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Rosinenpickerei nein

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 72-75)

Interview mit Maritha Dittmer, Geschäftsführerin Kommunale Beteiligungsgesellschaft mbH an der envia (KBE)

D

er vor dem Bundesverfassungsgericht am 22. Dezember 1992 erzielte sogenannte „Stromvergleich“ war die zentrale Voraussetzung für die Etablierung einer leistungsstarken kommunalen Energieversorgungswirtschaft in den Neuen Bundesländern.

Im Ergebnis erhielten die dortigen Kommunen ihr Vermögen an den Netzen und den Erzeugungs- und Versorgungsanlagen in der Energiewirtschaft zurück. Das war eine wesentliche Grundlage für das direkte kommunale Engagement bei der Stromerzeugung und -verteilung. Ein zweiter zentraler Weg für die ostdeutschen Kommunen war die gebündelte Beteiligung an Regionalversorgern in den neuen Ländern. Unmittelbar vor dem 20jährigen Jubiläum dieser für die ostdeutschen Kommunen historisch zu nennenden Entscheidung des höchsten deutschen Gerichtes wird vielerorts auch ein Fazit zu zwei Jahrzehnten kommunaler Energieversorgung in Ostdeutschland gezogen. Das war auch die Intention des Gespräches, das wir mit Maritha Dittmer, Geschäftsführerin der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft mbH an der envia, führten.

müssten im Sinne einer experimentellen Her-angehensweise an völlig neue soziostrukturelle Parameter auch Fehler bei der Entwicklung von Konzepten möglich sein. Generell sollten sich die Strategien an die Prozesse anpassen. Denn auch eine nur mittelfristige Umkehrung demo-grafischer Entwicklungen wird es nicht geben.

Inge Klaan verbindet mit der Stärkung zentra-ler Orte nicht notwendigerweise eine Schwächung der Provinz. Eher umgekehrt werde das Umland stabilisiert, wenn die Zentren prosperieren.

Dirk Hilbert schließt sich an die Ausführun-gen Dr. Michels an. „Dresden hat sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Uns ist allerdings nicht daran gelegen, auf Kosten des Umlands zu wachsen oder beispielsweise massiv Fachkräfte aus dem nahen Tschechien oder Polen anzuwerben.“ Das Engagement ziele vielmehr darauf, die möglichen Synergien zwischen der Metropole Dresden und den ländlichen Regionen im Sinne aller Beteiligten noch besser zu nutzen.

In dieser Diktion unterstützt auch Ralf Leim-kühler das Zentrale-Orte-Prinzip. „Wir werden es uns in Zukunft nicht mehr leisten können, alles an jedem Ort vorzuhalten.“ Dies sei letztlich nur eine logische Folge der sinkenden Bedarfe in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge. Kom-munen und kommunale Unternehmen in ganz Deutschland haben hier bereits vielfältige Kon-zepte erarbeitet, wie sich

Daseinsvorsorgeleistun-DIE TEILNEHMER DER PODIUMSDISKUSSION (IN NAMENSALPHABETISCHER REIHENFOLGE)

ˆ Hilbert, Dirk, Erster Bürgermeister und Beigeordneter für Wirtschaft der Landeshauptstadt Dresden

ˆ Gundlach, Prof. Dr, Ulf, Staatssekretär, Ministerium des Inneren, Sachsen-Anhalt

ˆ Leimkühler, Ralf, stellvertretender Geschäftsführer Sächsischer Städte- und Gemeindetag

ˆ Klaan, Inge, Staatssekretärin, Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, Freistaat Thüringen

ˆ Michel, Dr., Harald, Geschäftsführer Institut für angewandte Demografie, Berlin

ˆ Sedner, Wolfgang, Bürgermeister Stadt Lichtenstein (Sachsen), Mitglied der VfkE- Koordinierungsgruppe für den Freistaat Sachsen

ˆ Zieschank, Reiner, Mitglied Vorstand VKU-Landesgruppe Sachsen, Geschäftsführer DREWAG – Stadtwerke Dresden GmbH

gen in Kooperation mit angrenzenden Städten und Gemeinden effizient vorhalten lassen, ohne dass die Versorgungsqualität darunter leidet.

Zum Abschluss der VfkE-Regionalveran-staltung würdigte Prof. Dr. Schäfer als zentrales Ergebnis der VfkE-Studie und der Veranstal-tung, dass die in den Kommunen politisch Ver-antwortlichen ihre eigene Verantwortung bei der Implementierung interkommunaler kom-munalwirtschaftlicher Kooperationen an erster Stelle sehen. Ein Beleg dafür sei, dass in der Befragung unter den Hindernissen für die Eta-blierung grenzüberschreitender Kooperationen

das „Kirchturmdenken“ mit großem Abstand als wichtigstes Hindernis benannt worden sei.

