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Obwohl jede:r von uns tagtäglich verschiedenste Emotionen verspürt, ist eine Definition für den Begriff Emotionen nicht einfach. Birbaumer und Schmidt (2010) definieren Emotionen, umgangssprachlich auch häufig als Gefühle bezeichnet, als Reaktionen, die auf drei Ebenen ablaufen: die motorische, die subjektiv-psychologische Ebene und die physiologische. Goschke und Dreisbach (2020) beschreiben Emotionen ebenfalls als psychophysische Reaktionsmuster auf eine Bewertung einer Reizsituation, die mit physiologischen Veränderungen und Aktivierungen einhergehen, sowie mit bestimmten Verhalten. Laut dieser Definition ist die subjektive Erlebnisqualität zwar ein häufiges, aber kein notwendiges Merkmal von Emotionen.

Emotionen evozieren charakteristische Reaktionen, beispielsweise in Mimik, Gestik und Körperhaltung. Eine wichtige Unterscheidung, die getroffen werden muss, ist die zwischen Emotionen und Stimmungen. Stimmungen sind länger anhaltend und weniger intensiv als Emotionen. Ihr Zusammenhang mit einer auslösenden Situation ist meist nur sehr gering und kann daher oft nicht direkt auf eine Ursache zurückgeführt werden. Stimmungen können aber das Auftreten einer Emotion wahrscheinlicher machen: zum Beispiel kann eine gereizte Stimmung schneller zu Wut führen. Emotionen hingegen sind intensiv, in ihrer Dauer kürzer und meist ist auch ein Auslöser bekannt (Birbaumer & Schmidt, 2010; Gerrig, 2014). Die Grunddimensionen von Erregung und Valenz sind heute gut validiert (Goschke & Dreisbach, 2020). Ein anderer Ansatz stammt von Charles Darwin, der beschreibt, dass es einige wenige Emotionen gibt, die angeboren sind und im Laufe der Evolution entstanden sind. Diese Emotionen werden als Basisemotionen oder als primäre Emotionen bezeichnet. Zu ihnen gehören Freude, Furcht, Trauer, Ekel, Wut und Überraschung. Hin und wieder wird auch Verachtung zu den primären Emotionen gezählt. Diese Emotionen gelten als universell, da sie in den meisten Kulturen zu sehr ähnlichen Gesichtsausdrücken führen, die dementsprechend

auch zweifelsfrei erkannt werden (Birbaumer & Schmidt, 2010; Gerrig, 2014; Goschke &

Dreisbach, 2020).

4.2. Emotionsregulation und Emotionsregulationsstrategien

Das Forschungsfeld der Emotionsregulation erfreut sich in den letzten Jahrzehnten einer immer größeren Beliebtheit. James J. Gross hat bereits im Jahr 1998 Emotionsregulation als einen Prozess beschrieben, anhand dessen Individuen beeinflussen welche Emotionen sie haben, wann sie diese haben und wie sie diese empfinden und zum Ausdruck bringen. Diese Prozesse können sowohl bewusst oder unbewusst ablaufen, automatisiert oder kontrolliert. Im Bereich der Affektregulation kann unterschieden werden zwischen Coping, Emotionsregulation und Stimmungsregulation. Coping und Emotionsregulation werden häufig synonym verwendet, dies sollte aber vermieden werden, da sich die Bereiche zwar überlappen, Coping jedoch primär das Mildern von Stress als Ziel hat und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken kann (Gross, 2015). Emotionsregulation hingegen beschäftigt sich nicht nur mit dem Lindern von negativen Emotionen, sondern kann diese auch verstärken, oder positive Emotionen vermindern, wenn die Situation es verlangt (Brandstätter et al. 2018).

In einer Metaanalyse von Aldao et al. (2010) wurde der Zusammenhang zwischen sogenannten maladaptiven und adaptiven Emotionsregulationsstrategien und psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen und Substanzabhängigkeiten untersuchty. Maladaptive Strategien, also jene, die als kontraproduktiv eingeschätzt werden, wie Suppression, Rumination und Vermeidung spielen eine tragende Rolle bei der Entwicklung der oben genannten Erkrankungen. Im Gegensatz dazu stehen adaptive Strategien, also jene die positive Effekte ausüben, wie Neubewertung und Akzeptanz.

