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der ab 1. September 1985 gültigen Verwaltungsweisungen des BSV über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 54-61)

AHV. Rentenanspruch der Ausländer und Staatenlosen

Rz 55 der ab 1. September 1985 gültigen Verwaltungsweisungen des BSV über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der

AHV/IV, wonach zum Beweis der Flüchtlings- bzw. Staatenlosen-eigenschaft eine Bestätigung des Delegierten für das Flüchtlings-wesen eingeholt werden muss, ist rechtmässig (Erw. 2c).

Die 1956 geborene J.S. emigrierte am 14. Januar 1984 aus ihrem Heimatland Tschechoslowakei (CSSR) mit der Absicht, nicht mehr dorthin zurückzukeh-ren. Gleichentags reiste sie in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 22. Oktober 1985 wies das Bundesamt für Polizeiwesen dieses Gesuch ab, gegen welchen Entscheid sie beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJ PD) Beschwerde erhob. Unter Hinweis auf die äusserst geringe Erfolgsaussicht gelangte der Beschwerdedienst EJPD am 12. Novem-ber 1987 an die AsylbewerNovem-berin mit der Frage, ob sie den Rekurs zurückziehe;

die zuständigen Stellen seien bereit, wegen eines schwerwiegenden persön-lichen Härtefalles in Anwendung von Art. 13 Bst. f der Verordnung des Bun-desrates vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO; SR 823.21) eine Jahresaufenthaltsbewilligung zu erteilen. Am 18. No-vember 1987 zog die Asylbewerberin die Beschwerde zurück, worauf das Ver-fahren als erledigt abgeschrieben wurde.

Ende Dezember 1985 heiratete J.S. den tschechoslowakischen Staatsangehö-rigen R.S. Nach dessen Tod am 5. Januar 1987 meldete sie sich am 12. März 1987 bei der AHV zum Bezug einer Witwenrente an. In der Folge verneinte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 3. Februar 1988 den Anspruch auf Lei-stungen der AHV, da die Versicherte weder Flüchtling noch staatenlos, son-dern tschechoslowakische Staatsangehörige sei. Da der Versicherungsfall (Tod des Ehemannes am 5. Januar 1987) nach der Ausserkraftsetzung des schweizerisch-tschechoslowakischen Abkommens über Soziale Sicherheit (per 30. November 1 986) eingetreten sei, könne sie daraus keine Ansprüche ableiten und gelte als «Nichtvertragsausländerin». Als solche erfülle sie die für

die Zusprechung einer ordentlichen Rente erforderliche Mindestbeitragsdauer von zehn vollen Jahren nicht.

J.S. beschwerte sich hiegegen bei der kantonalen Rekursbehörde und bean-tragte, es seien ihr die vollen Leistungen aus dem Todesfall ihres verstorbenen

Mannes zuzusprechen.

Der kantonale Richter erwog, Flüchtlinge und Staatenlose besässen unter den gleichen Voraussetzungen wie Schweizer Bürger Anspruch auf eine ordent-liche Rente der AHV/IV. Da die am 22. Oktober 1985 verfügte Abweisung des Asylgesuches infolge Beschwerderückzuges rechtskräftig geworden sei, habe J.S. nie den Status eines Flüchtlings im Sinne des Asylgesetzes erlangt. Da aber Staatenlose in der AHV bezüglich des Rentenanspruchs Flüchtlingen gleichgestellt seien, bleibe zu prüfen, ob die Versicherte nach wie vor die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besitze oder als Staatenlose anzuse-hen sei. Diesbezüglich weise das BSV in Ziff. 18 seines Kreisschreibens vom 11. Februar 1987 betreffend die Kündigung des schweizerisch-tschechoslo-wakischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 4. Juni 1959 besonders auf die Situation von tschechoslowakischen Staatsangehörigen, die nicht schon als Nichtvertragsausländer oder als anerkannte Flüchtlinge die An-spruchsvoraussetzungen erfüllten, hin und halte ausdrücklich fest, dass als tschechoslowakische Staatsangehörige nur Personen gelten, die im Besitze eines gültigen tschechoslowakischen Reisepasses seien. Es spiele dabei keine Rolle, dass Personen tschechoslowakischer Herkunft in den Registern der Ein-wohnerkontrolle als tschechoslowakische Staatsangehörige aufgeführt seien.