Schäfer wörtlich: „Die kommunale Familie ist sich ihrer Verantwortung bewusst: zu einem stärkeren regionalen Verständnis von Daseins-vorsorge unabhängig bestehender administrati-ver Strukturen gibt es keine Alternative.“ n Die Podiumsdiskussion dokumentierte Falk Schäfer

www.vfke.org

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73 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Maritha Dittmer Foto: Markus Pfeifer

gebündelt sind. Skizzieren Sie uns bitte im Detail die kommunale Beteiligungsstruktur und die wichtigsten Etappen ihrer Geschichte.

Dittmer:

Die kommunalen Spitzenverbände haben registriert, dass die Kommunen nach dem Kommunalvermögensgesetz über Anteile an den Regionalversorgern verfügen. Sie sahen es als sinnvoll an, die kommunalen Interessen in Beteiligungsgesellschaften zu bündeln, damit die Aktien nicht einfach abgekauft werden können. Schließlich ist in meiner badischen Heimat genau dies geschehen. Die kommunale Komponente spielt dort in der regionalen Ver-sorgungswirtschaft kaum eine Rolle mehr. Wir haben uns deshalb die Modelle der kommuna-len Anteilseigner der heutigen EnBW und der kommunalen Beteiligungsgesellschaft an der RWE zum Vorbild genommen. Hierbei ist die Rechtsform der GmbH mit einem deutlich größeren rechtlichen Spielraum verbunden, als bei einem Zweckverband. Die kommunalen Spitzenverbände haben die Beteiligungsgesell-schaften in den Neuen Bundesländern immer dort gegründet, wo auch der Regionalversorger seinen Sitz hatte – also in der Regel in den ehe-maligen Bezirksstädten. Auch die Vertriebsge-biete der neuen Regionalversorger entsprachen weitgehend den ehemaligen Bezirksgrenzen.

In Sachsen haben wir drei Gesellschaften gegründet. Eine im Osten des Freistaats, wo die EnBW am Regionalversorger beteiligt war und zwei weitere in Chemnitz und Markklee-berg, wo sich RWE engagierte. Wir haben die Aktien damals von der Bundesanstalt für Ver-einigungsbedingtes Sondervermögen (BVS) treuhänderisch übernommen – mit der Maß-gabe, den Bestand des kommunalen Eigentums in der Energiewirtschaft zu sichern. Nur eine Minderzahl der beteiligten Gemeinden hat sich dazu entschlossen, die Aktien selbst zu verwal-ten. Der große Teil der Aktien wurde nach und

nach in die Gesellschaften eingelegt, weshalb die Kommunen bis heute aktiv an der Energiewirt-schaft im regionalen Bereich mitwirken können.

Wir haben die Energieversorgung immer als zentralen Teil der Daseinsvorsorge verstanden.

Und wir waren uns stets bewusst, dass wir

expli-zit den ländlichen Raum vertreten. Die Versor-gungssicherheit ist hier ein zentrales Kriterium.

Die kommunale Beteiligungsgesellschaft an der enviaM hält aktuell einen Anteil von 22,18 Pro-zent. Wir liegen damit über der Sperrminorität von 20 Prozent, sind eine starke Gemeinschaft und können sicherstellen, dass gegen die Kom-munen keine strategischen Entscheidungen getroffen werden. Die kommunale Seite nimmt fünf von zehn Sitzen im Aufsichtsrat wahr. Drei davon entfallen auf die KBE. Hier können wir unsere Rechte gegenüber dem Regionalversor-ger durchaus geltend machen. Das Jahr 1998 läutete eine weitere Etappe in der Entwicklung des Unternehmens ein. Die vorhandenen Struk-turen mussten im Kontext der Liberalisierung

auf ihre Wettbewerbsfähigkeit überprüft wer-den. Es wurden Verhandlungen geführt, die im Ergebnis zu einer Zusammenlegung der ESSAG aus Cottbus, der EVS aus Chemnitz und der WESAG aus Markleeberg führten. Die kom-munalen Anteilseigner sind diesen Schritt mit-gegangen und haben nach und nach auch die jeweiligen Anteilseignergesellschaften vereint.

