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AHV/IV. Rechtspflege

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 134-138)

Urteil des EVG vom 22. März 1989 i.Sa. E.S.

Das EVG kann bei Leistungsstreitigkeiten in der Regel die Verletzung des rechtlichen Gehörs auch durch einen Sachentscheid heilen, wenn nur diese beschwerdeweise gerügt, im übrigen aber materiell nicht Stellung genommen wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (Erw.

3b und c).

Mit Verfügung vom 16. Juni 1988 sprach die Ausgleichskasse dem 1931 ge-borenen E.S. eine halbe 1V-Rente ab 1März 1988 zu. Sie stützte sich dabei auf einen Beschluss der IV-Kommission vom 4. Mai 1988, womit der Invaliditäts-grad des Versicherten entsprechend dem Ergebnis einer polydisziplinären Ab-klärung (Gutachten vom 22. April 1988) auf fünfzig Prozent festgesetzt wor-den war.

Der Versicherte liess beschwerdeweise die Gewährung einer ganzen IV- Rente beantragen. Das kantonale Versicherungsgericht holte einen ergänzenden Be-richt ein und wies daraufhin die Beschwerde mit Entscheid vom 29. August 1988 ab.

E.S. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, der kan-tonale Entscheid sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, ihm «das rechtliche Gehör hinsichtlich des erläuternden Berichtes des Experten ... ein-zuräumen, bevor ein neuer Sachentscheid gefällt» werde.

Zur Begründung lasst er im wesentlichen vorbringen, die kantonale Be-schwerde habe sich hauptsächlich gegen die Schlussfolgerungen im Gutach-ten vom 22. April 1988 gerichtet und diese als unvollständig und zum Teil wi-dersprüchlich qualifiziert. Das Versicherungsgericht habe in der Folge einen Ergänzungsbericht eingeholt; es habe E.S. jedoch weder über dieses Vorgehen orientiert, noch habe es ihm vom Inhalt des Bescheids Kenntnis gegeben. In-dem das kantonale Gericht ihm keine Gelegenheit eingeräumt habe, zum Er-gänzungsgutachten Stellung zu nehmen, habe es das rechtliche Gehör ver-letzt.

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Ausgleichskasse und BSV enthalten sich einer Stellungnahme.

Das EVG heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus folgenden Erwägun- gen gut:

Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versi-cherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des EVG nicht auf die Ver-letzung von Bundesrecht einschliesslich Uberschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanz-liche Feststellung des rechtserhebvorinstanz-lichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausge-hen (Art. 132 OG).

Der Beschwerdeführer lässt ausschliesslich geltend machen, die Vorinstanz habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem sie ihm den Ergän-zungsbericht des Experten nicht nur Kenntnis- und Stellungnahme unterbrei-tet habe.

Bestandteil des Anspruchs auf rechtliches Gehör bildet das Recht auf Ak-teneinsicht (BGE 113 la 288 Erw. 2b; ZAK 1988 S.39 Erw. 2a) sowie das

Recht, sich zu neuen, erheblich scheinenden Beweisergebnissen zu äussern (BGE 114 la 99 Erw. 2a; ZAK 1986 S.62 Erw. 2).

Das Recht auf Akteneinsicht ist wie der Anspruch, angehört zu werden, for-meller Natur. Die am Verfahren Beteiligten sind zu seiner Ausübung berechtigt, ohne dass zu prüfen ist, ob ihre Stellungnahme dadurch anders ausfällt oder ob sie damit auf den Entscheid Einfluss nehmen können (BGE 106 la 74). Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Dokumente, die zum Prozessgegenstand gehören, gleichgültig, ob sie den Ausgang des Ver-fahrens zu beeinflussen vermögen oder nicht. Ausgenommen sind diejenigen Aktenstücke, deren vertrauliche Behandlung durch ein überwiegendes Inter-esse des Staates oder von Dritten geboten ist (BGE 113 la 4 Erw. 4a). Ferner erstreckt sich das Akteneinsichtsrecht nicht auf Dokumente, die nur für den verwaltungsinternen Gebrauch bestimmt sind (BGE 113 la 9 Erw. 4c cc).

Die Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides (BGE 111 la 166 Erw. 2a mit Hinweisen). Das EVG hat indessen wiederholt entschieden, dass eine Verletzung des rechtli-chen Gehörs grundsätzlich als geheilt gelten kann, wenn der Beschwerdefüh-rer die Möglichkeit erhält, sich vor einer mit voller Kognition ausgestatteten Rekursbehörde zu seiner Sache allseitig zu äussern (BGE 107 V 249 Erw. 3, 103V 133 Erw. 1,99V 61; ZAK 1986 S.62 Erw. 2, 1984 S. 136 Erw. 2, 1983 S.408, 1982 S.494 Erw. 1).

3a. Das kantonale Versicherungsgericht hat gestützt auf die in der Be-schwerde vorgebrachten Einwände gegen das Gutachten vom 22. April 1988 einen Ergänzungsbericht eingeholt. In seinem Entscheid hat es wesentlich auf

diesen abgestellt, ohne dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt zu haben, davon Kenntnis zu nehmen und dazu Stellung zu beziehen. Dass Grunde vorgelegen hätten, welche eine Verweigerung des Akteneinsichts-rechts wegen überwiegender Interessen des Staates oder Dritter an einer ver-traulichen Behandlung gerechtfertigt hätten, wird zu Recht nicht behauptet.

