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Modellhafte Untersuchungen zu pathogenetischen Fragestellungen sowie Erfolgsaussichten prophylaktischer und therapeutischer Ansätze bei Mastitis werden schon seit mehreren Jahr-zehnten durchgeführt. Bei spontan erkrankten Patienten sind die Ausgangsbedingungen nur schwer kontrollierbar und interpretierbar. In Infektionsmodellen können diese bewusst vorge-geben werden. Entscheidend für die Güte des Tiermodells sind strenge Modellgrenzen.

Bei der Analyse bisheriger Mastitismodelle fällt auf, dass die Voruntersuchungen und Aus-wahl der Tiere auf sehr unterschiedlichem Niveau stattfanden. In wenigen Fällen wurden die Versuchstiere streng nach Laktationszeitpunkt, Anzahl bisheriger Laktationen, niedriger Zell-zahl und wiederholt bakteriologisch negativen Befunden ausgewählt (SCHUKKEN et al.

1999). Ziel dieses Tiermodells war es, ausschließlich allgemein- und eutergesunde Tiere glei-chen Alters und Laktationsstadiums einzusetzen, die darüber hinaus auch im Zyklusstand ver-gleichbar waren.

Der SCC ist ein wichtiger Parameter für die Eutergesundheit (PYÖRÄLÄ 2003). Ab einer Zellzahl von >50.000 Zellen/mL konnte eine Verschiebung des Zellbildes zu Gunsten der PMN-Population festgestellt werden. In dem Mastitis-Modell von PETZL (2005) wurden Probanden eingesetzt, die einen initialen Zellgehalt von 100.000 Zellen/mL nicht überschrit-ten. Dennoch reagierten die Probanden individuell sehr unterschiedlich auf die Inokulation von Mastitiserregern. Folglich wurde im hier vorliegenden Mastitis-Modell ein maximaler Zellgehalt von 50.000 Zellen/mL auf Viertelgemelksebene vorausgesetzt.

Da mit zunehmender Anzahl an Laktationen auch die Zellzahl im Mittel durch eine Zunahme der PMN steigt und mit fortschreitendem Laktationsstadium die Zellzahl aller Zellarten zu-nimmt, wurden die Probanden für das Tiermodell auch bezüglich dieser Parameter ausgewählt (DOGGWEILER u. HESS 1983; BURVENICH et al. 1994). Auch in dieser Arbeit wurden ausschließlich Kühe in der Mitte der ersten Laktation (3-5 Monate post partum) ausgewählt.

Außerdem wird vermutet, dass die Aktivität residenter Milchdrüsenepithelzellen oder Makro-phagen möglicherweise über physiologische Faktoren (z.B. Hormone) gesteuert wird (SURIYASATHAPORN et al. 2000b). Da diese Zelltypen beide prinzipiell in der Lage sind immunologische Reaktionen zu modulieren, wurden die Probanden Zyklus-synchronisiert.

Als weiteres wichtiges Kriterium für die Selektion der Probanden galt, dass vorgeschichtlich keine Mastitis vorlag. Durch exogene Stressfaktoren könnte hierdurch ein Anstieg der Zell-zahlen bewirkt werden (WEGNER et al. 1976) und somit eine Vergleichbarkeit der Proban-den gefährdet werProban-den. Außerdem sollte vermieProban-den werProban-den, dass in der Milchdrüse zum Zeit-punkt der Infektion erregerspezifische Antikörper vorhanden sind, die ebenfalls über Immun-komplex-vermittelte Prozesse den Verlauf der experimentell gesetzten Infektion beeinflussen können.

