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Situationsbezogene Einflussgrößen

4.1 Einflussgrößen interorganisationaler

4.1.3 Situationsbezogene Einflussgrößen

Situationsbezogene Einflussgrößen entfalten ihre Wirkung im unmittelbaren Zusam-mentreffen mit den Akteuren bzw. der sich daraus ergebenden Kooperation. Im Zu-sammenspiel mit den akteursbezogenen Einflussgrößen entstehen aus diesem

„Netzwerkgeschehen“ folglich Effekte. Weiter unten werden die situationalen Ein-flussgrößen kurz beschrieben und jeweils in Zusammenhang zum vorbezeichneten Ordnungsschema gesetzt.

4.1.3.1 Macht

Max Weber zufolge bedeutet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Bezie-hung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1947, S. 28). Im engeren Sinne stellt Macht zugleich eine Einflussgröße als auch eine sich (aus gemeinsamen Interagieren der Netzwerk-akteure) ergebende Effektgröße im Netzwerkgeschehen dar. Da letzteres jedoch ei-ne Folge von vorangegangeei-nen situationalen Interaktioei-nen darstellt, wird diese Ein-flussgröße im Wesentlichen an dieser Stelle behandelt. Im Zuge des vorher Be-schriebenen können sich Machtstrukturen auch innerhalb eines interorganisationalen Kooperationsnetzwerkes z. B. in Abhängigkeit mikropolitischer Interventionen von Akteuren verändern (vgl. dazu Neuberger, 1995).

Bezogen auf die Einflussgröße Macht kann wiederum unterschieden werden nach Macht, die hinsichtlich der Akteure im konkreten Kooperationsnetzwerk wirksam wird, als auch nach Macht, die im Verhältnis vom Akteur zu seiner eigentlichen Institution besteht. So kann es z. B. sein, dass ein engagiertes Netzwerkmitglied innerhalb ei-nes Kooperationsnetzwerkes als machtvoll eingeschätzt wird, weil es andere beein-flusst, jedoch in seiner Institution nicht viel ausrichten kann, da ihm dort wesentliche Machtquellen fehlen. Macht als Möglichkeit Einfluss auszuüben wird sowohl durch Persönlichkeitsvariablen bestimmt als auch von der potenziellen Verfügbarmachung vorhandener Ressourcen eines Akteurs, die von anderen Akteuren stark nachgefragt werden (Neuberger, 1995). So können z. B. Unternehmer in einem

Arbeitsschutz-netzwerk eine starke Machtposition entwickeln, da sie i. d. R. selten in Kooperations-netzwerken dieser Art mitwirken und ihre Praxisbeiträge als besonders relevant ein-geschätzt werden.

4.1.3.2 Kommunikation

Wesentlich für den gesamten Interaktionsprozess im Netzwerk ist die Kommunikati-on. Die Arbeitspsychologin Kumbruck, die sich in diesem Zusammenhang mit inter-organisationaler Kooperation beschäftigte, bezeichnet Kommunikation als Interpreta-tion von Symbolen und deren Verständigung darüber. Sie dient der wechselseitigen Anpassung der Sichtweisen der Menschen auf die Welt und hat verbindenden Cha-rakter: „(Die Kommunikation) ist ein wichtiges Mittel für Kooperation immer dann, wenn es um Abstimmung und Aushandlung geht. Sie ist ein Teilstück von Kooperati-on, nämlich die explizite Aushandlung des Kooperationszieles und der Kooperations-schritte. Sie begleitet den Prozess der Kooperation und dient dabei der bewussten Richtungsvorgabe, - kontrolle und –änderung des kooperativen Prozesses durch Aushandlung“ (Kumbruck, 2001, S. 161). Der jeweilige Kommunikationsstil ist dabei akteursabhängig – z. B. hinsichtlich beruflicher Sozialisation, Persönlichkeitsfaktoren und Stimmungen (vgl. weiter oben).

Mohr, Fisher & Nevin (1996) betonen den Einfluss, den die Kommunikationsmedien auf das Commitment, die Zufriedenheit und die Koordination hat. Jedoch sind For-schungsbefunde zum Einfluss von Kommunikationsmedien auf andere Aspekte in-terorganisationaler Prozesse und Leistungen vergleichsweise rar. Die Untersu-chungsergebnisse von Nygaard & Dahlstrom (2002) zu Einflussfaktoren der Effekti-vität horizontaler Allianzen weisen darauf hin, dass in diesem Kontext persönliche Kommunikationmodi (verstanden als direkte, nicht zeitversetzte Kontakte) Ambigui-täten reduzieren und indirekt die Effektivität beeinflussen. Dabei wird hervorgehoben, dass persönliche Kommunikationsmodi einen Dialog zwischen Netzwerkpartnern er-möglichen, der Ambiguitäten u. a. durch den Einbezug verbaler und nichtverbaler Bewertungsprozesse auflösen kann. Insgesamt lässt dies einen Mehrwert im Ver-gleich zu elektronischen, nicht-persönlichen Kommunikationsmedien vermuten. Auch Büssing & Moranz (2003) betonen dahingehend die Wichtigkeit von Face-to-Face-Kommunikation z. B. beim Aufbau telekooperativer Geschäftsbeziehungen.

