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Weniger Gewicht als auf das cholinerge System wurde in dieser Arbeit auf die weiteren Neu-rotransmitter wie z.B. GABA und Glutamat gelegt, da jene NeuNeu-rotransmitter in der Epilepto-logie bereits umfangreich erforscht wurden (Bradford, 1995; Barker-Haliski & White, 2015).

Um dennoch neben modellspezifischen Charakteristika des weniger erforschten ACh ein um-fassenderes neurochemisches Abbild in der Epilepsieentwicklung in unterschiedlichen Model-len zu erhalten, sind auch Messungen der extrazellulären Konzentrationen von Aminosäuren durchgeführt worden, zumal besonders GABA und Glutamat äußerst wichtige Positionen in der Ausprägung der Epilepsie halten.

GABA und Glutamat stellen die zwei wichtigsten Neurortransmitter des Gehirns dar, deren inhibitorisches und exzitatorisches Zusammenspiel das nötige neuronale Gleichgewicht für die physiologische Integrität des Gehirns schafft. Während Glutamat an den trisynaptischen Verschaltungen im Hippokampus die Hauptrolle einnimmt, kontrollieren GABAerge Inter-neurone entlang der gesamten hippokampalen Struktur die Erregung. Eine Entgleisung zu

Gunsten exzitatorischer Signale im Hippokampus bzw. in parahippokampalen Strukturen wird als ein möglicher Grund der Generierung von Anfällen angesehen (Bertram, 2013). Dies äu-ßert sich auch darin, dass glutamaterge Agonisten wie Kainsäure Anfälle produzieren können, während GABA-potenzierende Substanzen wie Diazepam und Phenobarbital oder Antagonis-ten glutamaterger Rezeptoren wie Topiramat und Perampanel diese unterbrechen können (Rogawski & Löscher, 2004; Lévesque & Avoli, 2013).

6.4.1 Messung der extrazellulären Konzentrationen von GABA und Glutamat im Anfallsgeschehen

In verschiedenen Studien konnte während eines Anfallsgeschehens der Anstieg der extrazellu-lären Konzentrationen von GABA und Glutamat im Gehirn nachgewiesen werden, der ver-mutlich dadurch zu erklären ist, dass die exzitatorischen und anfallsgenerierenden Signale von Glutamat durch ansteigendes GABA zu kompensiert versucht werden (Minamoto et al., 1992;

During & Spencer, 1993; Bradford, 1995). In unseren Versuchen im Li-Pilocarpin-Modell konnten wir keine Erhöhung der extrazellulären Konzentrationen beider Neurotransmitter im Hippokampus der Ratte während eines SE ausmachen (s. Abbildung 20 und 21). Auch Hillert et al. (2014) konnten keinen Anstieg von Glutamat in jenem Modell beobachten. Cavalheiro et al. (1994) konnten im Pilocarpin-Modell während eines SE einen Anstieg von GABA und ein Absinken von Glutamat feststellen, allerdings gemessen im Gewebe.

Im Gegensatz zum ACh scheinen sich hier vermehrt modellspezifische Unterschiede zwi-schen dem chemizwi-schen und dem elektrizwi-schen Modell zu manifestieren, da wir im BLA-Modell einen Anstieg von extrazellulärem GABA und Glutamat beobachten konnten, der nach Abbruch des SE weiter andauerte (s. Abbildung 22 und 23). Interessanterweise ergaben Messungen der Neurotransmitter im Hippokampus der Ratte durch elektrisches Amygdala-Kindling ebenfalls eine Erhöhung der extrazellulären Transmitterkonzentration im Hippo-kampus bzw. in der Amygdala im Rahmen provozierter Anfälle (Minamoto et al., 1992; Ueda

& Tsuru, 1994; Kaura et al., 1995). Im Einklang mit unseren Ergebnissen könnte die elektri-sche Stimulation der Amygdala unabhängig vom genutzten Modell zu einem per Mikrodialy-se deutlich messbaren Anstieg der Konzentrationen beider Transmitter führen, während sich bei chemischen Modellen vielmehr widersprüchliche Antworten in der Ausschüttung einstel-len.

6.4.2 Messung der extrazellulären Konzentrationen von GABA und Glutamat in Epileptogenese und Epilepsie

Hinsichtlich Epileptogenese und Epilepsie konnten Soukupová et al. (2014) im Pilocarpin-Modell der Ratte per Mikrodialyse im Hippokampus nachweisen, dass es zu einer Verände-rung in der GABA-Konzentration in der Epileptogenese und in der anschließenden chronisch epileptischen Phase kommt. Die Ausschüttung von GABA war im Laufe der Epilepsieent-wicklung progressiv reduziert, sodass von einem GABAergen Zelltod ausgegangen wurde.

