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6. Innovativer Aspekt

8.2.1. Aufgabenschwierigkeit und Bewältigungsfähigkeit

Der integrative effort analysis (Wright & Kirby, 2001) zufolge, sollte die wahrgenommene Schwierigkeit einer Aufgabe, nicht höher sein, als es die wahrgenommenen Ressourcen erlauben. Wird eine Aufgabe nämlich als nicht mehr bewältigbar angesehen, wird das Individuum keine Motivation zeigen, die eigenen Ressourcen aufzubringen und das Aufgabenengagement wird sehr gering sein, wenn Erfolg unmöglich erscheint. Das Aufgabenengagement ist dann am höchsten, wenn die Aufgabe als moderat schwierig eingestuft wird und der Gewinn attraktiv genug ist (Wright & Kirby, 2001).

Laut der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie von Lazarus und Folkman (1984; zitiert nach Brinkmann, 2014) spielt die individuelle Bewertung der Situation eine große Rolle für das Stresserleben. Unterschiedliche Personen nehmen den gleichen Stressor als unterschiedlich bedrohlich war und reagieren daher verschieden. Im primären Appraisal wird ein Stressor als entweder positiv, stresserzeugend oder irrelevant eingestuft. Aufgrund des Charakters des Stressors als evaluativ und sozial, ist anzunehmen, dass insbesondere Personen mit hoher

sozialer Ängstlichkeit die Redeaufgabe als besonders negativ und damit stresserzeugend einstufen.

Die kognitiven Antizipationsprozesse von Personen mit hoher sozialer Ängstlichkeit sind meist dysfunktional und führen zur Aufrechterhaltung der Angst. Die Betroffenen rufen sich bereits erlebte Situationen wieder ins Gedächtnis, bei denen sie ihrem subjektiven Empfinden nach versagt haben, und gehen davon aus, dass sich diese Situation wiederholen wird. Sie schätzen dementsprechend den bevorstehenden Stressor als besonders schwierig und ihre Bewältigungsressourcen als zu gering ein, um mit dem Stressor erfolgreich umzugehen (Clark & Wells, 1995; Hofmann, 2007; Rapee & Heimberg, 1997).

Diese Annahmen werden bis dato von einigen Studien unterstützt. So zeigen etwa Feldman et al. (2004) in ihrer Studie, dass die Antizipation eines Redestressors zu einem erhöhten Appraisal von Bedrohung führt und mehr negative Emotionen ausgelöst werden, insbesondere bei Probandinnen mit Angst vor dem Halten einer Rede. Auch Gramer und Saria (2006) stellten in ihrer Studie fest, dass hochsozialängstliche Frauen ihre Copingfähigkeiten prospektiv als geringer einschätzen, als Frauen mit geringer sozialer Ängstlichkeit. In einer Studie aus dem Jahr 2012 von Gramer et al. kann ebenfalls festgestellt werden, dass ein Haupteffekt Sozialangst im kognitiven Appraisal des Stressors zu finden ist. Probandinnen mit hoher sozialer Ängstlichkeit schätzen ihre Copingfähigkeiten als zu gering ein, um die Anforderungen der Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Probandinnen mit geringer sozialer Ängstlichkeit hingegen, schätzen ihre Fähigkeiten als ausreichend ein, was sich auch über den zeitlichen Verlauf der Studie hinweg nicht verändert.

Ein weiterer Faktor, der wesentlich ist für die Einschätzung der Schwierigkeit eines Stressors und der eigenen Fähigkeiten zum Coping, ist die Anwendung von adaptiven Emotionsregulationsstrategien. Dem perseverative cognition model von Brosschot et al. (2006) zufolge, sollte es in der natürlichen Antizipationsbedingung wahrscheinlicher zu antizipatorischen Worrying kommen, als in der Reappraisalbedingung. Durch das Anwenden

einer Emotionsregulationsstrategie wird ein gewisses Maß an Kontrolle über den bevorstehenden Stressor ausgeübt, das in einer natürlichen Antizipationsbedingung nicht ausgeübt wird und die Probandinnen dem Stressor passiv ausgesetzt sind. Mills et al. (2014) stellten in ihrer Untersuchung fest, dass sowohl hoch- als auch niedrigsozialängstliche Personen in der natürlichen Antizipationsbedingung häufiger negative Ergebnisse erwarten als in der Distraktionsgruppe.

