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2.1 Die Mastitis des Rindes

2.1.3 Erregerspezifische Mechanismen

Da Staphylococcus aureus und Escherichia coli zu den häufigsten bovinen Mastitiserregern zählen (BARKEMA et al. 1998) und im experimentellen Mastitismodell diese Erreger einge-setzt wurden, fokussiert sich die folgende Darstellung auf diese beiden Keime.

2.1.3.1 Escherichia coli

Escherichia coli (E. coli) ist ein säurebildendes, Laktose-fermentierendes, gram-negatives, stäbchenförmiges Bakterium, das zur Familie der Enterobacteriaceae gehört (HAHN et al.

2005). E. coli ist ein opportunistischer Mastitiserreger (BARROW u. HILL 1989; NEMETH et al. 1994).

Im Gegensatz zu den enteropathischen und bakteriämischen Stämmen, die durch eine geringe Anzahl an E.-coli-Serotypen ausgelöst wird, gehören die aus bovinen klinischen Mastitiden isolierten Bakterien zu einer weiten Bandbreite an serologischen Gruppen. E.-coli-Serotypen in Mastitismilch gleichen denen in Faeces (BURVENICH et al. 2003). In einer Studie konnten die für die Mastitis verantwortlichen Erreger im Darm desselben Tieres oder anderer Kühe und Kälber des Bestands gefunden werden (LINTON u. ROBINSON 1984).

Eine intramammäre Infektion mit E. coli findet vermutlich überwiegend über das Eindringen durch den Zitzenkanal und eine Vermehrung im Lumen der Milchdrüse statt. Auch eine hä-matogene Besiedlung des Euters ist möglich. Es bedarf weder einer Adhärenz am Drüsene-pithel noch besonderer Virulenzfaktoren zur Manifestation einer intramammären Infektion mit E. coli (OPDEBEECK et al. 1988). Der Erreger besitzt die Eigenschaft, sich auch im Milchsekret zu vermehren. Voraussetzung ist die Laktoseverwertung und das Wachstum unter nahezu anaeroben Bedingungen. Zudem sind die Keime in der Lage, Milchinhaltsstoffe zu verstoffwechseln und können somit Populationsdichten von 108 Kolonie-bildenden Einheiten pro mL Milch erreichen (HOGAN et al. 1992) Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass

E. coli auch in der Trockensteherphase im Euter persistieren kann (BRADLEY u. GREEN 2001). 65% aller coliformen Mastitiden, die in den ersten zwei Monaten der Laktation auftre-ten, sollen auf eine Infektion in der Trockenstehphase zurückzuführen sein (SMITH et al.

1985). Im Sekret einer involutierenden Milchdrüse kann nur bedingt eine Vermehrung des Bakteriums stattfinden, da die limitierende nutritive Grundlage für E. coli, das Eisen, von ho-hen Konzentrationen Lactoferrin gebunden wird und den Bakterien nicht zur Verfügung steht (WELTY et al. 1976).

Die Vermehrung des Keimes und die Störung des Allgemeinbefindens sind von der Effektivi-tät und Schnelligkeit der Antwort der neutrophilen Granulozyten abhängig. Kapselproduzie-rende E.-coli-Stämme verursachen länger andauernde Euterinfektionen als E.-coli-Stämme, die keine Kapselbildung aufweisen (HILL et al. 1983).

Intramammäre Infektionen mit E. coli führen fast immer zu akuten Mastitiden, die meistens durch einen schwerwiegenden Verlauf gekennzeichnet sind. Häufig wird eine hochgradige Störung des Allgemeinbefindens beobachtet. Die intramammäre Infektion mit E. coli kann zur Septikämie und vereinzelt zu Todesfällen führen. Ebenso wie das rasche Auftreten, findet aber auch oftmals eine zügige Heilung statt (HOGAN u. SMITH 2003). So dauert eine „Coli-Mastitis“ in der Regel während der Laktation weniger als zehn Tage (TODHUNTER et al.

1991) und wird durch den Einsatz von Antibiotika nicht wesentlich verkürzt (SMITH et al.

1985).

Allerdings werden auch euteradaptierte E.-coli-Stämme gleicher Serotypen (LINTON u. ROBINSON 1984) und Genotypen bei wiederkehrenden Erkrankungen be-schrieben (LIPMAN et al. 1995; BRADLEY u. GREEN 2001). Stämme, die rekurrente Mastitiden verursachen, vermochten in vitro schneller und in größerer Anzahl in Epithelzellen einzudringen als Stämme, die nur gelegentlich Mastitiden hervorrufen (DOPFER et al. 2000).

