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5. Kontrastiver Vergleich der deutschen und tschechischen Logistik-

5.2 Strategien zur Begriffsüberführung aus der Ausgangssprache in die Ziel-

5.2.1 Terminologische Ersetzung vs. Terminusübersetzung

Nach Horn-Helf entstehen in diesem Fall oft Ursachen für interlinguale Interferenzen.150 Der Grund besteht darin, dass die Termini nicht in der Beziehung ‚Übersetzung von’ stehen, sofern es sich nicht um interlinguale Entlehnungen (Fremdwörter, Lehnwörter, Lehnübersetzungen) innerhalb eines Fachgebietes handelt. Ein Beispiel:

Beispiel (1)

Dt. Tsch.

Bodenfreiheit světlost

Es gibt Mittel, mit deren Hilfe man beweisen kann, dass es sich in diesen Fällen wirklich um eine Terminusersetzung handelt. Zu diesen Mitteln gehören Definitionen der Begriffe in der Fachliteratur. Wenn die Definitionen sowohl in der Ausgangs- als auch in der Zielsprache übereinstimmen, kann man beide Begriffe für Äquivalente halten. So wird unter Bodenfreiheit

„geringster Abstand zwischen einem Aggregate- oder Karosserieteil und dem Boden“151 verstanden. Das tschechische Wort světlost bezeichnet „vzdálenost nejnižšího pevného bodu vozidla od rovinné vozovky.“152 Da beide Definitionen einen und denselben Sachverhalt benennen, müssen auch beide Termini äquivalent sein.

Trotzdem gibt es natürlich Termini, die im Tschechischen augensichtlich als Produkt der Übersetzung entstanden sind. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen der Sachverhalt erklärt bzw. umschrieben werden muss. Bei einem Kompositum werden die einzelnen Konstituenten des Terminus übersetzt und die Entsprechung im Tschechischen nach seinen spezifischen Wortbildungsmodellen geschaffen.

150 Horn-Helf, B.: Technisches Übersetzen in Theorie und Praxis. S. 117

151 Anselm, D.: Die Pkw-Karosserie. S. 122

152 Cimburek, F. u.a.: Základní kvalifikační učebnice – motorismus. S. 341f

Beispiel (2)

Dt. Tsch.

Totmannbremse brzda „mrtvého muže“

Es ist eine Bremsvorrichtung „bes. bei Fahrzeugen mit Deichsel od. Fahrerstand, die selbsttätig bremst, sobald die Deichsel losgelassen od. der Führerstand verlassen wird.“153 Als Synonyme gibt Duden noch Totmannknopf und Totmannkurbel an. Diese Einrichtung fand und findet außer der Flurförderzeugentechnik hauptsächlich im Eisenbahnwesen Anwendung und ihre Bezeichnung wurde im Deutschen relativ bildlich geschaffen. Der Lokführer muss sie nämlich in bestimmten zeitlichen Abständen betätigen – deren Nichtbetätigen (wenn der Lokführer z.B. plötzlich in Ohnmacht gefallen oder gestorben ist) führt zu einer Zwangsbremsung.

Tschechische Nachschlagewerke und Fachliteratur bieten folgende Äquivalente von Totmannbremse und deren deutschen Synonymen:

Totmannbremse – brzda „mrtvého muže“154

brzda k samočinnému zastavení vlaku, brzda „mrtvý muž“155 Totmannknopf – tlačítko bezpečnostního mechanizmu na kontroléru156

Totmannkurbel – klika bezpečnostního mechanizmu157

Totmanneinrichtung – zařízení k samočinnému zastavení vlaku, „mrtvý muž“158

Wie aus den analysierten Beispielen ersichtlich ist, gibt es im Tschechischen entweder wörtliche Übersetzungen oder explizite Erklärungen syntagmatischen Charakters (Wortgruppenlexeme), deren Konstituentenanzahl sogar höher ist als die im Deutschen. Die Terminusübersetzung ist im Tschechischen noch durch die Verwendung von Anführungszeichen („mrtvý muž“) hervorgehoben.