Interessant war dabei, dass GABAerge Zellen in der Latenzzeit auf die Stimulation durch eine erhöhte K+-Konzentration im Perfusat mit einer erhöhten Ausschüttung antworteten, während dies in der chronisch epileptischen Phase nicht mehr auslösbar war. Dies wird damit erklärt, dass die im epileptogenen Prozess schwindenden GABAergen Zellen als Kompensationsme-chanismus verstärkt GABA ausschütten, gefolgt von einer Dekompensation in der chronisch epileptischen Phase. Jener Umstand könnte die anfallsfreie Latenzzeit erklären. In den Expe-rimenten der vorliegenden Arbeit konnten auch wir im Li-Pilocarpin-Modell eine leichte Ab-nahme der extrazellulären GABA-Konzentration bei epileptischen und nicht-epileptischen Tieren in der frühen Epileptogenese aufzeigen, auch wenn nur angedeutet (s. Abbildung 20).

Im weiteren Verlauf unterschieden sich die Tiere mit SE zur Kontrollgruppe nicht. Ein inte-ressanter Befund war der signifikante Anstieg von GABA am vierten Tag nach SE bei nicht-epileptischen Tieren im Vergleich zu den epileptisch erkrankten Tieren. Es könnte sein, dass eine Überregulierung der GABA-Ausschüttung in der Latenzzeit als Teil eines Reparations-mechanismus fungiert, der dazu beitrug, dass die Tiere nicht epileptisch wurden. Im elektri-schen Modell konnte ein derartiger Unterschied nicht ausgemacht werden.

In einer anderen Studie beleuchteten Soukupová et al. (2015) mit ähnlichem Versuchsdesign wie in der oben beschriebenen Studie den Transmitter Glutamat und stellten fest, dass es wäh-rend der epileptogenen Phase zwar keine Veränderungen gab, es aber in der chronisch epilep-tischen Phase bei epilepepilep-tischen Tieren zu einem Anstieg der extrazellulären Glutamatkonzent-ration kam. Auf Stimulation durch K+ reagierte das glutamaterge System bei epileptisch erkrankten Tieren dabei mit einer stärkeren Ausschüttung als bei Kontrolltieren. Dies zeigt, dass das glutamaterge Signal in der chronischen Phase verstärkt war und möglicherweise zur Progression der Erkrankung beitrug. In unseren Li-Pilocarpin-Studien fanden wir keine Ver-änderungen in der extrazellulären Glutamatkonzentration (s. Abbildung 21). Nur in der chro-nisch epileptischen Phase waren die Konzentrationen des Glutamats bei epileptischen Tieren

signifikant niedriger als bei Kontrolltieren, wobei dies durch einen unerklärlichen Anstieg der Konzentration bei letzteren bedingt war. Im elektrischen Modell hingegen kam es in der chro-nisch epileptischen Phase in Einklang mit Soukupová et al. (2015) zu einem Anstieg der extrazellulären Glutamatkonzentration (s. Abbildung 23).

Auch zahlreiche frühere präklinische Studien in Tiermodellen und klinische Studien mit Epi-lepsiepatienten konnten eine Destabilisierung der Gleichgewichtsverhältnisse in epileptisch veränderten Gehirnen feststellen, die mit den Ergebnissen der beiden Studien von Soukupová et al. in Form einer geschwächten GABAergen und verstärkten glutamatergen Neurotransmis-sion größtenteils harmonisieren (Koyama, 1972; Dodd & Bradford, 1976; Wood et al., 1979;

Manyam et al., 1980; Dodd et al., 1980; Löscher & Siemes, 1984; Kaura et al., 1995), wobei es über Glutamat und weitere Aminosäuren auch kontroverse Studien gibt (Bradford, 1995).

