• Keine Ergebnisse gefunden

Bedarf nach theoretischen Erweiterungen

1.2 Kooperation und Netzwerkbildung als Phänomen

1.2.2 Bedarf nach theoretischen Erweiterungen

Die bereits eingangs problematisierte Vielfalt der Begriffe, der theoretischen und methodischen Ansätze zur Kooperations- und Netzwerkforschung offenbaren einen gegenwärtig unbefriedigenden theoretischen Rahmen9.

Hinsichtlich des Problems der Auswahl aus einer Vielzahl unterschiedlicher Theorie-ansätze bemerken Sydow & Windeler (2000, S. 17), dass die in der Netzwerkliteratur prominenten Theorieansätze bezüglich der Strukturmerkmale von Netzwerken und der konzeptionell berücksichtigten Steuerungsebenen unterschiedliche Akzente set-zen. So stehen etwa in ökonomischen Ansätzen wie der Transaktionskostentheorie und der Prinzipal-Agenten-Theorie Fragen der Vertragsgestaltung sowie der effizi-entesten Strukturfindung im Zentrum. Demgegenüber bezieht der neoinstitutionalisti-sche Ansatz, wie ihn etwa Powell (1985) verwendet oder wie er auch in der For-schung über Policy-Netzwerke prominent ist, systematisch das Zusammenspiel ge-sellschaftsweiter, institutioneller Zusammenhänge in die Diskussion um Netzwerk-steuerung ein. Sowohl die neuere Systemtheorie Luhmanns (z. B. 1976, 1978, 1984) als auch die Strukturationstheorie Giddens‘ (z. B. 1976, 1979, 1984) nehmen von der Anlage ihrer Theorie her das gesamte Spektrum zwischen situativen Interaktionen bis hin zu gesellschaftsweiten Institutionen mit in ihre konzeptuellen Überlegungen auf. In einer Zwischenbewertung stellen Sydow & Windeler (2000, S. 17) fest:

„Schreit die vergleichsweise enge Aufnahme von Netzwerksteuerung durch die Transaktionskostentheorie und Prinzipal-Agenten-Theorie aus der Sicht der System-und Strukturationstheorie nach einer konzeptuellen Erweiterung, so gilt für die neoin-stitutionalistische Organisationstheorie und viel mehr noch für die System- wie die Strukturationstheorie, dass sie aus institutenökonomischer Perspektive einer Kon-kretisierung und Präzisierung für Netzwerksteuerung bedürfen“.

Jansen (2000) betont, dass im Fokus der sozialwissenschaftlichen Governancedis-kussion nicht die Entstehung der Governanceformen stehe, sondern ihr Beitrag für die Orientierung individuellen und organisationalen Handelns und für die Lösung des Kooperationsproblems. Dabei wird eine effiziente Institutionenwahl nicht per se un-terstellt. „Institutionen wird vielmehr ein ‚Eigenleben‘ bzw. eine gewisse Dauerhaftig-keit, Trägheit, kritische Masse etc. zugedacht“ (Jansen, 2001, S. 5). Ein weiterer Unterschied zwischen der Sicht der Sozialwissenschaften und der Neuen Institutio-nellen Ökonomik liegt in den grundlegenden Verhaltensannahmen. „Statt von im-merwährenden Opportunismus gehen Sozialwissenschaftler davon aus, dass Men-schen gegenseitiges Vertrauen unter bestimmten Bedingungen aufbauen und sich loyal verhalten können. Das für die reinen Rational-Choice-Theorien tendenziell un-lösbare Kooperationsproblem wird damit empirisch bearbeitbar“ (Jansen, 2001, S. 6).

