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AHV. Beitragsrechtliche Qualifikation von Einkommen

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 47-51)

Urteil des EVG vom 23. Februar 1989 i.Sa. H.AG.

Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 AHVG. Die Frage, ob es sich bei

«Schmiergeldzahlungen» um Einkommen aus selbständiger oder un-selbständiger Erwerbstätigkeit handelt, lässt sich nicht in allgemein gültiger Weise beantworten, sondern ist in jedem einzelnen Fall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu prüfen.

Anlässlich einer Arbeitgeberkontrolle stellte die Ausgleichskasse fest, dass die HAG unter anderem auf in der Buchhaltung als «Provisionen» aufgeführten Zahlungen in der Höhe von 565 454 Franken keine Beiträge abgerechnet hatte. Gegen eine entsprechende Nachzahlungsverfügung erhob die H.AG Beschwerde mit der Begründung, bei diesen Provisionen handle es sich um

«Dritthonorare», welche selbständiges Erwerbseinkommen der Empfänger bil-deten. Die Namen der Bezüger wolle sie nicht bekanntgeben, da diese die Zah-lungen als Entschädigung für die Vermittlung von Grossaufträgen ihrer eige-nen Arbeitgeberfirmen erhalten hätten. Die kantonale Rekursbehörde erachtete die Provisionen in Übereinstimmung mit der Ausgleichskasse als massgeben-den Lohn, worauf die H.AG Beiträge zu entrichten habe. Eine Verwaltungs-gerichtsbeschwerde der H.AG weist das EVG ab. Aus den Erwägungen:

4a. Die Ausgleichskasse forderte in ihrer Verfügung vom 28. Februar 1986 ur-sprünglich auf einer Lohnsumme von 648 532 Franken Sozialversicherungs-beiträge nach. Als sich im vorinstanzllchen Verfahren herausgestellt hatte, dass von diesem Betrag 2000 Franken an eine deutsche GmbH ausbezahlt wurden, welche als juristische Person für diese Bezüge nicht beitragspflichtig ist, redu-zierte das kantonale Gericht die beitragsrechtlich noch zu erfassenden Ent-schädigungen im Einvernehmen mit der Kasse auf 646 532 Franken. Davon anerkannte die Beschwerdeführerin 83 058 Franken als bei der Beitragsab-rechnung noch zu berücksichtigende Lohnzahlungen. Zu prüfen bleibt somit, wie es sich mit den restlichen 563 474 Franken verhält, welche - was von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt wird - an grundsätzlich beitrags-pflichtige natürliche Personen ausbezahlt wurden.

b. Unbestrittenermassen richtete die H.AG diese Zahlungen verschiedenen Empfängern als Entschädigung dafür aus, dass diese ihr zu Grossaufträgen der Firmen, bei denen sie selber angestellt waren, verhalfen. Dabei durften die Ar-beitgeber der Zahlungsbezüger von dieser Vermittlungstätigkeit keine Kennt-nis erhalten. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden diese Beiträge aus-drücklich als «Schmiergelder» bezeichnet. Da sie als Gegenleistung für die von den Empfängern geleisteten Dienste augerichtet wurden, ist vom Vorliegen eines beitragspflichtigen Erwerbseinkommens auszugehen. Ob die Ausgleichs-kasse die dafür zu entrichtenden Beiträge zu Recht von der H.AG forderte, hängt von der beitragsrechtlichen Qualifikation der Zahlungsempfänger ab.

Bereits im vorinstanzlichen Verfahren wies die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die fraglichen Entschädigungen nicht als Aufwand verbucht werden konnten und von der Steuerverwaltung dementsprechend als Gewinn behan-delt wurden. Daraus kann sie indessen bezüglich der beitragsrechtlichen Qua-lifikation dieser Gelder nichts zu ihren Gunsten ableiten. Bezüglich solcher im täglichen Geschäftsleben unter verschiedensten Bezeichnungen geläufigen Zahlungen entwickelten sich zwar im Fiskalrecht zahlreiche Grundsätze über deren steuerrechtliche Erfassung (vgl. Stampfli, Die Leistung geheimer Kom-missionen und ihre steuerrechtliche Behandlung, Diss. Bern 1986, S. 152ff.

und 161 ff.; H6ritier, Les Pots-de-vin, Diss. Genf 1981, S.126ff.). Bei der bei-tragsrechtlichen Beurteilung sind die für die Steuerbehörden ausschlaggeben-den Gesichtspunkte jedoch nicht in gleichem Mass von Bedeutung, weshalb sich die Ergebnisse in diesen beiden Bereichen nicht zwangsläufig zu decken brauchen (vgl. BGE 110V 371, ZAK 1985 S.120).

