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Typ Beschreibung

FGM I Sunna/ sunnitische Beschneidung, Klitoridektomie:

Entfernung der Klitorisvorhaut und (einen Teil) der Klitoris FGM II Exzision:

Entfernung der Klitorisvorhaut, der Klitoris sowie (einem Teil) der äußeren Schamlippen FGM III Pharaonische Beschneidung, Infibulation:

Entfernung der Klitorisvorhaut, der Klitoris, der inneren Schamlippen und (einem Teil) der äußerern Schamlippen und anschließende Verengung der vaginalen Öffnung durch verschiedene Techniken (z.B. Nähen)

FGM IV Andere Formen von FGM (z.B. Verlängerung der Schamlippen)

Die empirische Forschung im Bereich FGM beschäftigte sich bisher hauptsächlich mit physischen und gynäkologischen Folgen (s. Abschnitt 2.2.1). Auf der Basis von Einzelfallberichten (z.B.

Dirie, 1999), bisherigen Untersuchungen (Behrendt & Moritz, 2005; Chibber, El-Saleh &

El Harmi, 2011; Kizilhan, 2011) und dem Ausmaß der physischen Verletzung ist anzunehmen, dass der Eingriff als traumatisches Lebensereignis einzustufen ist und über die körperlichen Risiken hinaus auch psychische Implikationen mit sich führt. Empirisch wurde dies bisher in einzelnen Studien untersucht. Diese Studien zeigten, dass beschnittene Frauen vor allem häufiger unter posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und affektiven Störungen litten, als nicht beschnittene Frauen. Insgesamt liegen jedoch keine hinreichenden empirischen Untersuchungen in diesem Bereich vor. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit der Zusammenhang der psychischen Gesundheit mit den verschiedenen Formen weiblicher Genitalverstümmelung näher betrachtet werden.

Ergänzt wird dieser Teil durch eine Untersuchung psychophysiologischer Veränderungen. Der menschliche Organismus passt sich durch endokrine Veränderungen, wie beispielsweise der Erhöhung des Glukokortikoidspiegels (z.B. Kortisol), stressreichen Lebensphasen an. Die Analyse des Kortisolgehalts im Haar ermöglicht eine retrospektive Erfassung der Kortisolsegregation (Kirschbaum, Tietze, Skoluda & Dettenborn, 2009). Bisher konnte unter anderem bei Personen nach schwerwiegenden Lebensereignissen (Karlen, Ludvidsson, Frostell, Theodorsson & Faresjo, 2011) oder mit PTBS (Luo et al., 2012; Steudte, Kolassa, Stalder, Pfeiffer, Kirschbaum

& Elbert, 2011) Veränderungen nachgewiesen werden. In dieser Arbeit wird daher über die

Zusammenhäbge von FGM und der psychischen Gesundheit hinaus, der Zusammenhang von FGM, der Anzahl traumatischer Lebensereignistypen und PTBS mit Haarkortisol untersucht.

Die vorliegenden Daten wurden in der Somali Region Äthiopiens speziell für diese Diplomarbeit erhoben. Die Studie an sich stellt ein Pilotprojekt für weitere Forschungsvorhaben im Bereich FGM und psychische Gesundheit dar. Zudem beleuchtet sie spezifische Aspekte der Haarkorti-solforschung, anhand einer Stichprobe, die größtenteils frühem Lebensstress (FGM) ausgesetzt war.

2 Theoretischer Hintergrund

Der folgende Theorieteil gliedert sich in drei Abschnitte. Zunächst wird ein regionsspezifischer Hintergrund des Untersuchungssettings gegeben, anschließend wird die Tradition FGM näher betrachtet. Zuletzt wird die endokrine Stressreaktion erläutert und der bisherige Forschungsstand zu Haarkortisol und Stress präsentiert.

