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Verfügungsbeschränkungen

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 46-51)

Verkehrsfähigkeit „Digitaler Güter“

VI. Verfügungsbeschränkungen

Das führt über zu dem letzten Kriterium, das im Rahmen der vorliegenden Skizze aufgegriffen werden soll, die rechtsgeschäftlichen Verfügungsbeschrän-kungen. Anknüpfend an die dogmatische Kategorie übertragbarer Rechte stellt sich die Frage, wie mit Abreden umzugehen ist, welche die „Errungenschaft“

der Verfügung über Rechte wieder beschränken wollen. In welchem Maße kann eine Rechtsordnung, welche den Gütertransfer als freie Verfügung über Rechte an Gütern organisiert, dies zur Disposition der Parteien stellen?

54 Dazu am Beispiel der Forderung Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 241 ff., und allgemein S. 351 ff.

55 So bei der Abtretung der Forderung; die gesetzliche Ermächtigung des Schuldners an den Gläu-biger zur Abtretung kann mit einem Abtretungsausschluss nach § 399 Fall 2 BGB aufgehoben werden; dazu Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 243 und näher im folgenden Text unter VI.3.

56 So wenn der Lizenzgeber sich vorab bindend mit der Übertragung der Lizenz einverstanden erklärt.

1. Keine dinglich wirkenden Verfügungsbeschränkungen a) Interessenlage

Die Frage berührt die Autonomie der Privatrechtssubjekte, die ihnen von der Rechtsordnung verliehene Verfügungsfreiheit auf vertraglichem Wege wieder aufzuheben. Die Problematik hat zwei Perspektiven: Aus der Sicht allein des Rechtsträgers betrachtet spricht alles dafür, in die ihm zugewiesene Vertrags-freiheit auch Verträge einzubeziehen, die auf die Nichtausübung der Verfügungs-befugnis gerichtet sind. Der rechtlich geordnete Gütertransfer muss indes auch Belange potentieller Erwerber, also des Rechtsverkehrs, bedenken. Es geht dabei um die abstrakte Verkehrsfähigkeit des Rechts und die Verkehrssicherheit bei konkreten Transaktionen. Diese Drittbezüge rechtsgeschäftlicher Verfügungs-beschränkungen sprechen dafür, es dem Rechtsträger zu versagen, seine Ver-fügungsbefugnis vertraglich zu beschneiden.

b) Lösung in Deutschland: § 137 BGB

Das deutsche Recht errichtet mit § 137 Satz 1 BGB eine wirkmächtige Sperre gegen solche Bestrebungen. Die Befugnis zur Verfügung über veräußerliche Rechte kann nicht aufgehoben oder beschränkt werden. Das BGB stellt die von ihm gegen die letzten feudalrechtlichen Beharrungskräfte durchgesetzte liberale Verfügungsfreiheit nicht zur Disposition der Parteien. Die Errungenschaft der freien Verfügung über Güter beschränkt das nicht minder liberale Institut der Vertragsfreiheit immanent.

Ein modernes Normverständnis darf freilich nicht bei diesem historischen Moment der Rechtsentwicklung verharren57. Rechtsgeschäftliche Verfügungs-beschränkungen eignen sich kaum zur Refeudalisierung. § 137 Satz 1 BGB dient denn auch der Verkehrssicherheit in einem eher technischen Sinne: Die Ver-knüpfung von Rechtsinhaberschaft und Verfügungsmacht kann durch Vertrag nicht gelöst werden, um den Rechtsverkehr nicht zu gefährden. Mittels vertrag-licher Abreden lassen sich keine anderen Verfügungstatbestände schaffen als das Gesetz sie vorgibt; namentlich die Mitwirkung Dritter an der Verfügung kann über entsprechende Abreden nicht erzwungen werden. § 137 Satz 2 BGB lässt gewollte obligatorische Wirkungen entsprechender Verfügungsbeschränkungen indes unberührt, was deutlich macht, dass es der Norm nicht um den Schutz des Rechtsinhabers, sondern des Rechtsverkehrs geht.