Der Soziologe Wiesenthal (1999) betont in diesem Zusammenhang, dass man beim Versuch nicht irrt, die enorme Attraktivität, die der Netzwerkbegriff in den letzten zwei Jahrzehnten bewiesen hat, u. a. auf Unklarheiten in der Begrifflichkeit distinkter Ko-ordinationsmechanismen zurückzuführen. "Die Häufigkeit, mit welcher dem Netz-werkbegriff auch bei der Analyse von Markt- und Organisationsphänomenen der Vorzug gegeben wird, scheint nur auf den ersten Blick durch Veränderungen in der

9 Der wissenschaftstheoretische Aspekt dieses Problems wird ausführlicher in Kapitel 1.3 behandelt.

Welt der Phänomene bedingt. Es besteht mehr Grund zur Annahme, dass sich im Netzwerk-Faible der zeitgenössischen Sozialwissenschaften ein bequemer Ausweg aus Schwierigkeiten der begrifflichen Präzision offenbart“ (Wiesenthal, 1999, S. 1).

In seiner überarbeiteten Dissertation zur Konstitution von Unternehmungsnetzwerken auf der Basis der Giddensschen Strukturationstheorie (1984, vgl. Kap. 4.3.1) betont Windeler (2001, S. 18), dass die vielen empirischen Befunde im Hinblick auf die in-terorganisationale Zusammenarbeit letztlich nur die Aufgabe besitzen, auf der einen Seite die theoretisch-konzeptionellen Bestimmungen zu sensibilisieren und auf der anderen Seite sie zu illustrieren: „Denn das meines Erachtens zentrale Defizit der Netzwerkforschung ist: Die theoretisch-konzeptionelle Erfassung von Netzwerken steckt in den Kinderschuhen“. Weiter merkt Windeler in diesem Kontext an: „Wer verstehen will, was in und zwischen Unternehmungen geschieht, der muss die ‚Mi-krofundierung‘ von Märkten, Organisationen und Netzwerken und deren Konstitution in spezifischen institutionellen Kontexten aufnehmen und die damit einhergehende grundlegende Kontingenz sozialer Prozesse berücksichtigen. Er muss sich die Ori-entierungen und die Orientiertheit des Handelns von Akteuren ebenso wie die politi-sche Dimension des Ökonomipoliti-schen vergegenwärtigen. Er muss verstehen, dass Or-ganisationen alles andere als monolithische Einheiten sind (...)“ (Windeler, 2001;

S. 23).

Auch bei vorwiegend psychologisch orientierten Studien besteht noch weiterer Be-darf an theoretischen und methodischen Weiterentwicklungen im Hinblick auf den hier interessierenden Betrachtungsgegenstand. So haben sich bislang wenige Ar-beiten explizit mit Beschreibungen und Erklärungsversuchen anhand psychologisch orientierter Modelle zur interorganisationalen Kooperation befasst. Die im europäi-schen und angelsächsieuropäi-schen Raum erschienenen Studien und Abhandlungen be-fassten sich vorwiegend mit kulturvergleichenden Kooperationspraktiken. Jedoch kann mit Sydow (1999, S. 304) festgestellt werden: "Lediglich die Arbeits- und Orga-nisationspsychologie als weitere zentrale Bezugsdisziplin der modernen Manage-mentlehre hat diesem Phänomen (der interorganisationalen Netzwerke, Anm. K.S.) in kaum nennenswerten Umfang Aufmerksamkeit geschenkt". Allerdings sind in der jüngeren Vergangenheit auch hilfreiche Ansätze vorgestellt worden, die einen größe-ren Umwelt- und Situationszusammenhang berücksichtigen sowie in einem interdis-ziplinären Diskurs weiter entwickelt wurden (z. B. Wehner et al., 1998).

Ferner sind in der Organisationspsychologie die theoretisch-methodischen Ansätze nicht frei von Kritik. So stellen z. B. Holling & Müller in ihrer Zusammenschau rezen-ter organisationspsychologischer Theorien fest, dass bei den dargestellten Theorien

"in der Regel (...) ein ‚vorwissenschaftlicher‘, alltagssprachlicher Gebrauch theoreti-scher Terme festzustellen (ist). Oft werden unklare, diffuse Begriffe gebraucht und plakative Beispiele beschrieben. Durch das Fehlen präziser Definitionen und Expli-kationen ist jedoch die logische Konsistenz der einzelnen Theorien kaum zu prüfen, und Widersprüche sind nur schwer auszumachen.“ (Holling & Müller, 1995, S. 66).

