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No FGM FGM I FGM II/III Gesamt χ2(2) Sig.

PTBS (%) 1 (5.5) 0 16 (18.4) 17 (10.2) 13.49 .001

Ängstlichkeit (%) 1 (5.6) 0 12 (13.8) 13 (7.8) 9.46 .009

Depressivität (%) 2 (11.1) 8 (13.3) 25 (28.7) 35 (21.0) 6.27 .043

Depression (%) 0 0 11 (12.6) 11 (6.6) 10.44 .005

Substanzabhängigkeit (%) 2 (11.1) 4 (6.7) 4 (4.6) 10 (6.0) 1.17 .556

Substanzmissbrauch (%) 0 1 (1.7) 1 (1.1) 2 (1.2) .34 .845

Psychotische Störung (%) 0 0 2 (1.2) 2 (1.2) 1.81 .404

Substanzmissbrauch. Substanzmissbrauch wurde bei 2 Frauen (1.2%) festgestellt, wobei je eine Frau aus der Gruppe FGM I (1.7%) und FGM II/III (1.1%) kam. Die Gruppenvergleiche ergaben keine Signifikanz (χ2(2)= .34, p = .845), weshalb die Nullhypothese beibehalten wird.

Substanzabhängigkeit. Die Diagnose Substanzabhängigkeit wurde bei 10 (6.0%) Frauen gestellt, davon befanden sich 2 (11.1%) in der Gruppe nicht beschnittener Frauen und jeweils 4 Frauen kamen aus den Gruppen FGM I (6.7%) und FGM II/III (4.6%). Die Gruppenvergleiche sind nicht signifikant (χ2(2)= 1.17, p = .556) und die Nullhypothese wird beibehalten.

Psychotische Störung. Die Diagnose einer psychotischen Störung wurde bei 2 (1.2%) Frauen gestellt. Beide Frauen (2.3%) nannten zuvor eine Beschneidung nach Typ II/III. Auch hier ist keine Signifikanz zu berichten (χ2(2)= 1.81,p = .404).

4.1.3 Hypothese 3

Zur Überprüfung der Gruppenunterschiede hinsichtlich der PTBS-Symptomatik (PSS-I), der Dissoziation (ShuDis), der Depressivität (DHSCL) und der Ängstlichkeit (AHSCL) wurden univariate Varianzanalysen berechnet. Da die Annahmen nicht erfüllt und die Stichproben unbalanciert waren, wurde hier auf die robustere Welch-Statistik zurück gegriffen. Post-Hoc-Analysen wurden mit dem Games-Howell-Test durchgeführt. Tabelle 4.4 stellt die Ergebnisse zusammenfassend dar.

PTBS. Die Summenwerte des PSS-I unterscheiden sich signifikant zwischen den Gruppen (F(2, 43.943) = 8.252, p = .001). Post-Hoc-Analysen bestätigen signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe No FGM und FGM II/III(p = .017) sowie zwischen FGM I und FGM II/III (p ≤ .001). Die Nullhypothese wird zurückgewiesen.

Der Unterschied zwischen FGM I und nicht beschnittenen Frauen ist nicht signifikant (p = .955) und die Nullhypothese wird deswegen beibehalten.

Dissoziation. Der Summenwert der ShuDis unterscheidet sich signifikant zwischen den Gruppen (F(2, 98.071) = 9.163, p ≤.001). Im Vergleich zu dem vorherigen Ergebnissen gestalten sich die, durch Post-Hoc-Analysen aufgedeckten Unterschiede anders. Die Gruppe der nicht beschnittenen Frauen unterscheidet sich signifikant von der Gruppe FGM II/III (p = .001). Die Nullhypothese wird für diesen Vergleich zurückgewiesen. Der Unterschied zwischen FGM I und No FGM verweist hingegen auf eine tendenziell höhere Dissoziationssymptomatik der Gruppe FGM I (p = .098). Der Unterschied zwischen FGM I und FGM II/III ist nicht signifikant (p = .145). Die Nullhypothese wird für die beiden letzten Vergleiche beibehalten.