Die Moderation ist in diesem Zusammenhang eine bestimmte regelgeleitete Form der Kommunikation, die oftmals im netzwerkbezogenen Kooperationsprozess zur Anwendung kommt. Sie ist Mittel und Instrument der jeweiligen Führung eines Ko-operationsnetzwerkes und eine maßgebliche Größe für Verhandlungs- und Klä-rungsprozesse. Sie ist somit zum einen selbst Einflussgröße im Netzwerkgeschehen und zum anderen wird sie stark durch die individuenbezogenen Eigenschaften des Moderierenden und den situativen Kontext beeinflusst.

4.1.3.3 Aufgaben / Kooperationsinhalt

Die Charakteristika von Aufgaben und Kooperationsinhalten haben mitunter wesent-liche Implikationen für die Struktur eines interorganisationalen Kooperationsnetzwer-kes.

Ein Ordnungsrahmen für Aufgaben/Kooperationsinhalte eines Netzwerkes kann an-hand der Befunde aus Kapitel 3 vorgenommen werden. So wurden folgende Typen von Kooperationsinhalten ermittelt, die jeweils andere Qualitäten aufweisen (wenn-gleich zu bedenken ist, dass i. d. R. in einem Kooperationsnetzwerk mehr als ein Ko-operationsinhalte vorhanden ist, jedoch eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung vorliegt): Verhandlungen und Konsensgespräche, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit, Informationsaustausch, Schaffung von Innovationen, Projektarbeit.

Tab. 4.2 Schematische Charakterisierung von Kooperationsinhalten Charakteristika

Kooperationsinhalt Komplextät Koordina-tionsaufwand

Kommuni- kations-erfordernisse

Externe

Abhängig-keiten Verhandlungen und

Konsensgespräche

mittel mittel hoch hoch

Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit

niedrig mittel mittel hoch

Informationsaustausch niedrig niedrig hoch mittel

Schaffung von Innova-tionen

hoch mittel hoch mittel

Projektarbeit hoch hoch mittel mittel

Mit der folgenden Tabelle wird eine schematische Charakterisierung der Kooperati-onsinhalte anhand der Merkmale Komplexität, Koordinationsaufwand, Kommunikati-onserfordernisse und externe Abhängigkeiten vorgenommen. Komplexität bezeichnet dabei die quantitative und qualitative Tiefe einer Aufgabenstellung, z. B. wie viele Teilbereiche sie umfasst und wie intensiv diese Teilbereiche untereinander und mit andereren externen Faktoren interagieren. Der Koordinationsaufwand beschreibt die jeweilige Größe von Abstimmungs- und Regelungserfordernissen hinsichtlich eines Kooperationsinhaltes. Kommunikationserfordernisse beziehen sich auf die Bedeut-samkeit des kommunikativen Austausches zwischen den Netzwerkakteuren.

Schließlich repräsentieren externe Abhängigkeiten die Quantität jener Beziehungen und Einflüsse, die Kooperationsinhalte zur weiteren Umwelt haben.

4.1.3.4 Ressourcen

Unter die situationsbezogenen Einflussgröße Ressourcen fällt sowohl die personelle Zusammensetzung und Verfügbarkeit eines interorganisationalen Kooperationsnetz-werkes als auch die finanzielle Ausstattung und deren Verwendung im Netzwerk. Die Ressource „Zeit“ ist ebenfalls implizit in der personellen Verfügbarkeit enthalten („Wie viel Zeit haben bzw. nehmen sich die einzelnen Akteure für die Netzwerkar-beit.“). Der Ressourceneinsatz ist dabei wiederum in besonderer Weise von dem Zu-sammenspiel akteursbezogener sowie situationaler und umweltbezogener Einfluss-größen abhängig.

Ein qualitativer Aspekt zu den Ressourcen bezieht sich auf die Anzahl sich ergän-zender und redundanter fachlicher Kompetenzen in einem Kooperationsnetzwerk. So kann es sein, dass ein Kooperationsnetzwerk zwar quantitativ groß ist (z. B. 25 be-teiligte Institutionen aufweist), jedoch hauptsächlich redundante Fachkompetenz dort vertreten ist. In der Regel werden sich allerdings gerade bei dem Netzwerkziel "Inno-vationen erreichen" fachlich und vom Aufgabengebiet her unterschiedliche Institutio-nen zusammentun, um aus den verschiedeInstitutio-nen Sicht- und Vorgehensweisen etwas Synergetisches und Innovatives zu schaffen (vgl. dazu auch den situationsbezoge-nen Einflussfaktor „Umfang“ weiter unten).

4.1.3.5 Zeit

Hintergrund dieser Unterteilung ist der Aspekt, dass eine zeitliche Begrenzung der Zusammenarbeit andere Implikationen auf die Netzwerkakteure hat, als eine Zu-sammenarbeit auf unbestimmte Zeit. Befristungen findet man z. B. in aller Regel per definitionem in Projekten vor; bei Kooperationsnetzwerken, die als Projekt gefördert werden, ist es daher von Wichtigkeit, im Vorfeld zu klären bzw. festzustellen, ob eine längerfristige Zusammenarbeit über die Projektlaufzeit hinaus angestrebt wird - ggf.

unter anderen Ressourcenvoraussetzungen.