Verschiedene Implikationen weiblicher Genitalverstümmelung sind auf gesellschaftlicher und individueller Ebene zu finden. In dieser Arbeit liegt der Fokus auf der individuellen Ebene. Trotz-dem sollten gesellschaftliche Bedingungen nicht ganz außer Acht gelassen werden, weswegen zunächst kurz auf den regionalen Hintergrund der Somali Region in Äthiopien eingegangen wird. Dadurch soll einerseits ein globaler Blickwinkel auf das Ritual ermöglicht und andererseits die Rahmenbedingungen dieser Studie in einen politischen und zeitlichen Kontext eingeordnet werden.

Hinsichtlich psychopathologischer Risiken liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf Traumafolge-störungen und damit assoziierte psychische Störungen. Diese umfassen vor allem die PTBS nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders-IV (DSM-IV, American Psychological Association, APA, 1994) und Dissoziation im Sinne von Schauer, Neuner &

Elbert (2011) und Schauer & Elbert (2011). Des Weiteren werden Depressivität, Ängstlichkeit, Substanzmissbrauch- und abhängigkeit untersucht. Sämtliche Diagnosen richten sich auch diesbezüglich nach dem DSM-IV (APA, 1994). Die ätiologischen Grundlagen werden im Rahmen dieser Arbeit vorausgesetzt und im Weiteren nicht näher erläutert.

2.1 Regionaler Hintergrund

Dieser Abschnitt schildert zunächst die Entwicklung Äthiopiens von einem feudalen System zu einer demokratischen Struktur. Dabei wird insbesondere auf die Somali Region eingegan-gen. Darüber hinaus werden demographische Daten zur Somali Region präsentiert und die Vulnerabilitäten der Lebensbedingungen dieser Region dargestellt.

Äthiopien – Somali Region. Äthiopien war lange der Feudalherrschaft verschiedener äthiopischer Kaiser und Könige unterworfen und ist heute der einzige afrikanische Staat ohne europäische Kolonialherrschaft. 1974 putschte sich das Militär an die Macht, der Kaiser Haile Selassi wurde abgelöst. Bis 1987 herrschte das sozialistisch geprägte Derg Regime unter der Führung von Major/Lieutnant Mengistu Haile Mariam. Mengistu wurde zwar anschließend unter einer neuen Verfassung erneut zum Präsidenten gewählt, mit dem Wegfall kommunistischer Unterstützung nach dem Kalten Krieg konnte sich das Regime jedoch nicht lange halten. Die entscheidende Wende hin zu einem demokratischen Mehrparteiensystem erfolgte 1991. Die Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front (EPRDF) nahm Addis Ababa ein und strukturierte den Staat neu. Die neue Verfassung sah ein föderales System vor, in dem das Land in neun ethnisch-basierte Teile aufgeteilt werden sollte: Tigray, Affar, Amhara, Oromiya, Somali (früher auch Ogaden oder Region 5), Benishangul-Gumuz, Southern Nations Nationalities and Peoples (SNNP), Gambela und Harari sowie zwei Stadtverwaltungen, Addis Ababa und Dire Dawa (CSA, 2005).

Die EPRDF konnte sich bis heute an der Regierungsspitze halten. Korruption und Armut sowie Konflikte an der eritreischen Grenze und auch in der Somali Region stellen jedoch große Herausforderungen dar.

Somali Region: zehn Jahre Autonomie? Der hauptsächlich somalisch bevölkerte Teil Äthiopiens versuchte sich bereits nach der kolonialen Unabhängigkeit Somalias 1960 von Äthio-pien abzuspalten. 1977-78 gipfelte dieser Konflikt in einer bewaffneten Auseinandersetzung

Abb. 2.1: Äthiopien aufgeteilt in neun ethnisch-basierte Regionen (vgl. Devereux, 2006)

zwischen dem von kommunistischer Seite (Sowjetunion, Kuba, Yemen) unterstützten Derg Regime und derWestern Somali Liberation Front (WSLF), die von Mogadishu aus finanziert, ausgebildet und ausgerüstet wurde. Auch nach 1978 blieb die Ogaden Region, benannt nach ei-nem der einflussreichsten Clans der Region (Ogaden-Darod), ein riesiges Militärgebiet (Samatar, 2004).

