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2.5.1. Aktives und passives Coping nach Obrist (1981)

Obrist (1981) unterscheidet zwei Arten von Bewältigungsstrategien: das aktive Coping und das passive Coping. Diese beiden Copingstrategien stehen dem Organismus zur Verfügung, um je nach Situation Überleben und Wohlbefinden zu sichern. Obrist unterscheidet dementsprechend auch zwischen zwei verschiedenen Situationen, die Coping verlangen. In der einen Situation antizipiert der Organismus einen Erfolg durch die Anwendung von Coping, dies wird als aktives Coping bezeichnet. In der anderen Situation verfügt der Organismus über unzureichende Ressourcen, um mit dem Coping ein positives Ergebnis zu erzielen und sich dementsprechend hilflos fühlt. Dies wird von Obrist als passives Coping bezeichnet. Kann der Organismus also aktiven Einfluss auf die Stresssituation nehmen, kommt es zum aktiven Coping, während beim passiven Coping, der Organismus eine passive Rolle inne hat und die

Situation nicht zu seinem Gunsten verändern kann. Ausgehend von diesen zwei Optionen, können die kardiovaskulären Reaktionen als direktes Resultat aus dem Copingversuch des Organismus betrachtet werden. Aktives Coping führt zu einer Aktivierung der kardiovaskulären Reaktivität, während passives Coping myokardiale Reaktionen inhibiert (Obrist, 1981).

Betrachtet man die physiologischen Reaktionen etwas genauer, muss zwischen α-Rezeptoren und α-Rezeptoren unterschieden werden. Aktives Coping aktiviert die β-Rezeptoren, die zu einer kardialen Reaktion führen, also zu einer Steigerung der Herzrate, sowie zu einer Gefäßerweiterung. Es handelt sich hier also um ein sogenanntes β-adrenerges Aktivierungsmuster. Das bedeutet, dass sowohl Herzrate als auch der systolische Blutdruck ansteigen. Beim passiven Coping, hingegen, werden die α-Rezeptoren aktiviert und es kommt zu einem vaskulären Muster im Körper, also zu einer Gefäßverengung. Infolgedessen steigt der diastolische Blutdruck, unter Umständen auch der systolische, bei ungefähr gleichbleibender Herzrate (Obrist, 1981).

2.5.2. Intensity of Motivation Theory nach Brehm und Self (1989)

Brehm und Self (1989) erweiterten das Konzept der kardiovaskulären Veränderung um den Aspekt der Motivation. So können unterschiedliche kardiovaskuläre Reaktionsmuster von verschiedenen Personen bei einer gleichen Aufgabe erklärt werden. Laut Brehm und Self bedingt die sogenannte potentielle Motivation und das motivationale Arousal die Reaktivität.

Die potentielle Motivation setzt sich aus meist internalen Faktoren zusammen, wie Bedürfnissen, mögliche Ergebnisse und die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit mit der ein Verhalten, sofern erfolgreich angewendet, den gewünschten Effekt erzielt. Die Rede ist hier von der potentiellen Motivation und nicht von der tatsächlichen, weil diese Faktoren alleine, noch nicht ausreichen, um die tatsächliche Motivation vorherzusagen. Das motivationale Arousal hingegen beschäftigt sich nicht mit dem Befriedigen von Bedürfnissen, sondern

