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Immaterialgüter‑ und Persönlichkeitsrechte

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 41-45)

Verkehrsfähigkeit „Digitaler Güter“

V. Entwicklung von Verkehrsfähigkeit am Beispiel einzelner Güter Bei den meisten der heute existierenden Transfergegenstände sind die ersten

2. Immaterialgüter‑ und Persönlichkeitsrechte

Diese Vorgänge gehören der Rechtsgeschichte an. Heute können wir vergleich-bare Entwicklungen zu einem sukzessionsfähigen Recht, aber auch die damit verbundenen Spannungen und Rückfälle beobachten im Bereich der Immate-rialgüterrechte, worunter im Folgenden nicht nur die klassischen gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht fallen, sondern auch Persönlichkeitsrechte und „digitale Güter“ in ihren mannigfachen Erscheinungsformen als Internet-Domains, Computerprogramme28, elektronische Datenbanken29, digital erho-bene und strukturierte „Datensätze“, digitale Zahlungsmittel („Bitcoin“), „virtu-elle Güter“ (in virtu„virtu-ellen Welten wie „Second Life“) usw.

Dabei gibt es Gruppen von Gegenständen, bei denen die Sukzessionsfähig-keit der Rechte vollauf ausgeprägt ist. Das gilt insbesondere für die etablierten gewerblichen Schutzrechte: Wir übertragen nicht die Erfindung, sondern das Patent, nicht das Kennzeichen, sondern die Marke.

Davon lassen sich Güter unterscheiden, welche derzeit noch nicht in ein voll-auf sukzessionsfähiges Recht gekleidet sind, und deren Transfer sich daher vor-nehmlich faktisch als Übertragung tatsächlicher „Positionen“ wahrnehmen lässt.

Beispiele hierfür bilden Know-how und andere gewerblich relevante Informatio-nen (Kundendaten, Rezepte), insbesondere aber auch digitale Wirtschaftsgüter wie Software, Daten und ähnliche Gegenstände.

Gleichsam dazwischen stehen Rechte an Gütern, die bereits einen mitunter langen und nicht immer geradlinig verlaufenden Weg zur Sukzessionsfähig-keit gegangen sind. Prägend ist dabei, dass sich der Sukzessionsgedanke gegen die Einbindung des zu mobilisierenden Rechts in „Rechtsgeflechte“ durchset-zen musste. Waren es beim Eigentum familien- und grundherrschaftsrechtliche Strukturen, bei der Forderung das obligationsrechtliche Band zwischen Gläubi-ger und Schuldner, so sind es bei den nun zu besprechenden Rechten ihre Ein-bindung in persönlichkeits- und unternehmerische Verflechtungen, die einer freien Verfügung entgegen standen und teilweise noch entgegen stehen.

a) Übertragungshindernis Unternehmensbezug aa) Know‑how

Ein besonders anschauliches Beispiel für die Entwicklung von Rechten an einem zunächst faktischen Gut bildet das Know-how30. Als technisches oder kaufmän-nisches Geheimnis ist es zunächst nur tatsächlich dem Unternehmensträger zuge-wiesen, und die Rechtsordnung schützt es gegen unlauteren Zugriff in §§ 17 ff.

28 Die analoge Darstellung von Software spielt für die kommerzielle Verwertung keine Rolle.

29 Die Datenbank-Richtlinie bezieht sich auch auf analoge Datenbanken, die aber geringe wirt-schaftliche Bedeutung haben.

30 Dazu eingehend Pfister, Das technische Geheimnis „Know how“ als Vermögensrecht, 1974.

UWG. Darüber hinausgreifend hatte der BGH dem Know-how in der Dücko-Ent-scheidung ein übertragbares Vermögensrecht zur Seite gestellt31. Ausgangspunkt des entschiedenen Sachverhalts war eine Konstellation im Konkurs: Der spätere Kläger hatte vom Konkursverwalter aus der Masse ein „Geheimrezept“ erwor-ben; der Konkursschuldner war in dem später beklagten Unternehmen ange-stellt, das ebenfalls nach diesem Rezept gefertigt hatte. Der BGH verurteilte den Beklagten, die Nutzung des von ihm vom Konkursverwalter erworbenen Fabrika-tionsgeheimnisses zu unterlassen. Damit wurde vorausgesetzt, dass der Verwalter das Geheimrezept „übertragen“ konnte, obgleich ihm kein gesetzlich anerkann-tes Vermögensrecht zugrunde lag. Der BGH spricht insoweit von einem „Aus-schlussrecht“32. Der Erwerber konnte danach nicht nur dem Schuldner, sondern auch dem beklagten Unternehmen die Nutzung des Rezepts verbieten lassen.