Exemplarisch soll dies anhand der nachfolgend skizzierten Studie verdeutlicht wer-den. In ihrer Überblicksarbeit zur Bestimmung von Effektivitätsdeterminanten in un-terschiedlichen Kooperationsformen von Teams (und intraorganisationalen Netz-werkstrukturen) weisen Cohen und Bailey (1997, S. 279) darauf hin, dass es in fast allen 200 dort herangezogenen Studien an einer ausführlichen Beschreibung von

relevanten Rahmenbedingungen fehlt. So empfehlen sie deren adäquatere Berück-sichtigung in zukünftigen Untersuchungen: „We argue throughout the paper for more complete descriptions of the technology, task, and products associated with teams.

This is true for all types of teams: for example, we need to understand the equipment that a work team uses, the scope of a quality circle effort, the risk associated with a product that a project team develops, and the strategic issues that a management teams confronts“. Als eine Möglichkeit, allzu enge Blickwinkel und tradierte Varia-blenerhebungen zu überkommen, weisen die Autorinnen auf eine stärkere interdiszi-plinäre Orientierung hin, um Sichtweisen und Methoden aus anderen theoretischen Rahmenwerken einzubeziehen.

Im Überblick der zahlreichen Ansätze aus den verschiedenen Disziplinen mag es den Anschein haben, dass einerseits durch die zahlreichen Minitheorien der ver-schiedenen Wissenschaftsdisziplinen sowie eingeschränkt durch die Behandlung von wenig verallgemeinerbaren Einzelphänomenen ein größerer zusammenhängender Kontext meist nicht hergestellt werden kann. Aber andererseits ist auch bei jenen Forschungsbemühungen, die sich hauptsächlich mit verallgemeinerbaren Konstituti-onsmerkmalen von Organisationsstrukturen beschäftigen, auffällig, dass oftmals der konkrete Anwendungsbezug sowie die Integrationsmöglichkeit in Detailprobleme au-ßer Acht bleibt.

Die empirische Überprüfung bzw. Evaluation der Synergieerwartungen und Netzwer-keffekte steckt für dieses Anwendungsfeld jedoch noch weitgehend in den Kinder-schuhen - als Beispiel seien hier die Studien von Job, Kuhn & Schütz (1999), IPAG (2000) sowie Löster, Hahn & Kleindienst (2001) erwähnt.

Die in weiten Teilen noch unbefriedigende theoretische Untermauerung sowie deren empirische Evidenz kommt - anküpfend an das hier Ausgeführte - in den weiteren Problembeschreibungen der nachfolgenden Kapitel zum Ausdruck.

1.2.2.1 Die Evaluationsperspektive: Synergieerwartungen und Output-Effekte von Netzwerkstrukturen

Die bereits anfangs kurz skizzierten Synergieerwartungen durch Netzwerkstrukturen rekurrieren in erster Linie aus dem Verständnis, dass die vorhandenen Organisati-onsstrukturen nur unzureichend und suboptimal auf die Komplexität und Dynamik in vielen Bereichen adäquat reagieren können (vgl. z.B. Mayntz, 1996; Powell, 1996;

Howaldt, Kopp & Flocken, 2001).

Zusammenfassend wird bei den meisten Einschätzungen zur Kooperation in Netz-werkstrukturen davon ausgegangen, dass durch mehr Flexibilität (z. B. in der Zu-sammensetzung von kompetenten Akteuren sowie im i. d. R. nicht-hierarchischen Organisationsgrad) sich ein Mehrwert im Hinblick auf Innovation, Akzeleration und Information ergibt10. Dieser Mehrwert solle dann sowohl in ökonomischen Bereichen wie der Güter- oder Dienstleistungsproduktion zu Marktvorteilen führen (Rößl, 1994;

10 Für die größere Innovationsfähigkeit von Netzwerkstrukturen wird vor allem in die Richtung argu-mentiert, dass diese besser als andere Koordinationsmechanismen und Institutionen geeignet sind,

„tacit knowledge“ (ungerichtetes Wissen) zu transportieren (Hellmer et al., 1999, S. 70). In Netz-werken kommen viele Akteure, die Informationen miteinander austauschen, institutionenübergrei-fend zusammen.