Die Wirksamkeit der kognitiven Neubewertung hinsichtlich des antizipatorischen Stresserlebens zeigt sich in zahlreichen Studien. Gross (1998) konnte zeigen, dass Personen der Reappraisal Bedingung weniger negative Emotionen zeigten und verspürten als Personen in der Bedingung ohne Instruktionen. Auch Nasso et al. (2019) kamen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass sich kognitive Neubewertung positiver auf kognitive, emotionale und physiologische Reaktionen auswirken als das Katastrophisieren der Situation. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in der Studie von Salzmann et al. (2018) im Vergleich von der Anwendung von Reappraisal mit der Anwendung einer Übung zum Thema Dankbarkeit.

Jamieson et al. zeigte im zweiten Teil ihrer Studie, aus dem Jahr 2013, dass sowohl hoch-, als auch niedrigsozialängstliche Personen von Reappraisal profitieren im Hinblick auf ihre wahrgenommenen Fähigkeiten mit dem bevorstehenden Stressor erfolgreich umgehen zu können. Es wird also erwartet, dass die Reappraisalinstruktion unabhängig der Sozialangstgruppe einen positiven Effekt auf die retrospektive Aufgabenbewertung ausübt.

Aufgrund dieser Forschungslage werden folgende Hypothesen angenommen:

3. Hochsozialängstliche schätzen den Redestressor prospektiv als schwieriger und ihre Fähigkeiten als geringer ein als Niedrigsozialängstliche.

4. Die Gruppe der natürlichen Antizipation bewertet den Redestressor retrospektiv, als schwieriger und ihre Fähigkeiten als geringer als die Reappraisalgruppe nach dem Einsatz adaptiver Emotionsregulation.

8.2.2. kardiovaskuläre Reaktivität

Wie bereits im Kapitel zum Manipulationscheck erwähnt, wird für die Bedingung der natürlichen Antizipation ein vaskuläres Reaktionsmuster erwartet, da es sich hier um eine Situation handelt, in der passives Coping angewendet wird (Gregg et al., 1999; Obrist, 1981).

Anders ist dies hingegen bei der Reappraisalbedingung dieser Studie. Hier kann aktiv Einfluss auf die Situation genommen werden. Laut Obrist (1981) führt dies zu aktivem Coping, was wiederum ein kardiales Reaktionsmuster zur Folge hat. Ein kardiales Reaktionsmuster ist durch einen Anstieg der Herzrate, sowie insbesondere des systolischen Blutdrucks gekennzeichnet. Eventuell kann auch der diastolische Blutdruck ansteigen, dieser zeigt sich jedoch als eher ungeeigneter Parameter zur Bestimmung einer kardialen Reaktion. Das perseverative cognition model von Brosschot et al. (2006) legt nahe, dass bereits durch antizipatorisches Worrying die kardiovaskuläre Reaktivität steigt. Reappraisal sollte sich auf diese Reaktivität hemmend auswirken, da man sich durch die adaptive Emotionsregulationsstrategie positiv mit dem bevorstehenden Stressor auseinandersetzt und das antizipatorisches Worrying durch diesen Prozess eingedämmt wird.