Ängstlichkeit. MitF(2, 56.309)= 5.297 (p= .008) werden die Gruppenunterschiede des HSCL-Summenwertes der Ängstlichkeit signifikant. Hier weisen Post-Hoc-Analysen einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen No FGM und FGM II/III (p = .027) sowie zwischen FGM I und FGM II/III (p = .005) nach. Die Alternativhypothese wird daher angenommen.

Der Unterschied zwischen FGM I und No FGM ist nicht signifikant (p = .990) und die Nullhypothese wird beibehalten.

Depressivität. Der HSCL Summenwert der Depressivität wird ebenfalls signifikant (F(2, 52.569)

= 4.425,p = .017). Dieser bestätigt sich wie bereits bei PTBS und Ängstlichkeit zwischen den Gruppen FGM I und FGM II/III (p = .013). Der Unterschied zwischen den Gruppen No FGM und FGM II/III wird nicht signifikant (p = .095), darf jedoch als Tendenz interpretiert werden.

Zwischen den Gruppen FGM I und No FGM ergab sich kein statistisch relevanter Unterschied (p = 1.0).

Tab. 4.4: FGM und Symptomschwere

No FGM FGM I FGM II/III No FGM vs. FGM II/III .017 FGM I vs. FGM II/III .001 No FGM vs. FGM II/III .001 FGM I vs. FGM II/III .145 No FGM vs. FGM II/III .027 FGM I vs. FGM II/III .005 No FGM vs. FGM II/III .095 FGM I vs. FGM II/III .013 Bemerkung: Einzelvergleiche wurden anhand desGames-Howell-Test durchgeführt.

4.1.4 Graphische Darstellung

Zur graphischen Darstellung des Zusammenhangs von FGM und der psychischen Gesund-heit wird im folgenden Abschnitt eine hierarchische Regression mit den Prädiktoren Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und FGM (dummy-codiert) auf den Summenwert der Ge-samtpsychopathologie gerechnet und anschließend graphisch dargestellt. In Anhang VI befinden sich die Berechnungen für die Einzelsymptomatiken, PTBS, Ängstlichkeit und Depressivität.

Die Korrelationen nullter Ordnung können aus Tabelle 4.5 entnommen werden.

Das Regressionsmodell ist signifikant (F(3, 161) = 47.475, p ≤ .001) und klärt 46.9% der Varianz auf. Die Anzahl der traumatischen Lebensereignisse (β = .638, t = 10.866, p ≤ .001) und die FGM-Typen sagen den Summenwert positiv vorher. Im Vergleich zu der Gruppe FGM I hat die Gruppe FGM II/III einen signifikanten Effekt auf die Varianzaufklärung der Gesamtpsychopathologie (β = .225, t = 3.626, p ≤ .001). Der Vergleich der Gruppe der nicht beschnittenen Frauen mit der Gruppe FGM I ist nicht signifikant (β = .097, t = 1.549,p = .123).

Zunächst wird deutlich, dass die Gruppe FGM II/III im Vergleich zu FGM I und nicht be-schnittenen Frauen am stärksten belastet ist. Entgegen der Erwartungen ist die Gruppe der nicht beschnittenen Frauen eher stärker belastet als die Gruppe FGM I, die am wenigsten psychopathologische Symptome aufweist.

Darüber hinaus wird ersichtlich, dass vor allem in der Gruppe der nicht beschnittenen Frauen, aber auch in der Gruppe der nach Typ I beschnittenen Frauen, wenig Probandinnen in den Kategorien mit einer höheren Anzahl an traumatischen Lebensereignistypen wie 1 (4-6 trau-matische Lebensereignisse), 2 (6-8 trautrau-matische Lebensereignisse) und 3 (>9 trautrau-matische Lebensereignisse) zu finden sind und es zeigt sich eine hohe Symptomvarianz innerhalb der Kategorien.

Zusammenfassung. Wird die psychische Gesundheit der FGM-Typen verglichen, zeigt sich konsistent eine stärkere Belastung der Gruppe FGM II/III. Dieses Ergebnis wird auch unter Einbezug des Effekts der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen gestützt. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die Gruppe der Typ I beschnittenen Frauen die wenigsten psychischen Symptome berichten. Eine Ausnahme stellt jedoch die Dissoziationssymptomatik dar. Hier wiesen beide Beschneidungsgruppen eine stärkere Symptomschwere auf, als unbeschnittene Frauen.

