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5. Ausführliche Darstellung der Indikatoren

5.5 Bereich 5: Tagesgestaltung und soziale Beziehungen

5.5.3 Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation

Inhaltliche Definition

Die Indikatoren „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern ohne deutli-che Mobilitätseinschränkung“ und „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewoh-nern mit deutlich eingeschränkter Mobilität“ messen den jeweiligen Anteil der Bewohner, die an mindestens 3 Angeboten (Einzel- oder Gruppenangebote) im Zeitraum von 7 Tagen teil-genommen haben. Bewohner, die aus gesundheitlichen Gründen an keiner Aktivität teilneh-men konnten oder die eine Teilnahme ablehnen, werden nicht in die Bewertung einbezogen.

Als gesundheitlich bedingter Ausschlussgrund werden 3 Kriterien anerkannt:

a. Ärztlich verordnete Bettruhe aufgrund einer akuten Erkrankung b. Bewohner mit ärztlich verordneter Zimmerisolation

c. Bewohner mit hochfieberhaftem Infekt.

Bei der Gruppe handelt es sich somit um den Teil der Bewohnerschaft, der prinzipiell an Ak-tivitäten teilnehmen kann und dies auch will. Die Grenze von 3 Teilnahmen pro Woche be-deutet in der Praxis, dass der Bewohner an jedem zweiten Tag der Woche eine gezielte so-ziale oder gesundheitsförderliche Anregung erlebt, die über die Körperpflege oder Mahlzei-tenteilnahme hinausgeht. Die Angebotsgruppen umfassen die folgenden Aktivitäten, unter-teilt nach Gruppen- und Einzelangeboten: Aktivitäten zu Förderung und/oder Erhalt der Mobi-lität, Orientierungs-/Wahrnehmungs-/Gedächtnisfördernde Aktivitäten, religiös/spirituell ge-prägte Aktivitäten, Gespräche, Vorlesen, Singen, Musizieren und Spielen, Ausflüge und Fes-te, an der Biografie orientierte Angebote: Alltagsbeschäftigungen des häuslichen Umfeldes (z. B. hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Werken, Basteln etc.).

Spezifische stark kognitionseinschränkende Diagnosen gelten nicht als gesundheitlicher Ausschlussgrund, da insbesondere bei Bewohnergruppen mit einer stark eingeschränkten oder ganz fehlenden Fähigkeit der aktiven Initiierung und Aufrechterhaltung von Kommunika-tion und InterakKommunika-tion einer sozialen DeprivaKommunika-tion vorgebeugt werden muss. Die Kategorien um-fassen auch Angebote, die mit stark eingeschränkten Personen durchgeführt werden kön-nen. Die Ergebnisse werden in Abhängigkeit vom Mobilitätsgrad erfasst. Insbesondere Be-wohnergruppen mit stark eingeschränkter Mobilität sind auf die Unterstützung beim Transfer zu Angeboten oder Angebote, die zu ihnen kommen, angewiesen, um teilnehmen zu kön-nen.

Formale Definition und Gruppenunterteilung

1. Indikator „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern ohne deutliche Mobilitätseinschränkung“: Anteil der Bewohner, die an mindestens 3 Angeboten (Einzel- oder Gruppenangebote) in 7 Tagen teilgenommen haben und nicht aus gesundheitlichen Gründen verhindert waren oder die eine Teilnahme an Angeboten grundsätzlich ablehnen. Berück-sichtigt werden nur Personen ohne oder mit einem geringeren Grad der Mobilitätseinschrän-kung (selbständig bis erhebliche Beeinträchtigung der Selbständigkeit = Score 0 bis 6 im Modul Mobilität, NBA).

2. Indikator „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern mit deutlich ein-geschränkter Mobilität“ : Anteil der Bewohner, die an mindestens 3 Angeboten (Einzel- oder Gruppenangebote) in 7 Tagen teilgenommen haben und nicht aus gesundheitlichen Gründen verhindert waren oder die eine Teilnahme an Angeboten grundsätzlich ablehnen. Berück-sichtigt werden nur Personen mit deutlich eingeschränkter Mobilität (schwere Beeinträchti-gungen der Selbständigkeit bis zu völligem Verlust der Selbständigkeit im Bereich Mobilität = Score 7 bis 15 im Modul Mobilität, NBA).