Die Frage, ob es sich bei den sogenannten Schmiergeldern um Einkommen aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit handelt, lässt sich denn aus beitragsrechtlicher Sicht auch nicht zum vornherein in generell gülti-ger Weise beantworten. Sie ist vielmehr in jedem einzelnen Fall unter Berück-sichtigung der konkreten Umstände zu prüfen. Dabei gilt es zu beachten, dass sich die Bezüger solcher Gelder kaum je als Selbständigerwerbende bei der Ausgleichskasse melden werden, weshalb solche Erwerbseinkommen wie im vorliegenden Fall praktisch nur aufgrund von Arbeitgeberkontrollen entdeckt werden können. Um der damit verbundenen Gefahr einer Verwirkung erheb-licher Beitragsforderungen gebührend Rechnung zu tragen, ist aus Praktikabi-litätsgründen in der Annahme selbständiger Erwerbstätigkeit Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sich ein Betrieb deshalb seiner Abrechnungspflicht nicht lediglich mit dem Hinweis auf die angeblich selbständige Erwerbstätig-keit der Zahlungsempfänger entziehen können, ohne deren Identität preis-zugeben.

Nach den Angaben der Beschwerdeführerin handelte es sich bei den Provi-sionsbezügern durchwegs um Angestellte ihrer Kundenfirmen, welche die je-weiligen Arbeitgeberbetriebe zur Erteilung von Grossaufträgen an sie veranlass-ten oder gar selbst die Kompeveranlass-tenz zu solchen Auftragsvergebungen innehatveranlass-ten.

Bei dieser Sachlage kann nicht von einem von den Zahlungsempfängern zu tragenden Unternehmerrisiko gesprochen werden, welches die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit rechtfertigen liesse. Die Gefahr von Sanktionen infolge Verletzungen der zivilrechtlichen Treuepflicht gegenüber dem Arbeit-geber oder gar der Verwirklichung eines Straftatbestandes kann entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht als solches be-trachtet werden, da es sich dabei nicht um ein geschäftliches Risiko handelt.

Dass die Vorintanz unter diesen Umständen und in Würdigung der der Be-schwerdeführerin vorzuhaltenden Auskunftspflichtverletzung auf das Vorlie-gen einer unselbständiVorlie-gen Erwerbstätigkeit für die H.AG schloss, lässt sich nicht beanstanden. Daran vermögen auch die notariell beglaubigten Bestäti-

Mel

gungen von zwei Zahlungsempfängern, wonach zwischen diesen und der Be-schwerdeführerin keine gegenseitigen wirtschaftlichen Verpflichtungen be-standen, nichts zu ändern. Wie das kantonale Gericht zu Recht erkannte, kön-nen diese Urkunden lediglich die Behauptungen dieser Persokön-nen, nicht jedoch deren inhaltliche Richtigkeit bestätigen.

Urteil des EVG vom 25. Juli 1988 i.Sa. M.C.

(Übersetzung aus dem Französischen)

Art. 4 Abs. 1 AHVG, Art. 6 Abs. 1 AHVV: Beiträge auf Einnahmen eines Musikers. Die Einnahmen eines Musikers aus dem Verkauf von Schall-platten sind Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit und un-terliegen der Beitragspflicht (Erw. 3).

Art. 7 Abs. 2 des schweizerisch-französischen, Art. 4 des schweize-risch-portugiesischen und Art. 5 Abs. 1 des schweizerisch-britischen Abkommens über Soziale Sicherheit: Erwerbsortsprinzip.