Die Annahme eines übertragbaren Vermögensrechts an Know-how ist nicht einfach zu begründen, da die Rechtsordnung ein entsprechendes Recht nicht ausdrücklich vorsieht. Im Vordergrund der Dücko–Entscheidung dürfte die wirt-schaftliche Bedeutung des Geheimverfahrens für das Schuldner-Unternehmen gestanden haben, wie der BGH mit folgenden Worten zum Ausdruck bringt:

„Ein Betriebsgeheimnis ist oft wertvoller als ein gewerbliches Schutzrecht und bildet in der Form eines Geheimverfahrens häufig den wesentlichen Faktor des Betriebs“33. Das Zitat belegt, dass es ökonomische Nützlichkeitserwägungen sind, welche den Prozess der Bildung übertragbarer Vermögensrechte durch die Rechtsprechung antreiben.

bb) Warenzeichen/Marke

Die Einbindung des Warenzeichens bzw. der Marke in das Unternehmen und die Ersatzlösungen zur Überwindung der daraus folgenden Übertragbarkeits-bindungen wurden bereits angesprochen34. Im deutschen Markenrecht galt lange Zeit der Grundsatz strikter Akzessorietät zwischen Marke und Unterneh-men35. Danach sind Entstehung, Bestand und Übertragung der Marke an den Geschäftsbetrieb gebunden. Leerübertragungen waren nach § 8 Abs. 1 Satz  2 WZG unwirksam. Die strikte Akzessorietät der Marke zu einem Unternehmen knüpft an die Herkunftsfunktion der Marke an. Die Akzessorietät des Mar-kenrechts ist durch das Erstreckungsgesetz 1992 zunächst gelockert36 und mit Inkrafttreten des Markengesetzes 1995 aufgehoben worden.

31 BGHZ 16, 172 = GRUR 1955, 389; insofern zustimmend BGH NJW 2006, 3424, 3426 – Kunden-datenprogramm.

32 BGHZ 16, 172, 175.

33 BGHZ 16, 172, 176.

34 Dazu unter III.

35 Dazu Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 3, Rn. 179 ff.

36 Teil 4 § 47 des Erstreckungsgesetzes vom 23. 04. 1992 (BGBl. I, 938) hatte § 8 Abs. 1 WZG dahin-gehend geändert.

b) Persönlichkeitsrechtliche Bezüge als Übertragungshindernis

Neben der unternehmerischen Einbindung hat sich der persönlichkeitsrechtliche Bezug von Rechten als Hindernis freier Verkehrsprozesse erwiesen. Diese sind allerdings an wichtigen Punkten aufgebrochen worden, so dass man heute die einst systembildende Kraft der Unterscheidung von Vermögens- und Persönlich-keitsrechten mit Recht in Frage stellt.

aa) Firma

Geradezu ein Lehrstück für die Entfesselung von Vermögensgütern aus per-sönlichkeitsrechtlichen Bindungen bildet die Entwicklung der Übertragbarkeit der Firma37. Die Firma ist bekanntlich der Name, unter dem der Kaufmann sein Unternehmen betreibt. Noch RGZ 9, 104 sah die Firma wegen des darin enthaltenen Namensbezugs nicht als übertragbares Vermögensrecht an. Folge-richtig war nach RGZ 58, 166 die Firma im Konkurs nicht massezugehörig.

BGHZ 32, 103 anerkannte bereits die Möglichkeit der Fortführung der Firma durch den Konkursverwalter, falls der Schuldner einwilligt. Den Durchbruch zu einem Vermögensrecht brachte BGHZ 85, 221, worin die freie Übertragbarkeit der Firma anerkannt wird, freilich unter dem Vorbehalt, der Konkursverwalter habe zu prüfen, ob der personale Bezug des Firmennamens die vermögens-rechtlichen Interessen an der freien Verwertung der Firma überwögen38. Das war zunächst wegen des seinerzeitigen Zwangs zur Firmenbildung aus dem persönlichen Namen bei der Firma des Einzelkaufmanns39 zu verneinen, nicht aber bei der GmbH, da deren Gesellschafter nicht gezwungen seien, die Firma der Gesellschaft aus ihren persönlich Namen zu bilden. Nachdem heute auch ein Einzelkaufmann eine Sachfirma führen kann40, dürfte die Firma durchweg jedenfalls bei der Verwertung aus der Insolvenzmasse vor dem Hintergrund der entfallenen Zustimmungspflicht eines Namensträgers als frei übertragbares Ver-mögensrecht anzusehen sein41. Es verbleiben freilich noch Vorbehalte aus dem in § 23 HGB verankerten Verbot der Leerübertragung des Firmenrechts, was auf die oben skizzierten Unternehmensbezüge verweist.