Die Staatsangehörigkeit sei allein aufgrund des Reisepasses zu bestimmen, Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen seien in dieser Beziehung nicht beweiskräftig. - Im vorliegenden Fall sei aber offensichtlich und unbe-stritten, dass der Reisepass der Versicherten abgelaufen sei, weshalb ihr der Status einer Staatenlosen mit einem grundsätzlichen Rentenanspruch zu-komme. Das kantonale Gericht hiess deshalb die Beschwerde gut und wies die Sache zur Festlegung der Witwenrente an die Ausgleichskasse zurück (Ent-scheid vom 18. März 1988).

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das BSV die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides. Während J.S. auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung.

Der Instruktionsrichter zog vom Delegierten für das Flüchtlingswesen (DFW) und vom Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) die Akten bei.

Das EVG heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus folgenden Gründen gut:

la. Nach Art. 18 Abs. 2 AHVG sind Ausländer und ihre nicht das Schweizer Bürgerrecht besitzenden Hinterlassenen nur rentenberechtigt, solange sie ih-ren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz haben und sofern die Beiträge während mindestens zehn vollen Jahren entrichtet worden sind. Vorbehalten bleiben die besonderen bundesrechtlichen Vorschriften über die Rechtsstel-lung der Flüchtlinge und Staatenlosen sowie abweichende zwischenstaatliche

Vereinbarungen, insbesondere mit Staaten, deren Gesetzgebung den Schwei-zer Bürgern und ihren Hinterlassenen Vorteile bietet, die denjenigen dieses Ge-setzes ungefähr gleichwertig sind. Gemäss Art. 1 Abs. 1 und Art, 31is des Bun-desbeschlusses über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der AHV und IV vom 4. Oktober 1962 (FlüB; SR 831.131.11 ) haben in der Schweiz wohnhafte Flüchtlinge und Staatenlose unter den gleichen Voraus-setzungen wie Schweizer Bürger Anspruch auf ordentliche Renten der AHV sowie auf ordentliche Renten und H ilflosenentschädigungen der IV.

b. Laut Verwaltungspraxis gelten als Flüchtlinge oder Staatenlose Personen, die von den zuständigen schweizerischen Behörden nach den schweizeri-schen Rechtsvorschriften als solche anerkannt worden sind, sowie ihre Ange-hörigen, sofern diese gleichfalls den Status von anerkannten Flüchtlingen oder Staatenlosen haben. Asylbewerber sowie Personen, deren Asylgesuch abge-wiesen worden ist, die aber mangels Wegweisungsmöglichkeit in der Schweiz interniert werden, gelten nicht als Flüchtlinge, desgleichen Schriftenlose nicht als Staatenlose. Diese Personen fallen daher nicht unter den Geltungsbereich der Verwaltungsweisungen des BSV über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der AHV/IV. Die Rechtsstellung von Asylbewerbern, Per-sonen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, Internierten und Schriftenlosen richtet sich ausschliesslich nach ihrer Staatsangehörigkeit. Personen, die aus einem Land stammen, mit dem die Schweiz kein Sozialversicherungsabkom-men abgeschlossen hat, gelten als Nichtvertragsausländer und haben somit nur dann einen Leistungsanspruch, wenn sie die Voraussetzungen der Artikel 18 Absatz 2 AHVG oder 6 Absatz 2 !VG erfüllen. Andernfalls ist das betref-fende Sozialversicherungsabkommen massgebend (Rz 2, 3 und 6 der Verwal-tungsweisungen des BSV über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staa-tenlosen in der AHV/IV [gültig ab 1. September 1985], enthalten in der Weg-leitung über die Stellung der Ausländer und Staatenlosen). Gemäss Rz 55 der Verwaltungsweisungen wird bei den in der Schweiz wohnhaften Flüchtlingen oder Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft bzw. die Staatenlosigkeit durch die vom DFW ausgestellte «Bestätigung über die Eigenschaft als Flüchtling oder als Staatenloser» nachgewiesen. Das Ausstellungsdatum dieser Bestäti-gung darf im Zeitpunkt der Anmeldung nicht mehr als zwei Monate zurücklie-gen. Die Bestätigung ist vom Rentenansprecher beizubrinzurücklie-gen. Er ist allenfalls bei der Anmeldung darauf aufmerksam zu machen.

