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Unterrichtung und Anhörung

Was sind die wesentlichen Inhalte der EBR +

11. Unterrichtung und Anhörung

Die Aufgabenbeschreibung und der Umfang der Unterrichtungs- und Anhörungs-rechte sind die Kernelemente der EBR + SE-BR Arbeit.

11.1 Grenzübergreifende Angelegenheiten

Der EBR + SE-BR ist die Arbeitnehmervertretung, die das Recht hat, über grenzüber-greifenden Angelegenheiten informiert und angehört zu werden (§ 1 Abs. 2 EBRG, § 27 SEBG). Umgangssprachlich wird Unterrichtung auch als »Information« bezeichnet.

Dazu gehören in jedem Fall Sachverhalte, die das gesamte Unternehmen betref-fen. Wenn eine Maßnahme Betriebe / Unternehmen in zwei Mitgliedsstaaten be-einflusst, handelt es sich auch um eine grenzübergreifende Angelegenheit. Ge-stritten wird manchmal darüber, wenn nur ein Betrieb betroffen ist. Wenn dieser in einem anderen Land als der Hauptsitz des Unternehmens liegt, in dem die Ent-scheidung getroffen wurde, sind zwei Länder betroffen.35 In der Praxis wird häu-fig diskutiert, ab wann eine grenzübergreifende Angelegenheit vorliegt. Es sollte deshalb in einer Vereinbarung ausdrücklich erwähnt werden. Es empfiehlt sich, den Wortlaut aus § 27 Abs. 1 SEBG zu übernehmen.

Im Übrigen hat eine Schließung oder Umstrukturierung in einem Land immer Aus-wirkungen auf ein anderes Land, sei es, dass die Produktion dahin verlagert wird, sei es, dass eine unternehmensweite Serviceleistung von einem Land ins andere gelegt wird. Eine Betroffenheit ist nicht nur im negativen Sinne zu sehen.

Die betroffenen Arbeitnehmer müssen Zugang zu den Entscheidern haben. Das ist einer der Gründe für den EBR.

34 Die Erforderlichkeit von Übersetzungen ist unbestritten, z. B. Oetker in: Lutter/Hommelhoff/Teich-mann, § 19 SEBG Rn. 7.

35 H.M. Fitting, Übersicht EBRG, Rn. 9 m. w. N.

Zwei Länder

Was sind die wesentlichen Inhalte der EBR + SE-BR-Vereinbarung?

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Sachverhalte, die rein nationalen Charakter haben, wie zum Beispiel die konkrete Lage der Arbeitszeit in einem Betrieb, fallen nicht unter die Informationspflicht des Arbeitgebers. Untereinander sollten natürlich auch rein nationale Sachverhal-te ausgetauscht werden, die andere inSachverhal-teressieren könnSachverhal-ten. UnSachverhal-ternehmen werden zunehmend zentralistisch geführt, u. a. machen das die neuen elektronischen Systeme möglich. Deshalb werden auch Entscheidungen immer häufiger zentral getroffen, sodass der Verweis, eine geplante Maßnahme sei nur national relevant, immer weniger wahrscheinlich wird.

11.2 Zeitpunkt der Unterrichtung

Der EBR + SE-BR muss über grenzübergreifende Angelegenheiten so rechtzeitig angehört werden, dass die Stellungnahme des EBR + SE-BR noch in die end-gültige Entscheidung des Unternehmens einfließen kann. Leider musste in der Vergangenheit häufig festgestellt werden, dass auf europäischer Ebene der EBR + SE-BR über Maßnahmen oder Projekte, die zweifelsfrei berichtet werden mussten und zu denen eine Anhörung zu erfolgen hätte, erst informiert wurde, als alles schon beschlossen war und die Umsetzung begonnen hatte. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Berichtspflichten der zentralen Leitung. Das wur-de beispielsweise im Falle Visteon36 gerichtlich festgestellt. Das Unternehmen hatte in einem Land einen Standort geschlossen und die Produktion von dort auf andere Standorte übertragen. Dem EBR wurde das erst mitgeteilt, als die Schließung schon umgesetzt worden war. Jedoch wurde die Klage des EBR auf Unterlassung der Schließung bis zur ordnungsgemäßen Durchführung des An-hörungsverfahrens abgelehnt, da das deutsche Recht keinen derartigen Unter-lassungsanspruch kenne. In Deutschland drohen Unternehmen in solchen Fäl-len nur die Bußgelder nach § 45 EBRG oder § 46 SEBG. Im ersteren Falle beträgt die Bußgeldobergrenze 15.000,– € und im zweiten Fall 20.000,– €. Der Begriff

»Peanuts« ist hier angebracht.