vielmehr mit einer adäquaten Reaktion. Wird davon ausgegangen, dass der Organismus stets versucht Energie zu sparen, sollte das motivationale Arousal, also die Mobilisation von Energie, nur so stark ausfallen, wie notwendig. Bei geringen Anforderungen, sollte das motivationale Arousal dementsprechend gering ausfallen und mit steigender Schwierigkeit ebenfalls ansteigen. Aber auch hier gibt es Grenzen. Motivationales Arousal steigt nur so lange an, wie die potentielle Motivation den Aufwand rechtfertigt, oder bis die Fähigkeiten des Organismus nicht mehr ausreichen, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Brehm und Self (1989) unterscheiden zudem zwischen sogenannten fixed und unfixed Herausforderungen. Fixed Aufgaben sind jene, die ein bestimmtes Level an Performanz zur Erreichung des Ziels verlangen, während bei einer unfixed Herausforderung, Personen nach eigenem Gutdünken performen können, um ein Ziel zu erreichen. Als Beispiel kann ein:e Gewichtheber:in herangezogen werden, der/die ein bestimmtes Gewicht heben muss, um einen Geldbetrag zu gewinnen (fixed), während der/die andere so viel Gewicht heben kann, wie er/sie möchte und je nach Gewicht einen entsprechenden Geldbetrag gewinnen kann. Brehm und Self argumentieren, sofern der Gewinn reizvoll genug ist, versuchen Personen, in einer unfixed Bedingung, so gut wie es ihnen möglich ist, abzuschneiden. Natürlich spielt dabei auch die Attraktivität des Gewinns eine bedeutende Rolle. Je attraktiver der Gewinn, umso mehr Leistung werden Personen erbringen, bis sie an ihre Leistungsgrenzen stoßen (Brehm & Self, 1989).

Da das motivationale Arousal das Ergebnis von instrumentellem Verhalten ist, kann die Reaktivität in den Parametern des sympathischen Nervensystems abgelesen werden. Der Zusammenhang zwischen Aufgabenschwierigkeit und motivationalem Arousal spiegelt sich in der Herzrate und dem systolischen und diastolischen Blutdruck wider. Hier zeigen sich nicht nur Veränderungen während des Copings, sondern bereits in der Antizipation des bevorstehenden Ereignisses (Brehm & Self, 1989).

2.5.3. Integrative effort analysis nach Wright und Kirby (2001)

Die integrative effort analysis von Wright und Kirby, aus dem Jahr 2001, zieht das aktive und passive Coping nach Obrist, sowie die Intensitiy of Motivation Theory nach Brehm und Self als theoretische Basis heran und entwickelt diese Modelle noch weiter. Wright und Kirby ergänzten insbesondere die Aufgabenschwierigkeit als relevanten Faktor für das Ausmaß an kardiovaskulärer Reaktivität in Stresssituationen. So lange die Erreichung des Ziels als möglich und attraktiv genug erscheint, stimmen das Engagement mit der Aufgabenschwierigkeit überein. Die potentielle Motivation einer Person sich anzustrengen, um ein Ziel zu erreichen, hängt von der subjektiven Bedeutsamkeit des Ziels für die jeweilige Person ab, also davon, ob der Gewinn als attraktiv wahrgenommen wird oder nicht (Wright &

Kirby, 2001).

Das Aufgabenengagement spiegelt sich in der kardiovaskulären Reaktivität wider, insbesondere in der Veränderung des systolischen Blutdrucks. Da Wright und Kirby in ihrem Modell ein aktives Coping annehmen, wird ein kardiales Muster gezeigt, das primär durch eine Erhöhung des systolischen Blutdrucks gekennzeichnet ist (Wright & Kirby, 2001).

Wie bereits erwähnt, spielt im Modell nach Kirby und Wright die Aufgabenschwierigkeit eine zentrale Rolle im Hinblick auf das Aufgabenengagement einer Person. Aufgaben, die als moderat schwierig angesehen werden, rufen höhere sympathische Reaktionen hervor, als Aufgaben, die als zu leicht oder zu schwierig eingeschätzt werden. Das Aufgabenengagement steigt solange mit der Schwierigkeit der Aufgabe an, bis diese die eigenen Fähigkeiten übersteigt und somit die Erreichung des Ziels als unmöglich wahrgenommen wird. Ist letzteres der Fall sinkt das Aufgabenengagement, sowie die sympathische Aktivierung (Wright & Kirby, 2001).