Das Jahr 1991 brachte eine bedeutende Wende für die Somali Region: Der Staat Somalia zerfiel, Mengistu wurde gestürzt, und die neue äthiopische Regierung, geführt von derEthiopian People’s Revolutionary Democratic Front (EPRDF) unter dem neuen Präsident Meles Zenawi, führte ein auf Ethnien basierendes föderales System ein. Dadurch sollten ethnische Konflikte regionsintern minimiert, Ineffizienz und Rechtswidrigkeit aufgrund ethnischer Streitpunkte vorgebeugt und stringente politische Agenden ermöglicht werden (Samatar, 2004).

In der ersten Phase nach 1991 entstanden dutzende Parteien. Die Ogaden National Liberation Front (ONLF) stellte die erste Regierung der Region. Unter starkem Einfluss der zentralen Regierung wurden Regionalvertreter der ONLF und der WSLF für das Parlament in Addis Ababa ernannt. In der Region selbst herrschte Chaos: Spill-over Effekte aus dem benachbarten Somalia (Staatszerfall, Hungersnöte und zivile Konflikte waren die Ursache von Flüchtlingsströmen

in die Region), desorganisierte, wechselnde Eliten und föderale Interventionen prägten diese Übergangsphase (Samatar, 2004).

1994 schlossen sich zehn nicht-ogadeni Parteien zu einer neuen Partei, derEthiopian Somali Democtratic League (ESDL), zusammen, die 1995 die Neuwahlen gewann. Die ESDL erschien zunächst kohärent und sympathisierte mit der Zentralregierung in Addis Ababa. In dieser Phase verbesserte sich die Regierungsführung merklich und die Partei konnte ihre Macht relativ lange aufrecht erhalten, bis sie sich nach zwei Jahren aufgrund einer innerparteilichen Krise, auflöste. 1997 verwaltete dann die pro-EPRD ParteiSomali People’s Democratic Party (SPDP), bestehend aus ehemaligen ESDL- und moderaten ONLF-Mitgliedern, die Region (Samatar, 2004).

In den darauf folgenden Wahlen veränderte sich in der Politiklandschaft nur wenig. De facto hat sich die politische Landschaft zu einem Einparteiensystem zurückentwickelt, was in starkem Kontrast zu dem anfänglichen politischen Pluralismus steht. Die schwache Wirkung staatlicher Institutionen, direkte und indirekte Kontrolle der zentralen Regierung durch das Militär und die Förderung von EPRF-nahen Parteien sowie die Unsicherheit durch Angriffe extremer ONLF-Aktivisten haben bis heute Einfluss auf die Politik der Region (Hagmann & Khalif, 2006).

„I am Ethiopian-Somali” antwortete ein Parlamentsmitglied auf die Frage, ob er nun Äthiopier oder Somali sei. Doch das spiegelt weniger die persönliche Identifikation eines somalischen Mannes mit dem Land Äthiopien wider, sondern eher die Tatsache, dass die Somali Region auf einer ganz anderen Ebene an zwei Identitäten festhält: Einerseits ist sie ein peripheres Mitglied des äthiopischen Nationalstaates und andererseits ist die Region als Teil der größeren somalischen politischen Wirtschaft bestehend aus der früheren Somalischen Demokratischen Republik, Djibouti, Nordost Kenia und der äthiopischen Somali Region (Hagmann, 2005).

Somali Region heute. Die Somali Region setzt sich derzeit aus neun Verwaltungszonen, 44 Woredas (Verwaltungsbezirk, Distrikt) und 66 urbanen Siedlungen zusammen. In der Region leben knapp 5 Millionen Menschen. Jijiga ist die wachsende Hauptstadt der Region mit derzeit über 142 000 Einwohnern somalischer sowie auch amharischer und anderer Ethnien (2007

noch 125 876 Einwohner und 1994 noch 56 269 Einwohner; CSA, 1994, 2007, 2011 in http:

www.citypopulation.de/Ethiopia.html, 12.10.12).

