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Mitochondrien zeichnen sich durch eine einzigartige und äußerst komplexe interne Architektur aus, die exemplarisch in Abbildung 1.4 dargestellt ist. Sie besitzen zwei Phospholipidmembranen, die äußere und die innere mitochondriale Membran, die das Organell in zwei Membransysteme und in zwei wasserhaltige Subkompartimente, den Intermembranraum und die mitochondriale Matrix, unter-teilen (Palade, 1952; Sjöstrand, 1953; Frey & Mannella, 2000; Scheffler, 2001b).

Die äußere mitochondriale Membran umschließt das Organell und grenzt es gegenüber dem Zytosol ab. Sie ist durch den schmalen Intermembranraum von der inneren mitochondrialen Membran getrennt.

Diese weist zahlreiche, die Membranoberfläche vergrößernde Einstülpungen auf, welche als Cristae bezeichnet werden und in die Matrix hineinragen. Strukturell kann die Cristaemembran somit von der inneren Grenzflächenmembran, die den parallel zur äußeren Membran verlaufenden Teil der inneren mitochondrialen Membran darstellt, unterschieden werden (Perkins et al., 1997; Scheffler, 2001b).

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Mit Hilfe der Elektronenmikroskopie wurde der Abstand vom äußeren Rand der äußeren Membran zum inneren Rand der inneren Grenzflächenmembran bestimmt. Er beträgt ungefähr 22 nm, wobei die beiden mitochondrialen Membranen jeweils eine Dicke von etwa 7 nm aufweisen. Nur an den sogenannten „Contact sites“ (Kontaktstellen) beträgt der Abstand ca. 14 nm, was darauf hindeutet, dass die beiden Membranen in diesen Bereichen direkt aneinander liegen (Perkins et al., 1997).

Weiterhin wurde festgestellt, dass auch der Durchmesser der Cristae variiert. Die Cristae sind an den Übergängen der inneren Grenzflächenmembran zur Cristaemembran zu schmalen Tubuli verengt, die als „Cristae Junctions“ bekannt sind (Perkins et al., 1997). Diese Strukturen trennen den Inter-membranraum vom Intracristaeraum, welcher von der Cristaemembran umschlossen wird (Herrmann & Riemer, 2010).

Abb. 1.4: Darstellung der Ultrastruktur und der Subkompartimente eines Mitochondriums.

(A) Schematische Darstellung der internen mitochondrialen Architektur nach dem „Cristae Junction Modell“.

(B) Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Segments des in (C) abgebildeten 3D-Gesamttomogramms.

(C) Elektronentomographische 3D-Rekonstruktion eines Hühner-Cerebellum-Mitochondriums. In (B) und (C) ist die äußere Membran in dunkelblau, die innere Grenzflächenmembran in hellblau und die Cristaemembran der einzelnen Cristae in gelb dargestellt (modifiziert nach (Perkins et al., 1997) sowie (Frey & Mannella, 2000)).

Die mitochondrialen Membransysteme unterscheiden sich nicht nur morphologisch voneinander, sondern auch in der Zusammensetzung ihrer Lipide (Tab. 1.1) (Zinser et al., 1991; Horvath & Daum, 2013) und ihrer Proteinkomponenten (Gilkerson et al., 2003; Vogel et al., 2006; Suppanz, 2008;

Wurm, 2008).

Tab. 1.1: Lipidzusammensetzung der mitochondrialen Membranen in S. cerevisiae (Zinser et al., 1991).

