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2.3 Das cholinerge System und Epilepsie

2.3.3 Die Mikrodialyse

Die Mikrodialyse ist eine invasive in vivo Methode, die das Messen der extrazellulären Kon-zentration biologischer Substanzen in verschiedenen Geweben ermöglicht (Benveniste, 1989;

Kennedy, 2013). Sie wird u.a. zur Überwachung des Mikromilieus des Gehirns verwendet und erlaubt, ein physiologisches Abbild von metabolischen Abweichungen bzw. Konzentrati-onsveränderungen im Neurotransmitterhaushalt dynamisch in Abhängigkeit von der Zeit zu definieren und diese mit Manipulationen oder Erkrankungen zu korrelieren. In der Regel wird die zerebrale Mikrodialyse über Sonden im Parenchym bewerkstelligt (s. Abbildung 4), die durch eine semipermeable Membran einen Austausch von Molekülen zwischen extrazellulä-rem Raum des Gewebes und des Perfusats im Inneren der Sonde mittels Diffusion erlauben (Benveniste & Hüttemeier, 1990). Mit Hilfe eines Pumpsystems wird das mit Molekülen an-gereicherte Perfusat als Dialysat aus der Sonde abtransportiert und frisches Perfusat nachge-pumpt, sodass das Konzentrationsgefälle zwischen Gewebe und Sonde kontinuierlich auf-rechterhalten wird (s. Abbildung 4). Das Dialysat kann schließlich im zeitlichen Verlauf in Volumeneinheiten unterteilt werden. Die Mikrodialyse stellt somit eine Sammelmethode und keine eigentliche Messmethode dar, sodass weitere Arbeitsschritte analytischer Art wie z.B.

der Einsatz der HPLC zur Konzentrationsbestimmung der erforschten Moleküle nötig sind.

Ein großer Vorteil der Mikrodialyse besteht in der Möglichkeit, die Probeentnahme an leben-den Tieren durchzuführen, die sich während der Versuche frei bewegen können und dabei mit wenig Stress konfrontiert werden (van der Zeyden et al., 2008; Anderzhanova & Wotjak, 2013). Da im Verlaufe der Zeit mehrere Experimente an demselben Tier vorgenommen wer-den können, kann somit auch die Versuchstierzahl verringert werwer-den (de Lange et al., 2000).

Abgesehen von entzündlichen Prozessen greift die Mikrodialyse kaum in die Homöostase des Gewebes ein (Anderzhanova & Wotjak, 2013). Die relativ kleine Bauweise der Sonden er-möglicht das lokale Sammeln und die Konzentrationsbestimmung mehrerer biochemischer Verbindungen gleichzeitig mit nur ggr. Gewebeschäden (Benveniste & Hüttemeier, 1990).

Trotz Fortschritt in der Optimierung der Mikrodialyse durch Einsatz weiterer Methoden (Kennedy, 2013), stellen räumliche und zeitliche Faktoren abhängig von der beabsichtigten Untersuchung unter Umständen limitierende Größen dar. Da gewöhnlich eine äußerst geringe Flussrate an die empfindlichen Sonden für den optimalen Austausch von Neurotransmittern gelegt wird (0,1 - 5,0 µl/min [Chaurasia et al., 2007]), stellt sich das Sammeln der Proben als ein relativ zeitaufwendiger Prozess dar (van der Zeyden et al., 2008;

Cifuentes Castro et al., 2014). In der Regel resultiert aus der langsamen Sammelphase und den verhältnismäßig großen benötigten Volumina eine niedrige zeitliche Auflösung (Benveniste, 1989; Zapata et al., 2013). Bei der Untersuchung von Hirnarealen mit geringer Ausdehnung kann auch die räumliche Auflösung der Sonden mit Durchmessern von über 250 µm einen limitierenden Faktor darstellen (van der Zeyden et al., 2008; Kennedy, 2013;

Cifuentes Castro et al., 2014). Zusätzlich werden aufgrund der Fremdkörperreaktion entzünd-liche Veränderungen im Hirngewebe in Form von Hypervaskularisation, Ödemen und Blu-tungen ausgelöst, die zwar nach 12 - 24 h abklingen, sich jedoch ab dem dritten Tag nach dauerhafter Implantation in astrozytären Reaktionen und abschirmenden Gliosen manifestie-ren, sodass ein optimaler Austausch der Moleküle nicht mehr gewährleistet ist und vielmehr neuropathologische Zustände charakterisiert werden (Benveniste & Diemer, 1987;

Benveniste, 1989; Georgieva et al., 1993; van der Zeyden et al., 2008; Anderzhanova &

Wotjak, 2013). Aufgrund von voranschreitender Optimierung und Kopplung mit analytischen Methoden hat sich die zerebrale Mikrodialyse nichtsdestotrotz als eine der wichtigsten und meistgenutzten Methoden zur Quantifizierung neurochemischer Veränderungen im Gehirn entwickelt (Benveniste, 1989; Kennedy, 2013).

Um den Kontakt der Sondenmembran mit dem Gewebe der jeweiligen Gehirnregion zu ge-währleisten, werden die Sonden per stereotaktischer Operation (OP) entweder direkt implan-tiert oder über ein zuvor implanimplan-tiertes Führungsrohr ins Gehirn eingesetzt (siehe Kapitel 4.2).