Balling, 1998), aber auch in politischen Strukturen Machtverhältnisse und Interes-sendurchsetzung forcieren (Mayntz, 1996) oder in ausführenden Verwaltungs- und Überwachungsbereichen die beabsichtigten Effekte effizienter erreichen helfen - so auch im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (zu den Synergieerwartun-gen und Initiierungsgründen auf diesem Gebiet s. Kap. 3.2.2.4.).

Die Zunahme von so genannten hybriden Unternehmensformen - unter denen auch interorganisationale Netzwerkstrukturen zu zählen sind - und neuen Kooperations-formen wird vielfach aus ihrer Transaktionskostenökonomie erklärt (ausführlicher da-zu Kapitel 5.1.2.1). Hierfür spricht nach Jansen (2000) das relativ häufige Auftreten dieser neuen Formen in Forschung und Entwicklung – Situationen, die von extrem hoher Unsicherheit hinsichtlich der Erfolgschancen von Projekten und hoher Infor-mationsabhängigkeit gekennzeichnet sind.

Die zugrunde liegenden Erwartungen hinsichtlich der Koordination und Kooperation über Netzwerkstrukturen beziehen sich also in erster Linie auf gesteigerte Syner-gieeffekte. Synergieeffekte – früher auch Verbundeffekte genannt – bezeichnen Rößl (1994, S. 57) zufolge den Umstand, „dass Wirkungen von zusammengefassten Ein-zelaktivitäten (Synergiestruktur) zu den Wirkungen der EinEin-zelaktivitäten (Individual-struktur) nicht in einem additiven sondern in einem multiplikativen Verhältnis stehen“.

Gleichzeitig weist Rößl (ibid.) unter diesem Verständnis darauf hin, dass es nicht um eine Aggregation von Einzelwirkungen geht, sondern ein Synergieeffekt aus den po-sitiven bzw. negativen Einzelwirkungen besteht, die aus dem kooperativen im Ge-gensatz zum isolierten Verhalten resultieren. Der Saldo daraus bestimmt demnach ein positives bzw. negatives Synergieergebnis. Die Schwierigkeit hierbei besteht je-doch letztendlich in der Erfassung (Bewertung) der Transaktions- und Integrations-kosten (vgl. dazu Kap. 5.1.2.1).

Festzuhalten bleibt also, dass in einer Vielzahl von Abhandlungen über die Effekte von Netzwerkkooperationen zweckrationale Einschätzungen zu den Initiierungsgrün-den überwiegen. Mayntz betont jedoch mit Blick auf die Realisierung derartiger Er-wartungen: „Damit ist jedoch nicht gesagt, dass (...) Netzwerke auch eine besonders leistungsfähige Ordnungsform sind, wenn man als Kriterium z. B. die Innovativität oder Problemlösungsfähigkeit kollektiv produzierter Entscheidungen nimmt. Das Vorhandensein von strategisch handlungsfähigen formalen Organisationen in rele-vanten gesellschaftlichen Regelungsbereichen ist keine Garantie dafür, dass korpo-rative Akteure tatsächlich in Policy-Netzwerken zusammenarbeiten werden, um sy-stemrationale kollektive Entscheidungen zu treffen“ (Mayntz, 1996, S. 478).