Phospha-tidylcholin

Phosphatidyl-ethanolamin

Phospha-tidylinositol

Phospha-tidylserin

Phosphatid-säure

Cardio-lipin äußere

mitochondriale Membran

~ 46 % ~ 33 % ~ 10 % ~ 1 % ~ 4 % ~ 6 %

innere

mitochondriale Membran

~ 38 % ~ 24 % ~ 16 % ~ 4 % ~ 2 % ~ 16 %

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Die äußere mitochondriale Membran weist eine der Plasmamembran ähnliche Protein- und Lipid-komposition auf. Neben den integralen Proteinkomplexen, welche für den Import von kernkodierten Proteinen in die mitochondrialen Subkompartimente notwendig sind (siehe Kapitel 1.4), enthält die mitochondriale Außenmembran noch weitere integrale Membranproteine, die Kanalporen bilden.

Diese Kanäle ermöglichen einen annähernd ungehinderten Austausch von Makromolekülen und Ionen zwischen dem Zytosol und dem mitochondrialen Intermembranraum, der zwischen der äußeren und der inneren mitochondrialen Membran liegt (Benz et al., 1989; Benz, 1994; Alberts et al., 2002;

Colombini, 2012; Colombini & Mannella, 2012).

Auf Grund der Semipermeabilität der äußeren Membran wird angenommen, dass die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Intermembranraums denen des Zytosols ähnlich sind. Die beiden Reaktionsräume unterscheiden sich jedoch bezüglich ihrer pH-Werte sowie ihrer oxidativen Bedin-gungen deutlich voneinander (Herrmann & Hell, 2005; Herrmann & Riemer, 2010). Die Studien von Porcelli et al. und Hu et al. legen nahe, dass der Intermembranraum einen niedrigeren pH-Wert und ein stärker oxidierendes Milieu als das Zytosol aufweist (Porcelli et al., 2005; Hu et al., 2008).

Obwohl der Intermembranraum ein mitochondriales Kompartiment von vergleichsweise geringer Größe darstellt, enthält er zahlreiche für die Biogenese und Funktion der Mitochondrien wichtige Faktoren (Herrmann & Riemer, 2010; Vögtle et al., 2012; Petrungaro & Riemer, 2014). Dazu gehören Proteine, die als Chaperone beim Proteinimport fungieren (Mokranjac & Neupert, 2009) oder am Austausch von Metallionen (Ye et al., 2001; Palumaa et al., 2004) oder von Lipiden zwischen der mitochondrialen Matrix und dem Zytosol beteiligt sind (Tamura et al., 2009). Weiterhin spielen die Proteine des Intermembranraums bei der Induktion der Apoptose (Scorrano, 2009), beim Abbau reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) (Godon et al., 1998; Magherini et al., 2007) oder bei der Assem-blierung der Atmungskette (Diaz et al., 2011) eine Rolle.

Eine Substruktur des Intermembranraums sind die Kontaktstellen (Contact sites), an denen die äußere und die innere mitochondriale Membran in Verbindung stehen (Hackenbrock, 1968). Die molekulare Zusammensetzung und die physiologische Funktion dieser Bereiche sind der Schwer-punkt zahlreicher Studien. Sie variieren in ihrer Anzahl, Größe und Anordnung in Abhängigkeit des Organismus, des Zelltyps sowie des metabolischen Zustands der Zelle (Hackenbrock, 1968;

Rassow et al., 1989; Bücheler et al., 1991; Perkins et al., 1997). Es wird angenommen, dass mit Hilfe verschiedener Transportkomplexe, die an den Kontaktstellen lokalisiert sind, die Translokation von kernkodierten, mitochondrialen Proteinen über beide mitochondriale Membranen hinweg bewerkstelligt wird (Abb.1.5) (Kellems et al., 1975; Schleyer & Neupert, 1985; Schwaiger et al., 1987;

Pon et al., 1989; Rassow et al., 1989; van der Klei et al., 1994; Chacinska et al., 2003; Horvath et al., 2014). Außerdem können die an den Kontaktstellen vorkommenden Proteine mit dem Transport von Metaboliten (Bücheler et al., 1991; Brdiczka et al., 2006), der Verankerung der mitochondrialen DNS am Aktinzytoskelett (Boldogh & Pon, 2006) sowie dem Prozess der mitochondrialen Fusion (Hermann & Shaw, 1998) in Verbindung gebracht werden.