Darüber hinaus sind mit dem Faktor Zeit weitere Phänomene verbunden: So konnte in der Sozialpsychologie gezeigt werden, dass allein durch die zunehmende Dauer von Kontakten zwischen Akteuren Sympathie gefördert wird (vgl. z.B. Bierhoff, 2000).

Endress betont in diesem Zusammenhang: „Gerade, wenn eine Zusammenarbeit nur oberflächlich gepflegt wird und sich die Pausen über ein Vierteljahr hinausziehen, die Mitgleider möglicherweise weit verstreut leben, wird das Klima und die emotionale Basis stark abgekühlt. Oft werden nicht nur die Gruppenmitglieder einander fremd, sondern auch der Gruppenzweck gerät in Vergessenheit“ (Endress, 1975, S. 88).

Jedoch ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht nur aus den empirischen Studien dieser Arbeit es zahlreiche Hinweise dafür gibt, dass ein Zuviel an Zusammenkünften ebenso schädlich für das Erreichen von netzwerkbezogenen Zielen sein kann.

4.1.3.6 Umfang/Größe

Diese situationsbezogene Einflussgröße kennzeichnet die quantitative Größe eines Kooperationsnetzwerkes. Dabei bezieht sich der quantitative Aspekt einerseits auf die jeweilige Anzahl der im Netzwerk vertretenen Institutionen und andererseits auf die Anzahl der von diesen Institutionen entsandten Akteure. Die jeweilige Größe nimmt dabei Einfluss auf Steuerungs- und Abstimmungsprozesse: Ist ein Netzwerk sehr groß und fachlich heterogen, besteht ein ungleich großer Koordinationsaufwand - in erster Linie für die Organisation und Durchführung von Netzwerksitzungen und für die Organisation und Umsetzung der internen (technisch vermittelten) Kommuni-kationsstrukturen. Aus der Empirie dieser Arbeit (vgl. Kapitel 3) geht hervor, dass eine sehr große Anzahl von Mitwirkenden in einem Kooperationsnetzwerk erfah-rungsgemäß eher negativ eingeschätzt wird.

Darüber hinaus ist aus der Sozialpsychologie bekannt, dass unterschiedliche Grup-pengrößen zu unterschiedlichen Arbeitsergebnissen führen. So postuliert etwa

Brandstätter (1989) als ideale Gruppengröße für Problemlösegruppen, dass sie ca.

fünf Mitglieder umfassen sollte, da bei weiter ansteigender Gruppengröße einschlä-gige Beiträge von Einzelmitgliedern nicht mehr eingebracht werden, der relative Zu-gewinn an lösungsrelevanter Information also zurückgeht und durch die steigenden Reibungsverluste in der Gruppe aufgehoben wird. Sicherlich ist dies darüber hinaus abhängig von der jeweiligen Kooperationsorientierung der Akteure, der kommunikati-ven Führung sowie weiterer Rahmenbedingungen.

4.1.3.7 Technische und räumliche Bedingungen

Die jeweils im Rahmen eines Kooperationsnetzwerkes verwendete Informations- und Kommunikationstechnik nimmt – wie beireits bei der Kommunikation skizziert – Ein-fluss auf den Kooperationsprozess. So ist z. B. in einigen Netzwerken ein Internetfo-rum vorhanden, in welchem durch passwortgeschützten Zugang die Netzwerkmit-glieder kommunizieren bzw. sich informieren können. Darüber hinaus ist von Be-deutung, ob überhaupt und welcher Standard beim Austausch von Dateien verwen-det wird. Dabei ist zu gewährleisten, dass alle Netzwerkakteure geübt im Umgang mit der jeweiligen Software sind.

Andere technische und räumliche Faktoren betreffen z. B. die Ausstattung der Sit-zungsstätten. Hierbei ist u. a. relvant, welche Tagungstechnik verwendet wird und wie sie von den Netzwerkakteuren bedient werden kann, an welchen Orten getagt wird und wie groß die Tagungsräume sind. Ferner hat die hinreichende Befriedigung vorwiegend physiologischer Bedürfnisse der Akteure (z. B. Verpflegung, ausreichend Pausenmöglichkeiten) einen Einfluss auf den Verlauf von Sitzungen.

Des Weiteren muss in diesem Zusammenhang auf die prinzipiellen Unterschiede zwischen eher virtuellen Netzwerken und raumzeitlich gebundenen Netzwerken hin-gewiesen werden. Bei ersteren sind zeitgleiche Zusammenkünfte an einem Ort eher selten, vielmehr findet die Kommunikation bzw. Interaktion der Netzwerkpartner über moderne Kommunikationsmedien (z. B. Internet) statt. Hierzu sind die Anmerkungen zur Kommunikation weiter oben – gerade im Hinblick auf den oftmals vorhandenen Informationsverlust nonverbaler Kommunikationsmerkmale - besonders relevant.