Im Process Model of Emotion Regulation (1998) unterscheidet Gross zwischen sogenannten antecedent-focused und response-focused Emotionsregulationsstrategien. Diese

Unterscheidung beruht auf dem Zeitpunkt, zu dem die Emotionsregulation vorgenommen wird.

Antecedent-focused Regulation findet statt, bevor die Reaktion vollständig auf behavioraler und physiologischer Ebene eintritt. Response-focused Emotionsregulation geschieht, wenn die Emotion bereits ausgelöst wurde und die Reaktion bereits eingeleitet wurde. In diese duale Einteilung fallen laut Gross fünf weitere spezifischere Emotionsregulationsstrategien. Zu den antecedent-focused Regulationen gehört 1) Situationsselektion – man entscheidet sich beispielsweise dazu den Abend vor einer Prüfung lieber mit einem guten Freund zu verbringen, als mit anderen Studierende, die ebenfalls nervös sind, gemeinsam zu lernen. Ist eine Situation eingetreten, kann man diese hinsichtlich ihrer emotionalen Auswirkung, modifizieren. 2) Situationsmodifikation sähe in unserem Beispiel so aus, dass man dem guten Freund mitteilt, gerade lieber nicht über die bevorstehende Prüfung sprechen zu wollen. Spricht der Freund das Thema aber doch an, kann mit bewusstem 3) Einsatz der Aufmerksamkeit, diese auf etwas Erfreulicheres gelenkt werden, wie etwa die schlafende Katze auf dem Sofa. Die letzte antecedent-focus Strategie ist 4) kognitive Veränderung beziehungsweise Neubewertung. Das bedeutet, dass man der Situation eine bestimmte Bedeutung von vielen möglichen beimisst. So kann man sich beim Aufkommen des Themas Prüfung selbst daran erinnern, dass es sich „nur um einen Test“ handelt und keine Bewertung der eigenen Wertigkeit als Person darstellt. Zu guter Letzt kann als response-focused Strategie die 5) Antwortmodulation vorgenommen werden. In diesem Beispiel wäre das etwa das Verstecken der Anzeichen von Scham, nachdem die Prüfung nicht erfolgreich verlaufen ist (Gross, 1998; Gross, 2001).

Für diese Studie wurde die kognitive Neubewertung als Emotionsregulationsstrategie herangezogen. Diese wird daher im Folgenden genauer beschrieben.

4.2.1. Kognitive Neubewertung

Bei der kognitiven Neubewertung – auch Reappraisal genannt – handelt es sich um eine Emotionsregulationsstrategie, die zu einer Betrachtung einer Situation oder eines Stressors aus einer anderen Perspektive führt und somit die Stresssituation in einer neuen Art zu bewerten (Brandstätter, 2018). Wie bereits erwähnt zählt Reappraisal zu den antecedent-focused Emotionsregulationsstrategien und soll durch die Anwendung das Erleben, sowie die behavioralen und physiologischen Reaktionen hemmen, im Vergleich zu einer natürlichen Antizipation, bei der nicht regulierend in die Bewertung der Situation eingegriffen wird (Gross, 2001).