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Im Gegensatz zur äußeren Membran ist die innere mitochondriale Membran für kleine Moleküle und Ionen, für die keine spezifischen Transportproteine in der inneren Membran eingebettet sind, impermeabel (Alberts et al., 2002). Darüber hinaus unterscheiden sich die äußere und die innere Membran in ihrem Gehalt an verschiedenen Lipiden, wie beispielsweise Cardiolipin (Tab 1.1). Bei Cardiolipin handelt es sich um ein für mitochondriale Membranen charakteristisches Phospholipid (Schlame et al., 2000), welches unter anderem für die strukturelle Organisation der Komplexe der Atmungskette von Bedeutung ist (Pfeiffer et al., 2003; Bazán et al., 2013; Mileykovskaya & Dowhan, 2014). Weiterhin zeichnet sich die Innenmembran durch einen vergleichsweise hohen Proteingehalt aus. Die meisten zellulären Membranen weisen nahezu eine Gleichverteilung von Proteinen und Lipiden auf, während der Massenanteil der Proteine der inneren Membran etwa drei mal so hoch ist wie der der Lipide (Ardail et al., 1990; Simbeni et al., 1991).

Obwohl die innere Membran kontinuierlich von der inneren Grenzflächenmembran in die Cristaemembran übergeht, differenzieren sich diese beiden Substrukturen in ihrer Protein-komposition. Erste Hinweise auf eine Subkompartimentierung der inneren Membran lieferten Subfraktionierungen mit isolierten Mitochondrien (Werner & Neupert, 1972; Hovius et al., 1990). Die mit Hilfe der biochemischen Experimente gewonnenen Fraktionen, die unter anderem Unterschiede hinsichtlich ihrer Proteinzusammensetzung und ihrer enzymatischen Aktivitäten aufwiesen, konnten jedoch keinem der beiden Teile der inneren Membran eindeutig zugeordnet werden. Erst durch den Einsatz mikroskopischer Techniken konnte für zahlreiche Proteine eine heterogene Verteilung in der inneren Membran nachgewiesen werden. Es wurde gezeigt, dass die Bestandteile der Proteinimport-Maschinerie, darunter Untereinheiten der TIM23-Translokase und der Oxa1-Komplex, eine bevorzugte Lokalisation in der inneren Grenzflächenmembran aufweisen (Abb. 1.5) (Vogel et al., 2006; Wurm & Jakobs, 2006; Suppanz et al., 2009; Stoldt et al., 2012). Gegensätzlich dazu sind die Atmungskettenkomplexe und die F1F0-ATPase in der Cristaemembran angereichert (Abb. 1.5) (Gilkerson et al., 2003; Vogel et al., 2006; Wurm & Jakobs, 2006). Zudem wurde berichtet, dass die Komponenten des für die Cristaemorphologie entscheidenden MICOS-Komplexes (mitochondrial contact site and cristae organizing system, MICOS) an den Cristae Junctions, den Verbindungsstellen zwischen der inneren Grenzflächenmembran und der Cristaemembran, lokalisieren (Abb. 1.5) (Harner et al., 2011; Hoppins et al., 2011; von der Malsburg et al., 2011; Alkhaja et al., 2012). Auf Grund ihres geringen Durchmessers wird vermutet, dass die Cristae Junctions als Diffusionsbarrieren fungieren und unter anderem den freien Austausch von integralen Membranproteinen zwischen der inneren Grenzflächenmembran und den Cristae einschränken (Mannella et al., 1994; Zick et al., 2009;

van der Laan et al., 2012). So deuten zum Beispiel auch die Studien von Wilkens et al. darauf hin, dass die Atmungskettenkomplexe, die in unterschiedlichen Cristae vorliegen, sich nicht ohne weiteres mischen und in ihrer Mobilität vorwiegend auf ein Crista begrenzt sind (Wilkens et al., 2013).