Abb. 4.1: Gesamtpsychopathologie, Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und FGM

Anzahl traumatischer Lebensereignistypen

3 2

1 0

PSS-I, ShuDis, HSCL Summenwert

140

120

100

80

60

40

20

0

Type II/III Type I nicht beschnitten

FGM Typ

Seite 1

Bemerkung: 0 = 0-3 Ereignistypen, 1 = 4-6 Ereignistypen, 2 = 7-9 Ereignistypen und 3 = 10-12 Ereignistypen

4.1.5 Hypothese 4

Die vierte Hypothese untersucht den Zusammenhang der Beschneidungsschwere mit der psychischen Gesundheit unter Konstanthaltung der Effekte der Anzahl traumatischer Lebenser-eignistypen und der familiären Gewalt. Es wird angenommen, dass sich mit einer wachsenden Beschneidungsschwere auch höhere Symptomatiken der PTBS, Ängstlichkeit, Depressivität sowie der Gesamtpsychopathologie zeigen. Um diese Zusammenhänge zu testen, wurden lineare Regressionen auf die Summenwerte des PSS-I, des HSCL (Ängstlichkeit und Depressivität) und der Gesamtpsychopathologie (PSS-I, ShuDis und HSCL) gerechnet, wobei die Anzahl trauma-tischer Lebensereignistypen, die familiäre Gewalt und der FGM-Schweregrad die Prädiktoren darstellen. Tabelle 4.5 fasst die Ergebnisse der Modelle zusammen.

Die Überprüfung der Annahmen ist in Anhang V aufgeführt. Alle abhängigen Variablen, auf die eine Regression gerechnet wird, stammen von diagnostisch ausgerichteten Instrumenten, das heißt die zu erfassenden Konzepte differenzieren im pathologischen Bereich (Extrembereich)

und sind im Bereich der unteren Werte zensiert, was insbesondere an den P-P-Diagrammen der standardisierten Residuen und den Streudiagrammen in Anhang V deutlich wird. Dies hat zur Folge, dass die Verletzung der Annahme normalverteilter Residuen und eine Heteroskedastizität nicht ausgeschlossen werden kann. Aufgrund dessen sollten zunächst die Signifikanztests mit Vorsicht interpretiert werden. Die Testergebnisse des Durbin-Watson-Tests für die Regression auf den PSS-I deutet auf autokorrelierte Residuen hin. Alle anderen Vorraussetzungen sind nicht verletzt.

PTBS. Die Korrelation des PSS-I liegt bei r = .59 (p ≤ .001) mit der Anzahl traumatischer Lebensereignisse, r = .25 (p ≤ .01) mit der familiären Gewalt und r = .43 (p ≤ .001) mit dem FGM-Schweregrad.

Das Modell zur Vorhersage der PTBS-Symptomschwere ist statistisch signifikant (F(3, 160)

= 34.031, p ≤ .001). Die drei Prädiktoren klären 37.8% der Varianz auf. Alle Prädiktoren weisen einen positiven Zusammenhang mit dem Kriterium auf. In diesem Modell ist die Anzahl traumatischer Lebensereignistypen (β = .445,t = 6.481,p ≤.001) und der FGM-Schweregrad (β = .222, t = 2.243, p = .001) signifikant. Für den Prädiktor familiäre Gewalt kann lediglich von einer Tendenz ausgegangen werden (β = .121,t = 1.903, p = .059).

Ängstlichkeit. Der HSCL für Ängstlichkeit korreliert signifikant mit allen Prädiktoren (Anzahl traumatischer Lebensereignistypen: r = .53, p ≤ .001; familiäre Gewalt: r = .24, p ≤ .01;

FGM-Schweregrad:r = .41, p ≤ .001).

Das Modell zur Vorhersage der Ängstlichkeitssymptomatik ist ebenfalls signifikant (F(3, 160) = 27.454, p ≤ .001). Insgesamt klären die drei Prädiktoren 32.7% der Varianz auf. Die Anzahl traumatischer Lebensereignistypen (β = .41,t = 5.55, p ≤ .001) und der FGM-Schweregrad (β = .129, t = 3.20, p = .002) sagen den Summenwert des HSCL für Ängstlichkeit signifikant positiv vorher. Für den Prädiktor familiäre Gewalt ist auch in diesem Modell lediglich von einer Tendenz zu sprechen (β = .14, t = 1.86, p = .065).