Diese von der Aufsichtsbehörde erlassenen Weisungen sind keine Rechtsnor-men. Sie sind wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für den Richter verbindlich. Die Weisungen sind eine im Interesse der gleichmässigen Geset-zesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Richter soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksich-tigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Ausle-gung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (BGE 112 V 233 Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch BGE 113 V 20, ZAK 1988 S.392 Erw. 1 b in fine; BGE 112 V 241; ARV 1987 Nr. 4S. 65 Erw. 215; Grise/, Traitö de droit

administratif, S. 89f.; Spira, Le contröle juridictionnel des ordonnances admi-nistratives en droit födöral des assurances sociales, in Mölanges Andrö Grisel, S. 814ff.; Maurer, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, S. 138ff.;

Ryser, Die Bedeutung der Verwaltungsweisungen für die Bemessung von In-validität und Hilflosigkeit, Diss. Bern 1986, S. 59ff.).

2. Zu prüfen ist zunächst, wer im Sinne von Art. 18 Abs. 2 AHVG und des FlüB als Flüchtling bzw. als Staatenloser gilt.

a. Die Frage des Flüchtlingsstatus beurteilt sich nach dem Asylgesetz vom 5. Oktober 1979 (AsylG; SR 142.31). Gemäss Art. 3 Abs. 1 AsylG gelten als Flüchtlinge Ausländer, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer be-stimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernst-haften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Damit hat der Gesetzgeber im wesentlichen den Flüchtlingsbegriff aus alt Art. 21 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (AS 1949 1 228) und der hiezu ergangenen Rechtspraxis übernommen (vgl.

Botschaft zum AsylG vom 31August 1977, BBI 1977 III 116f.), der weitge-hend demjenigen des Internationalen Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (SR 0.142.30) in der für die Schweiz massgeb-lichen Fassung gemäss Protokoll vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) ent-spricht (Lieber, Das neue schweizerische Asylrecht, in: ZBI 82 [1981] S. 49ff.,

insbes. S. 52; vgl. auch Sc/iürch, Das Schweizerische Asylrecht, in: ZB-IV 104 [1968] S. 241 ff., insbes. S. 249), Der Entscheid darüber, ob eine um Asyl nachsuchende Person die Flüchtlingseigenschaft erfüllt, wird vom Bundesamt für Polizeiwesen getroffen (Art. 11 Abs. 1 i.Verb.m. Art. 10 Bst. b AsylG). Der Ausländer, dem die Schweiz Asyl gewährt hat, gilt gegenüber allen eidgenös-sischen und kantonalen Behörden als Flüchtling im Sinne dieses Gesetzes so-wie des Flüchtlingsabkommens (Art. 25 AsylG). Verwaltung und Richter sind mithin an den positiven Asylentscheid der zuständigen Behörden gebunden und können die Flüchtlingseigenschaft nicht erneut überprüfen (vgl. BG E 112 IV 119 Erw. 4a; Lieber, a.a.O., S. 61). Umgekehrt entfaltet indessen die Asyl-verweigerung noch keine verbindliche Negierung des Vorliegens der Flücht-lingseigenschaft. Denn ein Asylgesuch kann beispielsweise auch dann abge-lehnt werden, wenn der Ausländer zwar den Flüchtlingsbegriff erfüllt, sich aber vor der Einreise in die Schweiz länger als 20 Tage in einem Drittstaat auf-gehalten hat (Art. 6 Abs. 1 Bst. a AsylG i.Verb. m. Art. 2 der Asylverordnung vom 25. November 1987, SR 142.311), wenn in einem Drittstaat, in welchen er ausreisen kann, nahe Verwandte bzw. andere Personen leben, zu denen er enge Beziehungen hat (Art. 6 Abs. 1 Bst. b. AsylG) oder wenn eine Auswei-sung aus den in Art. 45 Abs. 1 AsylG genannten Gründen nicht möglich ist (vgl. Botschaft zum AsylG, a.a.O., S. 128 und 1 37f.; Lieber, a.a.O., S. 61; Kälin, Das Prinzip des Non-Refoulement, Diss. Zürich 1982, S. 270f. und 275; siehe in diesem Zusammenhang auch Schmid-Winter, Die Rechtsstellung des

Flüchtlings, insbesondere in der Sozialversicherung, Diss. Basel 1982, na-mentlich S. 30ff.). Denkbar ist sodann, das zwar die Flüchtlingseigenschaft er-füllt ist, aber nicht um Asyl nachgesucht wird (vgl. Kälin, a.a.O., S. 97 und 276). Es ist mithin zu unterscheiden zwischen dem sog. materiellen, auf Art. 3 Abs. 1 AsylG beruhenden, und dem formellen, von der Asylgewährung abhän-gigen Flüchtlingsbegriff.