37 Eingehend Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, 343.

38 BGHZ 85, 221, 223.

39 § 18 Abs. 1 HGB a. F. (bis 1998) lautete: „Ein Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, hat seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma zu führen.“

40 Großkommentar HGB/Burgard, Band 1, Einleitung, §§ 1–47 b, 5. Auflage 2009, Vor § 17 Rn. 13 f.

41 So im Ergebnis die heute h.M., vgl. MünchKommHGB/Heidinger, 3. Aufl. 2010, § 22, Rn. 86 mit Nachweisen in Fn. 12.

bb) Namens‑ und Bildnisrechte

Genuin persönlichkeitsrechtlich qualifizierte Rechte wie Namensrechte und das Rechte am eigenen Bild sind in den vergangenen Jahren ebenfalls Übertragungs-prozessen unterstellt worden. Freilich ist die persönlichkeitsrechtliche Wurzel bei diesen Rechten stark, und man stützt Transferprozesse wesentlich auf die „Ein-willigung“ des Rechtsträgers zur Nutzung von Namen und Bild durch Dritte, worin keine echte Übertragung liegt42. Die derzeitige Diskussion ist daher von der Frage geprägt, ob nicht auch dingliche Rechte an Namens- und Bildnisrech-ten anerkannt werden sollBildnisrech-ten43.

cc) Urheberrecht

Das deutsche Urheberrecht ist bekanntlich den entgegengesetzten Weg gegan-gen44: Bis zum Inkrafttreten des UrhG 1965 war das Urheberrecht „unbeschränkt“

übertragbar45, wenngleich als Folge der Verklammerung der vermögensrecht-lichen Teile des Urheberrechts mit dem Persönlichkeitsrecht des Schöpfers eine – in Worten des „Dualisten“ Josef Kohlers46 – Vinkulierung des Autorrechts fort-laufend bestand47. Auf der Basis der monistischen Theorie ist das Urheberrecht in Deutschland heute ein nicht übertragbares Recht48. Die persönlichkeitsrecht-lichen Bezüge des Urhebers zum Werk sind von vermögensrechtpersönlichkeitsrecht-lichen Befugnis-sen nicht zu trennen und hindern die Übertragbarkeit des einheitlich gedachten Urheberrechts49. Das Urheberpersönlichkeitsrecht als von vermögensrechtlichen Positionen nicht ablösbarer Bestandteil eines einheitlichen Urheberrechts steht der Übertragbarkeit im Wege und zwingt den Rechtsverkehr zu Ersatzkonstruk-tion, die an entscheidenden Stellen wenig Transaktionssicherheit bieten, bei-spielsweise bei der Frage des Fortbestands von Unterlizenzen bei Wegfall der Hauptlizenz50 und im Hinblick auf die Insolvenzfestigkeit51.

42 Dazu bereits oben unter IV.4.a.

43 Grundlegend Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1994, S. 142 ff., mit Vor-schlägen zur Weiterentwicklung zur Übertragbarkeit der Einwilligung und der Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte S. 165 ff.

44 Auch das österreichische Urheberrecht folgt dem Monismus, Walter, Österreichisches Urheber-recht, Handbuch, Teil I, 2008, Rn. 514.

45 Vgl. den Wortlaut in § 8 Abs. 3 LUG 1901 und § 10 Abs. 3 KUG 1910.

46 Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, 1907, S. 440.

47 Nachgezeichnet bei Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen, 1998, S. 339 f.

48 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 7. Aufl. 2015, Rn. 344 f. sieht hingegen in der monistischen Theorie gerade ein Instrument gegen die Gefährdung der Verkehrsfähigkeit des Urheberrechts.

49 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 7. Aufl. 2015, Rn. 343 ff.

50 Die Entscheidungen BGH GRUR 2009, 946 – Reifen Progressiv; BGH GRUR 2012, 914 – Take Five und BGH GRUR 2012, 916 – M2Trade versuchen Unterlizenzen zu stabilisieren.

51 Zu diesem Dauerthema Berger, GRUR 2013, 321 und zuletzt BGH, Urt. vom 21. 10. 2015, I ZR 173/14 – Ecosoil.

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 41-45)