Depressivität. Die Korrelation des HSCL für Depressivität mit der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen beträgtr = .49 (p ≤ .001), mit der familiären Gewalt r = .30 (p ≤ .001) und mit FGM-Schweregrad r = .41 (p ≤.001).

Depressivität, erfasst über die Subskala des HSCL, konnte ebenfalls signifikant durch diese drei Prädiktoren vorhergesagt werden (F(3, 160) = 23.597, p ≤ .001). Die Varianzaufklärung beträgt 29.4%. In diesem Modell sind alle drei Prädiktoren signifikant und stehen in positivem Zusammenhang mit dem Summenwert des HSCL (Anzahl traumatischer Lebensereignistypen:β

= .30,t = 3.97,p ≤ .001; familiäre Gewalt: β = .21, t = 3.04,p = .003; FGM-Schweregrad:

β = .26, t = 3.01,p ≤ .001).

Gesamtpsychopatholgie. Der Wert der Gesamtpsychopathologie korreliert signifikant mit der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen (r = .65, p ≤ .001), mit der familiären Gewalt (r = .30, p ≤ .001) und mit FGM-Schweregrad (r = .47, p ≤ .001).

Das Modell ist ebenfalls signifikant (F(3, 160) = 44.921, p ≤ .001) und die drei Prädiktoren klären 44.7% der Varianz auf. Erwartungsgemäß hängen auch hier alle Prädiktoren positiv mit dem Kriterium zusammen und sind signifikant (Anzahl traumatischer Lebensereignistypen:β = .47,t = 7.13,p ≤.001; familiäre Gewalt: β = .15, t = 2.52,p = .013; FGM-Schweregrad:β

= .27,t = 3.97,p ≤ .001).

Tab. 4.5: Hierarchische Regression auf PTBS, Ängstlichkeit, Depressivität und Gesamtpsychopatholgie

r B (SF) β t Sig.

PSS-I (F(3, 160) = 34.031, p.001)

Konstante -1.40 (0.93)

Anzahl traumatischer Lebensereignistypen .59*** 2.20 (0.34) .45 6.48 .001 Familiäre Gewalt .25** 0.22 (0.12) .12 1.90 .059 FGM-Schweregrad .43*** 0.47 (0.14) .22 3.24 .001

R2 .390

adjusted R2 .378

HSCL - Ängstlichkeit (F(3, 160)= 27.454, p.001)

Konstante 10.21 (0.60)

Anzahl traumatischer Lebensereignistypen .55*** 1.20 (0.22) .41 5.55 .001 Familiäre Gewalt .24** 0.14 (0.07) .12 1.86 .065 FGM-Schweregrad .41*** 0.29 (0.09) .23 3.20 .002

R2 .340

adjusted R2 .327

HSCL - Depressivität (F(3, 160)= 23.597, p.001)

Konstante 15.58 (1.13)

Anzahl traumatischer Lebensereignistypen .49*** 1.63 (0.41) .30 3.97 .001 Familiäre Gewalt .30*** 0.42 (0.14) .21 3.04 .003 FGM-Schweregrad .41*** 0.63 (0.17) .26 3.01 .001

R2 .307

adjusted R2 .294

PSS-I, ShuDis, HSCL - Gesamtpsychopathologie (F(3, 160) = 44.921, p.001)

Konstante -0.92 (2.44)

Anzahl traumatischer Lebensereignistypen .65*** 6.34 (0.89) .47 7.13 .001 Familiäre Gewalt .30*** 0.76 (0.30) .15 2.52 .013 FGM-Schweregrad .47*** 1.49 (0.38) .27 3.97 .001

R2 .457

adjusted R2 .447

Bemerkung: **p.01; ***p .001

Zusammenfassung. Der FGM-Schweregrad wies über den Effekt der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und die negativen Auswirkungen von familiärer Gewalt hinaus wie erwartet für PTBS, Ängstlichkeit, Depressivität und die Gesamtpsychopathologie einen signifikant negativen Zusammenhang auf.

