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AHV/IV. Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen

Im Dokument Von Monat zu Monat (Seite 184-187)

Urteil des EVG vom 111. April 1989 i.Sa. R.B.

Art. 47 AHVG,

Art.

49 IVG. Die Verwaltung kann eine formell rechts-kräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richter-licher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstat-tung zu Unrecht bezogener GeldleisRückerstat-tungen der AHV und IV.

Bezüglich der Erheblichkeit der Berichtigung lässt sich eine allgemein gültige betragliche Grenze nicht festlegen. Massgebend sind die ge-samten Umstände des Einzelfalles (Bestätigung der Rechtsprechung).

Eine Rückforderung von Taggeldern im Gesamtbetrag von Fr. 165.90 ist im konkreten Fall nicht erheblich (Erw. 2c).

R.B., geboren 1950, erhält seit 12. Oktober 1987 als berufliche Massnahmen Leistungen der IV für die Einarbeitung bei der Firma V. Das Taggeld beträgt seit 1. Januar 1988 Fr. 23.70. Am 9. Mai 1988 unterzog sich der Versicherte in einer orthopädischen Universitätsklinik einer Entfernung von Osteosynthesemate-rial. Deswegen war er bis 5.Juni 1988 ganz und bis 24Juni 1988 zur Hälfte arbeitsunfähig. Mit Verfügung vom 26Juli 1988 forderte die Ausgleichskasse 516

folgende während der Arbeitsunfähigkeitsperiode bezogenen Taggelder zu- rück:

«Zuviel und zu Unrecht bezogene IV- Taggelder 09.05.-29.05.1988 erlaubte Krankheitsfrist

30.05.-05.06.1988 7 Tage Fr. 23.70 (100%) Fr. 165.90 06.06.-24.06.1988 19 Tage Fr. 11 .85 ( 50%) Fr. 225.15 Fr. 391.05 abzüglich 5,35% AHV- und ALV-Beiträge, die direkt

mit der Auszahlung abgerechnet wurden Fr. 20.90

Total Rückforderung Fr. 370.15»

Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die kantonale Rekursbehörde für die AHV mit Entscheid vom 29. November1988 ab.

R.B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt u.a., von einer Rückerstattung der IV-Taggelder sei abzusehen.

Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsschwerde. Das BSV beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei in be-zug auf den Taggeldanspruch für die Zeit vom 6. bis zum 24. Juni 1988 und -

sofern der Beschwerdeführer die Meldepflicht rechtzeitig erfüllt habe - auch in bezug auf die Taggeldrückforderung für die Zeit vom 30. Mai bis zum 5. Juni 1988 gutzuheissen.

Das EVG heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - soweit es darauf eintritt

—aus folgenden Erwägungen gut:

1. Gemäss Art. 128 OG beurteilt das EVG letztinstanzlich Verwaltungsge-richtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97und 98 Bst. b—h OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Im verwaltungsgerichtlichen Be-schwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit be-stimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungs-gegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergan-gen ist (BGE 110V 51 Erw. 3b mit Hinweisen, ZAK 1985 S. 53).— Geergan-genstand der angefochtenen Verfügung vom 26. Juli 1988 ist einzig die Rückforderung von in der Zeit vom 30. Mai bis 24. Juni 1988 bezogenen Taggeldern. Auf die über diesen Anfechtungsgegenstand hinausgehenden Anträge des Beschwer-deführers in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Cobol-Kurs, Ersatz von

Fahrt- und Verpflegungskosten nach R. usw.) ist daher nicht einzutreten.

2a. Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Ge-genstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 111 V 332 Erw. 1; BG 110V 178 Erw. 2a und 292 Erw. 1 mit Hinweisen, ZAK 1985 S.63 und 234). Die für die Wiedererwägung formell

rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der AHV und IV (Art. 47 Abs. 1 AHVG und 49 IVG; BGE 110V 179 Erw. 2a, ZAK 1985 S.63).

Wie das BSV in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend ausführt, fehlt für eine hälftige Kürzung des Taggeldes wegen hälfti-ger Arbeitsunfähigkeit eine gesetzliche Grundlage, weshalb die Rückforderung für die Zeit vom 6. bis 24. Juni 1988 und damit im Betrage von Fr. 225.15 (ab-züglich 5,35% AHV- und ALV-Beiträge) zu Unrecht erfolgte. Ob der verblei-bende, im Streit liegende Betrag von Fr. 165.90 brutto dem Beschwerdeführer zu Unrecht ausbezahlt worden ist, wie Ausgleichskasse und Vorinstanz ange-nommen haben, kann dahingestellt bleiben. Denn die Wiedererwägung einer rechtskräftigen Verfügung setzt nebst zweifelloser Unrichtigkeit voraus, dass die Berichtigung des Verwaltungsaktes von erheblicher Bedeutung ist.

Nach der Rechtsprechung des EVG (BGE 107 V 180) lässt sich eine allge-mein gültige betragliche Grenze für die Voraussetzung der Erheblichkeit der Berichtigung nicht festlegen. Massgebend sind vielmehr die gesamten Um-stände des Einzelfalles, wozu auch die Zeitspanne gehört, welche seit der zu

Unrecht erfolgten Leistungsgewährung verstrichen ist. Grundsätzlich unbe-achtlich muss hingegen die Anzahl der auf dem gleichen Fehler der Verwaltung beruhenden Rückforderungsstreitigkeiten sein. Die Höhe des unrechtmässig ausbezahlten Betrages ist insofern von Bedeutung, als das Interesse der Ver-waltung an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts in der Regel umso weniger ins Gewicht fällt, je geringer die zu Unrecht ausgerichteten Lei-stungen sind. Die Voraussetzung der Erheblichkeit der Berichtigung dient im übrigen der Verwaltungs- und Prozessökonomie. So wurden Beträge von Fr. 265.20 (BGE 107V 182 Erw. 2b) und Fr. 568.10 (nicht veröffentlichtes Ur-teil W. vom 2. Februar 1989) als nicht erheblich betrachtet.

Vorliegend geht es um die Rückforderung von Taggeldern der IV im Gesamt-betrag von Fr. 165.90 (abzüglich 5,35% AHV- und ALV-Beiträge). Diese Lei-stung erscheint angesichts des konkreten Betrages in Würdigung der gesam-ten Umstände nicht als derart erheblich, dass das Interesse der Verwaltung an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts gegenüber demjenigen an der Rechtssicherheit überwiegen würde. Die Voraussetzung der Erheblichkeit für eine Rückforderung der streitigen Taggelder ist daher nicht erfüllt, weshalb diejenige der zweifellosen Unrichtigkeit nicht geprüft werden muss.

3. Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäss die Gewährung eines Partei-Vortrages. Gemäss Art. 112 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 132 OG kann der Prä-sident des EVG eine Schlussverhandlung mit Parteivorträgen anordnen. Eine Verpflichtung zu einer solchen Vorkehr besteht indessen grundsätzlich nicht.

Sie ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn die Sach- und Rechtslage aufgrund des bisherigen Verfahrens hinreichend klar ist und keiner weiteren Erörterung bedarf (RSKV 1983 Nr. 545 S. 192 Erw. 5). Dies trifft im vorliegen-den Fall zu, weshalb das Begehren um eine Schlussverhandlung abzuweisen ist.

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