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2 LITERATURÜBERSICHT

2.3 U TERINE POLYMORPHKERNIGE NEUTROPHILE GRANULOZYTEN (PMN)

Neben den Makrophagen sind die PMN eine bedeutende Zellpopulation bei der unspezifischen zellulären Immunabwehr. Sowohl bei akuten Entzündungen als auch bei der Bekämpfung von parasitären und bakteriellen Infektionen treten sie meist gemeinsam mit Antikörpern und Komplementfaktoren in Aktion. Kennzeichnend für eine akute Entzündungsreaktion ist der Influx von polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten (PMN) in das Gewebe. Am Ort der Entzündung sind PMN neben Makrophagen als erste Leukozytensubpopulation anzutreffen (LEHRER 1988).

PMN werden nach ihrer Bildung im Knochenmark in den Blutstrom abgegeben, wo sie nur wenige Stunden zirkulieren (WECKER 1990, KLEIN 1991). Das Pferd weist, bezogen auf kernhaltige Zellen, ein sogenanntes granulozytäres Blutbild auf. Die segmentkernigen neutrophilen Granulozyten stellen beim gesunden Individuum mit 50-80% die größte Leukozytenpopulation dar (BICKHARDT 1992).

2.3.1 Extravasation und Migration

Als Extravasation wird der Vorgang des Auswanderns von PMN aus dem peripheren Blut in das extravaskuläre Gewebe bezeichnet. Sowohl durch die Gefäßendothelzellen des betroffenen Gewebes als auch durch die Granulozyten selbst kann dieser Prozess vermittelt und reguliert werden (HOGG 1992). Verschiedene chemoattraktive Substanzen wie Komplementkomponenten, Produkte bakterieller Erreger (z.B. LPS) oder von ortständigen Zellen sezernierte Zytokine können in einem entzündetem Gebiet auf die PMN einwirken.

Auf diese Signale reagieren die PMN mit einer veränderten Expression von Adhäsionsmolekülen. Die Folge ist eine reversible Anheftung der PMN an die Endothelzellen, wodurch eine Reduzierung ihrer Strömungsgeschwindigkeit und eine Transmigration ins Entzündungsgebiet erreicht wird. Durch ihre selektive Expression von Adhäsionsmolekülen tragen die Gefässendothelzellen des betroffenen Gebietes ebenfalls zur Anheftung der PMN bei. Hierzu gehören interzelluläre Adhäsionsmoleküle, E-Selektine und P-Selektine, welche als Gegenstücke zu Kohlenhydratepitopen auf Leukozyten agieren (JANEWAY und TRAVERS 1997). Darüber hinaus sind durch Entzündungsmediatoren stimulierte Endothelzellen in der Lage, PMN-aktivierende Substanzen, wie den Plättchen-Aktivierenden-Faktor (PAF) und das potente chemoattraktive Zytokin Interleukin-8 (IL-8), zu erzeugen, welche zusätzlich die Adhäsion und die transendotheliale Migration der PMN fördern (HUBER et al. 1991).

2.3.2 Das Chemokin Interleukin-8 (IL-8)

Unter Zuhilfenahme verschiedener in- vitro-Detektionssysteme wurden viele Untersuchungen hinsichtlich des Migrationsverhaltens von PMN auf unterschiedlichste Substanzen durchgeführt. Als ein sehr potentes und definiertes Chemoattraktivum für equine PMN hat sich das Zytokin Interleukin-8 (IL-8) erwiesen (ENGELKE 2000). Interleukin 8 ist unter dem Synonym Neutrophilen Attraktives/Aktivierendes Protein 1 (NAP-1), Neutrophile Aktivierender Faktor (NAF), „Granulocyte chemotactic protein“ (GCP), „Leucocyte adhesion inhibitor“ (LAI), „Monocyte derived neutrophil activating peptide“ (MONAP), „monocyte

derived neutrophil chemotactic factor“ (MDNCF) u.a.m. bekannt (GILLI 1999). Anhand dieser Umschreibungen wird die bedeutende Eigenschaft des IL-8 deutlich, nämlich die Aktivierung von PMN zur Migration. Seine Spezifität für PMN wird aus der IL-8-Rezeptordichte auf der Oberfläche verschiedener Leukozytensubpopulationen ersichtlich. Bei T-Lymphozyten beträgt sie etwa 300/Zelle, bei Neutrophilen dagegen ca. 20.000/Zelle (BAGGIOLINI und CLARK-LEWIS 1992).

Das Interleukin-8 wird von vielen Zellen gebildet, hierzu gehören Endothel- und Epithelzellen, Lymphozyten, Monozyten, Fibroblasten und neutrophile Granulozyten (KUNKEL et al. 1991, BURMESTER und PEZZUTTO 1998). Sowohl durch chemo taktisch induzierte Migration (SIDDIQUI et al. 1999) als auch durch phagozytotische Aktivität kann die Freisetzung des IL-8 von den PMN noch gesteigert werden (BAZZONI et al. 1991).

Es wurden zwei IL-8-Varianten gefunden, wobei die eine aus 72 Aminosäuren besteht und in erster Linie von Monozyten und Lymphozyten produziert wird, während die andere aus 77 Aminosäuren aufgebaut ist und u.a. von Endothelzellen sezerniert wird. Durch Abkopplung von fünf Aminosäuren kann diese zweite Form zur biologisch aktiven 72-Aminosäuren-Variante umgesetzt werden. Es bewirkt bei PMN eine Migrationsaktivierung und eine Voraktivierung zur Bildung reaktiver Sauerstoffmetaboliten („priming“). Außerdem fördert es die Freisetztung lysosomaler Enzyme (SCHROEDER et al. 1987) und führt zu einer Hochregulierung des Makrophagen Rezeptors 1 (Mac-1, CD11b/18) (ROBERTS et al. 1993).