4.2 Haarkortisol, FGM, Trauma und PTBS

Im Folgenden werden die Zusammenhänge von FGM, der Anzahl traumatischer Lebensereig-nistypen und der PTBS mit dem Haarkortisol präsentiert. Anschließend wird explorativ der Zusammenhang von Dissoziation und Haarkortisol untersucht.

4.2.1 Hypothese 5a und 5b

Die fünfte Hypothese untersucht zum einen die Unterschiede der Haarkortisolwerte zwischen den FGM-Gruppen (Hypothese 5a) und zum anderen den Zusammenhang der Haarkortisolwerte mit dem FGM-Schweregrad (Hypothese 5b).

Die Unterschiede der Mittelwerte des Haarkortisols zwischen den FGM-Gruppen wurden durch eine univariate Varianzanalyse getestet. Die deskriptive Statistik ist Tabelle 4.6 zu entnehmen.

Entgegen der Erwartungen ergeben sich keine statistisch bedeutsamen Mittelwertsdifferenzen (F (2, 103)= .336,p = .715). Die Nullhypothese wird daher beibehalten.

Tab. 4.6: FGM-Gruppen und Haarkortisol

No FGM FGM I FGM II/III

M,±SD, Range M,±SD, Range M,±SD, Range Test Statistik Sig.

28.33,±4.9, 8.45-91.62

29.38, ±2.9, 9.22-92.83

31.60,±1.87, 11.18-78.06

F(2, 103)= .336 .715

Darüber hinaus wird der Zusammenhang des FGM-Schweregrades und der Haarkortisolwerte korrelativ erfasst. Dieser ist nicht signifikant mitr = .02 (p = .846) und die Nullhypothese wird auch hier beibehalten.

4.2.2 Hypothese 6

Hypothese 6 untersucht den korrelativen Zusammenhang der Anzahl traumatischer Lebenser-eignistypen und Haarkortisol. Der Korrelationskoeffizient liegt bei r = .24 und ist statistisch

signifikant (p = .013). Die Alternativhypothese wird angenommen.

4.2.3 Hypothese 7

Hypothese 7 untersucht anhand einer univariaten Varianzanalyse, ob sich die Mittelwerte des Haarkortisols zwischen nicht traumatisierten (keine traumatischen Lebensereignisse) und traumatisierten Frauen ohne PTBS Diagnose (≥1 traumatischer Lebensereignistyp) und Frauen mit der Diagnose PTBS unterscheiden.

Die Gruppe nicht traumatisierter Probandinnen bestand aus 8 Frauen, die einen durchschnittli-chen Haarkortisolwert von 19.36 (±12.17, Range 8.45-40.30) aufwiesen. Traumatisierte Frauen ohne PTBS-Diagnose (n= 86) hatten einen Mittelwert von 30.94 (±16.95, Range 9.22-92.83) und die Gruppe der Frauen mit der Diagnose PTBS (n = 13) wies einen durchschnittlichen Wert von 31.42 (±10.67, Range 19.60-46.66) auf. Mit F(2,104) = 1.772 (p = .175) ergibt sich kein statistisch signifikanter Unterschied. Die Nullhypothese wird beibehalten.

4.2.4 Explorative Untersuchung von Haarkortisol und Dissoziation

In den bisherigen Ergebnissen zeigt sich eine allgemein erhöhte Dissoziationssymptomatik bei beschnittenen Frauen, die entgegen der Erwartungen bei beiden FGM-Typen gleichermaßen auftritt (Hypothese 3). Gleichzeitig impliziert die theoretische Konzeption der Dissoziation, welche dem Modell von Schauer und Elbert (2011) zufolge auf eine peritraumatische Shutdown-Reaktion zurückzuführen ist, kein Bedarf an Glukokortikoiden. Unter der Vermutung, dass es sich in der vorliegenden Arbeit um eine Stichprobe handeln könnte, bei der die HHNA-Aktivität und letztendlich die Glukokortikoidwerte traumatisierter Frauen durch deren dissoziative Symptomatik konfundiert sind wird im Folgenden der Zusammenhang von Haarkortisol und Dissoziation explorativ untersucht.