Der SCC-Wert gilt als wichtiger Parameter für die Eutergesundheit. Bei den Golstandardard-tieren blieb dieser Wert mit einer Ausnahme unter dem geforderten 50.000 SCC/mL. Obwohl zum Zeitpunkt 12 h dieser Wert lediglich um 1.000 Zellen überschritten wurde, konnte im Mittel aller Einzelviertel eine Erhöhung der Zellzahl beobachtet werden. Diese konnte auf das Einzeltier M-31 zurückgeführt werden, deren SCC-Wert auf einen dreifach höheren Wert (siehe Abb. 13) stieg. Bei der Vorauswahl in den Betrieben und nach der Einstellung in die Klinik entsprach dieses Tier den Vorgaben der Modellgrenzen. Das Einzeltier M-14 konnte als Beispiel für ein stark unterschiedliches Zellzahlniveau zwischen den einzelnen Eutervier-teln angeführt werden. Hier war der Zellgehalt zwar über die Zeit konstant, aber in einem Eu-terviertel lag dieser 3-fach höher als in den Vergleichs-EuEu-tervierteln desselben Tieres. Ver-mutlich lag bei beiden Individuen ein exogener Stressfaktor vor, der zu einer Erhöhung des SCC führte. Laut WEGNER et al. (1976) lösen exogene Stressfaktoren in gesunden Eutervier-teln keinen Zellanstieg aus, während in bereits vorgeschädigten EutervierEutervier-teln deutliche zyto-logische Reaktionen beobachtet werden können. Diese Erkenntnis lässt vermuten, dass vorge-schichtlich ein unerkanntes Mastitisgeschehen vorgelegen haben könnte.

Der Anteil neutrophiler Granulozyten an den durchflusszytometrisch identifizierbaren Milch-Leukozyten lag bei durchschnittlich 45%. Er bewegte sich damit, trotz niedriger SCC-Werte etwas über den in der Literatur angegebenen Werten von 0-37% für die gesunde Milchdrüse (PAAPE et al. 1981; CONCHA 1986; WEVER u. EMANUELSON 1989; LEITNER et al.

2000b). Hier ist zu bedenken, dass die sehr unterschiedlichen Nachweisverfahren für Zellen in der Milch diese Diskrepanzen verursachen können (Köß 2004).

Die Lymphozytenpopulation in der Milch setzte sich überwiegend aus den drei Haupt-T-Zell-subpopulationen zusammen. CD4+-T-Zellen, CD8+-T-Zellen und γδ-T-Zellen machten zu-sammen im Mittel 96% der Lymphozyten aus. Den Goldstandardtieren fehlten demnach

B-Zellen in der Milch und dies mit einiger relativer Konstanz. TAYLOR et al. (1997) hinge-gen ermittelten einen Anteil von 67% T-Zellen unter den lymphoiden Zellen. Obgleich die Zusammensetzung der lymphoiden Zellen bei den Goldstandardtieren untypisch erscheint, kann dies jedoch als Maß für die Vergleichbarkeit unter den Probanden angesehen werden.

Unter den lymphoiden Zellen dominierten die CD8+-Zellen, was sich in einem relativ niedri-gen CD4+/CD8+-Verhältnis von etwa 0,35 ausdrückte (Abb. 16, A). Dies deckt sich mit pub-lizierten Verhältnissen von unter 0,5 in der Milch gesunder Kühe (SHAFER-WEAVER et al.

1996). Interessanterweise blieb dieses Verhältnis – bei durchaus unterschiedlichen absoluten Zellzahlen/mL Milch - über den Beobachtungszeitraum relativ konstant und kann ebenfalls als Qualitätskriterium des hier vorgestellten Tiermodells gelten. In Phasen mit einem verrin-gerten CD4+/CD8+-Verhältnis in der Milch scheinen Kühe ein höheres Mastitis-Risiko zu haben (PARK et al. 1992; TAYLOR et al. 1997).

Die hier charakterisierten Goldstandardtiere zeigten bezüglich der klinischen Parameter wie Körpertemperatur, Euterpalpation und Sekretbeschaffenheit im Verlauf eine hohe Konstanz innerhalb physiologischer Grenzen (4.1.1). Auch die Milchleistung war über den Beobach-tungszeitraum konstant (Abb. 11).

Dennoch konnte festgestellt werden, dass die individuellen Unterschiede sowohl der absolu-ten PMN-Zahl als auch der Makrophagen und CD8+-T-Zellen trotz eng gesetzter Modell-grenzen relativ hoch waren (Abb. 14). Die Variabilität zwischen Goldstandardtieren und de-ren Eutervierteln wurde besonders deutlich als die Expression ausgewählter Kanditatengene analysiert wurde. Die Expression zeigte eine z.T. erhebliche Varianz (Tab. 14) und demonst-riert, dass einzelne Euterviertel oder gar Tiere sehr schwer auf ein gemeinsames Ausgangsni-veau (Genexpression, Zellzahl, Zellzusammensetzung) zu bringen sind. Eventuell sollten zu-künftig noch engere Grenzen gezogen werden. So könnte die Zellzahl der Milch auf 20.000 Zellen/mL reduziert werden und, wie von HAMANN und KRÖMKER (1997) vorgeschlagen, die Zusammensetzung der somatischen Zellen in der Milch zur Standardisierung einbezogen werden, um die individuelle Variabilität noch weiter zu reduzieren. Die Verfeinerung des Tiermodells bezüglich dieser Kriterien würde allerdings einen erheblich höheren Arbeitsauf-wand bei der Auswahl der Tiere bedeuten und die Auswahl möglicher Probanden stark redu-zieren.

