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5 DISKUSSION

5.3 E FFEKT EINER SIMULIERTEN WIEDERHOLTEN IS AUF DEN INTRAUTERI NEN PMN-I NFLUX

Die Effekte einer Nachbesamung 24 Stunden (h) nach der Erstbesamung auf die Qualität und Quantität der uterinen Entzündungsreaktion sind weitgehend unerforscht. Mit dem unter 5.2 diskutierten modellhaften Ansatz sollte im ersten Schritt geklärt werden, welchen Einfluss eine simulierte wiederholte IS auf die uterine Leukozytenzahl und –zusammensetzung hat.

Wie in den Vorversuchen kam es durch die Manipulationen im Zusammenhang mit den Uterusinfusionen und –spülungen zu keiner nennenswerten bakteriologischen Kontamination der Gebärmutter. Auch das Rückgewinnungsvolumen war mit etwa 75-95 % der Spülflüssigkeit reproduzierbar gross.

Wie aus Abb. 7 ersichtlich, wurden 2 Teilexperimente in 2 aufeinanderfolgenden Zuchtsaisons durchgeführt. Bei Betrachtung des ersten Teilexperiments zeigte sich, dass die einmalige IS der Gruppe A und die IL-8-Infusion der Gruppe B (simulierte Erstbesamung) zu einer vergleichbaren Leukozytenimmigration in den Uterus der Stuten führte (35 x 106 und 43,5 x 106 Leukozyten/ml Spülflüssigkeit). Der PMN-Anteil betrug jeweils > 99 %. Dies bestätigte einerseits die Resultate des Vorversuchs (s. 4.1.2.1), aus dem die Eignung von IL-8 zur Simulation der Belegungs- induzierten uterinen Entzündungsreaktion abgeleitet worden war. Andererseits spiegeln sich hier die bisherigen Erfahrungen mit dem IL-8-Entzündungsmodell wieder (ZERBE et al. 2003).

Sechs Stunden nach der Applikation von Frischsamen in der Gruppe B (simulierte wiederholte IS) wurden durchschnittlich 23 x 106 Leukozyten/ml aus der Gebärmutter gespült (> 99 % PMN). Dieser Wert unterscheidet sich weder signifikant von der simulierten Erstbesamung derselben Tiere noch von der einmaligen IS der Gruppe A. Damit konnte erstmals gezeigt werden, dass eine wiederholte IS weder zu einem erhöhten noch zu einem schwächeren PMN-Influx in den Stutenuterus führt.

Im zweiten Teilexperiment in der folgenden Zuchtsaison konnten diese neuen Erkenntnisse zur wiederholten IS reproduziert werden. Die simulierte Erstbesamung (IL-8) in der Gruppe B erbrachte eine Leukozytenkonzentration von 29 x 106 pro ml Spülflüsigkeit und nach simulierter Zweitbesamung von 18 x 106 pro ml Spülflüssigkeit. Der Unterschied war wiederum nicht signifikant (> 99 % PMN). Der erwartete erhöhte PMN-Influx durch

wiederholte intrauterine Stimulation innerhalb von 24 h wurde damit erneut widerlegt.

Verwunderlich erscheint dies auf den ersten Blick, weil theoretisch durchaus eine Verstärkung des uterinen Entzündungsprozesses möglich war. So hatten die Vorversuche (s.

4.1.1.) und die Ergebnisse anderer Studien (KATILA 1995; ZERBE et al. 2003) klar gezeigt, dass 24 h nach IS oder IL-8-Infusion noch deutlich erhöhte PMN-Konzentrationen im Uterus vorliegen. Da PMN zur Phagozytose von Spermien (MATHIJS et al. 2000) und aktivierte (phagozytierende) PMN auch zur Freisetzung chemoattraktiver Mediatoren (z.B. IL-8 und LTB4) fähig sind, schien eine Steigerung der PMN-Transmigration gegenüber einer einmaligen IS naheliegend.

Eine Ursache für diesen nicht signifikant schwächeren PMN-Influx 24 h nach der ersten Besamung könnte in denen von ZEMMRICH (2001) bei der Sau gemachten Beobachtungen hinsichtlich der Histologie des Endometriums liegen. Die Autorin stellte fest, dass die Konzentrationen der in das Uteruslumen eingewanderten Zellen positiv mit den histologisch ermittelten Zahlen an Leukozyten im Endometrium korrelierten und hypothetisierte, dass sich die PMN zum Zeitpunk der Insemination bereits im Endometrium in einer Art

„Wartestellung“ befinden. Somit wäre es denkbar, dass 24 h nach dem ersten Reiz nicht genügend PMN im Endometrium bereitstehen, um auf einen zweiten Reiz mit einer ähnlich hohen PMN-Einwanderung in den Uterus zu reagieren. Denkbar ist aber auch, dass es bei einer Zweitbesamung zur erhöhten PGF2a-Synthese und damit zur gesteigerten Uteruskontraktilität kommt (TROEDSSON et al. 1999). Möglicherweise werden eingewanderte PMN deshalb durch eine gesteigerte mechanische Clearance effizienter aus der Gebärmutter entfernt.