Je nach Woreda leben die Menschen hauptsächlich von Pastoralismus, Agro-Pastoralismus und Ackerbau. In den urbanen Zentren, Jijiga und Gode, sind die Einkunftsmöglichkeiten flexibler. Vor allem in Jijiga arbeiten immer mehr Menschen im privaten Sektor und bei nicht-Regierungsorganisationen sowie im informellen Sektor. Insbesondere in Jijiga stellt die Regierung einen wichtigen Arbeitgeber dar (Devereux, 2006).

Die Bewohner der Somali Region haben mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen: Die bereits dargestellte unsichere politische Situation ist nur ein Aspekt. Dürreperioden stellen das größte Existenzrisiko dar, wovon insbesondere ländliche Gegenden, in denen vor allem Somalis wohnen, betroffen sind (Devereux, 2006).

Insgesamt leiden vor allem Frauen unter diesen Entwicklungen. Sie müssen niedere Tätigkeiten übernehmen, wenn der Mann aufgrund von Dürre oder Krieg in seiner Aufgabe als Ernährer versagt. Darüber hinaus haben Frauen auch in anderen Aspekten einen schwereren Stand.

Jungen werden im Allgemeinen bevorzugt. So haben Mädchen im Vergleich zu Jungen ein höheres Risiko, jung zu sterben. Insgesamt leben Frauen in der Somali Region weniger lang als Männer (Devereux, 2006). Interessanterweise werden die bestehenden patriarchalischen Strukturen von Frauen akzeptiert und unterstützt. 82.2% der Frauen finden es unter bestimmten Umständen (Essen anbrennen, mit ihm diskutieren/streiten, ohne Bescheid zu geben das Haus verlassen, Kinder vernachlässigen, Geschlechtsverkehr verweigern) gerechtfertigt, dass der Ehemann seine Frau schlägt (CSA, 2011). Nur 27.2% wissen, dass häusliche Gewalt gesetzlich verboten ist (CSA, 2011).

Prävalenz psychischer Störungen. Die Studie von Sharan, Levav, Olifson, de Francisco

& Saxena (2007) findet die höchsten Prävalenzen psychischer Erkrankungen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen für Depression/Angst, Substanzgebrauch und Psychosen.

In Nachkriegskontexten sind vor allem die Prävalenzen für PTBS und andere Angststörungen erhöht (de Jong, Komproe & Van Ommeren, 2003).

Epidemiologische Daten zu verschiedenen psychischen Störungen in der Somali Region und/oder Äthiopien, die für diese Erhebung Anhaltspunkte bieten könnten, sind leider bisher nicht verfügbar.

Zusammenfassung. Die Somali Region ist eine vulnerable Region, in der Dürreperioden, Hungersnöte, politische Unsicherheit und kriegerische Auseinandersetzungen vorherrschen.

Patriarchale Gesellschaftsstrukturen stellen insbesondere für Frauen eine zusätzliche Belastung dar (Devereux, 2006).

Über diese Umstände hinaus werden Frauen nach ihrer Geburt oder im Mädchenalter je nach Kul-turzugehörigkeit mehr und weniger gravierend an ihren Genitalien beschnitten beziehungsweise verstümmelt. Näheres zu dieser Tradition findet sich im folgenden Abschnitt.

2.2 Weibliche Genitalverstümmelung

Die Somali Region zählt zu den äthiopischen Regionen, in der Frauen am häufigsten und stärksten von FGM betroffen sind (Central Statistical Agency, CSA, 2005;The Former National Commitee for Traditional Practices in Ethiopia, EGLDAM, 2008). Der Ethiopian Demographic and Health Survey 2005 (EDHS, CSA, 2005) schätzt die Prävalenz beschnittener Frauen auf 97.3%, wovon 83.8% einer Typ III Beschneidung unterzogen wurden. Im Gegensatz zu einigen anderen Ethnien oder Regionen Afrikas im Allgemeinen (Ng, 2000; Snow, Slanger, Okonofua, Oronsaye & Wacker, 2002) und Äthiopiens im Besonderen (Rahlenbeck & Mekonnen, 2009; Rahlenbeck, Mekonnen & Melkamu, 2010) kann für die Somali Region nicht von einem rückläufigen Trend ausgegangen werden (EGLDAM, 2008; UNICEF, 2005).