- Vom Erwerbsortsprinzip darf nicht deshalb abgewichen werden, weil ein Versicherter in jenem Staat, in welchem er seine Erwerbs-tätigkeit ausgeübt hat, nicht beitragspflichtig war (Erw. 4b).

- Arbeitsort eines Musikers, der bei Aufnahmen dirigiert, ist der Auf-nahmeort (Erw. 4c).

Aus dem Tatbestand:

M.C. ist selbständigerwerwerbender Musiker. Er erzielt neben anderen Er-werbseinkünften sogenannte Royalties aus Schallplattenaufnahmen, welche er u.a. in Frankreich, in Portugal und in Grossbritannien verwirklicht hat.

Aufgrund einer Steuermeldung verfügte die Ausgleichskasse auch Beiträge auf diesen Royalties. Unter Berufung auf das in den jeweiligen Sozialversiche-rungsabkommen festgelegte Erwerbsortsprinzip hiess die kantonale Rekursbe-hörde eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde gut.

Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Ausgleichskasse stellte das EVG fol-gende Erwägungen an:

. . . (Kognition)

3a. Die Einkünfte eines Musikers, Kapellmeisters oder Solisten aus Schallplat-tenverkäufen können hinsichtlich Beitragspflicht mit den Lizenzeinnahmen eines Erfinders verglichen werden. Nach geltender Rechtsprechung (BGE 97V 28, ZAK 1971 S. 499; ZAK 1988 S. 289, ZAK 1985 S. 613) können letztere entweder beitragspflichtiges Erwerbseinkommen oder beitragsfreien Kapital-ertrag darstellen. Nach Art. 4 Abs. 1 AHVG und Art. 6 Abs. 1 AHVV sind jene Einkünfte zum Erwerbseinkommen zu zählen, die einem Versicherten aus einer Tätigkeit zufliessen und dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit er-

höhen. Die Frage, ob ein solches Einkommen vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der Einkünfte sowie der Art der Erwerbstätigkeit zu prüfen.

b. Vorliegend ist offensichtlich, dass die Realisierung von Tonaufnahmen zur Berufstätigkeit eines Musikers gehört, der wie M.C. Chöre und Orchester leitet.

Diese Arbeit hat für ihn auch nicht die Bedeutung einer vorübergehenden oder nebensächlichen Tätigkeit. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war die Anzahl der jährlich realisierten Aufnahmen verhältnismässig hoch - mehr als drei im massgebenden Zeitraum -‚ und der daraus erzielte Verdienst stellte einen beachtlichen Teil des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit dar. Mit der Vorinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass die von M.C. durch Tonaufnahmen erzielten Einkünfte als Ertrag aus einer beitragspflichtigen selb-ständigen Erwerbstätigkeit zu betrachten sind.

4a. Obligatorisch versichert sind u.a. die natürlichen Personen, die in der Schweiz ihren zivilrechtlichen Wohnsitz haben (Art. 1 Abs. 1 Bst. a AHVG).

Die im Sinne von Art. 1 Abs. 1 AHVG Versicherten sind gemäss Art. 3 Abs. 1 Satz 1 AHVG beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben.

Abgesehen von den Ausnahmen gemäss Art. 61er AHVV - welche vorliegend keine Bedeutung haben - kann von dieser Beitragspflicht nur dann abgesehen werden, wenn eine abweichende staatsvertragliche Regelung zur Anwendung gelangt. Das Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen der Schweizeri-schen Eidgenossenschaft und der FranzösiSchweizeri-schen Republik vom 3. Juli 1975 enthält Vorschriften über die anwendbare Gesetzgebung. Unter Vorbehalt von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, unterstehen Selbständiger-werbende, die ihre Tätigkeit im Gebiet des einen Vertragsstaates ausüben, der Gesetzgebung dieses Vertragsstaates, auch wenn sie im Gebiete des anderen Vertragsstaates wohnen (Art. 7 Abs. 2 des Abkommens).