57 Dazu und zum Folgenden Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 60 ff.

c) Ausstrahlungswirkung am Beispiel des Erschöpfungsgrundsatzes Die in § 137 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommende Wertung des Vorrangs der Verkehrsfähigkeit tritt in einem schon kurz nach dem Inkrafttreten des BGB auf-keimenden Konflikt mit dem Verbreitungsrecht des Urheberrechts hervor. RGZ 63, 394 – Koenigs Kursbuch hatte sich im Jahre 1906 bei der Durchsetzung des verbreitungsrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes auch auf § 137 BGB berufen.

Zuvor hatte man das Verbreitungsrecht auf alle Veräußerungsstufen eines Werk-exemplars erstreckt, also auch Zweit- und weitere Folgeveräußerungen urheber-rechtlich an die Zustimmung des Inhabers des Verbreitungsrechts gebunden.

Die Frage spielte namentlich bei der Festlegung von Verkaufspreisen durch den Verlag eine Rolle, ein Phänomen, das wir heute als Buchpreisbindung kennen, das freilich zunächst urheberrechtlich begründet worden war:

„Andererseits kann der Buchhandel aus dem Verbreitungsrecht des Verfassers eine sehr wich-tige Folgerung ziehen. Die Verleger werden es kraft ihres vom Verfasser abgeleiteten Rechts in der Hand haben, S c h l e u d e r e r n , Wa r e n h äu s e r n und ähnlichen gemeinschädlichen Büchervertrieben den Vertrieb ihres Verlags zu verbieten.“58

RGZ 63, 394 – Koenigs Kursbuch beschnitt ein solch weitreichend gedachtes Ver-breitungsrecht fundamental59. Der Kläger war Urheber und Verleger des Koenigs Kursbuch. Dieses wurde vertrieben an Sortimenter für 30 Pfennige, der Laden-preis sollte nach einer Festlegung des Klägers 50 Pfennige betragen. Der Beklagte betrieb ein Warenhaus und veräußert von Zwischenhändlern erworbene „Kurs-bücher“ zu einem niedrigeren Preis. Es handelte sich bei dieser Gestaltung um eine Verfügungsbeschränkung. RGZ 63, 394 hat dieser Form der Preiskontrolle mit der „Erfindung“ oder „Entdeckung“ des Erschöpfungsrundsatzes, der damals noch nicht gesetzlich geregelt war, die Grundlage entzogen. Die Einhaltung eines Ladenpreises könne nicht im Wege des Verbreitungsrechts gesichert werden.

Habe der Urheber oder Verleger das Werk in Ausübung seines Rechts in Verkehr gebracht, so ist das Recht erschöpft. Beschränkungen des Vertriebs wirken nur vertraglich und fallen unter § 137 BGB60; eine Bestimmung von Ladenverkaufs-preisen sei daher nur schuldrechtlich möglich, § 137 Satz 2 BGB.

58 Voigtländer, Urheber- und Verlagsrecht, Leipzig 1901, S. 68.

59 Übrigens hatte nahezu zeitgleich (1908) der Supreme Court der USA in einem verblüffend vergleichbaren Sachverhalt (Bobbs-Merrill Co. v. Straus 210 U. S. 339 [1908]) entsprechend ent-schieden.

60 RGZ 63, 394, 399 formuliert: „Auch der Urheber (Verleger) hat kein ausschließliches Recht, solche Exemplare des Werkes gewerbsmäßig zu verbreiten, die von ihm oder einem anderen Berechtigten in den Verkehr gebracht und so Eigentum Dritter geworden sind. Er kann diesem Dritten weder die Veräußerung überhaupt, noch die gewerbsmäßige Veräußerung (Verbrei-tung) untersagen, noch dieses aus dem Eigentum folgende Recht des Dritten (§ 903 B. G. B.) durch Bestimmung eines Preises, unter dem er nicht soll veräußern dürfen, beschränken (§ 137 Satz 1 B. G.B). Nach § 137 Satz 2 B. G. B. wirkt selbst ein diese Verfügungsbefugnis des Eigentü-mers ausschließendes oder beschränkendes Rechtsgeschäft nicht dinglich, sondern nur obliga-torisch unter den Kontrahenten.“

2. Durchbrechungen

Allerdings lassen sich immer wieder Interessen und Konstellationen aufspüren, in denen die Beteiligten drittwirksame Verfügungsbeschränkungen anstreben:

Die öffentliche Hand möchte Bedürftigen Immobilien zu Wohnzwecken ver-äußern, eine Weiterübertragung an nicht bedürftige Dritte aber ausschließen;

Eltern wollen Kindern Vermögen übertragen, jedenfalls zu ihren Lebzeiten die Weiterübertragung aber ausschließen; Treuhänder sollen Treugut verwalten, nicht aber treuwidrig verfügen; Verlage sind nicht an Konkurrenz durch Anti-quariate, Automobilunternehmen nicht am Gebrauchtwagenmarkt, Softwareher-steller nicht am Handel auf Sekundärmärkten interessiert.

