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Die gegenwärtige formal-rechtliche Struktur

2.2 Verwendung des Lösungsansatzes in dieser Arbeit

3.1.2 Die gegenwärtige formal-rechtliche Struktur

Wie bereits weiter oben erwähnt, reglementiert gegenwärtig eine Vielzahl von Geset-zen, Verordnungen, Vorschriften und Regeln den Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit mit seinen Institutionen und Aufgabenfeldern. Zwar konnte mit dem Arbeitsschutzgesetz von 1996 ein übergreifendes, den EU-Richtlinien angepasstes Tab. 3.1 Wichtige Gesetze, Verordnungen und Vorschriften im deutschen

Ar-beitsschutzrecht (Auswahl)

Gesetze Verordnungen Vorschriften / Richtlinien - Arbeitsschutzgesetz

- Arbeitssicherheits-gesetz

- Arbeitszeitgesetz - Geräte- und

Produkt-sicherheitsgesetz

- Vorschriften der Träger der gesetzlichen Unfall-versicherung (im Rah-men des autonoRah-men Rechts)

- Arbeitsstättenrichtlinien (z. B. ASR 5 "Lüftung") - technische Regeln (z. B.

TRGS 500 "technische Regel für Gefahrstoffe -Mindestanforderungen"

Rahmenwerk verabschiedet werden, jedoch besteht parallel eine Vielzahl von (de-taillierten) Regelungen, die z. B. ein Arbeitgeber zu beachten hat. So sind in einer Auswahl zu nennen:

Diese Gesetze, Verordnungen und Vorschriften regeln zum einen die Organisation des gegenwärtigen Arbeitsschutzsystems in Deutschland sowie zum anderen die Umsetzung und Überwachung in dem Geltungsbereich (z. B. Unternehmen als Ar-beitgeber)31. Im Kapitel 3.1.2.1 wird nun das gegenwärtige deutsche Arbeitsschutz-system schematisch dargestellt, um im darauf folgenden Kapitel die Zusammenhän-ge und Aufgabenfelder der jeweiliZusammenhän-gen Akteure bzw. Institutionen zu skizzieren.

3.1.2.1 Übersicht des deutschen Arbeitsschutzsystems

Das duale Arbeitsschutzsystem ist in § 21 des Arbeitsschutzgesetzes nochmals rechtlich bestätigt und verankert worden. Zwei Grundpositionen sind dabei haupt-sächlich kennzeichnend:

!!!! !!!!

Die staatlichen Arbeitsschutzaufsichtsbehörden sind für die Durchführung

insbe-sondere des Arbeitsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen zuständig.

!!!! !!!!

Die Aufgaben und Befugnisse der Unfallversicherungsträger richten sich nach

dem Sozialgesetzbuch. Soweit sie im Rahmen ihres Präventionsauftrages tätig werden, der nach der weiter oben beschriebenen Reform des Arbeitsschutz-rechts auch die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren umfasst, sollen sie ausschließlich ihre autonomen Befugnisse wahrnehmen.

Dabei begründen die Vorschriften der Unfallversicherungsträger Rechtspflichten nur für ihre Mitgliedsunternehmen und die Versicherten. Dagegen können staatliche Vor-schriften zum Arbeitsschutz auch über die Verpflichtung anderer Personen (insbe-sondere Hersteller) gelten, und sie können den Arbeitsschutz mit anderen Schutz-zielen wie dem Umweltschutz aber auch mit anderen sozial- und wirtschaftspoliti-schen Zielen verbinden (Halbach et al., 2000). In Abbildung 3.1 sind die maßgebli-chen Beteiligten am gegenwärtigen Arbeitsschutzsystem mit ihren hauptsächlimaßgebli-chen Funktionen schematisch dargestellt. Nicht abgebildet im außerbetrieblichen Arbeits-schutzsystem ist die Beratungsfunktion der staatlichen Gewerbeaufsichtsämter und Unfallversicherungsträger, der in verschiedenen Gesetzestexten zur Arbeits- und Sozialordnung hinsichtlich der Prävention manifestiert ist. Insbesondere die weiter unten ausführlicher behandelte Einführung des Präventionsauftrages in den Leis-tungskatalog der Krankenkassen hat dabei das Spektrum der Akteure - auch im Sin-ne der interorganisationalen Kooperation - erweitert.