Indessen geht aus den Akten und insbesondere aus dem vorinstanzlichen Ent-scheid hervor, dass durch die vom Versicherungsgericht vorgenommene Ak-tenergänzung Tatsachen klargestellt werden sollten, denen die Vorinstanz eini-ge Bedeutung für den Prozessausgang beimass. Der Beschwerdeführer hatte daher zweifellos ein erhebliches Interesse daran, vom Ergebnis dieses ergän-zenden medizinischen Bescheides Kenntnis zu erhalten, um allfällige Gegenar-gumente vorbringen zu können. Da ihm dies durch das Vorgehen der Rekurs-behorde verunmöglicht worden ist, muss die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bejaht werden (BG E 114 la 100 Erw. 2c).

Da dem EVG im vorliegenden Fall umfassende Kognition zusteht, könnte der Mangel als geheilt gelten, wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, inzwischen zum Ergänzungsbericht Stellung zu nehmen. Der Vertreter des Be-schwerdeführers hat die Akten im Anschluss an den Erlass des kantonalen Ent-scheids eingesehen und hätte somit die Möglichkeit gehabt, sich in der Ver-waltungsgerichtsbeschwerde auch zum Ergebnis des Ergänzungsgutachtens zu äussern. Indessen beschränkt er sich auf die Rüge des formellen Mangels.

Die Rechtsprechung zeigt, dass das EVG in Leistungsstreitigkeiten, in denen die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wurde, regelmässig materiell ent-schieden hat mit der Feststellung, eine allfällige Verletzung des rechtlichen Ge-hörs sei geheilt (BGE 103V 133 Erw. 1,99V 61; ZAK 1986 S.62, 1984 S. 136f.

Erw. 2, 1983 S.408, 1982 S.494 Erw. 1). Dieser Grundsatz muss auch gelten, wenn der Beschwerdeführer nur die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf den materiellen Streitpunkt nicht eingeht, sofern er vom vorenthaltenen Beweisergebnis nachträglich Kenntnis nehmen konnte (BGE 110V 114 Erw. 4b in fine) und an sich Gelegenheit gehabt hatte, sich zu diesem Beweisergebnis vor einer In-stanz zu äussern, die sowohl die Rechts- als auch die Tatfragen uneinge-schränkt prüfen kann.

Vorliegendenfalls wäre ein solcher Ausgang des Verfahrens jedoch für den Beschwerdeführer denkbar unbefriedigend und angesichts der nicht leicht zu nehmenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorin-stanz auch stossend. Unter den gegebenen Umständen ist es verständlich, dass der Beschwerdeführer nur die Kassation des kantonalen Entscheides be-antragt. Daran ändert der Umstand nichts, dass er die Möglichkeit gehabt hatte, vor dem EVG den Fall auch materiell vorzutragen. Es rechtfertigt sich da-her, den kantonalen Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie dem Beschwerdeführer Gelegenheit gibt, sich zum Ergänzungsbericht vom 16. August 1988 zu äussern, bevor sie die Beschwerde erneut materiell beurteilt.

4.:

Von Monat zu Monat

Am 5. September fand unter dem Vorsitz des BSV der 85. Meinungvau.-tausch mit den Vertretern der Ausgleichskassen statt. Die Frage einer even-tuellen Erhöhung der Freigrenze für geringfügige Entgelte aus Nebenerwerb soll in der Kommission für Beitragsfragen geprüft werden. Zum Thema

1K-Eintrag und Beitragsdauer in Sonderfällen wird das BSV in einer der nächsten Ausgaben der ZAK/RCC einen Hintergrundbericht publizieren. Für die praktische Anwendung des ah 1990 ändernden Artikels 52 111 AHVV (Anrech-nung fehlender Beitragsjahre bei Teilrenten) wird das BSV Vollzugsweisungen erlassen, welche noch vorgängig in der Kommission für Rentenfragen bespro-chen werden (s. nachstehende Meldung).

Die Kominissiontür Rentenfragen tagte am 7. September unter dem Vorsitz von A. Berger. Abteilungschef im BSV. Sie befasste sieh mit dem Entwurf ei-nes Kreisschreibens an die AHV-Ausgleichskassen über die erleichterte An-rechnung fehlender Beitragsjahre, der Aufhebung von Auszahlungsbeschrän-kungen bei der bargeldlosen Rentenauszahlung und der Mitwirkung des BSV bei EDV-Rentenprojekten von Ausgleichskassen. Daneben wurde auch ein Nachtrag zur Wegleitung über die Renten behandelt.

Die Kommission für

Beitragsfragen

tagte am 26. September unter dem Vor-sitz

Von

A. Berger. Abteilungschef im BSV. Sie bereinigte abschliessend die Neufassung des Kreisschreibens über die Versicherungspflicht und beschloss eine Lösung für das Problem der Beitragspflicht und Kassenzugehörigkeit von frühzeitig Pensionierten. Ferner wurde die Zusammenarbeit mit der SUVA besprochen (Verbindlichkeit der Abgrenzungsbeurteilung selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit) und kleine Anpassungen im Bereich der Verwaltungsweisungen erörtert.

Der Ausschuss

«Leistungen»

der Eidgenössischen Kommission für die

be-rufliche Vorsorge hielt am 26. September unter dem Vorsitz von Dr. H. Walser

seine 12. Sitzung ab. Er befasste sieh vor allem mit Detailfragen betreffend die

Anpassung der Altersrenten an die Teuerung, wobei verschiedene Modelle zur

Diskussion standen.

Die Soziale Sicherheit der Schweizer Bürger

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