Exemplarisch soll dieses problembehaftete Verhältnis zwischen Synergieerwartung auf der einen und Output-Effekten11 bzw. Umsetzungserfolg auf der anderen Seite an einer Studie verdeutlicht werden, die die Zusammenarbeit von beteiligten Interes-sengruppen in einem 'Runden Tisch' zum Umweltschutz untersuchte (Turcotte &

Pasquero, 2001). Ausgehend von der These, dass 'Runde Tische' mit vielen Interes-sengruppen häufig als effiziente Alternative zur konventionellen Lösung komplexer

11 Der Begriff Output-Effekt kennzeichnet sowohl die beabsichtigten als auch die unbeabsichtigten Effekte von Interventionen. Diesem Verständnis folgend, gebrauche ich den Begriff als Summe der Effekte, die durch die "Intervention" Netzwerkkooperation entstanden sind. Synergieeffekte sind demnach eine Teilmenge von Output-Effekten.

Umweltprobleme mit staatlichen Regelungen gesehen werden, sind in einer qualitati-ven Fallstudie die letztlich erreichten Output-Effekte beleuchtet worden. Dabei zeigte sich, dass Konsens nur auf allgemeinem Niveau erreicht werden konnte. Verschie-dene Formen des Lernens konnten beobachtet werden, aber sie waren abhängig von der Netzwerkkompetenz der Beteiligten. Die Fallstudie illustriert nach Einschätzung der Autoren das Paradoxon 'Runder Tische'; zum einen wird offenbar, dass man vor-sichtig bei der Einschätzung des echten Potenzials der Lösung komplexer kollektiver Probleme sein sollte, zum anderen zeigt die Studie, dass 'Runde Tische' einen nütz-lichen Zweck erfüllen, der nur sehr schwer anders erreicht werden kann: die Her-stellung von Sichtweisen größerer Zusammenhänge in die Richtung von „Metapro-blemen“ (Turcotte & Pasquero, 2001).

Tab. 1.3 Chancen und Risiken von Unternehmungsnetzwerken aus betriebswirt-schaftlicher Sicht (Quelle: Sydow, 1999, S. 291)

Chancen Risiken

Steigerung der strategischen Flexibilität Verlust von Kernkompetenz Verteilung der unternehmerischen Risikos,

insbesondere bei Diversifikation durch Kooperation

Erschwerung strategischer Steuerung Senkung von Produktionskosten Einbuße strategischer Autonomie Senkung von Koordinationskosten Steigerung von Koordinationskosten Abschöpfung von Regelungsarbitrage

Senkung des Commitments der Arbeitenden ob mangelnder Identifikationsmöglichkeiten Interorganisationales Lernen, Entwicklung

kooperativer Kernkompetenzen Unkontrollierter Abfluss von Wissen Senkung des Kapitalbedarfs

Verlust organisationaler Identität und damit abnehmende Möglichkeit zur Identifikation

Saber (2000, S. 75) mahnt an, dass Netzwerke meist mit Blick auf Kooperationsmög-lichkeiten untersucht wurden, während konfliktträchtige Verbindungen wie Konkur-renz und Neid relativ wenig Beachtung fanden. Die implizite Annahme scheint nach Saber (ibid.) zu sein, dass Netzwerkunternehmen sich als Partner verstehen und mit dem Eintritt in das Netzwerk eine Entscheidung zugunsten einer mehr oder weniger intensiven Zusammenarbeit treffen. In diesem Zusammenhang diskutiert auch Sy-dow (1999, S. 290 ff.) die potenziellen Risiken einer Netzwerkorganisation:

!!!! !!!!

Das Risiko der nur partiellen Systembeherrschung (interorganisationale

Netz-werke sind komplexe Systeme, die durchaus mehrere Steuerzentren aufweisen können. Selbst wenn eine Organisation das Netzwerk strategisch führt, greifen Fremd- und Selbststeuerung subtil ineinander).

!!!! !!!!

Das Risiko des Kompetenzverlustes (durch die Auslagerung von Forschungs-und Entwicklungs- aber auch von Produktionsaufgaben besteht die Gefahr, dass einer jeweiligen Organisation die Kernkompetenz abhanden kommt).

!!!! !!!!

Das Risiko der Abhängigkeit (eine Zunahme dieser ist in Netzwerkstrukturen zu

erwarten, da Netzwerkpartner explizite und implizite Vertragsverhältnisse einge-hen).