Sowohl beim Menschen als auch bei anderen Spezies konnte die chemoattraktive Wirkung des IL-8 nachgewiesen werden. In einer breit angelegten Studie konnten SUGAWARA et al.

(1995) zeigen, dass humanes IL-8 Effekte auf PMN von Ziege, Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Huhn, Hund und Affe hat. Nach intradermaler Applikation beobachteten ZWAHLEN et al. (1994) einen PMN-Influx in das Gewebe beim Hund. Beim Rind bewirkt humanes IL-8 eine transendotheliale in-vitro-Migration (BOCHSLER et al. 1994). Dagegen konnte eine in- vivo-Applikation von IL-8 in die Zitzenzisterne des Euters weder eine Immigration von PMN in das Lumen der Zitze noch in die Zitzenwand induzieren (PERSSON et al. 1993). Eine starke chemoattraktive Wirkung des Zytokins auf equine PMN konnte sowohl in vivo nach Applikation des humanen IL-8 in den Uterus der Stute als auch in vitro mit Hilfe einer Transmigrationkammer und aus dem Blut separierten equinen PMN von ENGELKE (2000) nachgewiesen werden.

2.3.3 PMN beeinflussende Faktoren

Bereits eine Stunde nach der Belegung einer Stute (KOTILAINEN et al. 1994, KATILA 1995) oder im Anschluß an eine experimentelle Infektion (WATSON et al. 1987) sind die ersten PMN im Uteruslumen zu finden. Die Antwort der PMN auf chemotaktische Signale wie Bakterien, Sperma und/oder Samenverdünner ist ein massiver Influx in das Uteruslumen (PYCOCK und ALLEN 1988). Bakterien, Samenzellen und Zelltrümmer werden von den aktivierten Uterus-PMN phagozytiert. Dies erfolgt in Anwesenheit von Opsoninen, insbesondere den Immunglobulinen, aber auch dem Komplementfaktoren C3b, iC3b, C4b (TROEDSSON et al. 1993). Für eine anhaltende Rekrutierung der PMN aus dem Blut sorgen neben den Spaltprodukten der Komplementkaskade (C5a und C3a), auch Prostaglandin F2a

(PGF2a) und Prostaglandin E (PGE), sowie Leukotriene B4 (LTB4) (LEES et al. 1986, WATSON et al. 1987, PYCOCK und ALLEN 1990).

Bei vergleichenden Untersuchungen wurden PMN aus dem Uterus „empfänglicher“ und

„resistenter“ Stuten mit Grad I- und Grad-III-kategorisiertem Endometrium gewonnen. Bei dieser histologischen Endometriumskategorisierung zeigten die Uterus-PMN der Grad-III-Stuten eine erheblich verminderte Phagozytoseaktivität von opsonisierten Candida-Blastosporen (CHEUNG et al. 1985, WATSON et al. 1987). Hinsichtlich der PMN-Funktionalität erhielten LIU et al. (1985) ähnliche Resultate, da sie bei den Uterus-PMN der Grad-III-Stuten eine verringerte Wanderungsbereitschaft und Zellelastizität (als Maß für die Phagozytosefähigkeit) feststellten. Dagege n beobachtete ENGELKE (2000), dass degenerative endometriale Veränderungen nicht per se die Funktionalität von uterinen PMN reduzieren. Bei Experimenten, die mit zellfreien Substanzen, z.B. mit einem Filtrat einer Sc.

zooepidemicus-Suspension, durchgeführt wurden, wiesen die PMN der „empfänglichen“

Stuten dagegen eine höhere Aktivität als die der sogenannten „resistenten“ Stuten auf. Auch eine von HANSEN und ASBURY (1987) durchgeführte Studie bescheinigte den

„empfänglichen“ Stuten eine bessere in- vitro-Funktionalität. Ein Einfluss des Zyklusstandes konnte von diesen Autoren nicht beobachtet werden. BLUE et al. (1984) und STRZEMIENSKI et al. (1984) konnten ebenfalls keine unterschiedlichen Ergebnisse bezüglich der in- vivo-Migration nach Inkubation von PMN im Uterussekret aus Östrus oder Diöstrus finden. Für Untersuchungen hinsichtlich eines möglichen hormonellen Einflusses auf

PMN-Eigenschaften wurden die Versuchstuten jeweils medikamentös unter Östrogen- bzw.

Progesteroneinfluss gesetzt. Auch hier wurden verschiedene Resultate erzielt. WASHBURN et al. (1982) bescheinigten den Blut-PMN von unter Östrogeneinfluss stehenden Stuten eine höhere Phagozytoskapazität als denjenigen von unter Progesteroneinfluss stehenden Stuten.

Eine Veränderung der Migrationseigenschaften von Uterus-PMN, die von Stuten gewonnen wurden, welche entweder mit Progesteron oder Östrogen behandelt worden waren, konnte WATSON (1988) nicht feststellen.

Die zahlreichen Studien zu den Eigenschaften uteriner PMN von „resistenten“ und

„empfänglichen“ Stuten unterscheiden sich meist im Versuchsdesign, in den eingesetzten Tiergruppen und den verwendeten chemotaktischen Substanzen für die Stimulation der uterinen PMN-Immigration, so dass die erzielten Resultate teilweise gegensätzlich und untereinander schwer vergleichbar sind. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten besonderen Wert auf die Definition der Versuchsbedingungen legen. In der vorliegenden Dissertation soll der Einfluss wiederholter Inseminationen auf den uterinen PMN-Influx geprüft werden. Dabei sollen die zeitliche Dynamik der Einwanderung der neutrophilen Granulozyten, ihre Funktionalität und modulierende Faktoren untersucht werden.