Angaben über Infektions- und Versuchsdauer differieren in der Literatur von 96 Stunden (KORNALIJNSLIJPER et al. 2003) bis zu 21 Tagen (LOHUIS et al. 1990) für E. coli und 72 Stunden bis 48 Tage für S. aureus (SHOSHANI et al. 2000; MIDDLETON et al. 2004). In dem hier verwendeten Tiermodell sollte die frühe Phase analysiert werden. Obgleich dies ein sehr unscharfer Begriff ist, wurde die Zeitspanne bis 24 h nach Inokulation als frühe Phase

definiert. Allerdings wurde in den Infektionsversuchen von PETZL (2005) deutlich, dass nach Inokulation mit S. aureus nach 24 h p.i. z.T. noch keine klinischen Änderungen oder Ände-rungen der Milchzellzahl zu erfassen waren. Daher wurden die Tiere in dem vorliegenden Tiermodell 72 h beobachtet.

5.1.1 Zelluläre Reaktionen nach Inokulation von E. coli

Die durch E. coli hervorgerufenen Mastitiden wiesen meist einen perakuten Verlauf mit deut-lich ausgeprägten klinischen Symptomen auf (BURVENICH et al. 2003). Im vorliegenden Tiermodell konnte bei allen Probanden eine erfolgreiche Infektion anhand der klinischen Be-funde bestätigt werden (4.2.1). Die infizierten Euterviertel zeigten einen vom 0 h-Wert stark abweichenden Palpationsbefund mit starker Schwellung. Auch das Milchsekret war sowohl in den infizierten als auch in den Kontroll- und Placebo-Eutervierteln stark verändert. Im Milch-sekret der infizierten Euterviertel war bei allen Probanden eine hochgradige Flockenbildung zu beobachten und bei einem Tier sogar der Verlust des Milchcharakters (Tab. 13).

Die Probanden reagierten einheitlich mit einer deutlichen Erhöhung der Körpertemperatur 12 h nach Inokulation des Erregers, die sich allerdings lediglich in einer geringgradigen Stö-rung des Allgemeinbefindens (Daten nicht gezeigt) äußerte. Dies kann dadurch begründet werden, dass sich die Tiere in der Mitte ihrer ersten Laktation befanden. BURVENICH et al.

(2003) beschrieben, dass die klinische Ausprägung mit fortgeschrittenem Laktationsstadium abnimmt und schwerwiegende Erkrankungen oft in der postpartalen Phase auftreten.

Obwohl die klinischen Parameter der mit E. coli inokulierten Kühe bezüglich der Milchleis-tung, der Eutersekret- und Palpationsbefunde sehr vergleichbar waren, konnten auf Ebene der somatischen Zellen der Milch deutliche individuelle Unterschiede beobachtet werden (Abb.

20, B). Zwei von fünf Probanden, das Tier M-08 und M-11, reagierten nur mit einem modera-ten Anstieg des SCC. Bei den drei anderen Tieren stieg der SCC bereits 12 h nach Inokulation signifikant auf das Siebenfache im Vergleich zu M-08 und M-11 an. Dies ist besonders be-merkenswert, da die Tiere M-08 und M-11 initial einen sehr geringen Zellgehalt aufwiesen.

Dies scheint im Gegensatz zu der Beobachtung von SURIYASATHAPORN et al. (2000b) zu stehen, die beschrieben, dass durch einen geringen individuellen SCC das Risiko, an klini-schen Mastitiden zu erkranken, erhöht ist. Jedenfalls konnte in dieser Arbeit kein augenfälli-ger Zusammenhang zwischen der initial vorhandenen Zahl an PMN in der Milch und der Stärke des zellulären Einstroms nach E.-coli-Inokulation hergestellt werden. Hier spielen wahrscheinlich Faktoren eine Rolle, die vor der Inokulation nicht oder nur unzureichend

er-fasst werden können (u. A. die Reaktionsfähigkeit residenter Sensorzellen wie Mastzellen, Makrophagen und Epithelzellen).