Ob im Rahmen von Art. 18 Abs. 2 AHVG bzw. des FlüB der formelle oder ma-terielle Flüchtlingsbegriff massgebend ist, lässt sich aufgrund des Wortlauts nicht ermitteln, da sowohl in Art. 18 Abs. 2 AHVG wie auch im FlüB lediglich von «Flüchtlingen» die Rede ist. Ebensowenig lässt sich den Materialien ent-nehmen. Nach der bundesrätlichen Botschaft zum FlüB vom 19Januar 1962 (BBI 1962 1 237), mit welchem Bundesbeschluss das Flüchtlingsabkommen innerstaatlich ergänzt wurde, ist der FlüB allgemein anwendbar auf <(alle Per-sonen, die nach schweizerischer Gesetzgebung und Praxis als Flüchtlinge gel-ten» bzw. auf «alle Flüchtlinge im schweizerischen Rechtssinn» (a.a.O., S.

238f.). Die Auslegung nach Sinn und Zweck (vgl. BGE 113V 109f. Erw. 4a mit Hinweisen, ZAK 1988 S. 134) führt indessen zum Schluss, dass der Sozial-versicherungsgesetzgeber die Anwendbarkeit des Bundesbeschlusses nur auf diejenigen Flüchtlinge beschränkt wissen wollte, die in der Schweiz Asyl er-halten haben, d.h. anerkanntsind. Denn es ist kein Grund ersichtlich, weshalb abgewiesene Asylbewerber besser gestellt werden sollten als Ausländer aus Staaten, mit welchen die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen abge-schlossen hat. Zudem wären die Organe der AHV/IV weder fachlich noch per-sonell in der Lage abzuklären, ob ein (abgewiesener) Asylbewerber die Vor-aussetzungen von Art. 3 Abs. 1 AsylG erfüllt. Dass im Rahmen der fraglichen Bestimmungen der formelle Flüchtlingsbegriff massgebend ist, ergibt sich im übrigen auch aus der Botschaft zum AsylG, wo der Bundesrat ausdrücklich darauf hinweist, dass der FlüB lediglich auf anerkannte Flüchtlinge Anwen-dung findet (a.a.O., S.111;vgl. auch Schmid- Winter, a.a.O., S.83).

Nach dem Gesagten sind die bundesamtlichen Weisungen, welche den Status des Flüchtlings von dessen Anerkennung abhängig machen, nicht zu bean-standen.

b. Gemäss Art. 24 Abs. 1 des vom Bundesrat auf den 1. Januar 1989 in Kraft gesetzten (AS 1988 11 1831) Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG; SR 291) gilt eine Person als staatenlos, wenn ihr diese Eigenschaft im Sinne des New Yorker Obereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.1 42.40) zukommt oder wenn ihre Beziehung zum Heimatstaat so gelockert ist, dass dies einer Staatenlosigkeit gleichkommt. Laut Art. 1 Ziff. 1 des erwähnten, von der Schweiz ratifizierten Übereinkommens ist eine solche Person staatenlos, die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seinen Angehörigen betrach-tet. Staatenlosigkeit bedeutet nach dieser Begriffsumschreibung das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staate (Burckhardt Yvonne, Die Rechtsstellung der Staatenlosen im Völkerrecht und schweizerischen Landes-

recht, Diss. Bern 1977, S. 1 mit Hinweisen auf die Doktrin). Von dieser rechtli-chen ist die in Art. 24 Abs. 1 in fine 1 PRG umschriebene faktische Staatenlosig-keit (Botschaft zum IPR-Gesetz vom 10. November 1982, BBI 1983 1324) zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um Personen, die zwar formell noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Heimatstaat sie aber faktisch nicht mehr anerkennt und sich weigert, ihnen Schutz zu gewähren (Burckhardt, a.a.O., S. 2; vgl. auch Lieber, Die neuere Entwicklung des Asylrechts im Völkerrecht und Staatsrecht, Diss. Zürich 1973, S. 83). Desgleichen liegt eine tatsächliche Staatenlosigkeit vor bei Schriftenlosigkeit oder bei Abbruch der Beziehungen mit dem früheren Heimatstaat ohne formelle Ausbürgerung (BGE 98 Ib 83;