Anders beispielsweise im französischen Recht: Dort wurde in einem vergleichba-ren Fall entschieden, dass das Unternehmen die Umsetzung stoppen, die Unter-richtung des EBR nachholen und eine Anhörung durchführen muss.37

Dennoch gibt es auch im deutschen Recht eine Möglichkeit, das Beteiligungsrecht zu wahren. Der EBR kann seine Ansprüche auf Unterrichtung und Anhörung per

36 LAG Köln v. 8. 9. 2011 – Az.: 13 Ta 267/11 – AiB 2012, 126 f. (Visteon-Fall) 37 Renault-Entscheidung vom 7. 5. 1997, AuR 1997,299 ff. mit Anmerkung Rudolph.

Möglichkeit der Einflussnahme

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einstweiliger Verfügung durchsetzen. Zur Sicherung der Mitwirkungsrechte kann das Arbeitsgericht der zentralen Leitung vorübergehend die Maßnahmen untersa-gen, die z. B. mit einer Betriebsschließung einhergehen, wie etwa den Abtransport von Maschinen oder den Ausspruch von Kündigungen.38 Bevor der gerichtliche Weg eingeschlagen wird, sind eine gute Vorbereitung und die Kontaktaufnahme mit der zuständigen Gewerkschaft unerlässlich.

Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt es sich, einen Anspruch des EBR + SE-BR auf Unterlassung von Maßnahmen, die ohne vorherige Unterrichtung des EBR + SE-BR erfolgen, in der Vereinbarung festzuschreiben.39 Darauf basierend kann eine Klage gestützt werden.40

11.3 Verfahren der Unterrichtung

Neben der inhaltlichen Ausgestaltung ist auch das Verfahren der Unterrich-tung ein wesentlicher Regelungspunkt in einer EBR + SE-BR-Vereinbarung:

Die Informationen sollten dem EBR + SE-BR schriftlich zur Verfügung gestellt wer-den. Eine rein mündliche Informationsweitergabe erschwert die Vor- und Nachbe-reitung der Sitzungen. Ein weiterer Diskussionspunkt ist, in welcher Sprache die Informationen verfasst sind. Wir empfehlen, die zentrale Leitung zu beauftragen, zusammenfassende Berichte zu den im Katalog geforderten Inhalten in den jewei-ligen Landessprachen zu verfassen. Das sollte ausdrücklich in die Vereinbarung aufgenommen werden.

Zunächst zur Information: Der Informationsanspruch richtet sich nicht nur in die Zukunft, sondern umfasst auch die Vergangenheit. Geschäftsberichte und Bilan-zen, die auf den jährlichen Sitzungen vorgestellt werden, beschreiben etwas, das schon geschehen ist. Dazu kann der EBR + SE-BR Fragen stellen, die an der Bilanz aber nichts mehr ändern werden.

11.4 Anhörung

Beratend kann der EBR + SE-BR nur für die Zukunft tätig sein. Auf der jährlichen Sitzung ist es deshalb besonders wichtig, sich um geplante Maßnahmen und Projekte zu kümmern. Wenn man persönlich zusammen kommt und die zentrale

38 Fitting Übersicht EBRG, Rn. 90a.

39 Überblick zur aus deutscher Sicht wenig positiven Rechtslage: DKKW, Vorbem. EBRG Rn. 22.

40 Siehe den Meinungsstreit: Blanke/Hayen in: HaKo-BetrVG, § 18 EBRG Rn. 7.

Einstweilige Verfügung

Schriftliche Unterrichtung

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Leitung anwesend ist, erhält man die besten Informationen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die zentrale Leitung manchmal Informationen über konkrete Pla-nungen »vergisst«. Deshalb gehört es zu einer guten Vorbereitung, sich auch um Gerüchte über geplante Veränderungen zu kümmern und Fragen dazu schon vor der gemeinsamen Sitzung der zentralen Leitung zu übermitteln. Geplante Projek-te und Maßnahmen gehören auf die Tagesordnung, damit der EBR + SE-BR sich damit befassen können. Für eine vernünftige Stellungnahme braucht man Zeit. Es müssen Auswirkungen beurteilt werden, evtl. braucht man Hilfe durch Sachver-ständige. Wenn ein Projekt auf der Sitzung vorgestellt wird, darf sich der EBR + SE-BR nicht drängen lassen, am Ende der Sitzung schon eine Stellungnahme ab-zugeben. Auf der Nachbereitungssitzung muss abgesprochen werden, wer bis wann welche Informationen einholt und wie die Stellungnahme abgestimmt wird.