Im Process Model of Emotion Regulation (Gross, 1998) kommt es zu einem kognitiven Prozess, der, insofern keine Neubewertung des Stressors stattgefunden hat, zu einer Erhöhung der physiologischen Reaktionen führt. Dies trifft in der vorliegenden Studie auf die natürliche Antizipationsbedingung zu. Glynn et al. (2002) zeigen in ihrer Studie, dass die offene Beschäftigung mit dem Stressor mit höheren Blutdruckanstiegen einhergehen als die Distraktionsbedingung. Dies ist in erster Linie auf die Rumination in der natürlichen

Antizipationsbedingung zurückzuführen. Nasso et al. (2019) berichten eine höhere Herzratenvariabilität in der Reappraisalbedingung, als in der katastrophisierenden Bedingung.

In Anbetracht der vorliegenden Forschungsergebnisse, wird folgende Hypothese angenommen:

Bei Personen mit sozialer Ängstlichkeit spielen dysfunktionale Antizipationsproesse eine bedeutende Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung der Angst. Die Betroffenen erinnern sich an vergangene Versagenssituationen und schätzen dadurch ihre Fähigkeiten zur Bewältigung als defizitär ein und verspüren mehr negativen Affekt als Personen mit gering ausgeprägter sozialer Ängstlichkeit (Clark & Wells, 1995; Hofmann, 2007; Rapee & Heimberg, 1997). Ein typisches Merkmal der Sozialangst ist die Verschiebung der Aufmerksamkeit nach innen. Aufgrund der befürchteten Evaluation durch andere Personen, richten Sozialängstliche ihre Aufmerksamkeit auf sich selbst, um ihr eigenes Verhalten überwachen zu können. Dies führt dazu, dass auch die physiologischen Reaktionen besonders stark wahrgenommen werden und als Indikatoren für weiteres Versagen im Sozialkontakt gedeutet werden und zu einem Gefühl der Machtlosigkeit führen (Clark & Wells, 1995). Dies kann wiederum dazu führen, dass die Fähigkeit zur Bewältigung als zu gering für den bevorstehenden Stressor eingeschätzt wird und keine Energie für das Erreichen des Aufgabenziels aufgewendet wird.

Die integrative effort analysis von Wright und Kirby (2001) postuliert, dass das Aufgabenengagement so lange proportionale ansteigt, bis die Anforderungen die wahrgenommenen Bewältigungsressourcen übersteigen. Das Aufgabenengagement ist dann besonders hoch, wenn die Schwierigkeit als moderat eingestuft wird und das Ziel der Aufgaben erstrebenswert erscheint. Redestressoren werden im Allgemeinen als moderat schwierig eingestuft (Gramer, 2003). In der vorliegenden Studie wird ein sozialer Stressor verwendet, der einen hohen evaluativen Charakter aufweist. Diese Konstellation sollte demnach insbesondere für Hochsozialängstliche zu einer erhöhten wahrgenommenen Schwierigkeit führen und infolgedessen zu einer Hemmung kardiovaskulärer Reaktivität, da angenommen wird, dass die Anforderungen des Stressors die wahrgenommenen Bewältigungsfähigkeiten überschreitet.

Gramer und Sprintschnik (2008) ermittelten in ihrer Studie zum Einfluss von sozialer Ängstlichkeit und Antizipation eines Stressors auf die kardiovaskuläre Reaktivität während und nach einer evaluativen Redeaufgabe, dass Hochsozialängstliche geringere Anstiege der kardiovaskulären Parameter im Vergleich zu Niedrigsozialängstlichen zeigten. Diese Effekte sind auf ein geringeres Aufgabenengagement, aufgrund von als unzureichend wahrgenommenen Copingfähigkeiten von Hochsozialängstlichen zurückzuführen.

Basierend auf diesen Ergebnissen und theoretischen Modellen wird für die Antizipationsphase mit Berücksichtigung der Sozialangstprägung folgende Hypothese aufgestellt:

5. Hochsozialängstliche der natürlichen Antizipationsbedingung zeigen, während der Antizipationsphase, einen größeren Anstieg der vaskulären Parameter, insbesondere SBP und DBP, im Vergleich zur Baseline als Niedrigsozialängstliche.