vgl. auch Burckhardt, a.a.O., S. 2). Massgebend ist im vorliegenden Fall jedoch einzig die rechtliche Staatenlosigkeit. Denn mit dem von der Bundesversamm-lung am 27. April 1972 genehmigten und am 1. Oktober 1972 in Kraft getrete-nen Staatenlosenübereinkommen wurde eine rechtliche Besserstellung nur den de jure Staatenlosen gewährt (siehe Botschaft betreffend die Genehmi-gung des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BBI 1971 II 424ff.; Burckhardt, a.a.O., S. 154). Entsprechend wurde durch die Aufnahme eines Art. 311 im FlüB (per 1. Oktober 1972) den de jure Staaten-losen der gleiche AHV/lV-rechtliche Status wie den anerkannten Flüchtlingen zugebilligt. In gleicher Weise hat denn auch der Gesetzgeber den persönlichen Geltungsbereich der fürsorgerechtlichen Bestimmungen des Asylgesetzes (Art. 31-40 AsylG) nur auf die dem Übereinkommen unterstehenden, d.h. de jure Staatenlosen ausgeweitet (Bundesbeschluss vom 27. April 1972 betref-fend die Genehmigung des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen [SR 855.1] in der Fassung gemäss Art. 52 Ziff. 1 AsylG; vgl. auch Botschaft zum AsylG, BBI 1977 111 115).

Der Status als rechtlich Staatenloser ist in dem Moment gegeben, da die hiezu notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die nachträgliche Anerkennung als Staatenloser hat daher rein feststellenden Charakter. Wem die Staatsange-hörigkeit abgesprochen wird und wem kein Staat Schutz gewährt, der wird nicht Staatenloser, weil er als solcher anerkannt wird, sondern seine Anerken-nung erfolgt, weil er Staatenloser ist. Durch die formelle AnerkenAnerken-nung wird indessen die Grundlage für die Anwendbarkeit der speziell für Staatenlose be-stehenden Vorschriften geschaffen. Grundsätzliches Erfordernis für die Aner-kennung der Staatenlosigkeit eines Gesuchstellers bildet daher nach den zu-treffenden Ausführungen des BSV die vorgängige Entlassung aus der betref-fenden Staatsbürgerschaft.

c. Der Vollzug der Staatsverträge über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Staatenlosen liegt beim DFW (Art. 7 Ziff. 11 Bst. d der Verordnung vom 9. Mai 1979 über die Aufgaben der Departemente, Gruppen und Ämter in der Fassung der Verordnung über die Änderung von Erlassen im Zusammenhang mit der Einsetzung des Delegierten für das Flüchtlingswesen vom 16. Dezem-ber1985, SR 172.010.15). Wenn die erwähnten Verwaltungsweisungen in Rz 55 zum Nachweis der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Staatenlosigkeit von in

der Schweiz wohnhaften Personen eine vom DFW ausgestellte Bestätigung über die Eigenschaft als anerkannter Flüchtling oder als Staatenloser verlan-gen, ist dies rechtmässig. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Verwal-tungspraxis die Anwendbarkeit des FlüB vom Vorliegen einer formellen Vor-aussetzung, d.h. der Asylgewährung oder der Anerkennung des Status als Staatenloser durch die zuständigen Behörden, abhängig macht.

3. Zu prüfen ist weiter, ob die Beschwerdegegnerin unter den für Flüchtlinge oder Staatenlose geltenden Voraussetzungen Anspruch auf eine Witwenrente hat.

Im vorliegenden Fall ist die am 22. Oktober 1985 vom Bundesamt für Poli-zeiwesen verfügte Abweisung des Asylgesuches zufolge des ausdrücklichen und unbedingten Rückzuges in Rechtskraft erwachsen (BGE 111 V 60 Erw. 1 und 158 Erw. 3a mit Hinweisen; siehe auch Gygi, Bundesverwaltungsrechts-pflege, 2. Aufl., S. 322). Die Beschwerdegegnerin ist daher nach den zutref-fenden Ausführungen des kantonalen Gerichtes kein anerkannter Flüchtling, der aus diesem Status gestützt auf Art. 18 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art.

