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Technische Schutzmaßnahmen und Programm

Im Dokument 2 Zeitschrift Geistiges Eigentum (Seite 152-155)

Beschränkung der Verkehrsfähigkeit digitaler Güter durch technische Schutzmaßnahmen

II. Technische Schutzmaßnahmen und Programm

schutzmechanismen

1. Technische Schutzmaßnahmen

Technische Schutzmaßnahmen sind in Art. 6 Abs. 3 der InfoSoc-Richtlinie, umgesetzt in § 95 a Abs. 2 UrhG, definiert als Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken.6

a) Schutzobjekt und Schutzzweck

Objekt der technischen Schutzmaßnahme ist nach dieser Definition zwingend das urheberrechtlich geschützte Werk oder ein sonstiger über das Urheberrechts-gesetz geschützter Gegenstand. Unter den Begriff der technischen Schutzmaß-nahme fallen insofern nicht solche technischen Mittel, die andere, nicht oder nicht mehr vom Urheberrechtsgesetz erfasste Gegenstände betreffen.7

Der Zweck der technischen Schutzmaßnahmen wird durch § 95 b UrhG impliziert. Es sollen durch den Rechtsinhaber nicht genehmigte, urheberrecht-lich relevante Handlungen verhindert werden.8 Damit fallen auch solche tech-nischen Mittel unter den Begriff der techtech-nischen Schutzmaßnahme i. S. d. § 95 a Abs. 2 UrhG, die vor Handlungen schützen, die von Gesetzes wegen, etwa durch Schrankenregelungen, für rechtmäßig erklärt werden.9 Hinsichtlich solcher tech-nischen Schutzmaßnahmen gilt lediglich gem. § 95 b Abs. 1 UrhG, dass gegebe-nenfalls Mittel zur Gewährleistung der Ausübung der Schrankenbestimmung zur Verfügung gestellt werden müssen, dies jedoch nur für die Ausübung der

6 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Har-monisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, im Folgenden: InfoSoc-Richtlinie.

7 Dreier/Schulze-Dreier/Specht, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 95 a Rn. 3.

8 Kirmse, Die Rechtsfolgen der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen nach § 96 a UrhG, S. 44.

9 Dreier, EuZ 2005, S. 46 ff.

in § 95 b Abs. 1 UrhG explizit benannten Schranken. Insofern kommt es nicht darauf an, ob das Gesetz die von einer technischen Schutzmaßnahme unterbun-denen Handlungen für zulässig oder unzulässig erklärt. Technische Schutzmaß-nahmen gewährleisten vielmehr einen subjektivierten Schutz der privatauto-nomen Entscheidung des Rechtsinhabers, welche urheberrechtlich relevanten Handlungen er zulassen bzw. nicht zulassen möchte.

Betrachtet man jedoch die Historie des § 95 a Abs. 2 UrhG bzw. des Art. 6 Abs. 3 InfoSoc-Richtlinie, so wird deutlich, dass der europäische Gesetzgeber bei Ausgestaltung des Art. 6 Abs. 3 InfoSoc-Richtlinie einzig ein Vorrangverhältnis der technischen Schutzmaßnahmen gegenüber den Schrankenbestimmungen des Art. 5 InfoSoc-Richtlinie intendierte, nicht jedoch ein Vorrangverhältnis auch vor den Grundsätzen des in Art. 4 Abs. 2 InfoSoc-Richtlinie statuierten Erschöpfungsgrundsatzes. Dies ergibt sich aus dem Standpunkt des gemein-samen Rates vom 28. 9. 2000.10

Hintergrund des Vorrangverhältnisses technischer Schutzmaßnahmen ge-gen über den Schrankenbestimmunge-gen des Art. 5 InfoSoc-Richtlinie war ein Streit zwischen Kommission und Parlament. Nach Auffassung des Parlaments sollte der Schutz der technischen Schutzmaßnahmen Vorrang beanspruchen,11 nach Auffassung der Kommission der der Schrankenbestimmungen des Art. 5 Infosoc-Richtlinie.12 Der Kompromissvorschlag des Rates in seinem Gemein-samen Standpunkt sah vor, dass der Schutz der technischen Schutzmaßnahmen zunächst unabhängig davon gewährleistet wird, ob die durch die technische Schutzmaßnahme verhinderte Handlung durch eine Schrankenregelung i. S. d.

Art. 5 InfoSoc-Richtlinie privilegiert wird oder nicht, die Mitgliedstaaten jedoch verpflichtet sind, sicherzustellen, dass den von den Schrankenregelungen des Art. 5 InfoSoc-Richtlinie Begünstigten Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese Schrankenbestimmungen ausüben zu können. Um dies zu gewähr-leisten, wurde der Begriff der technischen Schutzmaßnahmen in dem Sinne erweitert, dass diese nicht nur objektiv Urheberrechtsverletzungen vorbeugen oder verhindern, sondern sich auch auf Handlungen beziehen sollten, die nicht durch den Rechtsinhaber genehmigt sind.13 Ein Vorrangverhältnis technischer Schutzmaßnahmen gegenüber dem Erschöpfungsgrundsatz sollte durch Art. 6 Abs. 3 InfoSoc-Richtlinie aber bei historischer Auslegung nicht statuiert werden.

10 Gemeinsamer Standpunkt (EG) 48/2000, ABl. C 344/1.

11 Vgl. Änderung 47, Art. 5 Abs. 4 S. 2 der legislativen Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, 1. Lesung, EUR-Lex 51999AP0026.