Im Jahre 2001 fusionierte die Muttergesellschaft RWE mit der VEW. Die Versorgungsgebiete der jeweiligen Töchter – envia in Südbranden-burg, Thüringen und Sachsen sowie MEAG in Sachsen-Anhalt – grenzten direkt aneinan-der. Insofern war auch hier die Schaffung einer gemeinsamen Gesellschaft angeraten. Im Jahre 2002 kam es zur Fusion von envia und MEAG zur Envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM).

Seitdem existiert neben uns eine zweite kom-munale Anteilseignergesellschaft mit Städten und Gemeinden aus dem südlichen Sachsen-Anhalt, die KBM. Wir vertreten unsere Interes-sen gemeinschaftlich und mit klarem Fokus auf die regionale Komponente. Hauptanliegen ist es, enviaM als eigenständiges Unternehmen zu erhalten und so für Wertschöpfung und Arbeits-plätze vor Ort zu sorgen.

Enge Verknüpfung der Akteure UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Von kommunaler Seite wird regelmäßig betont, dass die Beteiligung an der enviaM nicht auf den finanziellen Aspekt zu redu-zieren sei. In erster Linie gehe es um aktive Mitgestaltung. Wie muss man sich das grund-sätzlich vorstellen?

Dittmer:

Neben den bereits erwähnten Aufsichtsratsman-daten besteht auch ein überwiegend mit Ver-tretern der Kommunen besetzter Beirat. Dort sind unter anderem die Bürgermeister aus den einzelnen Regionen des Versorgungsgebietes vertreten. Letztlich sind wir davon überzeugt, dass zu einer regionalen Versorgungsstruktur nicht nur Stadtwerke, sondern auch Regional-versorger gehören. Die Heterogenität des Ver-triebsgebietes haben wir mit einer Vertretung der Regionen sowohl im Aufsichtsrat der KBE als auch in den Gremien der enviaM abgebil-det. Das gesellschaftspolitische Engagement wird mit den Sponsoring-Richtlinien ebenfalls regional ausgerichtet. Auch bei der Förderung der Energieeffizienz und mit dem konsortial-rechtlich vereinbarten Personalkonzept sorgen wir dafür, dass der regionale Ansatz erhalten bleibt. Im Aufsichtsrat entwickeln wir die stra-tegischen Zielorientierungen des Unterneh-mens. Als kommunale Beteiligungsgesellschaft verstehen wir uns als Brücke zwischen dem DIE KOMMUNALE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT AN ENVIAM MBH (KBE) –

FAKTEN UND ZAHLEN

Die KBE hält 22,18 Prozent der Aktien an der enviaM und ist im Aufsichtsrat mit zwei von zehn Sitzen vertreten. Gesellschafter sind 429 Kommunen aus Brandenburg, Sachsen und kleineren Teilen Thüringens sowie Sachsen-Anhalts. Die Gesellschaft liegt über der Sperrminorität von 20 Prozent. Das Engagement der enviaM begann mit der Neuordnung der Versorgungswirtschaft in Ostdeutschland. RWE wird 1992 Mehrheitsaktionär von ESSAG, WESAG und EVS AG – den Nachfolgegesellschaften der Energiekombinate aus den DDR-Bezirken Cottbus, Leipzig und Karl-Marx-Stadt. 1999 erfolgt die Fusion der drei Regionalversorger zur envia. 2001 kam die MEAG aus Sachsen-Anhalt hinzu. Das Unternehmen firmiert fortan unter dem Namen envia Mitteldeut-sche Energieversorgung (enviaM) verblieb aber im RWE-Konzern. Ein Jahr später verschmolzen die kommunalen Beteiligungsgesellschaften aus Süd- und Westsachsen zur KBE. Im Jahre 2009 fusionierte die Gesellschaft der kommunalen ESSAG Aktionäre aus Brandenburg mit der KBE. Eine zweite kommunale Beteiligungsgesellschaft, die KBM vertritt die Anteilseigner aus dem Versor-gungsgebiet der ehemaligen MEAG.

Ich sehe den Ausbau kommuna-ler Verantwortung zwar generell positiv, dies darf aber nicht dazu führen, dass sich die Stadtwerke

die Rosinen aus dem Versor-gungsnetz herauspicken und der ländliche Raum abgehängt wird.

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Maritha Dittmer

UNSERE GESPRÄCHSPARTNERIN Maritha Dittmer wurde 1956 in Donau-eschingen geboren. Sie erwarb an der Fach-hochschule für Finanzen in Ludwigsburg ein Diplom der Finanzwirtschaft und zwei Jahre später ein weiteres in Verwaltungswirtschaft.