Bei gleichzeitiger Ausübung von zwei oder mehreren unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeiten im Gebiet des einen und des anderen Ver-tragsstaates untersteht jede dieser Erwerbstätigkeiten der Gesetzgebung des-jenigen Vertragsstaates, in dessen Gebiet sie ausgeübt wird (Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens). Entsprechende Vorschriften über das Erwerbsortsprinzip enthalten auch die Sozialversicherungsabkommen der Schweiz mit Portugal vom 11. September 1975 (Art. 4) und mit Grossbritannien vom 21. Februar 1968 (Art. 5 Abs. 1). Gemäss Rechtsprechung sind diese staatsvertraglichen Bestimmungen unmittelbar anwendbare Normen, die der AHV-rechtlichen Versicherungs- und Beitragspflicht vorgehen (BGE 110 V 76, ZAK 1984 S.558 Erw. 2b mit Verweisern).

b. Die Ausgleichskasse und das BSV stellen das vorinstanzliche Urteil in Frage, nach welchem der Arbeitsort eines einen Chor und ein Orchester leiten-den Musikers bei Schallplattenaufnahmen der Aufnahmeort ist. Sie befürch-ten, dass sich ein Musiker bei Anwendung der vorinstanzlichen Kriterien den Sozialversicherungsbeiträgen entziehen könnte, da die zuständigen auslän-dischen Behörden am Aufnahmeort oft nichts von dessen Einkünften wüssten.

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Diese Schlussfolgerung ist nicht haltbar. Nach geltender Rechtsprechung (BGE 110V77, ZAK 1984 S. 558 Erw. 3b mit Verweisern) darf grundsätzlich nicht von der Unterstellung unter die Gesetzgebung des Arbeitsortes abgewi-chen werden, nur weil ein Versicherter in jenem Staat, in welchem er seine Er-werbstätigkeit ausgeübt hat, nicht beitragspflichtig war. Eine solche Abwei-chung geht auch nirgends aus dem Wortlaut der fraglichen Abkommen hervor, auf welchen sich die Auslegung eines zwischenstaatlichen Abkommens in er-ster Linie zu stützen hat.

c. Das BSV ist auch der Meinung, dass der Erwerbsort eines Musikers für seine Tätigkeit im Hinblick auf Schallplattenaufnahmen der Wohnort sei, weil dort die Vorbereitungsarbeiten und die Organisation stattfinde, wie z.B. das Führen von Korrespondenzen, die Planung der Proben und das Einstudieren der Werke für die Aufnahmen. Zur Begründung seines Standpunktes stützt sich das BSV auf einen EVG - Entscheid, nach welchem der Drehort eines Filmes für einen Berufsschauspieler nicht massgebend ist (ZAK 1973 S. 496 Erw. 4).

Dem Standpunkt des BSV kann nicht beigepflichtet werden. Im erwähnten Entscheid war das Zentrum der beruflichen Tätigkeit eines Schauspielers zu bestimmen, wobei es um die allfällige Beitragsentrichtung auf dem gesamten in seinem Beruf erzielten Einkommen ging. Vorliegend sind die Verhältnisse anders, weil sich einzig die Frage stellt, wo die Tätigkeit ausgeübt wird, aus welcher M.C. seine Vergütungen (Royalties) bezieht. Übrigens ist im vorer-wähnten Entscheid nicht eine Bestätigung eines allgemeinen Grundsatzes zu sehen, welcher für alle Formen von künstlerischer Tätigkeit im Bereich der Her-stellung von Ton- oder Bildträgern (z.B. Schallplatten) anwendbar wäre.

Selbst wenn M.C. vorliegend an seinem Wohnort vorbereitende Tätigkeiten ausführt, ist davon auszugehen, dass er seine eigentliche Arbeit, nämlich die Leitung von Chören oder Orchestern bei den Aufnahmen von musikalischen Werken, am Aufnahmeort ausübt. Demnach hat die Vorinstanz zu Recht die von M.C. aus dem Verkauf von in Portugal, Frankreich und Grossbritannien aufgenommenen Schallplatten erzielten Einkünfte vom beitragspflichtigen Er-werbseinkommen ausgenommen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als unbegründet.

AHV. Begriff des für die Beitragserhebung

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 47-51)