Hochsozialängstliche der Reappraisalbedingung zeigen einen geringeren Anstieg der kardialen Parameter, insbesondere SBP und HR, als Niedrigsozialängstliche.

8.3. Stressorphase

8.3.1. kardiovaskuläre Reaktivität

Auch bei der Stressorphase handelt es sich nach Obrist (1981) um eine Situation, die aktives Coping erfordert, da die Aufgabe ein aktives Handeln und Beeinflussen erfordert. Es wird daher für die Stressorphase in allen Gruppen und Bedingungen ein kardiales Reaktionsmuster erwartet.

Der integrative effort analysis (Wright & Kirby, 2001) zufolge, ist davon auszugehen, dass die Probandinnen der Reappraisalbedingung mit einer optimistischeren Einstellung in die

Stressorphase eintreten und sich als fähiger einschätzen als die Probandinnen der natürlichen Antizipationsbedingung. Demnach sollten Personen, die sich als weniger fähig einschätzen, sprich, die Probandinnen der natürlichen Antizipationsbedingung, eine größere sympathische Reaktion zeigen. Dies ist jedoch nur der Fall, so lange das Erreichen des Ziels als nicht zu schwierig, beziehungsweise die Bewältigungsressourcen als nicht zu gering eingeschätzt werden. Diese Annahmen wurden von Nasso et al. (2019) bestätigt. In ihrer Studie zeigt sich, dass in der Redevorbereitungsphase die Herzratenvariabilität für die katastrophisierende Bedingung geringer ausfällt als in der Reappraisalbedingung. Eine erhöhte Herzrate findet auch Hofmann et al. (2009) für die Suppressionsbedingung im Vergleich zur Reappraisalbedingung.

Zwar handelt es sich hier nicht um eine natürliche Antizipation, die der dem Reappraisal gegenübergestellt wird, die Ergebnisse können jedoch auf dieses übertragen werden, da es in

beiden Fällen zu antizipatorischem Worrying kommt.

Für die Probandinnen mit Sozialangst jedoch, wird bei diesem Redestressor mit hohem evaluativen Charakter angenommen, dass diese sich in der natürlichen Antizipationsbedingung überfordert fühlen und nicht über genügend Ressourcen verfügen, um den Stressor erfolgreich zu bewältigen. Dies führt dazu, dass sie durch das geringere Aufgabenengagement auch eine geringere kardiovaskuläre Reaktion zeigen, da der Organismus keine Energie für ohnehin als unerreichbar wahrgenommene Ziele verschwenden möchte. Diese Annahmen werden von Gramer & Sprintschnik (2008) unterstützt. Sie kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass Hochsozialängstliche einen geringeren Blutdruck und eine geringere Herzrate aufweisen als Niedrigsozialängstliche. Die Stressorantizipation wirkt sich insbesondere auf die Herzrate während der Stressorphase aus. Gramer & Saria, (2007) stellten für Stressoren mit einem geringen Ausmaß an evaluativer Bedrohung fest, dass die Hochsozialängstliche eine höhere kardiovaskuläre Reaktivität zeigen. Bei Stressoren mit hoher evaluativer Bedrohung, wie es auch in dieser Studie der Fall ist, fanden sich keine Gruppenunterschiede mehr. Dies ist auf eine gehemmte Reaktion der Gruppe der Sozialängstlichen zurückzuführen, deren

Copingressourcen nicht für eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem evaluativen Stressor ausreichen.

Niedrigsozialängstliche schätzen die Aufgabe also in jeder Bedingung als bewältigbar ein. Niedrigsozialängstliche der Reappraisalbedingung profitieren noch zusätzlich von der adaptiven Bewältigungsstrategie und zeigen daher geringere kardiovaskuläre Anstiege, im Vergleich zu den Niedrigsozialängstlichen der natürlichen Antizipationsbedingung.