Demnach liegt für die mitochondriale Innenmembran nicht nur eine morphologische, sondern auch eine funktionale Gliederung vor.

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Abb. 1.5: Subkompartimentierung der inneren mitochondrialen Membran in S. cerevisiae.

Proteinkomplexe mit einer Beteiligung an der Translokation und/oder Insertion von Membranproteinen, wie bei-spielsweise der TIM23-Komplex oder der Oxa1-Komplex, lokalisieren bevorzugt in der inneren Grenzflächen-membran. Im Gegensatz dazu sind Proteine, die bei der oxidativen Phosphorylierung eine Rolle spielen, wie zum Beispiel die Cytochrom c-Reduktase, die Cytochrom c-Oxidase, die F1F0-ATPase oder die Adenin-Nukleotid-Carrier, in der Cristaemembran angereichert. Der MICOS-Komplex lokalisiert an den Cristae Junctions.

AM (Außenmembran); IMR (Intermembranraum); IGM (innere Grenzflächenmembran); CM (Cristaemembran);

CJ (Crista Junction) und ICR (Intracristaeraum) (modifiziert nach (Zick et al., 2009)).

Bei den Cristae handelt es sich nicht um unregelmäßige und passiv entstehende Aussackungen der inneren mitochondrialen Membran, sondern um hoch geordnete und dynamische Strukturen, die den physiologischen Anforderungen der Zelle angepasst werden können (Frey & Mannella, 2000;

Mannella, 2006). Neben dem MICOS-Komplex werden mit der Ausbildung und Aufrechterhaltung der typischen Morphologie der Cristae sowohl eine Reihe weiterer Proteine als auch das Lipid Cardiolipin in Verbindung gebracht. So wurde beispielsweise berichtet, dass die F1F0-ATPase Dimere bildet, die in Reihen entlang der stark gekrümmten Cristaebereiche angeordnet sind, und, dass diese Dimerreihen vermutlich eine entscheidende, strukturgebende Komponente für die starke Krümmung der Cristae darstellen (Davies et al., 2011; Davies et al., 2012). Es wurde gezeigt, dass Defekte der Cardiolipinsynthese in einer beeinträchtigten Organisation der F1F0-ATPase-Dimere resultieren (Acehan et al., 2011), und, dass sich die Deletion der F1F0-ATPase-Untereinheiten e und g sogar nicht

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nur auf die Dimerisierung der F1F0-ATPase auswirkt (Arnold et al., 1998), sondern auch zur Aus-bildung von zwiebelschaltenartigen Cristaestrukturen anstelle der typischen, lamellar angeordneten Cristae führt (Paumard et al., 2002; Arselin et al., 2004). Des Weiteren wird dem Fusionsprotein Mgm1 eine Rolle bei der Erhaltung der Cristaestruktur in der Bäckerhefe S. cerevisiae (Abb. 1.5) (Meeusen et al., 2006) und seinem Homolog, dem humanen Fusionsprotein Opa1, eine Beteiligung an der Umstrukturierung der Cristae während der Apoptose (Frezza et al., 2006) zugesprochen.

Im Inneren des Mitochondriums formt die Innenmembran die mitochondriale Matrix, den größten Reaktionsraum der Mitochondrien. Die mitochondriale Matrix beherbergt multiple Kopien der mitochondrialen DNS in Form von Nukleoiden und ist mit einem eigenen Replikationsapparat sowie der Transkriptions- und Translationsmaschinerie für mitochondrial kodierte Proteine ausgestattet (Miyakawa et al., 1987; Scheffler, 2001b). Des Weiteren enthält die Matrix den Großteil der mitochondrialen Proteine, darunter eine Viezahl an Enzymen, die beispielsweise die Stoffwechsel-reaktionen des Krebszyklus oder der Fettsäureoxidation ausführen (Alberts et al., 2002).