, indem diese eine irreversible Bindung mit den Verdauungsenzymen eingehen und einen Trypsin/Chymotrypsin-Enzym-TI-Komplex bilden (Farinon et al. 2020). Trypsin-Inhibitoren wurden bisher hauptsächlich in Hülsenfrüchten untersucht – insbesondere Sojabohnen sind sehr reich an diesen chemischen Stoffen. Guillamón und Team (2008)

teilten diese Hülsenfrüchte nach ihrem Gehalt an TIs in drei verschiedene Gruppen ein.

Die Gruppe mit dem höchsten Gehalt beinhaltet z.B. verschiedene Sojaarten (Glycine max) mit einem TI-Gehalt von 43-84 Enzymaktivität (U)/mg. Die Gruppe mittleren Gehalts beinhaltet Sorten mit einem Gehalt von 17-51 U/mg wie er z.B. in der Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) vorzufinden ist; in der Gruppe mit dem niedrigsten Gehalt finden sich Pflanzen wie z.B. Linsen (Lens culinaris) und Favabohnen (Phaseolus vulgaris) mit einem Gehalt von 3-10 U/mg (nach Farinon et al. 2020).

Es wurden aber auch einige Untersuchungen zu Nährstoff inhibierenden Bestandteilen in Ölsamen wie Leinsamen oder der Inka-Erdnuss, Sacha inchi (Plukenetia volubilis), durchgeführt, welche Farinon et al. (2020) mit den Erkenntnissen der Untersuchungen an Hülsenfrüchten verglichen. Dabei kamen sie zum Schluss, dass man Hanfsamen, welche einen TIs-Gehalt zwischen 10,8-28,4 U/mg aufweisen (abhängig von Varietät und Standortbedingungen) (Galasso et al. 2016; Russo und Reggiani 2013; 2015 nach Farinon et al. 2020), der Gruppierung von Guillamón et al. (2008) nach in die Gruppe mittleren Gehalts mit Gartenbohnen einzugliedern wären (Farinon et al. 2020). Pojić et al. (2014) heben hervor, dass der Teil der Hanfsamen mit dem Großteil der Trypsin-Inhibitor-Aktivität der Kern ist, welcher hauptsächlich aus den Keimblättern besteht. Im Vergleich dazu ist der Anteil in der Hülle der Samen gering (nach Farinon et al. 2020). Im Kontrast dazu zeigten sich in der Studie von Mattila et al. (2018) in der Aktivität der TIs kaum Unterschiede zwischen Kern und Hülle der Samen, was sie zum Schluss führte, dass TIs gleichmäßig im gesamten Hanfsamen verteilt sind (nach Farinon et al. 2020).

3.7.4. Cyanogene Glykoside

Cyanogene Glykoside sind stickstoffhaltige Produkte des sekundären Stoffwechsels und dienen der Pflanze zum Schutz vor Pflanzenfressern. Die Menge dieser, von der Pflanze produzierten Glykoside steht sowohl im Zusammenhang mit der Art und dem Alter der Pflanze als auch mit ihren Umweltfaktoren (Francisco und Pinotti 2000 nach Farinon et al. 2020). Diese Glykoside werden als giftig für den Menschen angesehen, da ihre strukturelle Form des 2-Hydroxynitrils durch das Enzym Glucosidase hydrolysiert und in ein Cyanohydrin umgewandelt werden kann. Dieses Cyanohydrin ist aber ein instabiler

Stoff, welcher sich in die toxische Hydrocyansäure, besser bekannt als Blausäure, dissoziiert (vgl. Farinon et al. 2020). Obwohl Blausäure ein gefährliches Gift ist, ist die Einnahme von cyanogenen Glykosiden mit der Nahrung unbedenklich. Auch wenn diese in der Leber oder im Verdauungstrakt hydrolysiert werden, findet die Freisetzung langsam genug statt, dass der Körper sie problemlos entgiften kann (Farinon et al. 2020).

Mengen an cyanogenen Glykosiden unter 100 ppm stellen für die Gesundheit keine Gefahr dar (Russo und Reggiani 2013 nach Farinon et al. 2020). Die Menge dieser Nährstoffaufnahme hemmenden Stoffe variiert je nach Genotyp und ob es sich dabei um eine monözische oder diözische Art handelt, wobei diözische Cultivare einen höheren Gehalt aufweisen (Russo und Reggiani 2013; 2015 nach Farinon et al. 2020). Zu beachten ist jedoch, dass in Hanfsamen-Mehl die Konzentration dieser Glykoside die als sicher erachtete Menge übersteigt, etwas das jedoch in ganzen Hanfsamen eine geringe Rolle spielt, da in diesen einige Nährstoffe in konzentrierterer Form vorzufinden sind (Farinon et al. 2020).

3.7.5. Saponine

Saponine umfassen eine Gruppe strukturell verwandter Verbindungen, welche aus je einem Steroid und einem triterpenen Aglycon bestehen und gleichzeitig an ein oder mehrere wasserlösliche Oligosaccharide geknüpft sind. In größeren Mengen führen diese Verbindungen zu einer Irritation des Darmtrakts und dürfen keinesfalls in die Blutbahn gelangen, da sie dort, aufgrund ihrer toxischen Eigenschaft, zu Hämolyse, der Zerstörung roter Blutkörperchen, führen (Farinon et al. 2020). In geringen Mengen jedoch können sie eine Cholesterin senkende und stark zytotoxische Wirkung gegen Krebszellen aufweisen und die Gefahr, an verschiedenen chronischen Krankheiten zu erkranken, reduzieren (Mattila et al. 2018 nach Farinon et al. 2020). Die WHO und FAO legten eine Sicherheitsgrenze für Saponine in Quinoa, welche zu einer der größten pflanzlichen Saponin-Quellen zählt, bei 12 % fest (FAO und WHO nach Farinon et al. 2020). In zwei verschiedenen Studien von Russo und Reggiani (2013; 2015) wurde gezeigt, dass der Saponin-Gehalt in Hanfsamen-Mehl verschiedener Hanfsorten deutlich unter diesen 12

% und auch unter dem Wert von Sojabohnen und Leinsamen liegt (Russo und Reggiani

2013; 2015 nach Farinon et al. 2020) und das, obwohl sich der Wert in der Studie in 2015 um das zehnfache von jener in 2013 unterschied (Farinon et al. 2020).

Abschließend lässt sich sagen, dass die am stärksten vertretenen, Nährstoffaufnahme hemmenden Verbindungen in Hanfsamen Protease-Inhibitoren für Trypsin und Phytinsäure sind.

4. Gesundheitsfördernde Wirksamkeit von Cannabis sativa und ihre