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TEIL I: Die Grundlagen

3 Die Situation Liechtensteins in Bezug auf den Aufbau der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

3.2 Die Nutzer der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Liechtensteins

3.2.2 Unternehmen und Wirtschaftsverbände

Unternehmen und Wirtschaftsverbände können die VGR FL in zweifacher Hinsicht nutzen:

• um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu analysieren und zu verbessern,

• um sich über die Entwicklung und Struktur der liechtensteinischen Volkswirtschaft zu informieren.

80 Landtag (September 1998), S. 1792.

81 Landtag (September 1998), S. 1794.

82 Landtag (September 1998), S. 1796.

Analysemöglichkeiten eröffnet die VGR FL vornehmlich jenen Unterneh-men, die im Wettbewerb mit anderen inländischen Unternehmen stehen. Sie können ihre Wertschöpfungsrechnung oder ihre wertschöpfungsbezogenen Kennzahlen dank der Basisdaten der VGR FL mit den Durchschnittswerten des eigenen Wirtschaftszweiges vergleichen und so Rückschlüsse auf ihre Wettbewerbsposition sowie ihre Stärken und Schwächen ziehen. Besonders aufschlussreich für ein Unternehmen ist der Vergleich mit den besten Unter-nehmen des eigenen Wirtschaftszweiges (UnterUnter-nehmens-Benchmarking).

Um die sich bietenden Möglichkeiten aufzuzeigen, sollen an dieser Stelle die wichtigsten wertschöpfungsbezogenen Kennzahlen und ihre Bedeutung für die Unternehmensführung kurz erläutert werden.

Die Wertschöpfung stellt ein Mass für die Eigenleistung des Unternehmens dar, sie verkörpert den durch die Unternehmenstätigkeit erarbeiteten Wert-zuwachs auf den eingekauften Vorleistungen. Definiert wird die Wertschöp-fung demgemäss als Differenz zwischen dem Output des Unternehmens in Form von geschaffenen Waren oder Dienstleistungen und dem Input an Vorleistungsgütern.83 Sie lässt sich aufgrund der Erfolgsrechnung des Unter-nehmens berechnen und mit den Wertschöpfungszahlen der Volkswirt-schaftlichen Gesamtrechnung vergleichen.

Ausgehend von der Wertschöpfung eines Unternehmens lassen sich drei er-folgsspezifische Kennzahlen ermitteln: Arbeitsproduktivität, vertikale Integ-ration und Unternehmenswachstum.84 Höhere Arbeitsproduktivität, definiert als Bruttowertschöpfung je Mitarbeiter, trägt zu höherem Unternehmenser-folg sowie höherer Gesamtkapitalrendite (ROI) bei und erweist sich damit als ein Erfolgspotential, das für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unterneh-mens von hoher Bedeutung ist. Produktivitätssteigerungen sind längerfristig das einzige Mittel, um der Schere zwischen steigenden Faktorkosten und sin-kenden Absatzpreisen zu begegnen. Stellt ein Unternehmen fest, dass das Niveau und Wachstum seiner Produktivität im Vergleich zu den Mitbewer-bern unterdurchschnittlich ist, sind Gegenmassnahmen erforderlich, um das

83 Diese Definition der Wertschöpfung ist angelehnt an die Formulierung von Meyer-Merz (Wertschöpfungsrechnung), S. 41.

84 Haller (Wertschöpfungsrechnung), S. 297.

langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern. Der Produktivitätsver-gleich mit den Mitbewerbern ermöglicht es, die strategische Position des eigenen Unternehmens und die damit verbundenen Chancen und Risiken abzuschätzen.85

Die vertikale Integration eines Unternehmens, auch Wertschöpfungstiefe genannt, ist definiert als das Verhältnis der Bruttowertschöpfung zum Um-satz. Ob eine hohe oder eine niedrige vertikale Integration von Vorteil ist, wird kontrovers diskutiert und ist je nach Wirtschaftszweig unterschiedlich.