2.1.3.2 Lipopolysaccharid

Lipopolysaccharid (LPS) ist der primäre Virulenzfaktor der gram-negativen Bakterien. Dieses Strukturmotiv ist charakteristisch für E. coli und phylogenetisch hoch konserviert. Aufgrund dieser Eigenschaften wird es den Pathogen-assoziierten molekularen Mustern (engl. Patho-gen-associated molecular patterns, PAMPs) zugeordnet. PAMPs werden durch pattern re-cognition receptors (PRRs) erkannt, die bei Immunzellen weit verbreitet sind. Eine Unter-gruppe der PRRs, die Toll-like-Rezeptoren, spielt eine wichtige Rolle bei der Auslösung einer Entzündungsreaktion. TLR4 ist der signaltransduzierende Rezeptor für LPS. Hierzu muss sich TLR4 gemeinsam mit CD14 und einem weiteren Molekül, dem MD2, zu einem

trimolekula-ren Komplex zusammenfügen, bevor LPS gebunden und die entsprechenden Aktivierungssig-nale transduziert werden können.

Neben Phospholipiden und weiteren Membranproteinen ist LPS ein Bestandteil der äußeren Zellmembran von E. coli. Es besteht aus dem lipophilen Lipid A, dem Lipopolysaccharidkern und sich wiederholenden Polysaccharid-Einheiten, so genannten 0-Antigenen, die außen lie-gen (CULLOR u. TYLER 2001). Das Lipid A von dem der toxische Effekt des LPS ausgeht (TYLER et al. 1992) dient der Interaktion zwischen LPS und dem Lipopolysaccharid-bindenden-Protein (LBP) und der Interaktion mit Lipoproteinen, sowie der Aktivierung des Komplementsystems (CULLOR u. TYLER 2001). Das an das LBP gebundene LPS wird CD14-abhängig durch den Toll-like-Rezeptor 4 der PMN und Epithelzellen der Milchdrüsen erkannt (STRANDBERG et al. 2005).

Das LPS wird bei der Vermehrung der Bakterien und mit dem Tod der Zelle aus der Zellwand freigesetzt und initiiert eine entzündliche Reaktion. Die Milchdrüse reagiert sehr empfindlich auf LPS und eine Mastitis kann schon durch geringe LPS-Konzentrationen induziert werden.

Es schädigt die sekretorischen Milchdrüsenepithelzellen nicht direkt, sondern es unterbricht den Blutfluss (SHUSTER et al. 1991). Systemische Effekte wie Anorexie, Fieber, Dehydra-tion und Diarrhoe werden ebenfalls durch LPS verursacht. Die RedukDehydra-tion der Milchproduk-tion wird direkt und indirekt auf die lokalen und systemischen LPS-Effekte zurückgeführt.

2.1.3.3 Staphylococcus aureus

Staphylococcus aureus (S. aureus) ist ein kugelförmiges, gram-positives Bakterium, das häu-fig in Traubenform angeordnet ist (sog. Haufenkokken). Seinen Namen verdankt es der häuhäu-fig goldfarbenen Pigmentierung der Kolonien (BLOBEL et al. 1980). Staphylokokken sind un-beweglich und bilden keine Sporen. Die Größe des Bakteriums liegt üblicherweise zwischen 0,8–1,2 µm. S. aureus gehört zu den gram-positiven, fakultativ pathogenen Bakterien, die als Kommensalen auf Haut und Schleimhäuten vorkommen, jedoch auch lebensbedrohliche Er-krankungen wie beispielsweise Wundinfektionen, Toxisches Schocksyndrom, Endokarditis oder Sepsis auslösen können. Somit können als Ansteckungsherd für S.-aureus-Infektionen neben der Übertragung von Tier zu Tier durch das Melkgeschirr auch Wunden in der Euter- und Zitzenhaut dienen. Die Pathogenität von S. aureus beruht auf der Wirkung verschiedener Virulenzfaktoren (BLOBEL et al. 1980). Dazu gehört eine Polysaccharidkapsel (Biofilm) mit Protein A, die das Bakterium vor Phagozytose schützt. Das Protein A bindet Antikörper über deren Fc-Teil, und verhindert damit eine effektive Opsonisierung. Die Koagulase und der Clumpingfaktor bewirken die Ausbildung eines Fibrinwalls, der eine Erkennung von S. aureus durch Faktoren und Zellen des Immunsystems erschwert oder verhindert. Erst wenn sich der Keim stark vermehrt, wird mit Hilfe von Staphylokinase Fibrinolysin gebildet und

der Wall aufgebrochen. Mittels der Hyaluronidase, DNAsen, Lipasen und dem Hämolysin ist S. aureus im Stande, interzelluläres Bindegewebe und Parenchymzellen zu lysieren und inva-siv in den Wirtsorganismus vorzudringen. Leukocidine helfen dabei, die zellulären Bestand-teile der Immunantwort (Granulozyten und Makrophagen) zu schädigen. S. aureus kann, je nach Stamm, einzelne oder verschiedene Enterotoxine (ETC) produzieren. Diese wirken als Superantigene, indem sie an MHC-Klasse-II-Moleküle binden und nach Kreuzvernetzung T-Zellen zur Produktion von Zytokinen stimulieren (NOVICK 2003). Zu den Pathogenitätsfak-toren gehören zudem die Zellwandbestandteile Lipoteichonsäure (LTA) und Peptidoglykan (PGN) (MORATH et al. 2002b). Obwohl der Wirkmechanismus einzelner Virulenzfaktoren bereits bekannt ist, sind ihr Zusammenspiel und ihre Regulation bisher wenig verstanden (NOVICK 2003).