Obwohl die Höhe des zellulären Einstroms sehr variabel war, konnte an der Zusammenset-zung der Leukozyten in der Milch ein sehr einheitliches Reaktionsmuster festgestellt werden.

Der Anteil der PMN unter den Leukozyten der Milch erhöhte sich invariant von ca. 40% auf über 90% 12 h p.i. (Abb. 22, B). Damit konnte die Aussage von LEITNER et al. (2000a) und RIOLET et al. (2000a) bestätigt werden, dass in der akuten Infektionsphase der Anteil neut-rophiler Granulozyten auf über 86% bzw. 96% steigt. Die Einheitlichkeit dieses Parameters belegt zudem (wie auch die klinischen Daten, 4.2.1), dass sich die Zellen der Milchdrüse des inokulierten Tieren mit dem Pathogen auseinandergesetzt und Signale generiert haben, die zu einem koordinierten Einstrom hauptsächlich neutrophiler Granulozyten führten.

5.1.2 Zelluläre Reaktionen nach Inokulation von S. aureus

Die mit S. aureus inokulierten Tiere reagierten insofern einheitlich, als sie nur geringfügige Anzeichen einer Euterentzündung aufwiesen. Ebenso wie bei den E.-coli-inokulierten Tieren sank die Milchleistung auf allen Eutervierteln. Die deutlich geringere klinische Ausprägung einer Infektion spiegelte sich in einem im Mittel deutlich geringeren Zelleinstrom bei hoher individueller Variabilität wider (Abb. 21, A, B). Damit konnte eine Zelleinstromkinetik, wie ihn BANNERMAN et al. (2004) nach S.-aureus-Infektion zeigten, nicht bestätigt werden: die Autoren beschrieben einen Peak des Einstroms etwa 40 h p.i. und schlossen daraus, dass nach S.-aureus-Infektion der Zelleinstrom generell später als nach E. coli-Infektion erfolgt.

Die unterschiedlichen Reaktionen auf die Inokulation mit S. aureus, die sich im Vergleich mit dem Mastitis-Modell von BANNERMAN et al. (2004) ergaben, könnten zum einen darauf zurückzuführen sein, dass ein anderer Bakterien-Stamm eingesetzt wurde. Zum anderen wur-den in der Studie von BANNERMAN et al. (2004) Probanwur-den mit erheblich unterschiedlichen Auswahlkriterien z.B. bezüglich des SCC (<500.000 Zellen/mL) eingesetzt.

Interessanterweise deckten sich die Veränderungen der Leukozytenzusammensetzung nach S.-aureus-Inokulation mit denen nach E.-coli-Inokulation. Auch hier konnte invariant 12 h p.i.

ein signifikanter Anstieg des relativen PMN-Anteils festgestellt werden (von ca. 30% auf 77%, Abb. 22, D), der zudem über die 72 h-Beobachtungsdauer konstant und hoch-signifikant erhöht blieb.

Solche signifikanten Veränderungen konnten für T-Zellsubpopulationen nicht beobachtet werden. Der zwar augenscheinliche Anstieg an CD4+-, CD8+-und γδ+ T-Zellen in der Milch nach S.-aureus-Inokulation (Abb. 26, A-C) belegt, dass nach Kontakt mit dem Erreger diese Zellen in die Milch migrieren können; allerdings waren die Unterschiede zu den

Kontroll-Eutervierteln nicht signifikant. Interessant war das beobachtete stetige Ansteigen des CD4+/CD8+-Verhältnisses in der Milch, sowohl der Kontroll- wie auch der inokulierten Vier-tel (Abb. 26, D), welches 72 h p.i. in den inokulierten EutervierVier-teln deutlich zunahm auf (CD4+/CD8+-Verhältnis = 0,84), während es in den Kontroll-Eutervierteln 72 h p.i. deutlich abnahm (ähnlich wie bei den Goldstandardtieren). Dies könnte in der Summe bedeuten, dass S.-aureus-abhängig, Signale zum differentiellen Einstrom von CD4+-T-Zellen generiert wer-den z.B. ein selektives Chemokinmuster. In anderen Modellen wurde ein weit stärkeres Ein-strömen von CD4+-T-Zellen in die Milch beobachtet.