In den 80er Jahren amtierte sie als Haupt-amtsleiterin in den baden-württembergischen Städten Bonndorf im Schwarzwald und Bad Wimpfen. Nach der politischen Wende in der DDR wechselte sie zum Sächsischen Städ-te- und Gemeindetag. Von 1993 bis 2000 fungierte sie als dessen Geschäftsführerin.

1995 übernahm sie die Geschäftsführung der Kommunalen Beteiligungsgesellschaften KBS, KBW und KBO. Nach deren Umstruktu-rierung führt sie seit 2002 und bis heute die Geschäfte der KBE Kommunale Beteiligungs-gesellschaft mbH an der envia. Seitdem wirkt sie auch als Repräsentantin für Kommunal- und Landespolitik der envia Mitteldeutsche Energie AG.

Unternehmen auf der einen und den Kommu-nen auf der anderen Seite. Wir sind Ansprech-partner für beide Seiten. Uns allen ist wichtig, dass wir die Konzessionsverträge zusammen-halten. Ich sehe den Ausbau kommunaler Ver-antwortung zwar generell positiv, dies darf aber nicht dazu führen, dass sich die Stadtwerke die Rosinen aus dem Versorgungsnetz herauspicken und der ländliche Raum abgehängt wird.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Rund 700 ostdeutsche Kommunen sind mit 41,43 Prozent an der enviaM beteiligt. Die Annahme ist sicher nicht abwegig, dass deren Interessen nicht immer identisch mit denen der Konzernmutter RWE sind, die Mehr-heitseigner von enviaM ist. Trifft diese Hypo-these zu, wo zeigen sich Divergenzen, und wie erfolgt der Interessensausgleich?

Dittmer:

Das zentrale Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung der enviaM ist hier wie dort vor-handen. Manchmal gibt es unterschiedliche Ansichten, auf welchen Wegen dies gesichert werden soll. Dies gilt etwa, wenn die Kon-zernführung Leistungen bündeln möchte, wir aber auf einer dezentraleren Ausrichtung beharren. Wir haben in diesem Spannungs-feld aber immer einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Die Kommunen sind aufgerufen, zu beweisen, dass regionale Lösungen genau-so effizient sein können, wie die Strategie einer zunehmenden Zentralisierung. Das Wichtigste in jeder Partnerschaft ist, dass man den Kon-takt nie verliert und immer wieder aufeinander zugeht.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wenn es nach Ihrer Einschätzung real weni-ger um Interessenausgleich, sondern in erster Linie um ein konstruktives Miteinander der kommunalen Miteigentümer und der enviaM geht, beschreiben Sie uns doch bitte, wie die-ses Zusammenwirken praktisch funktioniert,

und welche Rolle die von Ihnen geführte Gesellschaft dabei spielt?

Dittmer:

Wir wirken ja in den Gremien mit. Im Vorfeld der Aufsichtsratssitzungen finden immer auch Gesprä-che mit dem Vorstand der enviaM statt, in denen die Fragen der kommunalen Seite erörtert werden können. Generell regelt der Konsortialvertrag das Miteinander der Aktionäre und die Kompetenzen der einzelnen Akteure. Dies hat uns in der Ver-gangenheit geholfen, dezentrale Strukturen und das kommunale Mitspracherecht zu erhalten. Der Vorstand geht konstruktiv auf unsere Interessen ein. Die beiden kommunalen Anteilseignergesell-schaften arbeiten eng zusammen und vertreten gemeinsam die kommunale Seite gegenüber RWE und enviaM. Trotz der Heterogenität der betei-ligten Kommunen und der Zugehörigkeit zu vier verschiedenen Bundesländern haben wir bislang immer tragfähige Lösungen gefunden.

Mit im Boot bleiben

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

2010 wurde der Regionalversorger Wemag in Mecklenburg-Vorpommern kommunalisiert.

Kommunen in erster Linie aus Mecklen-burg-Vorpommern, einige aus Brandenburg, erwarben vom vormaligen Mehrheitseigner Vattenfall die Anteile. Mit im Boot ist seitdem auch die 100prozentig kommunale Thüga AG mit 25,1 Prozent. In Thüringen haben die kommunalen Miteigentümer (47 Pro-zent) an E.on Thüringen Ende Juli mit gro-ßer Mehrheit beschlossen, die zum Verkauf stehenden 53 Prozent von der E.on-Mutter-gesellschaft zu erwerben. Wie beurteilen Sie diese Entwicklungen?