Diese Annahmen konnten auch bereits in einigen Studien belegt werden. So haben Personen, die ihre Emotionen während eines Films über eine Amputation unterdrücken sollten, zwar weniger negative Emotionen gezeigt, aber diese noch gleichermaßen stark verspürt, wie Personen, die den Film ohne weitere Instruktionen angesehen haben. Personen hingegen, die den Film aus medizinischer Sicht betrachten sollten, sprich, Reappraisal angewendet haben, haben sowohl weniger negative Emotionen verspürt als diese auch weniger in ihrem Verhalten gezeigt (Gross, 1998). Aber auch in jüngeren Studien wie etwa von Nasso et al. (2019) konnte gezeigt werden, dass Personen, die Reappraisal anwenden, eine höhere Herzratenvariabilität aufweisen, als Personen, die dazu angehalten werden die Situation zu katastrophisieren. Die Herzratenvariabilität gilt als Indikator für die Fähigkeit eines Individuums sich Veränderungen in der Umwelt anzupassen und somit für die Fähigkeit Emotionsregulation erfolgreich einzusetzen. Auch Salzmann et al. (2018) fanden heraus, dass sich Personen in der Reappraisalbedingung weniger gestresst zeigten, als Personen der Bedingung Dankbarkeit, bei der sie ihre Dankbarkeit in einem Brief zum Ausdruck bringen sollten, was sich in einer geringeren Cortisolkonzentration niederschlug.

4.3.Emotionsregulation und Sozialangst

Ein typisches Merkmal von sozialängstlichen Personen sind Schwierigkeiten Emotionen erfolgreich zu regulieren. Personen mit einer sozialen Phobie greifen in Stresssituationen häufiger zu maladaptive Emotionsregulationsstrategien, wie etwa Suppression, als Personen ohne Sozialangst. Des Weiteren implementieren sie seltener adaptive Emotionsregulation wie etwa Reappraisal. (Aldao et al. 2010, Werner et al. 2011). Diese Befunde legen nahe, dass Reappraisal eine wenig erfolgreiche Strategie für Personen mit Sozialangst darstellt. So zeigten etwa Mauersberger et al. (2018), dass Personen in einer Konfliktsituation nur dann von der Anwendung von Reappraisal profitierten, wenn sie Reappraisal auch habituell anwendeten. Personen, die in ihrem Alltag kein Reappraisal anwendeten, zeigten keinerlei verringerte Stressreaktion durch diese Emotionsregulationsstrategie im Vergleich zu Suppression oder offener Antizipation. Diese Befunde beruhen jedoch größtenteils auf trait-level Daten. Diese sind mit Vorsicht zu interpretieren, da die Versuchsteilnehmer:innen häufig aufgefordert werden, sich an lange zurückliegende Ereignisse zu erinnern, die folglich Biases unterliegen können (Reis & Gable, 2000). Zudem neigen insbesondere Personen mit Sozialangst zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung hinsichtlich ihrer Leistung (Hofmann, 2007; Rapee & Heimberg, 1997).

Obwohl Personen mit Sozialangst davon berichten seltener kognitive Neubewertung als Strategie anzuwenden, zeigt die aktuelle Forschungslage, dass auch sie durchaus von Reappraisal profitieren können. So zeigten etwa Blalock et al. (2016), dass Personen mit sozialer Phobie zwar seltener im Alltag kognitives Reappraisal anwendeten, sie aber mehr positive Emotionen verspürten als die Kontrollgruppe, wenn sie es doch taten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Personen mit Sozialangst nicht erwarten erfolgreich mit einer Stresssituation umgehen zu können und infolgedessen positiv überrascht sind.

Der zweite Teil der Studie von Jamieson et al. (2013) legte nahe, dass sowohl Personen

mit als auch ohne Sozialangst durch eine Anwendung von Reappraisal vor eines Redestressors, bei dem über die eigenen Stärken und Schwächen referiert wurde und die Untersuchungsleitung negatives nonverbales Feedback gab, profitierten. Die Probanden und Probandinnen wurden gebeten, die physiologische Stressreaktion als ein positives Anzeichen von Coping zu bewerten.

Hier zeigten sich die positiven Effekte von Reappraisal auch in den physiologischen Parameter und zwar in einer verminderten Vasokonstriktion, sowie einer erhöhten kardialen Effizienz.

Trotz unterschiedlicher Ergebnisse in der Forschung hinsichtlich der Effektivität von Reappraisalstrategien für hochsozialängstliche Personen, kann davon ausgegangen werden, dass Reappraisal durchaus positive Ergebnisse erzielen kann.