Relevanz

Die „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ (BMFSFJ 2009) weist in Arti-kel 6 auf das Recht hin, „Angebote zur Betätigung zu erhalten, die Ihren Interessen und Fä-higkeiten entsprechen und Ihnen Freude bereiten. Dazu gehören beispielsweise die Beteili-gung an hauswirtschaftlichen oder handwerklichen Verrichtungen, gemeinschaftlichen Aktivi-täten, Festen und Veranstaltungen. Zugleich muss aber auch Ihr Wunsch, Angebote nicht in Anspruch zu nehmen, respektiert werden“ und in Artikel 4 auf das Recht auf Unterstützung beim Hinauskommen an die frische Luft auf Wunsch des Menschen mit Hilfe- oder Pflegebe-darf. Ein bedürfnisgerechtes und anregendes Aktivitätsangebot ist von hoher Relevanz und findet sich in verschiedenen nationalen und internationalen Studien zur Identifizierung von Lebensqualität. Mehr als die Hälfte der Bewohner (52%) gibt Anregung und sinnvolle Be-schäftigung als sehr wichtige Dimension der Lebensqualität an (vgl. Heusel et al. 2009). Nur 24% halten dies für nicht so wichtig. Kruse beobachtet: „Freude und Wohlbefinden traten vor allem in Situationen auf, in denen Zuwendung gegeben wird, individuellen Interessen und Aktivitäten nachgegangen werden und Aktivitäten gemeinsam mit anderen erlebt werden konnten“ (Kruse, 2006, zit. n. gos-Assessment Demenz). In mehreren internationalen Stan-dards ist das Beschäftigungsangebot ein relevantes Kriterium. In der Regel wird ein an den Interessen und Möglichkeiten des Bewohners ausgerichtetes Angebot erwartet.

In der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass die Beschäftigungsangebote zum Teil nach dem „Gießkannenprinzip“ erfolgen und nicht ausreichend individuell gestaltet sind. Dies bes-tätigen auch die Ergebnisse der im Rahmen des Projektes durchgeführten Bewohner-befragung. Der Anteil der Bewohner, die tatsächlich an Angeboten nicht teilnehmen möch-ten, scheint geringer zu sein als von Einrichtungsmitarbeitern allgemein angenommen wird.

Bewohner berichten eher, dass die Aktivitäten nicht ihren Interessen entsprechen oder die Gruppenzusammensetzung nicht passt. Dieses Problem scheint insbesondere kognitiv orien-tierte Personen zu betreffen. Es besteht die Gefahr einer sozialen Deprivation, wenn die be-troffenen Bewohner nicht in der Lage sind, Freizeit und Kontakte selbständig zu gestalten.

Die alltäglichen Aktivitäten können dazu beitragen, den Tag der Bewohner zu strukturieren

und den Alltag zu gestalten. Einrichtungsmitarbeiter halten eine Teilnahme an 3 Aktivitäten pro Woche für ein erreichbares und angemessenes Kriterium.

Beeinflussbarkeit durch die Einrichtung

Das Ergebnis kann durch eine individuell auf die Bewohner abgestimmte und angepasste Angebotsstruktur gut beeinflusst werden. Wichtig ist hierbei auch die positive Motivation und Information der Bewohner. Der Transfer zu den (Gruppen-)Angeboten ist sicherzustellen.

Methodische Güte

Der Indikator misst nach einheitlichen Kategorien die Teilnahme der Bewohnerschaft an Ak-tivitäten über eine Woche hinweg. Prinzipiell ist die methodische Güte gegeben, sie hängt jedoch auch von der Qualität der Datenerfassung der Einrichtung ab. Insbesondere die Aus-schlussmöglichkeit von Bewohnern, die eine Teilnahme prinzipiell ablehnen, sollte im Rah-men externer Qualitätsprüfungen durch Bewohnerstichproben überprüft werden. Für Männer wird von Einrichtungen doppelt so häufig wie für Frauen die Angabe gemacht, dass der Be-wohner prinzipiell an keinen Aktivitäten teilnehmen möchte (Männer: 20,8%, Frauen 10,1%).

Dies steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Bewohnerbefragungen, die eher Hinwei-se auf von Männern nicht als pasHinwei-send empfundene Angebotsstrukturen ergibt.

Nutzung bei Qualitätsbeurteilungen

Der Indikator wird in dieser Form aktuell noch nicht in Qualitätsbeurteilungen eingesetzt, er wurde im Rahmen des Projekts zur vergleichenden Beurteilung auf der Basis von Studiener-gebnissen (vgl. Jenull-Schiefer/Janig 2004; Mares et al. 2002; Murphy et al. 2007) und gel-tenden Qualitätsstandards35 entwickelt. Auch in Verfahren zur Erfassung der Lebensqualität werden ebenfalls die Teilnahmen an Aktivitäten und die dabei erlebte Freude dokumentiert.