31 In der Gesetzgebung ist eine Differenzierung nach öffentlich-rechtlichem und privatem Arbeits-schutzrecht festzustellen. Beim Erstgenannten ist kennzeichnend, dass die Einhaltung der bestehenden Vorschriften im öffentlichen Interesse durch staatliche Aufsichtsbehörden sicher-gestellt wird. Hierbei stehen sich Staat und Bürger in einem Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber, wobei die Verletzung des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechtes zumeist straf-und bußgeldbewehrt ist. Im Gegensatz dazu sind die Parteien im Privatrecht gleichgeordnet.

Im „privaten“ Arbeitssicherheitsrecht ist § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von zentraler Bedeutung (Halbach et al., 2000).

Beteiligte am Arbeitsschutzsystem Beteiligte am Arbeitsschutzsystem

außerbetriebliches AS-System

außerbetriebliches AS-System innerbetriebliches AS-Systeminnerbetriebliches AS-System

normsetzend

normsetzend überwachendüberwachend

Staat

(ArbSchG, ASiG, Artikel 74, Nr. 12 GG) - Bund schaften (BG‘en) - als Landesbehörden Unfallversicherungs-träger

- Technische sichtsdienste der BG‘en und der

Abb. 3.1 Arbeitsschutzsystem in Deutschland (modifiziert nach Kiesau, 1995) 3.1.2.2 Skizzierung der Funktionen gegenwärtiger Akteure / Institutionen im

An-wendungsfeld

Im Kapitel 3.1.1 sind bereits einige wichtige Institutionen und Verbände dargestellt worden, die sowohl aus legislativen bzw. gesellschaftspolitischen Prozessen hervor-gegangen sind32. In den folgenden Ausführungen werden nun - ausgehend von der Darstellung in Abbildung 3.1 - die aktuell relevanten Institutionen und Akteure im in-teressierenden Bereich skizziert33.

32 In seiner Analyse des politischen Austausches im Politikfeld Arbeit macht Pappi (1990) insgesamt 44 verschiedene Interessengruppen aus. Werden noch die relevanten Abteilungen von Ministerien sowie Ländervertretungen, politische Parteien und deren Fraktionsobmänner sowie einige weitere relevante Akteure hinzugezählt, so konnten insgesamt 126 Akteure bzw. Interessengruppen aus-gemacht werden, die Einfluss auf das Politikfeld ausüben. Folgt man den politikwissenschaftlichen Argumentationen Pappis (ibid.), so ist die Ausgestaltung des Bereiches von Sicherheit und Ge-sundheit bei der Arbeit ein Teil des Politikfeldes ‚Arbeit‘. Darunter wiederum werden vom Autor

„die kollektiven Entscheidungen auf der nationalen Ebene eines politischen Systems, die die indu-striellen Beziehungen als Verhältnis von Kapital und Arbeit regeln und die in die Ressourcenver-teilung zwischen diesen Produktionsfaktoren eingreifen“ (Pappi, 1990, S. 164).

33 Dabei sind hauptsächlich jene Institutionen beschrieben, die in den Studien 1 und 2 dieser Arbeit als maßgebliche Partner in Kooperationsnetzwerken festgestellt worden sind (vgl. Kap. 3.2.3).

Tab. 3.2 Arbeitsschutz-Akteure und -Institutionen sowie deren Aufgaben

Arbeitsschutz-Akteure und

-Institutionen Normativ festgelegte bzw. selbst gewählte Aufgaben Bundesministerium für

Wirt-schaft und Arbeit (BMWA);

Länderministerien für die Be-reiche Arbeit, Soziales und Gesundheit

Arbeitsschutzgesetzgebung,

Entwicklung nationaler Arbeitsschutzstrategien, Umsetzung der Gesetze, Entwicklung landesbezogener Fachkonzepte

Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin (BAuA);