Somit ist eine weitere wichtige Determinante für das Aufgabenengagement, die wahrgenommenen Fähigkeiten mit dem Stressor umzugehen. Personen, die ihre Fähigkeiten

zur Erreichung des Ziels als höher einschätzen, zeigen auch noch eine Aktivierung bei einer höheren Aufgabenschwierigkeit, während Personen, die ihre Fähigkeiten als geringer einschätzen, bereits bei einer geringeren Schwierigkeit die Aufgabe als für sie unlösbar wahrnehmen. Dies bedeutet aber auch, dass wenn die Aufgabe für Personen mit höherer und geringerer Fähigkeit als schaffbar und den Gewinn als attraktiv genug eingestuft wird, Personen mit geringerer Fähigkeit eine ausgeprägtere physiologische Reaktion zeigen (siehe Abbildung 1) (Wright & Kirby, 2001).

Abbildung 1

Beziehung zwischen Aufgabenschwierigkeit und -engagement bei unterschiedlicher potenzieller Motivation für Personen mit hoher und geringer Fähigkeit.

(nach Wright & Kirby, 2001)

2.5.4. Perseverative cognition model nach Brosschot et al. (2006)

Brosschot et al. (2006) beschreiben im perseverative cognition model perseverierende, also sich wiederholende und anhaltende, Kognitionen, die häufig vor oder nach einem Stressor

auftreten. Das kognitive Beschäftigen mit einem Stressor, bevor dieser eingetreten ist, nennt man Worrying. Das kognitive Beschäftigen nach einem Stressor wird Rumination genannt (Brosschot et al., 2006).

Die am häufigsten verwendete Definition von Worrying beschreibt dieses als einen Gedankenprozess, der mit negativem Affekt einhergeht und verhältnismäßig unkontrollierbar ist. Es handelt sich hierbei um einen Versuch ein bevorstehendes Problem zu lösen, das die Möglichkeit eines negativen Ausganges beinhaltet. Worrying ist dementsprechend nahe verwandt mit Angstreaktionen (Borkovec et al., 1983). Worrying beinhaltet somit sowohl affektive als auch kognitive Prozesse. Eigentlich dazu gedacht auf den zukünftigen Stressor vorzubereiten und Lösungen zu finden, kann es sein, dass durch die perseverierenden Gedanken der Fokus zu sehr auf den Auslöser der Angst liegt und dadurch der negative Affekt in seiner Dauer verlängert wird (Brosschot et al., 2006).

Hinsichtlich Rumination findet man in der Literatur durchaus unterschiedliche Definitionen, denen jedoch allen das Erlebnis von sich wiederholenden, intrusiven und negativen Kognitionen gemeinsam ist. Rumination findet besonderen Anklang in der Forschung, als wichtiger Faktor für Dysphorie und Depression (Papageorgiou & Siegle, 2003).

Diese kognitiven Prozesse beeinflussen auch die physiologische Aktivierung und deren Dauer. Ein Anstieg von endokrinologischen, immunologischen und kardiovaskulären Reaktionen kann die Folge sein. Durch das Wesen von Worrying als zukunftsbezogene Sorgen, ist dies für die Antizipation eines Stressors von Relevanz. Rumination hingegen kann die Stressreaktion aufrechterhalten, obwohl die Stresssituation bereits vorüber ist. Hier ist besonders die wahrgenommene Kontrollierbarkeit der Situation von Bedeutung. Situationen, über die man wenig oder gar keine Kontrolle hat, kann dies zu einer anhaltenden kognitiven Beschäftigung mit dem Stressor führen. Da keine Lösung gefunden wird, kommt es zu einer Verstärkung von negativen Emotionen und Gedanken. Durch die andauernde Beschäftigung mit dem Stressor bleibt auch das Gefühl der Unkontrollierbarkeit des Stressors bestehen, der

als Bedrohung wahrgenommen wird und so auch zu einer lang anhaltenden physiologischen Reaktion führt (Brosschot et al., 2006).

3. Sozialangst