Die deskriptiven Ergebnisse ergeben bei 37 Frauen (22.2%) mindestens ein Symptom der Dissoziation während der letzten 6 Monate vor dem Interview auftrat. Das arithmetische

Mittel beträgt 1.54 (±4.3, Range 0-33) und der Median liegt bei 0. Werden Frauen, die keine dissoziativen Symptome aufwiesen ausgeschlossen, ergibt sich ein Mittel von 6.97 (±6.8, Range 1-33). Dies zeigt, dass über ein Fünftel der hier untersuchten Frauen unter dissoziativen Erscheinungen leidet, relativ wenige Frauen jedoch eine hohe dissoziative Symptomatik aufweisen.

Abbildung 4.2 stellt die Verteilung unter Ausschluss nicht dissoziativer Frauen (n = 130) graphisch dar.

Abb. 4.2: Häufigkeitsverteilung der Dissoziationssymptomatik

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Um den Zusammenhang von Dissoziation und Haarkortisol zu untersuchen, wird zunächst anhand der Gesamtstichprobe eine einfache Korrelation nach Pearson berechnet. Diese beträgt r = -.17 und ist nicht signifikant (p = .428).

Nun handelt es sich bei der Dissoziation um eine, im Sinne der klassischen Konditionierung, erlernte Reaktion (Schauer & Elbert, 2011). Demnach müsste der Summenwert der ShuDis mit der Anzahl traumatischer Lebensereignisse zusammenhängen. Dieser Zusammenhang wird korrelativ erfasst und ist erwartungsgemäß signifikant (r = .55,p ≤ .001).

Aus dem Ergebnis der Hypothese 6 geht hervor, dass die Anzahl traumatischer Lebensereignisse und Haarkortisol positiv zusammenhängen (vgl. Abschnitt 4.2.2).

Um den „reinen” Zusammenhang von Dissoziation und Haarkortisol zu erhalten, wird nun eine partielle Korrelation berechnet, bei der der Effekt der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen kontrolliert wird. Es ergibt sich eine signifikante Korrelation vonr = -.24 (p = .015). Werden Frauen, die während der letzten 6 Monate keine dissoziativen Symptome erlebten, ausgeschlossen, beträgt die Korrelationr = -.35 und ist statistisch nicht mehr signifikant (p = .092), der Effekt jedoch aufgrund der Stichprobenreduktion größer.

Ergänzend zu diesem Befund werden Frauen mit (≥1) und ohne Dissoziationssymptome in Abbildung 4.3 in zwei Gruppen aufgeteilt und in einem Streudiagramm, das die Haarkorti-solwerte in Abhängigkeit der Anzahl traumatischer Lebensereignisse darstellt, markiert. Die Regressionsgeraden der beiden Gruppen weisen unterschiedlich starke Steigungen auf, was den Effekt der Dissoziation über das korrelative Ergebnis hinaus nochmals graphisch darstellt.

Abb. 4.3: Haarkortisol und die Anzahl traumatischer Lebensereignistypen bei Frauen mit und ohne Dissoziation

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4.3 Zusammenfassung

Der vorangegangene Teil dieser Arbeit präsentierte die Ergebnisse der im Methodenteil ope-rationalisierten Hypothesen. Wie erwartet konnte gezeigt werden, dass der Eingriff für alle Beschneidungsformen mehrheitlich mit dem Gefühl intensiver Angst oder Hilflosigkeit einhergeht und damit als traumatisches Lebensereignis einzustufen ist. Des Weiteren wiesen Frauen der Gruppe FGM II/III häufiger als unbeschnittene Frauen und Frauen der Gruppe FGM I Diagnosen psychischer Störungen und Symptome im klinisch relevanten Bereich auf. Hinsichtlich dessen unterschieden sich Frauen der Gruppe FGM I, entgegen der Erwartungen, nicht von unbeschnit-tenen Frauen. Die Ergebnisse zur Symptomschwere verhielten sich ganz ähnlich: Frauen der Gruppe FGM II/III waren erwartungsgemäß stärker von PTBS, Ängstlichkeit und Depressivität betroffen und entgegen der Erwartungen unterschied sich die Gruppe FGM I nicht von unbe-schnittenen Frauen. Die FGM-Gruppen unterschieden sich hypothesenkonträr hinsichtlich der Dissoziationsschwere nicht voneinander (FGM I vs. FGM II/III). Erwartungsgemäß wiesen jedoch beide FGM-Gruppen signifikant mehr Dissoziationssymptome auf als nicht beschnittene Frauen.