Dieser Umstand kann auf unterschiedliche Tiermodelle, aber auch Methoden der Datenerhe-bung zurückzuführen sein. Auch unser Vergleich der Ergebnisse zwischen chemischem und elektrischem Modell zeigt, dass Veränderungen im Neurotransmitterhaushalt der Aminosäu-ren modellspezifischen FaktoAminosäu-ren unterliegen können. Selbst innerhalb desselben Modells können Ergebnisse variieren. So stellten beispielsweise Cavalheiro et al. (1994) im Pilocar-pin-Modell einen Anstieg von sowohl GABA- als auch Glutamatwerten in der chronisch epi-leptischen Phase fest, während in der Studie von Soukupová et al. (2014) das GABA-Niveau in jener Phase absank. Essentiell ist hierbei zu erwähnen, dass Cavalheiro et al. (1994) den Gehalt der Aminosäuren im Gewebe bestimmten, während Soukupová et al. (2014) wie oben beschrieben die extrazellulären Gehälter per Mikrodialyse untersuchten. Im Rahmen der mög-lichen verschiedenen Quellen und der Kompartimentierung der Aminosäuren wie in Kapitel 6.1 geschildert sind Unterschiede zwischen Modellen und Methoden der Datenerhebung für die Interpretation der Resultate von großer Bedeutung.

6.4.3 Vergleich zwischen GABA, Glutamat und Acetylcholin

Die ähnliche Entwicklung des ACh in beiden von uns untersuchten Modellen könnte ein Indiz dafür sein, dass ACh im Gegensatz zu den Aminosäuren aus einer stabilen Quelle stammt, die wie in Kapitel 6.1 beschrieben vorwiegend neuronaler Natur ist und sich daher modellunab-hängig verhält. Im Gegensatz zu dieser Aussage konnten Jope & Gu (1991) jedoch selbst zwi-schen dem Pilocarpin-Modell und dem Li-Pilocarpin-Modell unterschiedliche Entwicklungen in Konzentrationen des ACh beschreiben, da die ACh-Konzentration in ersterem Modell im

Gegensatz zu letzterem Modell während des SE nicht anstieg. Hierbei wurden homogenisierte Gewebeproben auf ihren ACh-Gehalt untersucht.

Anscheinend gilt generell, dass in Laufe der Epilepsieentwicklung die GABAerge Neuro-transmission geschwächt wird, während das glutamaterge System an Bedeutung gewinnt. Da-bei scheint es in der Latenzzeit zunächst kompensatorische Mechanismen zu geben, deren Integrität nach Ausbruch der Erkrankung nicht mehr gegeben bzw. abgeschwächt zu sein scheint. Diese Entwicklung äußert sich auch in Veränderung der Dichte von entsprechenden Neuronen und Rezeptoren beider Neurotransmitter. Während die Dichte GABAerger Neurone v.a. im Hilus des DG nach epileptogenem Insult schwindet, können weitere verbleibende GABAerge Interneurone in ihrer kompensatorischen Funktion verstärkt aktiv werden (Houser

& Esclapez, 1996; Freitas et al., 2004). In der chronisch epileptischen Phase werden auch GABAerge Rezeptoren schließlich schwächer exprimiert. Die Dichte glutamaterger Rezepto-ren steigt nach epileptogenem Insult hingegen an (Freitas et al., 2004).

Auch wenn Rückschlüsse aus Dialysatwerten auf Interaktionen zwischen Neurotransmittern wie in Kapitel 6.1 beschrieben mit Vorsicht zu bewerten sind, ist es durchaus möglich, dass eine erhöhte, stabile und stimulusunabhängige ACh-Ausschüttung als Antwort auf einen be-ginnenden Anfall im vermeintlich antikonvulsiven Sinne die GABAerge Transmission ver-stärkt (s. auch Kapitel 6.2.3). Erst ab einer gewissen Schwelle der Konzentration von ACh könnte seine Wirkung vermehrt in eine prokonvulsive, dekompensatorische Phase durch wei-tere Aktivierung glutamaterger Neurone verrücken. Kompensatorische Mechanismen könnte es auch beim cholinergen System in der Epileptogenese und Epilepsie wie in Kapitel 6.3.2 beschrieben geben, die sich in der Internalisierung exzitatorischer muskarinerger Rezeptoren äußern. Für den Fall, dass ACh proepileptogene Eigenschaften hat, könnte der Abfall seiner Konzentration bei epileptischen Ratten in der Phase der chronischen Epilepsie das Resultat eines solchen persitierenden Mechanismus sein, der im Falle von GABA aufgrund von Zell- und Sensitivitätsverlust nicht mehr gegeben ist. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass das cholinerge System selbst in chronisch pathologischen Zuständen seine modulatorischen Ei-genschaften in angepasster Weise beibehält.

6.5 Veränderungen der Konzentrationen weiterer Neurotransmitter