Beschneidungstyp und -alter werden maßgeblich von der Ethnie bestimmt. Insgesamt ist FGM-Typ I in Äthiopien dominierend. In den Regionen Affar und Somali wird jedoch typischerweise eine Beschneidung nach FGM-Typ III durchgeführt (CSA, 2005; EGLDAM, 2008). Das Be-schneidungsalter liegt bei einigen Ethnien (z.B. den Amhara) innerhalb der ersten 8 Tage nach

der Geburt, Mädchen anderer Ethnien (z.B. Somali oder Oromo) werden erst später beschnitten (EGLDAM, 2008; Mitike & Deressa, 2009).

Der Ablauf des Eingriffs ist in Äthiopien ebenfalls kulturell bestimmt. Die Beschneidungsformen FGM I und FGM III kommen am häufigsten vor. Bei der Klitoridektomie (FGM I) wird die Klitoris mit einem (Rasier-)Messer oder einer anderen scharfen Klinge entfernt. Der Eingriffkann in Form eines Schnittes in das Hautgewebe erfolgen, aber auch eine vollständige Entfernung der Nevenendigung sein. In der amharischen Tradition findet der Eingriffdirekt nach der Geburt statt. Bei der Infibulation (FGM III) wird das Gewebe ebenfalls mit einem (Rasier-)Messer oder einem ähnlichen Gegenstand entfernt, anschließend aber mit Garn und Dornen oder traditionellen Kräutern „zusammengenäht”. Danach werden die Beine zusammengebunden und das Mädchen für einige Tage bis Wochen separat von den anderen Familienmitgliedern versorgt (typisch für das somalische Beschneidungsritual). Diese Beschneidung findet zuhause, bei Nachbarn oder - wenn auch sehr selten - in Krankenhäusern statt und wird meist von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt. Anwesend sind Verwandte und/oder Nachbarn, die das Mädchen während der Beschneidung zurückhalten und für Unterstützung verfügbar sind (z.B. EGLDAM, 2008; Utz-Billing & Kentenich, 2008).

Frauen, die bei ihrer Beschneidung infibuliert wurden (FGM III), werden meist vor ihrer Hoch-zeitsnacht von einer traditionellen Beschneiderin „geöffnet” (defibuliert). Traditionellerweise und auch heute noch in ländlichen Regionen vorzufinden ist die Defibulation in der Hochzeits-nacht durch den Ehemann. Nach der Geburt eines Kindes oder bei längerer Abwesenheit des Ehemannes werden die Frauen re-infibuliert (v.a. Affar und Somali) und damit der Zustand der Typ III Beschneidung wieder hergestellt (EGLDAM, 2008).

Als Gründe für FGM werden in dem Bericht von EGLDAM (2008) folgende genannt: Vermeidung von „Sexiness”, Vermeidung von Ärger mit dem Ehemann, Respekt vor der Tradition, Kontrolle weiblicher Emotionen und Reaktionen, Vermeidung von Scham und Stigmatisierung, hygienische und ästhetische Gründe, zum „Besten” der Frau, Vermeidung von Geburtskomplikationen, aus religiösen Gründen, Harmlosigkeit des Eingriffs und das Ziel, einen Ehemann zu finden.

Bildung ist einer der wichtigsten Prädiktoren für die Abschaffung von FGM. Je niedriger der Bildungstand, desto wahrscheinlicher ist die Absicht, FGM weiterzuführen (z.B. Masho &

Matthews, 2009:OR 2.73 99%CI 2.38-3.12). Die Überzeugung von der Wichtigkeit des Rituals persistiert in Äthiopien vor allem bei Muslimen, verheirateten und beschnittenen Frauen, die keinen Zugang zu Massenmedien haben (Masho & Matthews, 2009).