Hochsozialängstliche, die der Reappraisalbedingung angehören, sollten sich durch die Stressmanagementtechnik in ihren Fähigkeiten bestärkt fühlen und die Aufgabe dadurch als lösbar wahrnehmen. Laut integrative effort analysis (Wright & Kirby, 2001) sollten Personen, die geringere Fähigkeiten aufweisen, die aber die Aufgabe noch als bewältigbar ansehen, eine ausgeprägtere kardiovaskuläre Reaktivität aufweisen. Dies bedeutet, dass Hochsozialängstliche eine besonders hohe kardiovaskuläre Reaktion zeigen, sofern sie ihre Fähigkeiten als ausreichend zur Aufgabenbewältigung einstufen, da dies zu einem erhöhten Aufgabenengagement führt. Im Gegensatz dazu führt die natürliche Antizipation bei Hochsozialängstlichen zu einem Gefühl der Überforderung und hemmt dadurch die

Mobilisierung von Energien.

Aufgrund der vorliegenden Modelle und aufgrund der empirischen Datenlage, wird folgende Hypothese für die Stressorphase angenommen:

6. Niedrigsozialängstliche zeigen in der Reappraisalbedingung einen geringeren Anstieg der kardialen Parameter, insbesondere SBP und HR, während des Stressors als Niedrigsozialängstliche der natürlichen Antizipationsbedingung, während Hochsozialängstliche der Reappraisalbedingung einen höheren Anstieg der kardialen Parameter, insbesondere SBP und HR, zeigen als Hochsozialängstliche der natürlichen Antizipationsbedingung.

8.3.2. Wahrgenommene physiologische Aktivierung

Clark und Wells (1995) beschreiben in ihrem Modell der sozialen Ängstlichkeit die Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus nach innen, während einer Stresssituation. Dies führt dazu, dass Hochsozialängstliche körperliche Veränderungen der vegetativen Stressreaktion, wie etwa Herzklopfen Schwitzen, Erröten, Zittern der Hände intensiver wahrnehmen als Personen ohne Sozialangst. Des Weiteren gehen hochsozialängstliche Personen davon aus, dass diese physiologischen Reaktionen nicht nur für sie selbst spürbar sind, sondern auch für ihr Gegenüber sichtbar. Durch diese Einschätzung wird die Situation als erneutes Versagen gedeutet und tragen so zur Aufrechterhaltung der Angst bei.

Gramer et al. (2012) stellten fest, dass Hochsozialängstliche ihre physiologische Aktivierung als ausgeprägter einschätzen als Nichtsozialängstliche und die Einschätzung unverhältnismäßig hoch war in Relation zur tatsächlichen physiologischen Aktivierung. Auch Mauss et al. (2004) gelangten zu dem Ergebnis, dass Hochsozialängstliche ihre körperliche Erregung als stärker einschätzen als niedrigsozialängstliche Versuchspersonen.

Edelmann und Baker (2002) zeigten in ihrer Studie, dass Personen mit Sozialangst ihre physiologische Aktivierung als stärker einschätzen. Erhoben wurden die wahrgenommene Herzrate, wahrgenommenes Schwitzen der Hände und wahrgenommene Körperwärme. In allen Parameter verspürten Sozialängstliche eine stärkere Ausprägung als die nichtsozialängstlichen Teilnehmer:innen.

Jamieson et al. (2013) und Hofmann et al. (2008) konnten zeigen, dass die Anwendung von Reappraisal zu einer geringeren subjektiven Ängstlichkeit führte, im Vergleich zur Anwendung von Suppression oder einer natürlichen Antizipation des Stressors. Die Einschätzung des eigenen Stresslevels beruht häufig auf internen Hinweisen wie vegetativen Reaktionen des Körpers. Dementsprechend sollte ein ähnlicher Effekt durch die Anwendung

von Reappraisal hinsichtlich der wahrgenommene physiologischen Aktivierung eintreten.

Aufgrund dieser Forschungslage wird folgende Hypothese postuliert:

7. Hochsozialängstliche weisen nach der Rede eine höhere Veränderung der wahrgenommenen physiologischen Aktivierung zur Baseline auf als Niedrigsozialängstliche.