S. aureus kann den Zitzenkanal aktiv passieren, wodurch eine galaktogene Infektion begüns-tigt wird (HOEDEMAKER et al. 2001). Eine Infektion wird durch die Bildung von anti-phagozytotischer Faktoren (Polysaccharidkapsel, Protein A) begünstigt (SUTRA u. POUT-REL 1994; HENSEN et al. 2000b).

Die Fähigkeit dem Immunsystem zu entkommen und in verschiedenen Zellen zu überleben ist für die Persistenz der Erreger essentiell. S. aureus vermag an Epithelzellen des Euters zu ad-härieren, in diese einzudringen, sich in ihnen zu vermehren und zu persistieren (CIFRIAN et al. 1994b; ALMEIDA et al. 1996; HENSEN et al. 2000b). Überdies besitzt S. aureus die Fä-higkeit in Makrophagen (HEBERT et al. 2000) zu überleben. Darüber hinaus vermag Staphy-lokinase (SAK) an α-Defensine zu binden und deren bakterizide Wirkung zu blockieren (TARGOWSKI 1983) Außerdem hemmt die SAK die Opsonisierung, da sie Plasminogen zu Plasmin transformiert, welches IgG und C3b bindet.

Neben Streptococcus agalactiae und Streptococcus dysgalactiae ist S. aureus ein überaus wichtiger Erreger von subklinischen Mastitiden. Er ist der häufigste Auslöser der Mastitis beim Rind (SOBIRAJ et al. 1997; DE HAAS et al. 2004) und ist neben der großen Anzahl subklinischer Fälle auch ursächlich für klinischen Fälle (LAM et al. 1996). Im Gegensatz zur intramammären Infektion mit E. coli verlaufen die durch S. aureus hervorgerufenen Mastiti-den meist weniger schwer, resultieren aber sehr häufig in chronischen, bisweilen lebenslangen Infektionen (SUTRA u. POUTREL 1994). Dabei kommt es nicht selten zu subklinischen Mastitiden, die im Gegensatz zu den klinisch manifesten Verlaufsformen nicht durch eine grobsinnliche Symptomatik, jedoch durch bakteriologisch positive Befunde und erhöhte Milchzellzahlen (SCC, somatic cell count) gekennzeichnet sind (HAMANN u. FEHLINGS

2002). Betroffene Tiere stellen somit ein ständiges Erregerreservoir in der Herde dar (ROBERSON et al. 1994).

2.1.3.4 Lipoteichonsäure

Die Lipoteichonsäure (LTA, lipoteichonic acid) gilt als Pendant zum LPS der gram-negativen Bakterien, da sie ähnlich dem LPS immunmodulatorische Prozesse induziert (MORATH et al.

2002b; VON AULOCK et al. 2003).

Lipoteichonsäuren bestehen aus einer hydrophilen Kette aus Alditolphosphaten und einem amphiphilen Glycolipid, das als Membrananker fungiert. Andere Teichonsäuren haben im Gegensatz zu LTA keinen Lipidanker (GHUYSEN et al. 1994). Die physiologische Funktion von LTA ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es wird vermutet, dass LTA bei der Bindung von Metallionen und bei der Regulation der Aktivität von autolytischen Enzymen eine Rolle spielen könnte (FISCHER 1994). Die Rolle von LTA im Immunsystem des infizierten Wirtes ist vielfältig. Beispielsweise fördert es die Induktion bestimmter Transkriptionsfaktoren und folglich die Produktion und Sekretion von Zytokinen und Chemokinen (VON AULOCK et al.

2004). Die Erkennung von LTA erfolgt hauptsächlich von Makrophagen über CD14-Rezeptoren, teilweise vermittelt durch das LBP (Lipopolysaccharid-Binding Protein) (HERMANN et al. 2002). Unterschiedliche Angaben gibt es über die Beteiligung der Toll-like-Rezeptoren TLR2 und TLR4. Zum einen berichten einige Arbeitsgruppen über einen TLR4-abhängigen Erkennungsweg (YANG et al. 2001; UEHARA et al. 2002). Andere haben festgestellt, dass die LTA-Erkennung TLR2-abhängig ist (LEHNER et al. 2001; OPITZ et al.

2001; MORATH et al. 2002b).

Für die Persistenz der Keime könnte eine Modifikation der LTA verantwortlich sein. Geringe Veränderungen dieser Strukturen können die Erkennung über TLRs deutlich vermindern. Der Verlust von D-Alanylresten der LTA mindert bspw. die pro-inflammatorische Zytokinfrei-setzung drastisch (MORATH et al. 2002a).