• Keine Ergebnisse gefunden

3. Sozialangst 1. Angst

3.2. Soziale Ängstlichkeit

Marks und Gelder (1966) beschreiben Patienten und Patientinnen mit Sozialangst als Personen, mit Phobien vor sozialen Situationen, die sich durch Symptome wie Schüchternheit, Angst vor Erröten, essen an öffentlichen Orten, fremde Menschen treffen, oder im Mittelpunkt zu stehen, auszeichnen (Marks & Gelder, 1966). Von diesen ersten Beschreibungen aus, entwickelten sich eine Vielzahl an Definitionen. Laut DSM-V handelt es sich bei einer Sozialangst um eine ausgeprägte Angst vor sozialen Situationen, in der die betroffene Person einer Beobachtung von anderen Personen ausgesetzt ist und eventuell von diesen beurteilt wird.

Betroffene Personen befürchten sich so zu verhalten, dass dies von anderen negativ bewertet wird und zur Ablehnung durch die Mitmenschen führt (American Psychiatric Association, 2013). Im ICD-10 wird die Sozialangst als Störungen beschrieben, die sich um eine Furcht vor prüfender Beobachtung durch andere Menschen in kleine Gruppen (nicht in Menschenmengen) zentriert. Sie können in spezifischen Situationen auftreten, wie beim Halten einer Rede oder beim Treffen mit dem anderen Geschlecht oder aber in unbestimmten und sich auf alle sozialen Situationen außerhalb des Familienkreises ausdehnen (Dilling et al., 2014) Typische Symptome einer Sozialangststörung sind Zittern, Erröten, Vermeiden von Blickkontakt oder Harndrang.

Einer Studie von Stein et al., aus dem Jahr 2017, zufolge, an der 142405 Personen teilnahmen, zeigt sich für die Sozialangst eine Lebenszeitprävalenz von 4.4%. Die Prävalenzen sind besonders hoch in den Industrieländern mit hohem Einkommen, wie Deutschland oder Frankreich, Amerika und den Westpazifikregionen. Bezüglich der Geschlechtsunterschiede finden sich widersprüchliche Ergebnisse in der Literatur. Stein et al. (2017) fanden eine höhere Betroffenheit bei Frauen als bei Männern. Möller et al. (2015) stellten fest, dass es keine Geschlechtsunterschiede zu geben scheint. Die soziale Phobie tritt in den meisten Fällen bereits im Jugendalter auf, so treten in Ländern mit hohem Einkommen die Erkrankungen meist im Alter zwischen 11 und 17 Jahren das erste Mal auf. Aber auch ein geringeres Bildungsniveau

und Einkommen sind relevante Risikofaktoren für eine Erkrankung (Stein et al., 2017).

An dieser Stelle sei erwähnt, dass in dieser Studie keine klinische Stichprobe untersucht wurde. Die Probandinnen in dieser Untersuchung zeigen lediglich eine höhere oder geringere Ausprägung des Merkmals soziale Ängstlichkeit als der Durchschnitt.

3.2.1. Modelle der sozialen Ängstlichkeit

Im folgenden Abschnitt werden zwei wichtige Modelle zur sozialen Ängstlichkeit von Clark und Wells (1995) und Rapee und Heimberg (1997) genauer beschrieben.

3.2.1.1. Kognitives Modell zur sozialen Ängstlichkeit nach Clark und Wells

Clark und Wells (1995) beschreiben in ihrem Modell den Hang von sozialängstlichen Personen einen besonders guten Eindruck bei ihren Mitmenschen hinterlassen zu wollen, zeitgleich ihre Fähigkeiten dafür jedoch als unzureichend einzustufen. Durch frühere Erfahrungen aus sozialen Situationen, haben sich Sozialängstliche ein Selbstbild geschaffen, das sie zur Annahme verleitet, dass von sozialen Situationen eine Bedrohung für ihr Selbst ausgeht. Genauer gesagt, dass sie sich „falsch“ verhalten könnten und dieses unpassende Verhalten dann zu hohen Verlusten, wie etwa Zurückweisung und Statuseinbußen, führen könnte. Dies löst bei den Betroffenen Stress aus, was wiederum zu vegetativen Reaktionen wie Schwitzen, Herzrasen, Erröten, usw. führt und diese als äußerst unangenehm wahrgenommen werden. Da soziale Interaktionen in den seltensten Fällen eine echte Gefahr mit sich bringen, ist diese Reaktion nicht von Nutzen, sondern birgt ein großes Potential für eine weiterführende Problematik im Bereich der sozialen Interaktionen (Clark & Wells, 1995).