Hochschulen und For-schungsinstitute

Erarbeitung und Bereitstellung von Wissen,

interdisziplinär und mit allgemeingültigem Anspruch, Unterstüt-zung der staatlichen Aufsichtsbehörden

Aufsichtsbehörden der Länder (Gewerbeaufsichtsämter, staatli-che Ämter für Arbeitsschutz, Bezirksverwaltungen)

Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen,

Prävention von Unfällen und arbeitsbedingten Erkrankungen, Aufsicht, Beratung und Information zur Wahrung von Mindest-standards menschengerechter Arbeitsgestaltung

Unfallversicherungsträger Autonome Rechtssetzung der Unfallversicherungsträger, Prävention von Unfällen, Berufserkrankungen und arbeitsbe-dingten Erkrankungen,

Überwachung, Beratung,

Entschädigung von Arbeitsunfällen und Berufserkrankungen, Rehabilitation

Krankenkassen Datenbereitstellung: Gesundheitsberichte,

Aufbereitung branchen-/ arbeitsplatzbezogene Gesundheitsfak-ten

Arbeitgebervertreter

(Handwerkskammern, Innungen, Kreishandwerkerschaften, Industrieverbände etc.)

Interessenvertretung von hauptsächlich Klein- und mittelständi-schen Unternehmen, arbeits-, sozial- und wirtschaftspolitische Einflussnahme,

Beratung und Unterstützung der Mitgliedgliedsunternehmen Arbeitnehmervertreter

(Betriebs- bzw. Personalräte, Gewerkschaften, Arbeitnehmer-kammern etc.)

Mitwirkung nach Betriebsverfassungsgesetz, Personalvertre-tungsgesetz (Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte), Interessenvertretung der nichtselbst. Beschäftigten, Tarifver-handlungen, arbeits-, sozial- und wirtschaftspolitische Einfluss-nahme

Aufgabenerfüllung im Rahmen des Arbeitssicherheitsgesetzes, betriebsspezifische Analysen und Beratung, Unterstützung der Unternehmensführung

Unternehmensberater

(freiberuflich tätige Experten aus der Arbeitspsychologie, Arbeits-wissenschaft, Gesundheitsförde-rung etc.)

Beratung, Fachlösungen, Prozessbegleitung

Die Beschreibung orientiert sich dabei z. T. an dem soziokulturellen / historischen Entstehungskontext der jeweiligen Institution sowie an formalen Aufgaben und den zu erwartenden (institutionellen) Interessen.

Die folgende Darstellung von Akteuren/Institutionen impliziert eine Disjunktheit, die jedoch nicht zwangsläufig zu unterstellen ist. So sind z. B. auch Träger der gesetzli-chen Unfallversicherung Arbeitgeber und haben dadurch bestimmte Verpflichtungen.

Andererseits liegt die Verquickung von Personal- und Betriebsräten und gewerk-schaftlicher Zugehörigkeit auf der Hand.

Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass es in dem Bereich von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit viele verschiedene Beziehungen zwischen den Akteu-ren gibt, die nicht einer formalen Netzwerkkooperation oder einer sonstigen Koordi-nierungsform zuzuordnen sind und eher informeller Natur sind. Dies können z. B.

sowohl freundschaftliche Verhältnisse sein, die im Rahmen beruflicher Zusammen-arbeit nicht ungewöhnlich sind, als auch quasi-institutionalisierte Vertauensverhält-nisse, wenn etwa im Rahmen von Forschungsverbünden auf ‚bewährte‘ Kooperati-onspartner zurückgegriffen wird.

Die Tabelle 3.2 fasst hinsichtlich der vorangegangenen Ausführungen in einer Aus-wahl die wichtigsten Aufgaben von den Institutionen zusammen, die häufig in Koope-rationsnetzwerken des Anwendungsfeldes vertreten sind.