In der akuten Phase wurden von GRONLUND et al. (2006) ein CD4+/CD8+-Verhältnis von 2,7 und in der chronischen Phase ein Verhältnis von 1,8 beschrieben. Inwieweit dies auf eine erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Euterschranke oder auf eine selektive Induktion von CD4+-T-Zell-attraktiven Chemokinen im Gewebe zurückzuführen ist, muss dahingestellt bleiben.

Ein Bruch der Blut-Euterschranke im vorliegenden Modell erscheint unwahrscheinlich, da sich dann die CD4+/CD8+-Verhältnisse weit stärker als beobachtet hätten ändern müssen.

Eine weitere interessante Korrelation wurde zwischen dem Gehalt an γδ-T-Zellen und den somatischen Zellen in der Milch nach Infektion beobachtet. Bei der Analyse der somatischen Zellzahlen nach S.-aureus-Inokulation fiel auf, dass drei Tiere (M-20, M-23 und M-30) mit einem starken Zellinflux reagierten. Diese Tiere wiesen vor der Inokulation des Erregers eine geringe Anzahl γδ-T-Zellen in der Milch auf, die mindestens 50% unter der Anzahl der Pro-banden M-28 und M-29 lag, deren Anstieg der somatischen Zellzahlen moderat verlief. Ob tatsächlich eine höhere Anzahl dieser Zellen in der Milch vor Inokulation einen milderen In-fektionsverlauf begünstigt, ist aufgrund der geringen Stichprobengröße nicht abschließend zu klären. Immerhin deckt es sich mit der Beobachtung, dass in Phasen erhöhter Mastitis-empfänglichkeit der Anteil der γδ-T-Zellen im mammären Parenchym (und damit wahr-scheinlich auch in der Milch) signifikant reduziert war (SHAFER-WEAVER et al. 1996).

Insgesamt könnten die Befunde einen wichtigen Hinweis darauf geben, dass diese Zellen tat-sächlich eine bisher hypothetische Sensorfunktion für Erregermuster und damit eine wichtige Rolle in der mammären Infektionsabwehr innehaben. Dies sollte in weiteren Studien näher analysiert werden.

5.1.3 Lösliche Faktoren in der Milch

Zytokin

Für TNF- α wurden in den Milchseren infizierter Euterviertel Gehalte von 0,7 bis 32 ng/mL gemessen (4.2.4). Dies entsprach einem TNF-α-Konzentrationsbereich, wie sie von

BANNERMAN et al. (2004) für die Milch infizierter Euterviertel angegeben wurden. Die TNF- α Gehalte verliefen allerdings individuell äußerst unterschiedlich (Abb. 29), wodurch eine verallgemeinernde Interpretation sehr schwierig ist. Für IL-1β und IFN-γ fielen die Er-gebnisse ebenfalls individuell sehr unterschiedlich aus (4.2.4). Bei allen Tieren wurde in den 24 h Milchseren aus den E.-coli-Infektionsversuchen ein erhöhter Gehalt für IL-1β aber nur vereinzelt erhöhte Werte für IFN-γ gemessen. In den Milchseren aus den S.-aureus-Infektionsversuchen konnten kein erhöhter IFN-γ- und nur in einzelnen Milchseren ein leicht erhöhter Il-1β-Gehalt festgestellt werden. Es konnte nicht gezeigt werden, das Milchseren mit hohen IFN-γ-Gehalten auch erhöhte IL-1β-Gehalte aufwiesen.

Dass der quantitative Nachweis von TNF-α zwar im Radioimmunoassay, nicht jedoch im ELISA möglich war (Abb. 28) könnte darauf beruhen, dass in der Milch lösliche TNF-α Re-zeptoren vorlagen (JABLONSKA 1997), die mit den im ELISA eingesetzten TNF-α–

Antikörpern konkurrierten. Dafür sprechen bspw. die auf unterschiedlichen Niveaus verlau-fenden Titrationskurven mit rekombinanten TNF-α in verschieden verdünnten Milchseren. Da löslichen TNF-α-Rezeptoren eine erhebliche Bedeutung in der Regulation entzündlicher Pro-zesse zukommt, sollten sie in der Milch in Zukunft näher analysiert werden.