Die rechtliche Perspektive. Weibliche Genitalverstümmelung ist international als Men-schenrechtsverletzung anerkannt (UNICEF, 2005). Letzten Endes obliegt es jedoch dem Staat, die Rechte seiner Bürger zu schützen. Dafür bedarf es entsprechender legislativer, judikativer und administrativer sowie weiterer Maßnahmen, die Aufklärung und Bildung fördern (Odeku, Rembe & Anwo, 2009).

Die Regierung Äthiopiens ist Mitglied verschiedener internationaler Verträge und Konventionen zum Schutz von Menschenrechten. Des Weiteren ist weibliche Genitalverstümmelung auf nationaler Ebene gesetzlich verboten (National Constitution, Article 35, Section 4). Seit über einem Jahrzehnt sind Aufklärungsprogramme an die Lehrpläne in öffentlichen Schulen gekoppelt und es besteht eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen. In diesem Bereich nimmt EGLDAM eine elementare Position ein. EGLDAM existiert bereits seit 1987, ist Teil des Inter-African Committee on Traditional Practices Affecting the Health of Women and Children (IAC) und arbeitet phasenweise mit der Regierung zusammen (USDS, 2001). Wie aus den Prävalenzangaben ersichtlich ist, stellt die Bekämpfung von FGM jedoch eine anhaltende Herausforderung dar.

2.2.1 Komplikationen und körperliche Risiken

Die Verletztung der physischen Integrität durch FGM während des Eingriffs steht außer Frage und entsprechend wurden kurzfristige und langfristige Risiken in Zusammenhang mit FGM untersucht. Laut der Zusammenfassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2008) kann es unmittelbar nach dem Eingriff zu intensiven Schmerzen, Schock, exzessiven Blutungen,

Infektionen, HIV und Tod sowie Monate bis Jahre nach der Beschneidung zu Schmerzen, Infektionen, Keloiden, sexuell übertragbaren Krankheiten, HIV, Verschlechterung der Qualität des Sexuallebens, Geburtskomplikationen, Gefahren für das Neugeborene und psychischen Konsequenzen kommen. Für FGM III besteht zudem ein höheres Risiko für spätere Operationen, Probleme beim Wasserlassen und bei der Menstruation, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Unfruchtbarkeit.

Im Folgenden wird eine Auswahl von Untersuchungen zu den Konsequenzen von FGM auf physischer Ebene dargestellt, die sich über Kontrollgruppendesigns, Stichprobengröße oder über besondere Relevanz für diese Arbeit (z.B. hinsichtlich Population, FGM-Typ) auszeichnen. Für eine ausführliche Literaturdiskussion sei jedoch auf Obermeyer (1999, 2003, 2005) verwiesen.

Akute Komplikationen nach dem Eingriff. In einer Studie von Dirie & Lindmark (1992) mit 290 somalischen Frauen in Mogadishu (v.a. FGM II/III) berichteten 38.7% von kurzfristigen Komplikationen wie Hämorrhagie, lokalen Infektionen, Insuffizienz des Blasenschließmuskels und Sepsis. Eine in Gambia durchgeführte Studie mit medizinischen Untersuchungen und (retrospek-tiven) Selbstberichten von 871 Frauen ergab, dass insgesamt 36.8% der Frauen innerhalb der folgenden zehn Tage nach der Beschneidung an Infektionen, Hämorrhagie oder akuter Anämie litten. Je schwerer die Beschneidung, desto häufiger ergaben sich diese Komplikationen (FGM I 26.3%, FGM II 43.7%, FGM III 52.8%; Kaplan, Hechavarría, Martín & Bonhoure, 2011).

