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Die Verteilungsproblematik

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 146-150)

Ein modernes Urheberrecht

V. Anstöße für ein modernes Urheberrecht

5. Die Verteilungsproblematik

Bei diesen und weiteren denkbaren Rechtssphären stellt sich die Frage, wie die Einkünfte unter den Urhebern zu verteilen wären. Dieser Punkt sprengt die vor-liegende Aufgabenstellung, die auf Anstöße zur Modernisierung des digitalen Urheberrechts gerichtet ist. Hauptanliegen war die Frage, welche Probleme das digitale Urheberrecht mit Blick auf die „Verkehrsfähigkeit digitaler Güter“ derzeit zu gewärtigen hat und welche Lösungen hierfür denkbar sind. Insoweit wurden Anstöße gegeben, die den Vergütungsengpass etwas lindern könnten.

Das Verteilungsproblem hingegen ist aus dem Recht der Verwertungsgesell-schaften bekannt, wenn auch die Freistellung digitaler Lebensbereiche mit unzähligen Nutzungshandlungen und datenschutzrechtlichen Restriktionen neuer Verteilungsansätze bedürfte.150 Hierzu nur Folgendes: Vielleicht könnten auch auf Verteilungsebene unterschiedliche Sphären Berücksichtigung finden.

Denkbar wäre es z. B., bei den Verteilungen der Einnahmen bestimmte Arten von Urhebern/Diensten hervorzuheben. Unabhängig von den genauen Nutzer-zahlen könnten gesellschaftlich wichtige, grundrechtlich besonders geschützte Bereiche wie der Online-Journalismus oder digitale Nachschlagewerke (z. B.

Wikipedia) umfänglicher bedacht werden als andere Angebote. Hier könnte an die Überlegungen von Alexander Peukert angeknüpft werden. Zur Stärkung der Zugangs- gegenüber der Exklusivitätskultur schlägt Peukert mit guten Gründen vor, die Verteilung des Vergütungsaufkommens aus zulässigen Online-Nutzun-gen davon abhängig zu machen, ob die Inhalte „ohne technische Zugangshin-dernisse im Internet verfügbar sind“. Wer sich durch DRM-Maßnahmen eine Individualverwertung sichert, soll nicht an den gesetzlichen Pauschalabgaben partizipieren.151

VI. Fazit

Die Analyse der gegenwärtigen und eine Prognose der in mittlerer Zukunft (15–25 Jahre) zu erwartenden Werkverwertung ergeben, dass der Anwendungs-bereich des Erschöpfungsgrundsatzes im digitalen Urheberrecht zu großen Teilen wegfallen wird (II.). Die wohl ärgsten Nöte der Urheber betreffen die Einkommensfrage. Vor dem Hintergrund des diagnostizierten Wandels vom Werkerwerb zur Vergütung des bloßen Werkkonsums (II.3., 5.) führt die gras-sierende Aufmerksamkeitsknappheit der Nutzer dazu, dass Urheber in immer mehr Fällen neben dem altbekannten Absatzrisiko auch das Konsumrisiko tra-gen. Früher erhielten Urheber Geld für den Verkauf von Werkexemplaren, heute setzen immer mehr Geschäftsmodelle darauf, Urheber nur für die tatsächlich

150 Siehe dazu auch Spindler ZUM 2014, 91, 100 f.; Peifer ZUM 2014, 86, 89.

151 Peukert GRUR-Beilage 2014, 77, 88 ff., 90; ders. ZUM 2003, 1050, 1055 ff.

konsumierten Einheiten ihres Werkes zu entlohnen und diesen Preisvorteil an die Kunden weiterzugeben (z. B. in Form günstiger Flatrates). Da Nutzer weniger Zeit mit einzelnen Angeboten zubringen, verschmälert sich das Einkommen der Urheber zusehends. Durch den Trend zur reinen Konsumvergütung wirkt sich die Aufmerksamkeitsknappheit, anders als noch vor wenigen Jahren, unmittelbar auf das Einkommen der Urheber aus (III.1.).

Angesichts der sich verschärfenden Einkommensproblematik rücken die bis-lang als Problemfeld nicht hinreichend berücksichtigten nicht-lizenzierbaren Nutzungshandlungen in den Vordergrund. Es gibt sie vor allem bei geschlosse-nen Nutzergruppen wie Social Networks und Cloudspeichern sowie im Bereich des privaten Werkkonsums bzw. der privaten Weitergabe von Werken (III.3.).