8. Die Gruppe der natürlichen Antizipation weisen eine höhere Veränderung der wahrgenommenen physiologischen Aktivierung zur Baseline auf als die Reappraisalgruppe.

8.4. Erholungsphase

8.4.1. kardiovaskuläre Reaktivität

Die Erholungsphase im Anschluss an den Stressor, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Situation nicht durch die Probandinnen beeinflusst und keine Kontrolle ausgeübt werden kann.

Somit handelt es sich hier nach Obrist (1981) um eine Situation, die passives Coping hervorruft.

Es wird folglich ein vaskuläres Muster erwartet.

Das perseverative cognition model von Brosschot et al. (2005) postuliert, dass durch Rumination die Stressreaktion bestehen bleibt, selbst wenn der Stressor bereits vorüber ist. Hier spielt besonders die wahrgenommene Kontrollierbarkeit der Situation eine bedeutende Rolle.

Situationen, über die man wenig oder gar keine Kontrolle hat, so wie in der Erholungsphase der vorliegenden Studie, kann dies zu einer anhaltenden kognitiven Beschäftigung mit dem Stressor führen. Da in der passiven Erholungsphase keine Lösung gefunden werden kann, kommt es zu einer Verstärkung von negativen Emotionen und Gedanken. Durch die andauernde

Beschäftigung mit dem Stressor bleibt auch das Gefühl der Unkontrollierbarkeit des Stressors aufrechterhalten. Dies führt zu einer lang anhaltenden physiologischen Reaktion. Genauer gesagt, bleibt die vom Stressor ausgelöste vaskuläre Reaktion aufrechterhalten und sinkt nicht ab. Es ist also kein Anstieg von der Stressorphase zur Erholungsphase zu erwarten, sondern eine prolongierte physiologische Reaktion (Brosschot et al., 2006).

In einer Studie von Glynn et al. (2002) wurden emotionale Stressoren mit nicht emotionalen Stressoren hinsichtlich der anschließenden Ruminationstendenzen verglichen.

Eine der emotionalen Bedingungen waren Arithmetikaufgaben, bei der die Teilnehmer:innen negatives Feedback durch die Untersuchungsleitung erhielten und dadurch verunsichert wurden. Die nicht emotional behaftete Bedingung war der ein sogenannter „cold pressure test“.

Bei diesem muss Hand und Unterarm einer Körperseite für drei Minuten in kaltes Wasser getaucht werden. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer:innen der emotionalen Bedingung, die ruminierten, höhere Blutdruckwerte und eine prolongierte physiologische Reaktion in der

Erholungsphase aufwiesen.

Die Ergebnisse einer weiteren Studie von Glynn et al. (2007) legen nahe, dass Rumination und deren physiologische Folgen noch lange nach dem Stressor bestehen bleiben können. Die Teilnehmer:innen mussten eine Arithmetikaufgabe lösen, während sie negatives Feedback erhielten. Im Anschluss an diese Stressorphase sollten sie sich die vorangegangene Aufgabe für drei Minuten bildlich vorstellen. Es zeigte sich, dass Rumination alleine bereits die Blutdruckwerte steigen lässt und auch noch Tage nach dem Stressor eine Erhöhung der Blutdruckwerte vorhanden sein kann. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Rumination zu einer Chronifizierung erhöhter kardiovaskulärer Reaktivität führen kann. Auch Ottaviani et al. (2011) zeigen, dass Rumination und die damit verknüpften physiologischen Reaktionen noch Stunden

nach dem Stressor anhalten können.

Laut Nasso et al. (2019) führt die Anwendung von Reappraisal in der Antizipationsphase sowohl bei Personen, die hohe Werte in der trait-Rumination erzielen, aber

auch für Personen mit niedrigeren Werten, zu einer verringerten Rumination in der Erholungsphase. Dies zeigt sich in einer höheren Herzratenvariabilität. Nach Jamieson et al.