Langfristige Risiken und Geburtskomplikationen. Die Untersuchungen langfristiger Risi-ken durch weibliche Genitalverstümmelung stellten in der Vergangenheit große Herausforderun-gen dar (z.B. Obermeyer, 2003). Einzelne empirische Studien der letzen Jahre konnten jedoch die vermuteten negativen Zusammenhänge mit FGM (teilweise) statistisch nachweisen. Allen voran ist hier die Studie der WHO (Banks, Meirik, Farley, Akande, Bathija & Ali, 2006) zu nennen, die 2001-2003 in sechs afrikanischen Ländern (Burkina Faso, Ghana, Kenia, Nigeria, Senegal und Sudan) 28 393 Frauen prospektiv hinsichtlich ihrer Geburtsverläufe medizinisch un-tersuchten. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2.2 dargestellt. Das Risiko für Notfallkaiserschnitte

(Caesarean section), Blutverlust postpartum≥250 mL (Postpartum blood loss≥250 mL), einen verlängerten Krankenhausaufenthalt (Extended maternal hospital stay), Geburtsgewicht <2500g (Birthweight <2500g), Wiederbelebungen des Neugeborenen (Infant resuscitated) und Kindstod (Stillbirth; während des Krankenhausaufenthalts) stiegen mit dem Beschneidungsschweregrad.

Zwischen erstgebärenden Frauen und Frauen, die bereits eine oder mehrere Geburten hinter sich hatten, zeigten sich für diese Variablen keine signifikanten Unterschiede.

Abb. 2.2: Relatives Risiko negativer Effekte von FGM in Abhängigkeit der Parität (Banks et al., 2006)

5 Overall, the effect of FGM on the obstetric outcomes shown in figure 3

did not differ significantly between primiparous and multiparous women.

Of the 18 tests for heterogeneity comparing the effect of type of FGM for every outcome in primiparous versus multiparous women, 17 were not significant, and for the remaining comparison (the effect of FGM II on postpartum haemorrhage in primiparous versus multiparous women), the p value was 0.045. In view of the absence of any clear pattern of difference between the groups and the number of comparisons made, this finding might be due to chance.

The summary RR of stillbirth or death of the infant while the mother was an inpatient was 1.28 (1.12–1.46) for women with any type of FGM compared with none. Table 3 shows the estimated effect of FGM on the

absolute rate of perinatal death, for perinatal mortality rates typical of the region where the study was done. The excess deaths attributable to FGM ranged from 11 to 17 per 1000 deliveries, in relation to background perinatal mortality rates of 40–60 per 1000 deliveries. On the basis of the summary RR, about 22% (11–32) of perinatal deaths in infants born to women with FGM can be attributed to the FGM.

No FGM

Postpartum blood loss ≥500 mL

No FGM

relative risk (95% CI)* Multiparous women

relative risk (95% CI)*

Figure 3: Relative risk of adverse obstetric outcomes in women with FGM I, II, or III compared with women without FGM, according to parity

*Adjusted for study centre, maternal age, number of children (in multiparous women), education, socioeconomic status, urban/rural residence, time taken to get to hospital, height, and antenatal care. †Reference group; separate models were used for no FGM versus FGM I, no FGM versus FGM II, and no FGM versus FGM III. ‡Infants who were stillborn or died while the mother was an inpatient.

Rate in women without FGM

Estimated rate in women with FGM

Excess

40 51 11

50 64 14

60 77 17

Table 3 : Estimated rates of perinatal death per 1000 births in infants born to women with and without FGM

Im Zusammenhang mit Geburtskomplikationen und gynäkologischen Folgeerkrankungen sind auch die folgenden Studien interessant: Small et al. (2008) ermittelten anhand administrativer Datensets aus den Ländern Belgien, Australien, Kanada, Finnland, Norwegen und Schweden ein erhöhtes Risiko für Kaiserschnitte, Apgar Scores ≤7 nach fünf Minuten und Totgeburten bei

Im Zusammenhang mit Geburtskomplikationen und gynäkologischen Folgeerkrankungen sind auch die folgenden Studien interessant: Small et al. (2008) ermittelten anhand administrativer Datensets aus den Ländern Belgien, Australien, Kanada, Finnland, Norwegen und Schweden ein erhöhtes Risiko für Kaiserschnitte, Apgar Scores ≤7 nach fünf Minuten und Totgeburten bei