Diese Interessen lassen sich teilweise durch kautelarjuristische Gestaltungen absichern: Vermögen kann unter der auflösenden Bedingung der abredewid-rigen Weiterveräußerung übertragen werden; wird eine solche durch eine abre-dewidrige Verfügung auflösend bedingte Veräußerung vorgenommen, enden die Wirkungen der Veräußerung, wenn der Empfänger versucht, abredewidrig zu verfügen. Mit Eintritt der Bedingung fällt das Recht wieder an den Veräußerer zurück; die abredewidrige Verfügung des Erwerbers kann nicht wirksam werden.

Anwendungsfälle dieser Konstruktion sind die Treuhand, die „vorweggenom-mene Erbfolge“ und die „ehebedingte Zuwendung“61.

Eine andere Grundlage zur Errichtung vergleichbarer Veräußerungsbeschrän-kungen bildet im deutschen Recht die Vormerkung (§ 883 BGB). Damit lassen sich drittwirksame Verfügungsbeschränkungen für Immobilien errichten. Der Eigentümer überträgt das Grundstück auf den Erwerber, der sich zugleich ver-pflichtet, keine weiteren Veräußerungen vorzunehmen. Dieses nur obligatorische Veräußerungsverbot (§ 137 Satz 2 BGB) lässt sich „verdinglichen“, indem sich der Erwerber dem Übergeber gegenüber zur Rückübertragung des Grundstücks verpflichtet, wenn er gegen das Veräußerungsverbot verstößt. Der korrespondie-rende (bedingte) Rückübertragungsanspruch des Übergebers wird durch eine Vormerkung gesichert. Angesichts der aus dem Grundbuch verlautbarten Vor-merkung wird schon niemand am Erwerb interessiert sein, und wenn es doch einmal zu einer Veräußerung kommen sollte, wäre diese dem Erstübergeber gegenüber unwirksam; er könnte vom Zweiterwerber Zustimmung zur Rück-auflassung verlangen62.

3. Zulässige Abtretungsbeschränkungen nach § 399 Fall 2 BGB

Bemerkenswert und jedenfalls auf den ersten Blick erstaunlich erscheint, dass das der Verfügungsfreiheit in § 137 Satz  1 BGB hohes Gewicht beimessende

61 Umfassend zur Gestaltung und ihren Anwendungen Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungs-beschränkungen, 1998, S. 174 ff.

62 Zu dieser Gestaltung und ihrer Vereinbarkeit mit § 137 Satz 1 BGB Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 202 ff.

BGB für Forderungen in § 399 Fall 2 BGB exakt die entgegengesetzte Regelung vorsieht. Darin werden vertragliche Abtretungsverbote als Beschränkung der Übertragbarkeit von Forderungen ausdrücklich anerkannt. § 399 Fall  2 BGB steht in offensichtlichem Gegensatz zu § 137 Satz 1 BGB. Rechtspolitisch werden entsprechende Abtretungsverbote kritisch gesehen63, der Bundesgerichtshof hat sie als „volkswirtschaftlich unerwünscht“ bezeichnet64, Stimmen in der Literatur sehen in § 399 Fall 2 BGB einen „Fremdkörper im Vermögensrecht“65 oder gar einen „Anachronismus“66, der Gesetzgeber hat ihre Wirkungen insbesondere im handelsrechtlichen Verkehr in § 354 a HGB zurückgeschnitten.