Messverfahren (und etwaige Alternativen)

Die Messung erfolgt mittels Dokumentation der Teilnahmehäufigkeit an Aktivitäten über eine Woche hinweg durch Mitarbeiter der Einrichtung:

35 Die Aktivitätskategorien orientieren sich an den Referenzvereinbarungen NRW und der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.

Abb. 17: Ausschnitt aus dem Instrument zur Erfassung der Teilnahme an Aktivitäten

Aktivitätstyp Montag Dienstag

Bewohner konnte aus gesundheitlichen Gründen an keiner Aktivität

teil-nehmen Ja  Nein  Ja  Nein 

Aktivität zur Förderung/Erhalt der Mobilität

orientierungs-/wahrnehmungs-/gedächtnisfördernde

Aktivitä-ten

religiös/spirituell geprägte Aktivitäten

Gespräche

Aktivität zur Beschäftigung I: Vorlesen

Aktivität zur Beschäftigung II: Singen, Musizieren und Spielen

Aktivität zur Beschäftigung III: Ausflüge und Feste

Aktivität zur Beschäftigung und an der Biografie orientierte Angebote: hauswirtschaftliche Alltagsbeschäftigungen (z. B. Kochen, Tisch decken etc.)

Aktivität zur Beschäftigung und an der Biografie orientierte Angebote: Werken, Basteln und Alltagsbeschäftigungen des häuslichen Umfeldes

Erprobungsergebnisse

Die Bereiche Gespräche, Aktivitäten zur Förderung und zum Erhalt der Mobilität, Aktivitäten zur Förderung der Orientierung, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses sowie Aktivitäten zur Beschäftigung (Singen, Musizieren und Spielen) machen gut zwei Drittel (67,6%) der insgesamt wahrgenommenen Aktivitäten aus. Den größten Teil der Aktivitäten, an denen die Bewohner teilnehmen, stellen Gespräche mit einem Anteil von 19% dar (Gesprächsangebote auf individueller Ebene: 72%). Aktivitäten zur Förderung und zum Erhalt der Mobilität umfas-sen 17% der Gesamtaktivitäten, sie werden häufiger (60% aller Angebote) in der Gruppe an-geboten. Ebenso häufig sind die Aktivitäten zur Förderung der Orientierung, der Wahrneh-mung und des Gedächtnisses, die sowohl auf individueller Ebene (52%) als auch auf Grup-penebene (48%) wahrgenommen werden. Die nächstgrößere Gruppe (15%) umfasst Be-schäftigungsaktivitäten wie Singen, Musizieren und Spielen. Diese Tätigkeiten finden typi-scherweise in der Gruppe statt (84%).

Tab. 49: Verteilung von Aktivitätstypen in der stationären Altenhilfe (N=7.100 dokumentierte Aktivitäten)

Aktivitätstyp Anteil in Prozent N

Gespräche 18,9% 1.341

orientierungs-/wahrnehmungs- u. gedächtnisfördernde Aktivitäten 17,1% 1.215

Förderung und Erhalt der Mobilität 16,7% 1.188

Aktivität zur Beschäftigung II: Singen, Musizieren & Spielen 14,9% 1.057

Aktivität zur Beschäftigung I: Vorlesen 7,7% 549

hauswirtschaftliche Alltagsbeschäftigung 6,9% 490

religiös/spirituell geprägte Aktivitäten 6,7% 477

Aktivität zur Beschäftigung III: Ausflüge & Feste 6,6% 470 Werken, Basteln u. häusliche Alltagsbeschäftigungen 4,4% 313

Gesamt 100,0% 7.100

Ergebnis Indikator „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern ohne deut-liche Mobilitätseinschränkung“

Die durchschnittliche Quote von Teilnehmenden an mindestens 3 Aktivitäten pro Woche lag in der ersten Erhebungsphase (Frühjahr 2010) bei 83,3% (N=1.033, Min.: 13,3%; Max.:

100%) und in der zweiten Erhebungsphase (Herbst 2010) bei 83,0% (N=942, Min.: 16,7%;

Max.: 100%).

Ergebnis Indikator „Teilnahme an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern mit deut-lich eingeschränkter Mobilität“

Die durchschnittliche Quote von Teilnehmenden an mindestens 3 Aktivitäten pro Woche lag in der ersten Erhebungsphase (Frühjahr 2010) bei 78% (N=653, Min.: 27,3%; Max.: 100%) und in der zweiten Erhebungsphase (Herbst 2010) bei 81,4% (N=668, Min.: 9,5%; Max.:

100%).