Bei vergleichender Betrachtung der beiden Teilexperimente I und II (s. Abb. 7) bezüglich der uterinen Entzündungsreaktion nach einmaliger IS mit Frischsamen fielen signifikante Unterschiede (p<0,05) in der PMN-Konzentration in der Spülflüssigkeit 6 h nach IS auf.

Während in der Gruppe A des Experiments I nach einmaliger Insemination durchschnittlich 35 x106 Leukozyten/ml Spülflüssigkeit gewonnen werden konnten, waren es im Experiment II 103 x 106 Leukozyten/ml. Dieser Unterschied trat auf, obwohl das Versuchsdesign (Auswahl der Versuchsstuten, Samenverdünnerrezeptur, Besamungsdosis, zeitlicher Versuchsablauf etc.) in beiden Teilexperimenten vergleichbar war. Der Ovulationszeitpunkt als ein einflussnehmender Faktor scheidet aus: Zwar kommt es peri ovulationem durch

Veränderung der Östrogenkonzentration im Blut zur Kontraktilitätssteigerung der Gebärmuttermuskulatur, was eine unterschiedliche mechanische Clearance von Spermien und PMN nach sich ziehen könnte (HUNTER 1981). Durch hCG-Applikation nach Rossediagnostik (s. 3.2.11) wurde in dieser Arbeit jedoch eine Ovulationssynchronisation durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Spülungen 6 h nach Applikation von Frischsamen war noch keine der Stuten zum Eisprung gekommen, während weitere 48 h später alle Stuten ovuliert hatten. Inwieweit der Ovulationszeitpunkt die uterine Immunantwort modifiziert, ist bisher nicht untersucht worden. Da die Stuten in beiden Teilexperimenten gleich behandelt wurden, scheint dieser Faktor jedoch für den beobachteten unterschiedlichen PMN-Influx nicht nahe liegend.

Auch das chemoattraktive Potential des Ejakulats muss als möglicher Auslöser unterschiedlicher Resultate in den beiden Teilexperimenten in Betracht gezogen werden. Um diese Fehlerquelle gering zu halten, wurden die Hengste jeweils in Gruppe A und B etwa gleichverteilt eingesetzt. Allerdings unterschieden sich die Hengstkollektive in den beiden Teilexperimenten. In den in- vitro-Experimenten (s. 4.4.2) wurden beim Vergleich der Spermien von 3 Hengsten bezüglich ihrer Chemoattraktivität gegenüber PMN jedoch keine Unterschiede festgestellt.

Ein wichtiger Parameter könnte in diesem Zusammenhang die Spermienvitalität zum Zeitpunkt der Applikation in den Uterus sein. Aufgrund unterschiedlicher lokaler Verhältnisse wurde die Insemination des Frischsamens im Teilexperiment I 1 oder 24 Stunden, in Teilexperiment II jedoch erst 24 h nach der Samengewinnung vorgenommen. Bei Frischsamen kommt es in Abhängigkeit vom verwendeten Verdünner immer zu einem zeitabhängigen Vitalitätsverlust der Spermien innerhalb von 24 h. Diesem Gedanken folgend wurde im nachgeordneten in-vitro-Experiment der Einfluss der Spermienvitalität (Membranintegrität) auf die chemoattraktive Potenz des Inseminates untersuc ht. Wie unter 5.5 ausführlich diskutiert konnte nachgewiesen werden, dass mit abnehmender Spermienvitalität die Chemoattraktivität der Spermienpräparation für PMN deutlich steigt, was den in- vivo-Unterschied zwischen Teilexperiment I und II erklären könnte.

Zusammenfassend lassen diese Resultate folgende Hypothesen zu: (1) Mit steigender Spermienmortalität kommt es zum stärkeren PMN-Influx in den Uterus. (2) Eine wiederholte IS führt bei Stuten der Kategorie I und IIa im Vergleich zur Erstbesamung zu einer ähnlichen

PMN-Transmigration in den Uterus. In zukünftigen Experimenten sollte geklärt werden, ob diese Resultate auch bei Stuten mit endometriotischen Veränderungen reproduzierbar sind und ob die sich andeutenden geringeren PMN-Zahlen im Uteruslumen bei wiederholter IS eine ungenügende uterine Clearance v.a. bei vorberichtlich „empfänglichen“ Stuten mit sich bringen.