Auf die Darstellung weiterer außerbetrieblicher Institutionen (z. B. Technische Über-wachungsgesellschaften, Normungsinstitutionen etc., s. Abb. 3.1) wird an dieser Stelle verzichtet, da ihre Relavanz hinsichtlich der Kooperationsnetzwerke bislang vergleichsweise gering ist - zu den am häufigsten in Netzwerken vertretenen Institu-tionen s. Kapitel 3.2.2. Zudem sind auch Wohlfahrtsverbände seit geraumer Zeit im hier interessierenden Bereich aktiv. So werden z. B. von den großen karitativen Ver-bänden wie die Diakonie und die Caritas Unterstützungsleistungen für vernetzte Hilfsangebote im Anwendungsfeld erbracht (z. B. bei der Mobbing-Line NRW, s. Saßmannshausen, 2002).

3.1.2.3 Normative Erfordernisse zur Kooperation

Mit der Neuordnung des Arbeitsschutzrechts zur Angleichung an europäische Rah-menrichtlinien ergaben sich z. T. weit reichende Konsequenzen für die beteiligten Akteure und Institutionen im Bereich der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

So sind in den reformierten Rechtsgrundlagen Bestimmungen zum hier interessie-renden Feld der Kooperation enthalten. Diese beziehen sich im Wesentlichen für die übergeordneten Ebene der staatlichen Arbeitsschutzverwaltung sowie der Unfallver-sicherungsträger auf den § 21 ArbSchG. In § 21 (3) ArbSchG heißt es (eine Entspre-chung dieses Textes ist in § 20 SGB VII (1) vorhanden): "(3) Die zuständigen Lan-desbehörden und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wirken bei der Überwachung eng zusammen und fördern den Erfahrungsaustausch. Sie unterrich-ten sich gegenseitig über durchgeführte Betriebsbesichtigungen und deren wesentli-che Ergebnisse.“

Für die Krankenkassen gelten die Regelungen im § 20 SGB V. In Absatz 1 wird fest-gelegt: „(1) Die Krankenkassen arbeiten bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesund-heitsgefahren mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen und unterrichten diese über die Erkenntnisse, die sie über Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen gewonnen haben. Ist anzunehmen, dass bei

einem Versicherten eine berufsbedingte gesundheitliche Gefährdung oder eine Be-rufskrankheit vorliegt, hat die Krankenkasse dies unverzüglich den für den Arbeits-schutz zuständigen Stellen und dem Unfallversicherungsträger mitzuteilen.“ Eine analoge Entsprechung dazu findet sich im Sozialgesetzbuch zur gesetzlichen Unfall-versicherung (SGB VII).

Auf der betrieblichen Ebene bestehen Verpflichtungen zur Kooperation wiederum im ArbSchG in den §§ 1, 9, 16 und 17 zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten bzw.

Betriebsräten.

Einen weit gefassten Vernetzungsauftrag hat die Arbeitsschutzverwaltung durch die 73. und Sozialministerkonferenz 1996 erhalten. Demzufolge soll die Arbeits-schutzverwaltung für eine koordinierte Umsetzung des ganzheitlichen Arbeitsschut-zes auch mit anderen Akteuren zusammenarbeiten. Dies hat sich bereits darin aus-gedrückt, dass mehrere Bundesländer fachkonzeptionelle Empfehlungen zur Koope-ration im Hinblick auf die Steuerung der Arbeit von Staatlichen Arbeitsschutzbehör-den bzw. Gewerbeaufsichtsämtern aufgestellt haben (dazu ausführlicher Kapitel 3.2.2.4). Mit diesen und weiteren Neuregelungen im Arbeitsschutzrecht begann dar-über hinaus eine Diskussion, "wie die Binnenstruktur des deutschen Arbeitsschutz-systems und des Arbeitsschutzrechts einfacher, überschaubarer und anwendbarer gestaltet werden kann" (Brückner, o.J., S. 1).

Insgesamt betrachtet geht also aus verschiedenen Regelungswerken die Aufforde-rung zur Kooperation zwischen relevanten Akteuren und Institutionen hervor, wenn-gleich keine exakten Bestimmungen gemacht werden, in welcher Form diese zu ge-schehen hat und welche Themenfelder bzw. Kooperationsinhalte dafür näher zu spezifizieren sind.

3.2 Empirische Befunde zum Bereich von Sicherheit und