Bei näherem Hinsehen allerdings findet sich eine dogmatisch tragfähige Legi-timation für die unterschiedliche Behandlung rechtsgeschäftlicher Verfügungs-beschränkungen in § 137 Satz 1 BGB und vertraglicher Abtretungsverbote in

§ 399 Fall 2 BGB67. Die Möglichkeit, ein Abtretungsverbot zu vereinbaren, ist ein Ausfluss der Privatautonomie. Ebenso wie die Parteien des forderungsbegrün-denden Vertrags den Inhalt der Forderung frei bestimmen, können sie auch die Frage ihrer Abtretung vertraglich regeln. Für den Schuldner einer vertrag-lich begründeten Forderung spielt die Person des Gläubigers nicht selten eine wichtige Rolle. Die Wahl des Vertragspartners und damit Gläubigers fällt in den Schutzbereich der Abschlussfreiheit als Teil des rechtlichen Selbstbestimmungs-prinzips. Eine freie Übertragbarkeit der Forderung allein durch den Gläubiger und ohne Mitwirkung des Schuldners greift in dessen Privatautonomie ein, denn der Schuldner wird in ein Obligationsverhältnis zu einem Gläubiger gesetzt, den er sich nicht ausgesucht hatte. Ein Abtretungsverbot ist geeignet, den Selbst-bestimmungsanspruch des Schuldners zu wahren. Der Schuldner behält den selbst gewählten Gläubiger.

Vor diesem Hintergrund wird die abweichende gesetzliche Regelung in § 137 Satz 1 BGB und § 399 Fall 2 BGB erklärbar: § 399 Fall 2 BGB erlaubt Abtretungs-beschränkungen in Ausprägung der Vertragsfreiheit des Schuldners und zur Sicherung seiner Privatautonomie. Grundlage hierfür ist die einseitige Rechts-macht des Gläubigers, durch eine Abtretung dem Schuldner einen anderen Gläu-biger „aufzudrängen“. Solch eine Möglichkeit besteht nur bei „relativ“ struktu-rierten Forderungen, nicht beim Eigentum als absolutem Recht und auch nicht bei Immaterialgüterrechten wie dem Patent, der Marke und dem Urheberrecht.

Demzufolge fallen Abtretungsverbote bei Forderungen, die der Gläubiger mit Dritten trifft, nicht unter § 399 Fall 2 BGB, sondern sind nach § 137 BGB zu behandeln.

63 Dazu Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 226 f.

64 BGHZ 51, 113, 117.

65 Blaum, Das Abtretungsverbot nach § 399 2. Alt. BGB und seine Auswirkungen auf den Rechts-verkehr, 1983, S. 51.

66 Ott, in: Alternativkommentar zum BGB, 1980, § 399, Rn. 2.

67 Zum Folgenden Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 227 f.

Die in § 399 Fall 2 BGB enthaltene Struktur kehrt bei „sonstigen Rechten“

wieder: § 413 BGB erstreckt die Geltung der Bestimmungen über die Abtretung von Forderungen auf die Übertragung aller „anderen Rechte“. In §§ 413, § 399 Fall 2 BGB finden die bei beschränkten dinglichen Rechten ([Grund-]Pfand-rechte68, Wohnungseigentum, Erbbaurecht), Gesellschaftsanteilen und Mitglied-schaftsrechten, Lizenzen und Nutzungsrechten weit verbreiteten Abtretungs-verbote, Vinkulierungen und sonstigen Übertragbarkeitsbeschränkungen eine rechtliche Grundlage. Diese Rechte sind stets zugleich Rechtsverhältnisse, welche Verfügungsbeschränkungen tragen, wenn und soweit sie mit den anderen am Rechtsverhältnis Beteiligten getroffen werden69.

Diese tiefwurzelnde Strukturunterschiede reflektierenden Reglungen sind auch bei digitalen Gütern von Bedeutung: Wer seine digitalen Inhalte Cloud-Diensten anvertraut, verliert Verfügungsfreiheit und Kontrolle. An Cloud-Inhal-ten bestehen gegenüber dem Cloud-Dienste-Anbieter nur obligatorische Nut-zungs-, Zugangs- und Übertragungsansprüche, welche dem Modell der §§ 413, 399 Fall 2 BGB unterworfen und daher empfänglich für Abtretungsverbote sind.

Unmittelbare „Rechte“ an digitalen Gütern sind hingegen an dem Modell des

§ 137 Satz 1 BGB auszurichten mit der Folge, dass die freie Verfügung darüber nicht genommen werden kann.

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 46-51)