Unter Einbezug des Effekts der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen konnte bestätigt werden, dass Frauen der Gruppe FGM II/III am stärksten unter psychopathologischen Sympto-men litten. Über die Gruppenvergleiche der FGM-Typen hinaus sagte der FGM-Schweregrad die PTBS-Symptomschwere sowie die Ängstlichkeits- und Depressivitätssymptomatik, neben der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und der familiären Gewalt, hypothesenkonform positiv vorher. Der zweite Teil der Hypothesentestung bezog sich auf den Zusammenhang von FGM, der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und der PTBS mit dem Haarkor-tisolgehalt. Der Zusammenhang von FGM und dem Haarkortisolwert konnte entgegen der Erwartungen weder durch Mittelwertsvergleiche noch korrelativ bestätigt werden. Wie erwartet zeigte sich jedoch ein positiver Zusammenhang der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen mit den Haarkortisolwerten. Die Gruppen der PTBS-Patientinnen sowie der traumatisierten (≥1 traumatisches Lebensereignis) und nicht-traumatisierten (kein traumatisches Lebenser-eignis) Kontrollpersonen unterschieden sich nicht signifikant untereinander. Zuletzt wurde der

Zusammenhang von Dissoziation mit den Haarkortisolwerten explorativ untersucht wobei sich unter Auspartialisierung des Effekts der Anzahl traumatischer Lebensereignisse eine negative Korrelation der beiden Variablen ergab.

5 Diskussion

Die vorliegende Arbeit ist eine der ersten Studien, in der die Zusammenhänge von verschiedenen Formen weiblicher Genitalverstümmelung mit der psychischen Gesundheit untersucht, und gleichzeitig endokrine Veränderungen – gemessen über das Haarkortisol – in Verbindung mit FGM, der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und der PTBS beleuchtet wurden. Es zeigte sich, dass der Beschneidungseingriff unabhängig des FGM-Typs (FGM I, FGM II/III) als traumatisches Lebensereignis einzustufen ist. Erwartungsgemäß war vor allem bei Frauen nach den schwersten Formen weiblicher Genitalverstümmelung (FGM II/III) ein schlechterer psychischer Gesundheitszustand vorzufinden als bei nicht beschnittenen Frauen und Frauen der Gruppe FGM I. Entgegen den Erwartungen unterschieden sich jedoch Frauen, die nach FGM I beschnitten wurden, in Hinblick auf die hier untersuchten Facetten der psychischen Gesundheit, nicht von unbeschnittenen Frauen. Im Bereich der endokrinologischen Forschung hat diese Studie durch die Besonderheit einer größtenteils beschnittenen Stichprobe, wobei der Eingriff auch als eine Form des frühen Lebensstress’ interpretiert werden kann, neue Aspekte aufgegriffen.

Die erwarteten positiven Zusammenhänge von FGM und PTBS mit Haarkortisol konnten zwar nicht bestätigt werden, aber, wie erwartet, zeigte sich ein positiver Zusammenhang der erlebten traumatischen Ereignistypen und des Haarkortisolgehalts. Die explorativen Berechnungen legten einen negativen Zusammenhang von Dissoziation und Haarkortisol, unter Kontrolle des Effekts der Anzahl erlebter traumatischer Ereignisse, nahe.

Im Folgenden werden die Fragestellungen dieser Arbeit nochmals aufgegriffen, in Hinblick auf den aktuellen Forschungsstand diskutiert und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsrichtungen gegeben. Anschließend wird auf Einschränkungen der Untersuchung und die Generalisierbarkeit

der Ergebnisse eingegangen.

5.1 FGM und psychische Gesundheit

Ein Hauptanliegen dieser Arbeit war die Untersuchung des Zusammenhangs von FGM und der psychischen Gesundheit. Hierzu wurden im theoretischen Teil (s. Kapitel 2) folgende fünf Fragen formuliert:

Ist FGM als traumatisches Ereignis im Sinne des subjektiven A-Kriteriums der PTBS nach DSM-IV zu betrachten? Unterscheiden sich die FGM-Typen diesbezüglich?