1 FlüB eine in der AHV den Schweizer Bürgern gleiche Rechtsstellung ableiten könnte.

Nach den Abklärungen der Ausgleichskasse und des BSV ist die Beschwer-degegnerin trotz abgelaufenem Reisepass noch immer tschechoslowakische Staatsangehörige. Diese Tatsache wird denn auch durch die Verurteilung we-gen Republikflucht unterstrichen. Die beigezowe-genen Akten des DFW enthalten keine Hinweise dafür, dass die Versicherte jemals ein Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit gestellt hätte. Das vorinstanzlich gestellte Eventualbegeh-ren auf Aussetzung des VerfahEventualbegeh-rens, bis über den «international-rechtlichen Status» der Beschwerdegegnerin entschieden sei, hatte daher keinen Bezug auf ein konkretes Gesuch an die zuständigen Behörden. Entgegen der von der Vorinstanz übernommenen Ansicht der Beschwerdegegnerin kann aus Rz 18 des bundesamtlichen Kreisschreibens vom 11. Februar 1987 nicht abgeleitet werden, wegen Verlustes bzw. Ablaufs der Gültigkeitsdauer des heimatlichen Reisepasses sei die Beschwerdegegnerin nicht mehr Tschechoslowakin.

Was hiegegen in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie in den zum integrierenden Bestandteil erklärten erstinstanzlichen Rechtsschriften vorgebracht wird, ist nicht geeignet, die Anwendung des FlüB herbeizuführen. Insbesondere kann es nicht Aufgabe der AHV/IV-Organe sein, nach «den Rechtsquellen zum humanitären Völkerrecht)> die «faktische Staatenlosigkeit der eigentlichen gleichzusetzen». Die Behauptung, die Behör-den der CSSR würBehör-den Ausbürgerungsgesuche von legal oder illegal Emigrier-ten zweifellos negativ beantworEmigrier-ten, ist durch den in Erw. 2b hievor erwähnEmigrier-ten

Fall des tschechoslowakischen Staatsangehörigen B., dem die heimatlichen Behörden eine amtliche Bescheinigung über die Entlassung aus dem Staats-verband der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und damit aus der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft ausgestellt hatten, gerade wi-derlegt. Ebensowenig vermag die Berufung auf die Erteilung der Aufenthalts- 392

bewilligung nach Art. 13 Bst. f BVO der Beschwerdegegnerin zur Besserstel-lung in der AHV zu verhelfen. Diese humanitäre Klausel - schwerwiegender persönlicher Härtefall - sagt über die Eigenschaft als Flüchtling oder Staaten-loser nichts aus und präjudiziert diesen Entscheid auch nicht. Die Versicherte kann daher trotz des humanitären Aspekts von Art. 13 Bst. f BVO, der sich in der Nichtwegweisung niedergeschlagen hat, nicht als Flüchtling oder Staa-tenlose im Sinne des FlüB anerkannt und behandelt werden.

4. Nach dem Gesagten besass die Beschwerdegegnerin im massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (3. Februar 1 988) die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit. Da der Versicherungsfall (Tod des Ehemannes am 5Ja-nuar 1987) nach Ausserkraftsetzung des schweizerisch-tschechoslowakischen Abkommens über Soziale Sicherheit (per 30. November 1 986) eingetreten ist, kann sie aus diesem Staatsvertrag keine Ansprüche mehr geltend machen. Auf die Versicherte finden daher die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für Personen, mit deren Heimatstaat die Schweiz kein Sozialversicherungsabkom-men geschlossen hat, Anwendung (Art. 18 Abs. 2 AHVG). Als sogenannte

«Nichtvertragsausländerin» kann sie Rentenleistungen der AHV nur beanspru-chen, solange sie ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz hat und sofern während mindestens zehn vollen Jahren Beiträge an die AHV entrichtet wor-den sind. Da diese Mindestbeitragsdauer unbestrittenermassen nicht erfüllt ist, hat die Ausgleichskasse den Anspruch auf eine Witwenrente zu Recht ab-gelehnt.

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 54-61)