Die Chancen und Risiken für den Bereich der Unternehmungsnetzwerke werden in Tabelle 1.3 zusammengefasst:

Ein weiteres Problem, dass maßgeblich Einfluss auf die Output-Effekte - also u. a.

die Verwirklichung der Initiierungsgründe und Synergieerwartungen - hat, wird im folgenden Kapitel erörtert: Die adäquate Steuerung des Prozessgeschehens bzw.

das Netzwerkmanagement.

1.2.2.2 Die Gestaltungsperspektive: Netzwerkmanagement

Neben den insbesondere aus der Management- und Politikpraxis stammenden netz-werkeuphorischen Beiträgen mischen sich seit einiger Zeit auch Abhandlungen über eine Netzwerkdebatte zwischen Mythos und Realität (z. B. Deutschmann, 1997, Ho-waldt, Kopp & Martens, 2001).

Die eher vorsichtigen Betrachtungen werden durch Befunde über das Scheitern bzw.

nicht erfüllte Erwartungen von interorganisationalen Kooperationsverbünden gespeist (vgl. z. B. Vornhusen, 1994, zusammenfassend über internationale Joint Ventures).

Ouchi & Bolton (1988) beschäftigen sich in diesem Zusammenhang mit Faktoren, die für die gemischten Gefühle gegenüber kollektiver industrieller Forschung verantwort-lich sind.

Auch Sydow & Windeler betonen, dass steuerungsskeptische Konzepte seit einiger Zeit an Bedeutung gewinnen: "Sie heben die autonome Steuerungsfähigkeit sozialer Systeme und die damit einhergehende Notwendigkeit hervor, ein komplexeres Ver-ständnis von Steuerung zu entwickeln, nehmen also Abstand von zu naiven Vorstel-lungen über direkte Steuerungsmöglichkeiten sozialer Systeme mittels externer Ein-griffe (...). Mit dem skizzierten Perspektivwechsel auf Steuerung einher geht der (notwendige) Abschied vom kybernetischen Steuerungsmodell sozialer Prozesse. Ad acta gelegt wird die plandeterminierte Vorstellung von Steuerung, nach der zum Bei-spiel das Management in der Lage ist, das ökonomische Geschehen der Unterneh-mung im Großen und Ganzen richtig zu planen (...). Statt dessen wird der ‚bounded rationality‘ der Akteure, dem subtilen Zusammenspiel von individueller und kollektiver Rationalität und dem Umstand Rechnung getragen, dass Umwelt und System in ih-ren Bestandteilen und Wechselwirkungen nicht vollständig beobachtbar und daher auch die dortigen Ereignisverläufe und Aktivitäten nicht vollständig plan- und gestalt-bar sind“ (Sydow & Windeler, 2001, S. 1).

Die erfolgreiche Arbeit in Netzwerken ist an eine Vielzahl von Voraussetzungen ge-knüpft (Windeler, 2001; Howaldt, Kopp & Martens, 2001). Howaldt, Kopp & Martens (2001) betonen den Ausbau geeigneter Strukturen sowie die Entwicklung effizienter Management-, Arbeits- und Lernformen innerhalb des Netzwerkes, damit Netzwerke als koevolutionäre Kooperationsverbünde funktionieren und gemeinsame

Lernpro-zesse ermöglichen können. Diesen hohen Anforderungen an das Management von Netzwerken im Allgemeinen steht jedoch eine weitgehende Unkenntnis im Hinblick auf das „praktische Management der Netzwerkstrukturen und –prozesse“ gegenüber (Sydow, 1999, 304). So greift nach der Feststellung von Howaldt, Kopp & Martens das Management von Netzwerken im Wesentlichen auf die im betrieblichen Projekt-management entwickelten Konzepte und Instrumente zurück. „Die Entwicklung von eigenen Methoden und Instrumenten steht noch ebenso am Anfang wie die Ent-wicklung von spezifischen Beratungs- und Qualifikationsangeboten für Netzwerkma-nager“ (Howaldt, Kopp und Martens, 2001, S. 6).