Feststellen lässt sich aber, dass die Wahl der adäquaten Wertschöpfungstiefe für den Unternehmenserfolg von wesentlicher Bedeutung ist. Zu den Vor-teilen einer hohen vertikalen Integration zählen niedrige Kosten bei Ein- und Verkauf, Sicherung von Zulieferungen oder Absatzwegen, Verbesserung der Fertigungs- und Lagerhaltungssteuerung, verbesserte technologische Mög-lichkeiten und erhöhte Eintrittsbarrieren für potentielle neue Anbieter. Zu den wichtigsten Nachteilen gehören erhöhte Kapitalanforderungen, Prob-leme einer effizienten Auslastung aller Produktionsstufen, verringerte Flexi-bilität und geringerer Spezialisierungsgrad.86 Aus der Berechnung der vertikalen Integration eines Unternehmens lässt sich so eine Liste möglicher Stärken und Schwächen ableiten, die genauer untersucht werden sollten.

Für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist schliesslich auch das Verhältnis des Unternehmenswachstums zum Wachstum des eigenen Wirt-schaftszweiges und der Gesamtwirtschaft ein wichtiger Faktor. Liegt das Unternehmenswachstum unter jenem des eigenen Wirtschaftszweiges, so zeigt dies eine sich verschlechternde Marktstellung an. Dabei ist die Brutto-wertschöpfung dem Umsatz als Massstab zur Beschreibung des Unterneh-menswachstums vorzuziehen, weil Umsatzsteigerungen nicht mit der Unter-nehmensleistung in Zusammenhang stehen müssen, sondern auf die Über-wälzung höherer Vorleistungskosten zurückzuführen sein können.87

85 Haller (Wertschöpfungsrechnung), S. 313ff. Vgl. Meyer-Merz (Wertschöpfungsrechnung), S.

519ff., und Rütter (Wertschöpfungsrechnung), S. 29.

86 Haller (Wertschöpfungsrechnung), S. 319ff. Vgl. Rütter (Wertschöpfungsrechnung), S. 24.

87 Haller (Wertschöpfungsrechnung), S. 324.

Werden die wertschöpfungsbasierten Kennzahlen des Unternehmens mit den Basisdaten der VGR FL verknüpft, ergeben sich neue Möglichkeiten einer zielgerichteten Unternehmensführung. Angesichts der zeitlichen Verzöge-rung, mit der die VGR-Daten publiziert werden, können hierfür jedoch nur Kennzahlen verwendet werden, die zeitlich relativ stabil sind. Für aussage-kräftige Vergleiche ist es zudem wesentlich, dass die Unternehmen ihre Erfolgsrechnungen nicht durch die Bildung und Auflösung stiller Reserven verzerren.88

Auch für Unternehmen, die keine Wertschöpfungsrechnung erstellen oder wertschöpfungsbezogenen Kennzahlen berechnen, kann es interessant sein, die Entwicklung und Struktur der liechtensteinischen Volkswirtschaft anhand der VGR FL genauer beurteilen zu können. Kleinere Unternehmen, die vornehmlich im Inland tätig sind, können Rückschlüsse auf die Nachfra-geentwicklung ziehen. Grösseren, exportorientierten Unternehmen, die sich mit dem Wirtschaftsstandort Liechtenstein identifizieren, bietet sich die Möglichkeit, ihren Kunden und ausländischen Partnern den eigenen Standort anhand international vergleichbarer Zahlen näher vorzustellen.

Den Wirtschaftsverbänden ermöglicht die VGR FL, für ihre Mitglieder Hin-tergrundinformationen zum Wirtschaftsstandort aufzubereiten und die Bedeutung des Wirtschaftsverbandes für die liechtensteinische Volkswirt-schaft darzustellen. Bei der Durchführung von Wertschöpfungsrechnungen, Produktivitätsanalysen und Branchenvergleichen können die Wirtschaftsver-bände ihre Mitglieder unterstützen, indem sie das Zahlenmaterial zusammen-führen und die Unternehmen bei der Analyse ihrer Erfolgspotentiale beraten.

Generell gilt für die Nutzung von Basisdaten der VGR FL durch Unterneh-men und Wirtschaftsverbände, dass die Daten nur so weit nach Wirtschafts-zweigen aufgeschlüsselt werden dürfen, als keine Rückschlüsse auf die Ergebnisse einzelner Unternehmen möglich sind.

88 Vgl. Boemle (Jahresabschluss), S. 420.