Histamin

Der E.-coli-Infektionsversuch zeigte deutlich, dass der Histamingehalt in der Milch Erreger-anhängig signifikant ansteigt (Abb. 30). Der Anstieg auf 47 ± 9 ng/mL Milch machte nahezu das Doppelte des Ausgangswertes aus und erreichte nicht den Gehalt von 312 ng/mL, der nach einer klinischen Klebsiellen-Infektion beobachtet wurde (ZIA et al. (1987). Allerdings lagen in der zitierten Arbeit die Histaminkonzentrationen für die Kontroll-Euterviertel eben-falls höher (72 ng/mL).

Bemerkenswert ist der signifikante Anstieg erst 24 h p.i. (Abb. 30), während Zellzahlverände-rungen nach Inokulation mit E. coli bereits nach 12 h zu beobachten waren. Es konnte somit kein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Histaminfreisetzung und dem Einstrom von Leukozyten hergestellt werden. Gleiches galt für die Infektionsversuche mit S. aureus. Der schwache und nicht-signifikante Anstieg des Histamingehaltes in der Milch war nicht vor dem Einstrom von Zellen zu beobachten (Abb. 31). Die Quelle in der Milch nachgewiesenen Histamins konnte in unseren Untersuchungen nicht eindeutig nachgewiesen werden.

KIERSKA et al. (1997) geben als hauptsächliche Quelle des Histamins in der Milchdrüse Mastzellen und Milchdrüsenepithelzellen an. Die Milchdrüsenepithelzellen, die im Rahmen des In-vitro-Versuches mit Erregern und Erregermustern stimuliert wurden, produzierten kein Histamin (die Werte lagen alle unterhalb der Nachweisgrenzen, vgl. 5.2.5). Wenn Mastzellen

die hauptsächliche Quelle des Histamins sind, kann aus den Daten gefolgert werden, dass ihre Aktivierung – mit Degranulation und Histaminfreisetzung - erst nach initialen Erreger-Wirts-Kontakten und entsprechenden Folgeprozessen erfolgt. Die Rolle des Histamins und weiterer Mastzellmediatoren ist demnach eher in der Regulation als in der Induktion des inflammatori-schen Geschehens zu suchen (siehe 5.2.4)

5.1.4 Beeinflussung benachbarter Euterviertel durch die Inokulation mit Erregern

In der Untersuchung von PETZL (2005) wurde gezeigt, dass ein initial infiziertes Euterviertel Einfluss auf die Dynamik der Zellzahl-Entwicklung nachfolgend infizierter Euterviertel nahm. In diesem Modell wurden 3 von 4 Eutervierteln sequentiell im Abstand von 12 h mit der identischen Zahl an E.-coli-Bakterien infiziert. Diese Beobachtung legte nahe, dass sich die Euterviertel im Rahmen der Infektion gegenseitig durch Mediatoren beeinflussen.

In dem hier vorliegenden Infektionsversuchen konnten nur in Folge einer E.-coli-Inokulation Anstiege des SCC in Kontroll-Eutervierteln beobachtet werden. Entsprechende Veränderun-gen blieben in den Kontroll-Eutervierteln S.-aureus-inokulierter Tiere aus (Abb. 22). Trotz individuell starker Varianzen wird auch in diesem Modell eine Beeinflussung von Nachbar-Eutervierteln durch ein infiziertes Euterviertel belegt. Die Expression verschiedener immunre-levanter Gene in den jeweiligen Nachbar-Eutervierteln wurde daraufhin untersucht (Tab. 14).

Bis auf das Gen für TGF-β wurden 24 h p.i. mit E. coli alle untersuchten Gene signifikant, z.T. drastisch hochreguliert. In den benachbarten Eutervierteln zeigten sich 6 h p.i. einzelne, leichte Erhöhungen der Genexpression, während in den Kontroll-Eutervierteln 24 h p.i. signi-fikante Expressionssteigerungen gegenüber den Goldstandardtieren zu verzeichnen waren.

Die Modulation der Genexpression umfasste sowohl Zytokine, Chemokine als auch Effek-tormoleküle wie Serum-Amyloid A und iNOS.