(2013) profitieren sowohl Personen mit als auch Personen ohne Sozialangst von

Reappraisalstrategien in der Antizipationsphase.

Bezüglich der kardiovaskuläre Reaktivität in der Erholungsphase, zeigen empirische Befunde keinen Effekte der sozialen Ängstlichkeit. Eine Vielzahl an Studien berichten keine Unterschiede in der Erholungsphase nach einem Stressor zwischen hoch- und niedrigsozialängstlichen Personen (Baggett et al., 1996; Gramer & Saria, 2007), Auch Gramer et al. (2012) stellten trotz eines signifikanten Ruminationseffekts keinen Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigsozialängstlichen in den kardiovaskulären Parametern fest. Aufgrund dieser empirischen Befunde wird von keinem Sozialangsteffekt ausgegangen und keine Hypothese formuliert.

Für die Erholungsphase in Bezug auf die kardiovaskuläre Reaktivität werden folgende Hypothesen aufgestellt:

9. Die Gruppe der natürlichen Antizipation zeigt während der Erholungsphase einen größeren Anstieg der kardiovaskulären Parameter (SBP, DBP), im Vergleich zur Baseline, als die Reappraisalgruppe.

10. Die post-task Rumination mediiert den positiven Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Reappraisal und der kardiovaskulären Recovery.

III. Methode

1. Untersuchungsdesign

Die Untersuchung basiert auf einem 2 x 2 Design. Die Zwischensubjektfaktoren bilden die unabhängige Variable Sozialangst (hoch sozialängstlich/niedrig sozialängstlich) sowie die Bedingung (Interventionsgruppe/Kontrollgruppe). Für die Zuteilung zu den Sozialangstgruppen wurde der Fragebogen zur Messung der Angst in sozialen Situationen (Lück, 1971) herangezogen. Hierbei wurden Probandinnen über einer halben Standardabweichung über dem Mittelwert der Gruppe der Hochsozialängstlichen zugeordnet, Probandinnen über einer halben Standardabweichung unter dem Mittelwert der Gruppe der Niedrigsozialängstlichen.

Die abhängigen Variablen auf physiologischer Ebene bilden der systolische Blutdruck, der diastolische Blutdruck sowie die Herzrate. Diese Variablen wurden zu fünf Messzeitpunkten erhoben (Baseline, Antizipation, Redevorbereitung, Rede und Erholung).

Durch die Berechnung der Differenzwerte der jeweiligen Phase subtrahiert mit der Baseline, ergibt sich ein 2 x 2 x 4 Design. Weitere Variablen, die im Zusammenhang dieser Studie erhoben wurden sind prospektive und retrospektive Selbstbeurteilung der Rede, Rumination sowie wahrgenommene physiologische Aktivierung.

2. Stichprobe

Die vorliegende Studie bezieht sich auf Erkenntnisse aus einer Stichprobe von 63 Probandinnen. 66 Probandinnen nahmen an der Hauptuntersuchung teil. Insgesamt mussten von dieser Stichprobe drei Probandinnen ausgeschlossen werden. Zwei Teilnehmerinnen wurden ausgeschlossen, da sie in zu allen drei Zeitpunkten der Baselinemessung hypertone Blutdruckwerte aufwiesen und eine weitere Probandin brach die Untersuchung ab.

Die Rekrutierung erfolgte über das Aussenden von E-Mails an Studierende verschiedener Fakultäten der Karl-Franzens-Universität sowie über soziale Netzwerke, wie Facebook und Instagram. Als Anreiz zur Teilnahme gab es für Psychologiestudierende

Die Rekrutierung erfolgte über das Aussenden von E-Mails an Studierende verschiedener Fakultäten der Karl-Franzens-Universität sowie über soziale Netzwerke, wie Facebook und Instagram. Als Anreiz zur Teilnahme gab es für Psychologiestudierende