Der Ausschuss wird dabei die Hauptarbeit übernehmen müssen. Wenn es sich um Maßnahmen handelt, die nicht alle Länder betreffen, können zur Anhörung neben dem Ausschuss nur die Vertreter der betroffenen Länder eingeladen werden. Hin-sichtlich des zeitlichen Rahmens sollte in jedem Einzelfall eine Absprache getrof-fen werden, bis wann die Stellungnahme abgegeben wird. Bis dahin darf mit der Umsetzung der geplanten Maßnahme nicht begonnen werden. Schließlich kann sich aus der Anhörung des EBR + SE-BR ergeben, dass die ursprüngliche Planung geändert werden muss.

11.5 Regelungen in der Vereinbarung

Information und Anhörung sind im Gesetz als zwingende Regelungsgegenstände einer EBR + SE-BR-Vereinbarung bezeichnet. Die Aufgabenbeschreibung und der Umfang der Unterrichtungsrechte sind wesentlicher Inhalt der Vereinbarung. Die Ausgestaltung muss so erfolgen, dass sich die Unternehmensseite sowie der EBR + SE-BR auf klare Regelungen beziehen können und sich daraus eine gute Zusam-menarbeit entwickeln kann. In der Regel wird für die Themen, bei denen ein Betei-ligungsverfahren stattfinden muss, auf die Kataloge in § 29 Abs. 2 EBRG und in

§ 28 Abs. 2 SEBG zurückgegriffen (siehe auch S. 52). Das ist sehr gut vergleichbar mit den Themen, die in § 106 Abs. 3 BetrVG für den Wirtschaftsausschuss genannt sind. Wichtig ist, dass sie keine abschließende Aufzählung darstellen und das in der EBR + SE-BR-Vereinbarung zum Ausdruck kommt.

Es kann sich lohnen, zusätzliche Themen konkret zu benennen. Bei einem Wech-sel der handelnden Personen in der zentralen Leitung kann sich der EBR + SE-BR dann auf schriftlich fixierte Vertragsinhalte berufen und muss nicht wieder seine Informations- und Anhörungsrechte erneut durchsetzen. Beispiele für eine Er-weiterung des Katalogs sind Berichte über die Wege zur Förderung von Frauen Geplante Projekte

Beispielhafte Aufzählung

Weitere Themen

Vorbereitung der regelmäßigen Sitzungen 57

(FüPoG)41, den Arbeitsschutz, die Maßnahmen zur Weiterbildung oder die nicht-finanziellen wirtschaftliche Informationen (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)42. Letzteres ist auf jeden Fall anzuraten, da die CSR-Richtlinie auch die Arbeitsbe-dingungen, die Informations- und Anhörungsrechte und die Abdeckung mit Ta-rifverträgen als Information beinhaltet. Einen europäischen Gesamtüberblick zu diesen Themen zu bekommen, dürfte häufig sinnvoller sein, als die Auswertungen von wirtschaftlichen Kennzahlen bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen. Diese ergeben kaum Handlungsoptionen für EBR + SE-BR, die genannten CSR-Daten ge-hören dagegen zum Grundgeschäft von Arbeitnehmervertretern.

Denkbar ist, aufgrund der starken Tendenz zu konzerneinheitlichen Lösungen im Bereich Datenschutz dieses Feld auch für Grundsatzfragen einzubeziehen. Die Liste sollte niemals abschließend sein, sondern die Optionen für im Moment der Verhandlung noch nicht absehbare Themen lassen. Im Vergleich zum EBR sind die gesetzlich zwingenden Informationsrechte des SE-BR weitergehender ( siehe oben S. 52). Hier muss die zentrale Leitung nicht nur die Geschäftsberichte mit-teilen, es müssen darüber hinaus noch die Tagesordnungen aller Sitzungen des Aufsichts- und Verwaltungsorgans sowie aller Unterlagen in Kopie, die der Haupt-versammlung der Aktionäre vorgelegt werden. Bei Verhandlungen über die Infor-mationsrechte des EBR kann man eine solche Regelung auch dort vereinbaren, z. B. die Vorlage entsprechender Unterlagen der Muttergesellschaft.