Dittmer

RWE hat sich klar dazu bekannt, dies nicht zu wollen. Insofern stellt sich diese Frage für uns aktuell nicht. Wenn dies in der Zukunft der Fall sein sollte, würden wir uns gerne an dem posi-tiven Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern orientieren und eine kommunale Lösung anstre-ben. Allerdings müsste das nötige Know-how für die Führung eines solchen Unternehmens gesichert werden, so wie in Mecklenburg-Vor-pommern oder wahrscheinlich auch in Thürin-gen durch die Beteiligung eines Dritten, wenn möglich mit kommunalem Hintergrund.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wie sehen Sie die Zukunft der enviaM mit ihrer kommunalen Beteiligung in einem Umfeld mit vielen Ideen zur Kommunalisierung, Rekom-munalisierung und Dezentralisierung von Energieerzeugung und -versorgung?

Dittmer:

Im Versorgungsgebiet der enviaM hält sich die Rekommunalisierung noch in Grenzen. In der überwiegenden Zahl der Fälle beschränkt sich dieser Trend auf die Anpassung der Vertriebs-netze an erweiterte Gemeindegrenzen von Städten mit Stadtwerken. Falls Konzessionen abgegeben werden müssen, wollen wir den-noch weiter im Boot bleiben. Wenn sich wie jüngst in Oschatz eine neue Netzgesellschaft bildet, dann sollte enviaM sich daran beteili-gen. Genau dies ist in diesem und in anderen Fällen auch geschehen.

Ich sehe für die enviaM eine positive Zukunft, aber auch enorme Herausforderun-gen. Eine weitere Dezentralisierung halte ich allein wegen der damit verbundenen Auflösung zentraler Netzstrukturen für schädlich. Die Erneuerbaren Energien, die insbesondere in den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt massiv ausgebaut worden sind, brauchen für die Versorgungssicherheit eine stabile und in sich geschlossene Struktur. Die Netzinfrastruktur muss sich in diesem Kontext parallel weiterent-wickeln. Wir versuchen, die damit zusammen-hängenden Belastungen auch in der Politik zu kommunizieren. Gerade als ländliche Region stehen für uns die Netzstabilität und die Versor-gungssicherheit im Vordergrund. Hier besteht ein enormer Investitionsbedarf und dieser kann nur gemeinsam bewältigt werden. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.kbe-enviam.de

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75 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Dr. Harald Michel leitet sein Referat mit der Feststellung ein, dass sich die Schrumpfung innerhalb Deutschlands weiter beschleunigen werde. Seit dem Jahr 2004 sei die Bevölkerung der Bundesrepublik zum ersten Mal gesunken.

Dies stelle nicht nur für die jüngere bundesdeut-sche Geschichte eine Trendumkehr dar, sondern sei vielmehr für ganz Mitteleuropa und seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges der erste Paradigmenwechsel von anhaltendem Wachs-tum hin zu einer nachhaltigen Schrumpfung.

Die Geburtenrate hätte in Deutschland schon seit den beginnenden 70er Jahren nicht mehr den Wert erreicht, welcher eine stabile

Bevöl-kerungsentwicklung ermöglichen würde. Das Delta sei lediglich durch massive Zuwanderung ausgeglichen worden.

Zunehmende Differenzierung Die Geburtenrate bilde den entscheidenden Faktor der demografischen Trends. Bei derzeit 1,4 Kindern pro Frau sei eine Unterdeckung von einem Drittel zu konstatieren. Allein anhand dieses Parameters könne sich jeder Laie aus-rechnen, dass sich die Bevölkerung unter sonst gleichen Bedingungen mit jeder Generation um ein Drittel verringern würde. Selbst wenn

eine extrem unwahrscheinliche Trendumkehr gelänge, würden sich die Effekte erst 30 Jahre später zeigen. Demografische Entwicklungen bilden sich jedoch nicht nur in reinen Bevölke-rungszahlen ab, sondern auch in der Struktur der Einwohnerschaft. Im Rahmen des demo-grafischen Wandels sei eine zunehmende sozia-le, ethnische und religiöse Differenzierung zu beobachten. Dr. Michel nennt hier das Beispiel der Stadt Pforzheim, in der schon heute mehr als drei Viertel der Kinder unter sechs Jahren einen Migrationshintergrund aufweisen. Während die alten Bundesländer in diesem Zusammenhang mit enormen Integrationskosten konfrontiert LEBHAFTE DEBATTE ZU DEN ANFORDERUNGEN DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 72-75)