Wollte man diese Handlungen verfolgen, ginge damit ein erheblicher Eingriff in den Privatbereich bzw. ein starker Vertrauensverlust der Nutzer gegenüber der Urheberschaft einher. So wäre es schon politisch nicht denkbar, Urhebern den bloßen Werkgenuss zuzuweisen, und damit ein gesetzliches Motiv für Urhe-ber zu schaffen, das konkrete Nutzungsverhalten von Privatpersonen zu ver-folgen (IV.). Zu ähnlich gravierenden Einwänden führte der Versuch, Nutzungs-handlungen unter privaten Nutzeraccounts in sozialen Netzwerken oder auf Cloudspeichern zu verfolgen. Zur Vergütung derlei nicht erfassbarer Nutzungs-handlungen kommen Individuallizenzen nicht in Betracht. Bestenfalls würden weitgehende Blockaden der Dienste erreicht.

Als Alternative wird hier ein Modell vorgestellt (V.), dem auf abstrakterer Ebene die Beobachtung zugrunde liegt, dass das Urheberrecht im Internet neben der Werkverwertung i. e. S. originäre Aufgaben eines Wirtschaftsrechts über-nimmt, die in der gegenständlichen Lebenswelt dem Kernzivilrecht unterfallen (V.3.a.). Daraus folgt die Idee, aus dem allgemeinen Urheberrecht Lebensberei-che(= Verwertungs-/Nutzungssphären) hervorzuheben und speziell zu regeln.

Beispielhaft vorgeschlagen werden vier, nicht abschließende (!) digitale Lebens-bereiche (V.4.). Für deren Finanzierung sollten von verschiedenen Seiten jeweils kleine Beträge erhoben werden, was nicht nur die Zahlungsbereitschaft der Ein-zelnutzer erhöhte, sondern auch für eine gerechte, weil nutzungsabhängige Ver-teilung der Zahlungslast sorgen würde. Wesentliches Merkmal des Ansatzes ist, dass er von den Nutzern keine nennenswerten Verhaltensänderungen fordert, sondern die Vergütungsstruktur an die geänderte digitale Lebenswelt anpasst.

Die im Folgenden zusammengefassten Sphären sind wie gesagt nur Beispiele speziell geregelter Lebensbereiche. Wichtiger als diese konkreten Fälle ist der generelle Gedanke der Abgrenzung digitaler Lebensbereiche vor einem weit-gehend unveränderten Basisurheberrecht.

(1) In der Konsumsphäre würde der digitale Werkkonsum jeglicher Nutzer erfasst. Sofern Handlung(en) nur dem kurzfristigen Konsum dienen, sollten sie freigestellt werden, selbst wenn damit Vervielfältigungshandlungen einhergehen.

Hierfür würde ein geringes Entgelt (1–2 € pro Monat) pro Internetanschluss

(pri-vat und gewerblich) vom Anschlussinhaber – gegebenenfalls über den Internet-provider – erhoben.

(2) Gleichsam als moderne Form der Privatkopie diente eine private Nut-zungssphäre: Die Weitergabe des Werks wäre innerhalb eines engen persönlichen Umfelds mit jedweder Technik gestattet, solange das Werk nicht mehr als 1–2 zusätzlichen Personen (gegebenenfalls Haushalten) zugänglich gemacht wird.

Auch hier könnte monatlich ein kleiner Betrag von 1–2 € pro Privatanschluss erhoben werden. Zusammen mit den Kosten der Konsumsphäre kämen Pri-vatpersonen so auf einen Monatsbetrag von 2–4 € und dürften im Gegenzug Online-Inhalte konsumieren und Content im engsten persönlichen Umfeld wei-tergeben.

(3) Als soziale Nutzungssphäre vorgestellt wurde der Lebensbereich geschlos-sener Social Media-Gruppen. Das „Teilen“ von Inhalten, gleich ob über Frames, Inline-Links oder andere Einbettungstechniken, würde Urhebern zugewiesen und im selben Zuge wieder freigestellt. Ebenso freigestellt würden die öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und unfreie Bearbeitung (§ 23 UrhG). Missbrauchsgefahren würde durch technische Gestal-tungsvorgaben i. R.d. Abgrenzung der Sphäre vorgebeugt. Ein geringes, ver-handlungsabhängiges monatliches Entgelt träfe die Betreiber von Social Media-Diensten, die dieses über mögliche Bezahlaccounts an ihre Kunden weitergeben könnten.