Leiden beschnittene Frauen häufiger unter psychischen Störungen wie PTBS, Ängstlichkeit oder Depressivität? Unterscheiden sich die FGM-Typen diesbezüglich?

Unterscheiden sich die verschiedenen Beschneidungstypen hinsichtlich ihrer Symptom-schwere in den Bereichen PTBS, Dissoziation, Ängstlichkeit und Depressivität?

Unterscheidet sich die psychische Gesundheit der FGM-Typen unter Berücksichtigung des Effekts der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen?

Hat der FGM-Schweregrad neben anderen psychische Belastungen (Anzahl traumati-scher Lebensereignistypen, familiäre Gewalt) einen negativen Effekt auf die psychische Gesundheit?

5.1.1 FGM als traumatisches Lebensereignis

Um zu entscheiden, ob FGM als traumatisches Lebensereignis im Sinne des DSM-IV gelten kann und inwiefern hier Abstufungen bezüglich des FGM-Typs gemacht werden müssen, wurde der Prozentsatz an Frauen ermittelt, die während des Eingriffs entweder intensive Angst oder Hilflosigkeit empfanden. Anschließend wurden die FGM-Typen hinsichtlich dieser Aspekte verglichen (Hypothese 1a). Weiterhin wurde untersucht, ob die Anzahl der den Eingriff begleitenden, retrospektiv berichteten Gefühle zwischen den Gruppen variierte (Hypothese 1b).

Um Verzerrungen aufgrund der infantilen Amnesie zu vermeiden, wurden Frauen, die bei dem Eingriff unter 3 Jahren waren, ausgeschlossen.

Es zeigte sich, dass weibliche Genitalverstümmelung als traumatisches Lebensereignis im Sinne des subjektiven A-Kriteriums des DSM-IV zu betrachten ist. Die Mehrzahl der Frauen berichtete, den Eingriff in intensiver Angst und/oder Hilflosigkeit erlebt zu haben. Für die verschiedenen FGM-Typen hat sich diesbezüglich kein Unterschied gezeigt und auch in der Anzahl der retrospektiv berichteten negativen Gefühle zeigte sich keine statistisch signifikante Differenz zwischen den FGM-Typen. Es bestand lediglich eine Tendenz, mit der Frauen der Gruppe FGM II/III mehr negative Gefühle nannten und den Eingriff somit tendenziell negativer in Erinnerung behielten als Frauen der Gruppe FGM I.

Dieses Ergebnis untermauert Einzelfallberichte, in denen Frauen von ihrer Erfahrung bezüglich der Beschneidung erzählen (z.B. Dirie, 1999) und repliziert darüber hinaus die Befunde von Stu-dien aus dem arabischen (Chibber et al., 2011; Kizilhan, 2011) und westafrikanischen (Behrendt

& Moritz, 2005) Raum für äthiopische und somalische Frauen. Aus psychologischer Perspektive ist weibliche Genitalverstümmelung unabhängig des Typs als traumatisches Lebensereignis zu betrachten. Es empfiehlt sich, FGM in die Liste der traumatischen Lebenserfahrungen aufzunehmen und in entsprechenden Stichproben im Zuge anderer Ereignisse abzufragen.

Um eine Aussage bezüglich der Traumatisierung durch FGM bei Kindern unter 3 Jahren zu machen, eignet sich die retrospektive Befragung wenig. Dass jedoch auch Neugeborene und Kinder vor dem 3. Lebensjahr das Ereignis in intensiver Angst und/oder Hilflosigkeit erleben, zeigte beispielsweise die Studie von Taddio, Katz, Ilersich & Koren (1997), in der Babies, die nach ihrer Geburt beschnitten wurden, 4 - 6 Monate später bei einer Impfung

Um eine Aussage bezüglich der Traumatisierung durch FGM bei Kindern unter 3 Jahren zu machen, eignet sich die retrospektive Befragung wenig. Dass jedoch auch Neugeborene und Kinder vor dem 3. Lebensjahr das Ereignis in intensiver Angst und/oder Hilflosigkeit erleben, zeigte beispielsweise die Studie von Taddio, Katz, Ilersich & Koren (1997), in der Babies, die nach ihrer Geburt beschnitten wurden, 4 - 6 Monate später bei einer Impfung