Die deutsche Terminologie auf dem Gebiet der Konstruktion und Betrieb von Flurförderzeugen, deren Bestandteil unser vorhergehendes Beispiel ist, Sachverhalte beinhaltet, die im Tschechischen nicht immer adäquate Entsprechungen haben müssen, weil z.B. Flurförderzeuge mit Elektroantrieb bei uns in der Vergangenheit nicht hergestellt wurden und so bleibt es auch bisweilen. Noch vor der Wende im Herbst 1989, also in der Ära der zentralisierten Planwirtschaft, gab es im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) nur einen Produzenten von Flurförderzeugen mit Elektroantrieb, und zwar in

153 Duden. Deutsches Universalwörterbuch. S. 1545

154 Still-EGU (Deutsch). S. 2

155 Německo-český vědecko-technický slovník (1997). S. 977

156 Německo-český vědecko-technický slovník (1997). S. 977

157 Německo-český vědecko-technický slovník (1997). S. 977

158 Německo-český technický slovník (1989). S. 979

Bulgarien. In der Tschechoslowakei und später in der Tschechischen Republik wurden dagegen Stapler mit Diesel und Gasantrieb noch Mitte der 90er Jahre produziert (DESTA -Děčínské strojírny Děčín), dann wurde ihre Produktion stillgelegt.159

Die Terminologie von Flurförderzeugen ist heutzutage durch die tschechische Staatsnorm geregelt (ČSN ISO 5053 Motorové manipulační vozíky – terminologie), die die tschechische Version der internationalen Norm ISO 5053 aus dem Jahre 1987 darstellt. Die heutigen technischen Neuerungen auf diesem Gebiet (wie z.B. mobiles Online-Terminal oder AC-Steuerung) sind in dieser Norm leider nicht einbezogen. In der Gegenwart werden in unser Land Flurförderzeuge u. a. von deutschen Produzenten Still und Linde importiert, deren deutschen und tschechischen Prospekten und Katalogen die für diese Arbeit brauchbaren Termini entnommen wurden.

Was man weiter in Betracht ziehen muss, ist die Tatsache, dass jeder Betrieb oder Firma außer den allgemein bekannten Termini ihre eigene Fachlexik verwendet (sieh das Kapitel 3.3.3). Im Rahmen dieser firmenspezifischen Lexik kommen auch Abkürzungen vor, deren volle Fassung dann ihrer Natur wegen in der Regel übersetzt wird. Diese Behauptung wird mit folgendem Beleg aus dem firmeninternen ‚Logbuch Standard-Logistikprozeß’ der Volkswagen AG illustriert:

Beispiel (3)

Dt. INEAS Internes Erfassungs-, Materialabruf- und Bereitstellungssystem Tsch. INEAS → interní systém pro evidenci, odvolávky materiálu a přípravu materiálu Für dieses und andere Fachwörter, die im Glossar im Anhang des ‚Logbuchs Standard-Logistikprozeß’ gemeinsam mit ihren Entsprechungen in allen Sprachen des VW-Konzerns, d.h. im Deutschen, Englischen, Portugiesischen, Spanischen und Tschechischen zu finden sind, ist in diesen Konzernsprachen auch die Erklärung des jeweiligen Terminus beigefügt.

Sehr interessant scheint folgendes Beispiel zu sein:

Beispiel (4)

Dt. Tsch.

milkrun; auch Milkrun-Direktbelieferung milkrun

Dieser auf den ersten Blick merkwürdige Terminus bedeutet nichts anderes als

„Anliefervariante, bei der ein LKW einen Sammellauf über verschiedene Ladestellen fährt und sich ins Werk begibt, ohne die Waren vorher zwischenlagern oder umladen zu müssen

159 In der Gegenwart werden wieder Stapler mit Elektro-, Diesel- und Gasantrieb unter der traditionellen Marke DESTA produziert, jedoch im Unternehmen ČZ a. s. Strakonice, namentlich in seiner Division Auto-DESTA.

(Einsparung von Vorlaufkosten).“160 Die tschechische Erläuterung bietet für die eventuelle Terminusbildung im Tschechischen auch nicht viele Anregungen: „Varianta dodávek, při které nákladní vůz provádí sběrnou jízdu na různých místech nakládky a jede do závodu, aniž by před tím musel díly uložit do meziskladu nebo přeložit (úspora předběžných nákladů).“161

In diesem Falle scheint es angemessener, einen fremdsprachigen Terminus zu übernehmen, der sich bereits bewährt hat und seine Funktion bisher erfüllt, als einen tschechischen Terminus zu konstruieren.