12 Vgl. Art. 5 Abs. 4 des geänderten Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 25. 5. 1999.

13 Vgl. hierzu die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament betreffend den vom Rat angenommenen Gemeinsamen Standpunkt, EUR-Lex 52000SC1734 – DE.

Wenn bei dieser Auslegung auch ein Umgehungsschutz nicht bestehen kann, sofern durch technische Mittel die Erschöpfungswirkung eingeschränkt wird, so hat man es doch versäumt, den Erschöpfungsgrundsatz durchsetzungsstark auszugestalten, sodass rein faktisch eine Beschränkung durch technische Schutz-maßnahmen möglich ist.

b) Schutzvoraussetzungen

Der Begriff der „technischen Maßnahme“ ist weit gefasst und inkludiert jede tat-sächliche Maßnahme, die über eine bloß manuelle Verhinderung oder Einschrän-kung der schutzgegenständlichen Handlungen hinausgeht und nicht vertraglicher Natur ist.14 Neben Maßnahmen im Online-Bereich sind technische Schutzmaß-nahmen insofern auch im Offline-Bereich denkbar. Beispielhaft genannt werden können etwa Kopierschutztechniken betreffend CDs oder VHS-Kassetten.15

Von einer für den Schutz nach § 95 a UrhG erforderlichen Wirksamkeit tech-nischer Schutzmaßnahmen ist bereits dann auszugehen, wenn ein nennens-werter Mindestschutz besteht. Eine Unmöglichkeit der Umgehung ist nicht ver-langt.16 Ob eine technische Schutzmaßnahme „im normalen Betrieb“ final darauf abzielt, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutz-gegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken, ist aus Sicht der angesprochenen Ver-kehrskreise zu bestimmen.17

Letztlich muss sich die Anbringung der technischen Schutzmaßnahmen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientieren. Hier kommt es insbesondere auf die Kosten für die verschiedenen Arten technischer Maßnahmen an, die tech-nischen und praktischen Aspekte ihrer Durchführung sowie auf einen Vergleich der Wirksamkeit dieser verschiedenen Arten technischer Maßnahmen.18

2. Technische Programmschutzmechanismen der §§ 69 a ff. UrhG

Für Computerprogramme gilt der Umgehungsschutz technischer Programm-schutzmechanismen gem. § 69 f Abs. 2 UrhG. Die §§ 69 a ff. UrhG gehen zurück auf die Software-Richtlinie 2009/24/EG19, die ihrerseits eine Neu-Kodifizierung

14 Ähnlich: Kirmse, Die zivilrechtlichen Rechtsfolgen der Umgehung technischer Schutzmaß-nahmen nach § 95 a UrhG, S. 46.

15 Letztere Beispiele ebenfalls verwendend: Kirmse, Die zivilrechtlichen Rechtsfolgen der Umge-hung technischer Schutzmaßnahmen nach § 95 a UrhG, S. 58 ff.

16 Dreier/Schulze-Dreier, UrhG, 5. Aufl. 2015, § 95 a Rn. 15.

17 Fromm/Nordemann-Czychowski, § 95 a Rn. 13.

18 EuGH, Urt. v. 23. 1. 2014 – C-355/12, GRUR 2014, 255 Tz. 33, 38 – Nintendo Unternehmen/Pc Box u. a.; von Ungern-Sternberg, GRUR 2014, 209, 218.

19 Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl 111/16 v. 5. 5. 2009.

der Richtlinie 91/250/EWG20 ist. Gem. Art. 7 lit. c der Software-Richtlinie müs-sen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen sowie den Erwerbszwecken dienenden Besitz von Mitteln treffen, die allein dazu bestimmt sind, die unerlaubte Beseitigung oder Umgehung technischer Pro-grammschutzmechanismen zu erleichtern. Gem. Erwägungsgrund 50 InfoSoc-Richtlinie soll dabei das im Anwendungsbereich der InfoSoc-InfoSoc-Richtlinie geltende Vorrangverhältnis technischer Schutzmaßnahmen gegenüber den Schranken-bestimmungen nicht auch im Anwendungsbereich der Software-Richtlinie gel-ten. Die Software-Richtlinie selbst enthält keine Regelung zum Rangverhältnis technischer Programmschutzmechanismen und von Gesetzes wegen für recht-mäßig erklärter Handlungen. „Unerlaubt“ i. S. d. Art. 7 lit c Software-Richtlinie ist eine Beseitigung oder Umgehung technischer Programmschutzmechanismen in Ermangelung einer solchen Regelung insofern dann nicht, wenn die ent-sprechende Handlung durch eine Schrankenregelung der Art. 5, 6 Software-Richtlinie oder aber durch Eintritt der Erschöpfungswirkung gem. Art. 4 Abs. 2 Software-Richtlinie für rechtmäßig erklärt wird. Den technischen Programm-schutzmechanismen liegt insofern ein objektivierter Schutzzweck zugrunde.21 Hiervon geht auch die h.L. aus.22

3. Technische Mittel

Neben den gesetzlich determinierten technischen Schutzmaßnahmen und Pro-grammschutzmechanismen ist indes auch der Einsatz anderer technischer Maß-nahmen denkbar, die nicht in den Anwendungsbereich der §§ 95 a ff., 69 a ff.

UrhG fallen, möglicherweise nicht einmal einen urheberrechtlich geschützten Gegenstand betreffen. Als Oberbegriff der technischen Schutzmaßnahmen, Pro-grammschutzmechanismen und anderen technischen Maßnahmen soll insofern der Begriff des technischen Mittels gewählt werden.

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