(4) Die (gewerbliche) Cloud-Nutzungssphäre umfasste den gewerblichen Ein-satz von Cloudspeichern. Der Lebensbereich bezöge sich auf die derzeit gängigen Geschäftsmodelle, die den Zugriff auf Speicher durch Arbeitsgruppen vorsehen.

Die hierdurch bedingten, zahlreichen gewerblichen Nutzungshandlungen (insb.

Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung) könnten durch eine Zah-lungspflicht der Cloudanbieter abgegolten werden, die die Belastung in Form erhöhter Nutzungsbeiträge an gewerbliche Nutzer weitergeben könnten. Auch hier bietet sich zur Bestimmung des Entgelts eine Verhandlungslösung an, die die urheberrechtliche Relevanz des jeweiligen Dienstes berücksichtigt.

Der Vorschlag ist ein Kompromiss zwischen einer flexiblen aber rechtsunsi-cheren Fair-Use-Klausel und den starren Vorgaben von Einzelschranken,152 nur dass in den einzelnen Sphären auch zusätzliche, spezielle Verwertungsrechte möglich sind. Gepaart wird dies mit einem Pauschalvergütungsmodell, das wie-derum einen Kompromiss zwischen Kulturflatrate und Einzelvergütung darstellt.

Speziell die Einkünfte aus den unter (1) und (2) genannten Sphären kommen als Teil einer allmählichen Ablösung von der Leermedien- und Geräteabgabe in Betracht (V.4.b.bb.).

152 Vgl. eingehend Kleinemenke ZGE / IPJ 5 (2013), 103 (für einen gestrafften Schrankenkatalog, ergänzt durch eine „Auffanggeneralklausel“); Peifer ZUM 2014, 86.

Abschließend ist noch einmal zu betonen, dass das Urheberrecht reif für eine neue Regelungstechnik sein könnte, die seiner heutigen Bedeutung als Kern-wirtschaftsrecht gerecht wird. Allgemeine Regelungen könnten die Basis bilden, aus der baukastenartig bestimmte Lebensbereiche hervorgehoben und durch spezielle Regeln ergänzt/abgeändert würden, ähnlich wie es in großen Zivil-rechtskodifikationen der Fall ist (z. B. in Form verschiedener, kontextabhängiger Varianten des Kaufrechts).

Summary

Digitalization and the Internet have challenged copyright law since the late 1990s; both transformed the usage of protected works fundamentally. Besides the struggle for an appro-priate copyright law, however, the European legislator also needs to take account of the harmonization of certain facets of that field of law. One important issue in the current delib-erations of reform as well as a fundamental problem of the above-mentioned technological changes is the system of exploitation rights and the remuneration of authors and artists.

One of the main assumptions of this paper asserts that there is a trend away from the acquisition of works towards a mere payment of the actual amount of consumption. This trend, along with the equally assumed scarcity of user attention exacerbates the income crisis of authors. On the other hand, there are numerous acts of use that are not or cannot be traced by the legal system. This relates in particular to uses in private life and closed user groups (e. g. Facebook, WhatsApp or Dropbox groups). One recently suggested solution involves a juridification of the reception of protected works. But aside from the question of success, this approach would undermine the virtue of privacy and shall therefore be dis-missed.

This paper proposes a different approach: Due to its status and prevalence in the com-mon Internet infrastructure, copyright law has achieved the importance and the role of a fundamental civil code; therefore it must be understood as such. Instead of assessing – at least in theory – billions of individual actions of use per day (!) the law should define “digital living spheres”, e. g. a social media sphere, a private sphere or a cloudstorage sphere. These spheres should be specifically regulated against the background of a general copyright law and be funded through flat rate payment systems. The burden of payment could be spread on different stakeholders, depending on the respective sphere. That is one of the differ-ences to the much discussed “culture flatrate”. The proposed system could legalize big parts of work usage that are not licensable anyway and thereby increase the sum of distributable revenues for copyright holders considerably.

Kontaktdaten Maximilian Becker Leyendeckerstr. 8 50825 Köln

m.becker@recht.uni-siegen.de

Beschränkung der Verkehrsfähigkeit digitaler

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 146-150)