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3.6 Statistische Auswertung

5.1.3 Einschränkungen und Generalisierbarkeit

Eine wichtige Einschränkung ist zunächst die geringe Stichprobenanzahl, welche im Rahmen der Konzeption dieser Untersuchung als Pilotstudie vorgegeben war. Tendenzen die sich in dieser Studie bereits abzeichnen könnten in größeren Stichproben signifikant hervortreten.

Als allgemeine Schwierigkeit bei der Durchführung von Studien zu FGM ist auch das Kon-trollgruppenproblem zu werten, welches ebenfalls in der vorliegenden Studie vorherrscht. Eine Gleichverteilung von Frauen aller FGM-Gruppen wäre optimal. Unbeschnittene und auch nach Typ II beschnittene Frauen sind in Jijiga jedoch eine absolute Minderheit (s. Abschnitt 2.2). Um zumindest eine („unexposed”) unbeschnittene Vergleichsgruppe zu haben, wurden diese in der vorliegenden Untersuchung aktiv rekrutiert. Im Verlauf der Studie wurde deutlich, dass diese Frauen zwar nicht beschnitten sind, dafür jedoch anderen psychisch belastenden Erfahrungen wie Stigmatisierung, Tod der Eltern oder Vernachlässigung ausgesetzt sind, die hier nicht systematisch erhoben wurden. Nur selten stammen diese Frauen aus westlich orientierten Familien, die ihre Töchter aus Überzeugung nicht beschneiden. Zudem ist auch nicht komplett auszuschließen, dass sich Frauen fälschlicherweise als nicht beschnitten ausgaben (auch wenn ihnen dadurch kein Vorteil entstand).

Darüber hinaus wurden mit FGM konfundierende Variablen wie Ethnie oder Religion nicht kontrolliert. Die äthiopische und die somalische Kultur bilden zwar linguistische (semitisch

vs. kuschitisch), religiöse (christlich vs. muslimisch), ökonomische (sesshafte vs. nomadische Landwirtschaft/Viehzucht) und politische (hierarchisch, feudal vs. egalitäre, segmentäre Ver-wandtschaftsstrukuren) Gegensätze (Hagmann & Khalif, 2006), diese sollten jedoch keinen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben (z.B. für PTBS Brewin et al., 2000).

Die Zusammenfassung der Gruppen FGM II und FGM III erfolgte aufgrund einer geringen Anzahl von Frauen, die nach Typ II beschnitten wurden. Um möglichst genaue Aussagen zu den Zusammenhängen von weiblicher Genitalverstümmelung mit der psychischen Gesundheit treffen zu können und um eine differenzierte Vergleichbarkeit mit weiteren Studien zu ermöglichen, gilt es eigentlich, dies zu vermeiden und diese Zusammenfassung ist daher eher als Schwäche der Studie zu interpretieren. Aus praktischer Sicht ist dies jedoch weniger relevant: Das traumatische Erleben ist bei beiden FGM-Typen ähnlich, lediglich die Wahrscheinlichkeit von Folgetraumatisierungen bei der Defibulation und Re-Infibulation, die über den eigentlichen Beschneidungseingriff hinausgehen, sind bei Frauen nach FGM III erhöht. Die Berechnungen mit dem FGM-Schweregrad bieten hierfür eine gute Ergänzung.

Als Schwäche ist der Abbruch der PTBS-Diagnostik, wenn keine Intrusionen während der letzten vier Wochen vor dem Interview berichtet wurden, zu werten. Möglicherweise ist die PTBS-Symptomschwere dadurch für alle Gruppen unterschätzt. Verzerrungen wären dann zu beachten, wenn bei einer der Gruppen vermehrt keine Intrusions- aber gleichzeitig Vermeidungssymptome bestehen würden. Da Dissoziation, wie zuvor diskutiert, bei beschnittenen Frauen verstärkt auftreten könnte, und Dissoziation und Vermeidung nicht ganz unabhängige Konzepte sind, soll dieser Aspekt kurz fortgeführt werden. Angenommen, beschnittene Frauen neigen verstärkt zu Vermeidungsverhalten durch den Beschneidungseingriff, so wäre in dieser Arbeit die PTBS-Symptomatik bei FGM I und FGM II/III unterschätzt, da diese Gruppen eher keine Intrusionen und dafür jedoch mehr (nicht-erfasstes) Vermeidungsverhalten aufweisen – im Gegensatz zu nicht beschnittenen Frauen. In Wirklichkeit läge die PTBS-Symptomschwere bei beiden FGM-Gruppen höher. Auf die PTBS-Diagnosen nach DSM-IV hätte dies jedoch keinen Einfluss.

Eine weitere Eigenheit der vorliegende Stichprobe besteht darin, dass sie aus Frauen besteht, die in Jijiga und damit in einer Stadt leben. Die ländliche Bevölkerung der Somali Region

hat ein geringeres Durchschnittseinkommen, ist vulnerabler für unvorhersehbare Schocks, hat schlechteren Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie sauberem Wasser. Darüber hinaus sterben Personen in ländlichen Gegenden früher und leben allgemein weniger gesunde Leben. Frauen sind weniger autonom und haben weniger Berufsalternativen. Verglichen zu urbanen Gegenden (Jijiga, Gode) sterben vier mal so viele Kinder unter 5 Jahren (Devereux, 2006). Für Generalisierungen über Jijiga hinaus ist dies zu beachten.

Des Weiteren sind drei methodische Schwächen anzumerken: Bei der Berechnung der Gesamt-psychopathologie wurde keine Symptomdopplung beachtet, weshalb Symptome wie beispiels-weise Schlafstörungen, die bei Depression und PTBS auftreten, in der errechneten Variable Gesamtpsychopathologie doppelt gezählt wurde. Außerdem erfüllen die Berechnungen der Regressionsmodelle nicht ganz die Voraussetzungen des statistisch vorgegebenen Modells (s.

Anhang V), weshalb Generalisierungen dieser Modelle vorsichtiger zu tätigen sind. Zuletzt wurde wären die Konfidenzintervalle der Regressiongeraden für die graphische Darstellung interessant gewesen um zu zeigen, da sie über die Signifikanztests der Regression hinaus eine Aussage erlaubt hatten, ob Frauen der Gruppe FGM I tatsächlich eine schlechtere psychische Gesundheit aufweisen als Frauen der Gruppe FGM II/III.

Nun stellt sich die Frage, inwieweit diese Ergebnisse trotz der kleinen Stichprobe, des Kon-trollgruppenproblems und den anderen eben genannten Einschränkungen auf andere Frauen übertragbar sind. Psychische Implikationen bei Frauen nach Typ II/III Beschneidungen sind vor allem in Bezug auf weitere Gebiete der Somali Region und Somalia insgesamt relevant. Für diese Regionen ist aufgrund der politischen Situation und den schwierigen Lebensbedingungen von höheren Prävalenzen der hier erfassten Störungen auszugehen. Ähnliches gilt für die Gene-ralisierung des Zusammenhangs von Typ I Beschneidungen mit der psychischen Gesundheit, jedoch eher da die vorliegenden Prävelenzen extrem gering sind.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Forschung in diesem Bereich noch erweitert werden muss, um präzisere epidemiologische Informationen zu erhalten und den Bedarf an Interventionen abzuschätzen sowie diese zu implementieren.

5.1.4 Abschließendes Fazit zum Zusammenhang von FGM und der