Betrachtet man die Ergebnisse der beiden Indikatoren innerhalb einer Einrichtung, so treten Verschiebungen der Teilnahmehäufigkeit in beiden Richtungen auf (Zu- und Abnahme, vgl.

die Beispiele in folgender Tabelle). Es gibt sowohl Einrichtungen, in denen gerade Personen mit einer deutlichen Mobilitätseinschränkung stärker eingebunden sind, als auch Einrichtun-gen, in denen Personen ohne Mobilitätseinschränkungen stärker eingebunden sind. In meh-reren Einrichtungen wird für beide Indikatoren eine Quote von 100% erreicht.

Tab. 50: Beispiele für eine vergleichende Darstellung der Teilnahmequoten Teilnehmerquote an Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern … ID … ohne deutliche

Mobilitäts-einschränkung (Herbst 2010)

… mit deutlich eingeschränkter Mobilität (Herbst 2010)

33 100% (N=11) 60% (N=5)

14 36,4% (N=11) 70,6% (N=17)

18 83,7% (N=43) 52,9% (N=51)

Insbesondere geringe Werte der Teilnahmemöglichkeit an Aktivitäten der Bewohner mit schwerer Beeinträchtigung der Mobilität und der damit verbundenen gesteigerten Gefahr der sozialen Isolation des Bewohners sind als kritisch zu betrachten.

Bewertungssystematik

Zur Bewertung der Ergebnisse wird das am Mittelwert orientierte Ergebnisklassenverfahren verwandt (vgl. 5.4). Legt man dieses Bewertungsraster an die Erprobungsergebnisse an, ergibt sich eine Verteilung der Ergebnisklassen für beide Erprobungszeiträume zwischen den Einrichtungen von „überdurchschnittlichen“ bis zu „unterdurchschnittlichen“ Ergebnissen (vgl.

tabellarische Übersicht):

Tab. 51: Ergebnisverteilung Teilnehmerquote Frühjahr 2010 (N=46 Einrichtungen) Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern … Ergebnisklasse

… ohne deutliche Mobilitätseinschränkung

… mit deutlich eingeschränkter Mobilität

überdurchschnittlich 20 19

leicht überdurchschnittlich 7 5

Durchschnitt 7 2

leicht unterdurchschnittlich 3 9

unterdurchschnittlich 9 11

Anzahl beurteilter Einrichtungen 46 46

Tab. 52: Ergebnisverteilung Teilnehmerquote Herbst 2010 (N=44 Einrichtungen) Aktivitäten und Kommunikation von Bewohnern … Ergebnisklasse

…mit deutlich eingeschränkter Mobilität

…mit deutlich eingeschränkter Mobilität

überdurchschnittlich 13 16

leicht überdurchschnittlich 8 10

Durchschnitt 6 4

leicht unterdurchschnittlich 6 5

unterdurchschnittlich 11 9

Anzahl beurteilter Einrichtungen 44 44

Empfohlener Einsatzbereich

Die Indikatoren bieten im internen Qualitätsmanagement die Möglichkeit zur Identifizierung von Bewohnern, die ggf. kein adäquates Angebot finden oder deren Transfer und Motivation zur Teilnahme an Aktivitäten nicht ausreichend gesichert sind.

In externen Qualitätsprüfungen kann statt der bisherigen Prüfpraxis über das reine Bestehen eines Angebotes ermittelt werden, inwieweit das Angebot den Bedürfnissen der Bewohner-schaft tatsächlich entspricht sowie eine Teilnahme ermöglicht und unterstützt wird. Ergän-zend zu validieren ist die Angabe der Einrichtung, dass ein Bewohner eine Teilnahme an Aktivitäten prinzipiell nicht wünscht.

In der öffentlichen Qualitätsberichterstattung erhalten Verbraucher einen Hinweis darauf, in-wieweit es gelingt, der Bewohnerschaft ein attraktives Beschäftigungsangebot anzubieten und eine Teilnahme zu ermöglichen. Dabei wird erkennbar, ob auch bei einer bestehenden deutlichen Mobilitätseinschränkung Teilnahmemöglichkeiten geschaffen werden.

Zusammenfassung

Der Indikator ist stabil erfassbar und weist eine ausreichende Streuung für eine differenzierte Ergebnisbeurteilung zwischen Einrichtungen auf. Der Indikator wird für das interne

Qualitäts-management, für externe Qualitätsprüfungen und die öffentliche Qualitätsberichterstattung empfohlen.