Ein besonderes Merkmal der Sozialangst ist die Verschiebung der Aufmerksamkeit.

Aufgrund der befürchteten Evaluation durch andere Personen, richten Sozialängstliche ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst, um ihr eigenes Verhalten überwachen zu können. Dies führt dazu, dass auch die physiologischen Reaktionen besonders stark wahrgenommen werden und als Indikatoren für weiteres Versagen im Sozialkontakt gedeutet werden. Genau dieser internale Fokus trägt auch zur Aufrechterhaltung der Sozialangst bei. Anstatt die Aufmerksamkeit auf das Gegenüber zu richten, um Hinweise zu sammeln, ob und wie man von diesem wahrgenommen wird, richten Sozialängstliche den Fokus nach innen und nehmen die kognitiven, emotionalen und physiologischen Reaktionen als besonders intensiv wahr und unterliegen dem Fehlschluss, dass diese Informationen auch für das Gegenüber verfügbar sind und in deren Bewertung einfließen. Personen, die an Sozialangst leiden, verwechseln das Gefühl der Demütigung, mit einer tatsächlichen Demütigung und glauben das Gefühl des Kontrollverlusts ist ein tatsächlich, nach außen sichtbarer, Verlust der Kontrolle. Diese negativen Erfahrungen fließen schlussendlich ebenfalls in das subjektive Selbstbild ein und führen zu einer angstvollen Antizipation der nächsten sozialen Interaktion (Clark & Wells, 1995).

Laut Stopa und Clark (1993) liegt genau hier der Unterschied zwischen Schüchternheit und Sozialangst. Zwar teilen schüchterne Personen und Sozialängstliche ähnliches Gedankengut in der Antizipation der sozialen Situation, jedoch richten Schüchterne ihren Fokus nicht nach innen und können daher im Gespräch wahrnehmen, dass das Gegenüber keine negative Evaluation vornimmt und somit die negativen Gedankengänge beenden.

Sozialängstliche nehmen diesen Realitätsabgleich nicht vor und bleiben dadurch in der negativen Gedankenspirale.

3.2.1.2. Modell der sozialen Ängstlichkeit nach Rapee und Heimberg

Rapee und Heimberg (1997) beschreiben in ihrem Modell ebenfalls die Tendenz von sozialängstlichen Personen, besonderen Wert darauf zu legen, positiv von Anderen wahrgenommen zu werden. Des Weiteren nehmen Sozialängstliche an, dass andere Personen inhärent kritisch sind und sie mit großer Wahrscheinlichkeit negativ beurteilen werden (Leary et al., 1988). Diese Prämissen führen zu Prozessen, die Sozialangst auslösen und aufrecht erhalten. Diese Prozesse laufen ähnlich ab, unabhängig davon, ob eine soziale Interaktion tatsächlich stattfindet, antizipiert oder retrospektiv verarbeitet wird (Rapee & Heimberg, 1997).

Anders als Clark und Wells (1995) beschreiben Rapee und Heimberg (1997) den Aufmerksamkeitsfokus als sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet. Im Detail bedeutet dies, dass Sozialängstliche ihre Aufmerksamkeit auf ihre eigenen kognitiven, emotionalen und physiologischen Empfindungen richten, sie aber gleichzeitig ihre Umwelt auf Hinweise scannen, die ihnen Auskunft darüber geben, ob eine mögliche externale Bedrohung vorliegt.

Eine externale Bedrohung ist in diesem Fall eine negative Beurteilung durch das Gegenüber.

Neben des Aufmerksamkeitsfokus auf externale Hinweisreize und dem eigenen Selbstbild, wird zeitgleich eine Vorhersage konstruiert, welches normative Verhalten das Publikum erwartet.

Die wahrgenommene Diskrepanz zwischen den Erwartungsstandards des Publikums und der Leistung der Betroffenen Person führt zu einer Wahrscheinlichkeit, mit der die betroffene Person negativ evaluiert wird und welche sozialen Konsequenzen dies mit sich bringt. Diese erwartete negative Bewertung führt wiederum zu einer Reihe von kognitiven, behavioralen und physiologischen Prozessen, die das subjektive Selbstbild der Person weiter verändern (Rapee

& Heimberg, 1997).

4. Emotionsregulation