CCL20 (MIP-3-α, LARC und EXODUS-1) wird hauptsächlich in der Leber aber auch in Leukozyten nach LPS oder IL-1β-Stimulus produziert. In der Milchdrüse wird es vermutlich durch residente Makrophagen gebildet. Es ist hauptsächlich für Lymphozyten und weniger für Granulozyten chemotaktisch (SCHUTYSER et al. 2000). Dieses in den Kontroll-Eutervierteln auf Gen-Ebene verstärkt exprimierte Chemokin könnte somit zu einer Änderung der initialen Zellzusammensetzung führen. Gleiches gilt für das CCL5 (RANTES), ein Chemokin welches eine Vielzahl verschiedener Zellen anlocken kann und üblicherweise von T-Lymphozyten produziert wird. Es fördert zudem die Ausbildung einer Typ-1-polarisierten T-Zell-Antwort und damit eine pro-inflammatorische Antwort. In Untersuchungen von PAREEK et al. (2005)

an pbMEC-Kulturen konnte 6 h nach einer LPS-Stimulation eine 208-fache stärkere Expres-sion der mRNA beobachtet werden. Somit könnten Milchdrüsenepithelzellen für die Ex-pression dieses Chemokins in der Milchdrüse verantwortlich sein. Interessanterweise wurde die Expression dieses Gens nur transient (6 h p.i) in den Kontroll-Euterviertel reduziert. Die funktionelle Bedeutung dieser Beobachtung bleibt unklar.

Auch TNF-α, α, α, α, eines der wesentlichen pro-inflammatorischen Zytokine, wurde in den Kon-troll-Eutervierteln 24 h nach der Infektion signifikant hochreguliert. Vermutlich ist auch hier die Milchdrüsenepithelzelle maßgeblich an der Produktion dieses Zytokins beteiligt, da so-wohl in dieser Arbeit (Abb. 41) als auch in mehreren Studien gezeigt werden konnte, dass Milchdrüsenepithelzellen die TNF-α-mRNA-Expression nach Stimulation mit LPS deutlich hochregulieren (OKADA et al. 1997; BOUDJELLAB et al. 1998; WELLNITZ u. KERR 2004).

TGF-ββββ ist hauptsächlich für seine anti-inflammatorische Wirkung bekannt, indem es die Pro-duktion pro-inflammatorischer Chemokine, NO und ROS inhibiert. Allerdings gibt es auch Hinweise auf einen pro-inflammatorischen Effekt (LETTERIO u. BOTTINGER 1998; BO-NEWALD 1999). In der Milchdrüse wirkt es inhibierend auf das Wachstum von Epithelzellen und stimulierend auf Fibroblasten und Stroma-Zellen (DANIEL et al. 2001). In der Involution des Milchdrüsengewebes konnte ein apoptotischer Effekt auf die Epithelzellen nachgewiesen werden (ZARZYNSKA et al. 2007). Obwohl erhöhte Gehalte an TGF-β sowohl in der Milch E.-coli-infizierter Euterviertel als auch S.-aureus-infizierter Eutervierteln nachgewiesen wur-de (CHOCKALINGAM et al. 2005; BANNERMAN et al. 2006), konnte in wur-den Kontroll-Eutervierteln E.-coli-infizierter Milchdrüsen keine Modulation der Genexpression dieses

TGF-ββββ ist hauptsächlich für seine anti-inflammatorische Wirkung bekannt, indem es die Pro-duktion pro-inflammatorischer Chemokine, NO und ROS inhibiert. Allerdings gibt es auch Hinweise auf einen pro-inflammatorischen Effekt (LETTERIO u. BOTTINGER 1998; BO-NEWALD 1999). In der Milchdrüse wirkt es inhibierend auf das Wachstum von Epithelzellen und stimulierend auf Fibroblasten und Stroma-Zellen (DANIEL et al. 2001). In der Involution des Milchdrüsengewebes konnte ein apoptotischer Effekt auf die Epithelzellen nachgewiesen werden (ZARZYNSKA et al. 2007). Obwohl erhöhte Gehalte an TGF-β sowohl in der Milch E.-coli-infizierter Euterviertel als auch S.-aureus-infizierter Eutervierteln nachgewiesen wur-de (CHOCKALINGAM et al. 2005; BANNERMAN et al. 2006), konnte in wur-den Kontroll-Eutervierteln E.-coli-infizierter Milchdrüsen keine Modulation der Genexpression dieses