Im Hinblick auf die Beliebtheit des Netzwerkansatzes sieht Endres in der einschlägi-gen Managementliteratur häufig den Eindruck vermittelt, die Bildung kooperativer strategischer Netzwerke sei „per se ein Königsweg zu Innovation und Anpassungs-fähigkeit. Dabei wird zu wenig berücksichtigt, wie groß die persönlichen und organi-satorischen Aufwendungen sind, die der Aufbau und die kontinuierliche Pflege von Netzwerkbeziehungen erforderlich machen“ (Endres, 2001, S. 104).

Zweifelsohne ist für ein erfolgreiches12 Netzwerkmanagement die Kenntnis relevanter Einflussgrößen und Bestimmungsmerkmale der Netzwerkkonstitution vonnöten. In-sofern besteht die Herausforderung hinsichtlich der eher praxisbezogenen Frage-stellung nach der "Bewerkstelligung" eines erfolgreichen Netzwerkmanagements in der analysierenden Beschreibung und Erklärung des kontextbezogenen Netzwerk-geschehens. Hier ist auch im Hinblick auf die Entwicklung von dahingehenden Handlungshilfen noch eine Lücke zwischen organisationstheoretischem Wissen-schaftsinteresse und anwendungsbezogenen Praxisbezug zu schließen. In diesem Zusammenhang betonen z. B. Osterloh & Frost (2000) in ihrer Überblicksarbeit die enorme Schwierigkeit theoriebezogener Gestaltungsempfehlungen, da nach ihrer Analyse die Ausdifferenzierung von organisationstheoretischen Paradigmen zu ei-nem Auseinanderdriften von theoretischer und gestaltungsbezogener Literatur ge-führt hat.

Das Netzwerkmanagement ist dem Wirtschaftswissenschaftler Sydow zufolge zwangsläufig in eine Vielzahl von Spannungsverhältnissen eingebettet. In Abbildung 1.2 sind die wichtigsten benannt13. Im Hinblick auf den Umgang mit derartigen Span-nungverhältnissen stellt Sydow (2001, S. 90) jedoch noch einen erheblichen For-schungsbedarf fest.

Im Kontext des Anwendungsfeldes dieser Arbeit liegen mit der Studie von Job, Kuhn

& Schütz (1999) erste Empfehlungen für das Management von Netzwerken im Be-reich der betrieblichen Gesundheitsförderung vor (ausführlicher dazu Kapitel 3.2).

Jedoch ist die Forschungspraxis für dieses Anwendungsfelds hinsichtlich der Be-trachtung seiner Spezifika und etwaiger Ableitungen für Praxisempfehlungen sowohl theoretisch wie praxisbezogen noch weitgehend unentwickelt.

12 Zur Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Erfolg und der jeweils zugrunde gelegten Evalua-tionsdimension vgl. Kap. 5.1.

13 Diese sollen an dieser Stelle nicht im Einzelnen erörtert werden. Als Beispiel kann das am zu ei-nem bestimmten Zeitpunkt im Netzwerk vorzufindende Verhältnis von Vetrauen und Kontrolle ver-anschaulicht werden: Dieses beeinflusst in bedeutsamen Maße die Wahrnehmung (Signifikation) und Rechtfertigung (Legitimation) einer bestimmten Evaluationspraktik von den Netzwerkakteuren (vgl. Sydow, 2001).

Ökonomie Selektion

Allokation Regulation

Evaluation

Management-praktiken

Herrschaft

Formalität Informalität

Stabilität Fragilität

Vielfalt Einheit

Flexibilität Spezifität Kooperation Wettbewerb Vertrauen

Kontrolle Autonomie

Abhängigkeit

Abb. 1.2 Netzwerkmanagement in Spannungsverhältnissen (Sydow, 1999b)

1.3 Das erkenntnistheoretische Dilemma hinsichtlich des