Die bestimmenden Vorteile der letzteren Variante liegen in der daraus folgenden besseren zeitlichen Flexibilität und Minimierung der Fremdkörperreaktion, nämlich in der Form, dass Tiere sich nach der OP zunächst erholen können, keine perioperativ verabreichten Substanzen wie z.B. Narkotika und Schmerzmittel den Neurotransmitterhaushalt beeinträchtigen, die Sonden zu unterschiedlichen Zeitpunkten im selben Tier mehrmals verwenden werden kön-nen und die nach einer gewissen Zeit auftretenden strukturellen und entzündlichen Verände-rungen durch permanenten Sondenkontakt selbst vorbeugbar bleiben (Georgieva et al., 1993;

Fumero et al., 1994).

Abbildung 4: Mikrodialysesonde und ihre Funktionsweise

Links: Lichtbild einer CMA 11 Mikrodialysesonde, modifiziert nach CMA Microdialysis product catalogue (2011); rechts: Schematische Darstellung der Funktionsweise einer Sonde mit Flussrich-tung des Perfusats bzw. Dialysats (dünne Pfeile) und Austausch von Molekülen per Diffusion (dicke Pfeile). Modifiziert nach Baldini (2010).

2.3.3.1 Mikrodialyse von Acetylcholin und diversen Aminosäuren

Aufgrund seiner geringen molaren Masse von 146,12 g/mol ist das ACh in der Lage, die übli-cherweise kommerziell erhältlichen Sondenmembranen ohne Weiteres zu passieren. Während der Sammelphase stellt das Stabilisieren der extrazellulären Konzentration des ACh einen relevanten Aspekt dar, da sie sich üblicherweise am Detektionslimit befindet und das ACh im physiologischen Milieu rasch durch die AChE abgebaut wird (Chang et al., 2006; Perry et al., 2009). Durch das Versetzen des Perfusats mit reversiblen AChE-Hemmern wie Neostigmin in geringen Konzentrationen (bis 100 nmol/l) wird die AChE in Sondennähe blockiert und die ACh-Konzentration stabilisiert, sodass das Molekül aus dem synaptischen Spalt zur Sonde diffundieren kann (Chang et al., 2006; Hillert et al., 2014). Dies wird aufgrund der Möglich-keit der Manipulation des cholinergen Systems jedoch kontrovers diskutiert (DeBoer &

Abercrombie, 1996; Acquas & Fibiger, 1998; Ichikawa et al., 2000; Chang et al., 2006; Perry et al., 2009).

Auslass

Einlass

Membran

Einlass Auslass

Gewebe

Perfusat Dialysat

Die anschließende Analyse des ACh im Dialysat stellt sich komplex dar, da das Molekül we-der elektroaktiv noch chromogen ist und dazu seine Derivatisierung nicht einfach ist (Perry et al., 2009; Cifuentes Castro et al., 2014). Neben teuren und zeitaufwendigen Techniken wie z.B. der radioenzymatischen Methode nach Shea & Aprison (1973), der gaschromatographi-schen/massenspektrometrischen Methode nach Jenden et al. (1973) und weiteren Methoden (Hanin, 1982), bewährte sich die einfachere, schnellere, spezifische und sensitive enzymati-sche und elektrochemienzymati-sche Aufbereitung des ACh nach Potter et al. (1983) zur Detektion an der HPLC (Bymaster et al., 1985). Für weitere methodische Details zur ACh-Analyse an der HPLC siehe Kapitel 4.6.2.

In der vorliegenden Arbeit wurden neben ACh sein Vorläuferstoff Cholin und weitere Neuro-transmitter aus der Gruppe der Aminosäuren wie Glutamat, GABA, Aspartat, Glycin, Serin und Glutamin sowohl während der Entwicklung eines SE als auch in der Epileptogenese und in der chronisch epileptischen Phase bei Ratten in den oben genannten Tiermodellen per Mikrodialyse gesammelt und an der HPLC gemessen. Die Kombination dieser Methoden zur Messung von Aminosäuren hat sich im Laufe der Zeit bewährt und wurde in entsprechenden Studien häufig verwendet (Perry et al., 2009). Besonders der exzitatorische Transmitter Glu-tamat sowie der inhibitorische Transmitter GABA spielen in der Epileptologie aufgrund ihres wichtigen Beitrags zur Konstanz neuronaler Gleichgewichtsverhältnisse im Gehirn eine ent-scheidende Rolle (Meldrum, 1994; Liu et al., 2014; Bonansco & Fuenzalida, 2016; Werner &

Coveñas, 2017). Weiterhin übt ACh durch die diffuse Lokalisation und die spezifischen Funk-tionen seiner vielfältigen Rezeptoren einen relevanten Einfluss auf weitere Transmittersyste-me aus (Albuquerque et al., 2009; Lebois et al., 2018). Durch das simultane SamTransmittersyste-meln bzw.

Messen verschiedener Transmitter in einer bestimmten physiologischen bzw. pathologischen Kondition sind Rückschlüsse auf mögliche Zusammenhänge im Neurotranmitterhaushalt in einem breiteren Spektrum möglich (Perry et al., 2009).