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Ein klares Ja zur Großen Emma

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 61-67)

61 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Alle Indikatoren deuten darauf hin, dass sich Schrumpfung und Überalterung in Ostdeutsch-land verstetigen, wenn nicht sogar vertiefen werden. Welche konkreten Entwicklungen erwarten Sie diesbezüglich für den Landkreis Meißen? Und mittels welcher Strategien ver-sucht die Sparkasse, sich daran anzupassen?

Andrea Kriebel:

Der Landkreis Meißen ist zwar landschaftlich reizvoll, wirtschaftlich und vor allem industriell gut aufgestellt. Dennoch hat die demografische Entwicklung mit all ihren Facetten auch vor unserer Region nicht halt gemacht. Die Daten des statistischen Bundesamtes sprechen eine ein-deutige Sprache. So wird der Landkreis Meißen von 2011 bis 2025 knapp elf Prozent seiner Bevölkerung verlieren. Auch das Durchschnitts-alter wird weiter steigen. Die Disparitäten zwischen dem Dresden-nahen Raum und den ländlichen Regionen des Landkreises werden sich weiter vertiefen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE.

Abseits des Verdichtungsraums um die Lan-deshauptstadt Dresden besteht auch der Landkreis Meißen und damit das Vertriebsge-biet der Sparkasse aus weiten ländlichen Räu-men. Wie wird versucht, die dort lebenden Menschen in die Ausarbeitung von Konzep-ten zur Anpassung des Angebots an sinkende Bedarfe einzubinden?

Kriebel:

Wir wollen auf unsere Kunden hören. Hier erhalten wir Informationen und Meinungen im direkten Kontakt, können aber auch durch die Analyse des Kundenverhaltens viele inte-ressante Lehren ziehen. Als Sparkasse sind wir dem öffentlichen Auftrag verpflichtet, flächen-deckend die Versorgung mit geld- und kredit-wirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen.

In erster Linie verwirklichen wir dies über unser Geschäftsstellennetz, das derzeit aus 32 Geschäftsstellen und acht Selbstbedienungsstel-len besteht. Zusätzlich bieten wir eine mobile Beratung an, die zukünftig noch weiter ausge-baut wird.

Seit Juli 2003 betreiben wir darüber hinaus Bargeld-Agenturen. Hier zahlen lokale Händler vor Ort Bargeld an die Kunden der Sparkasse Mei-ßen aus. Diesen Service bieten wir insbesondere in Gemeinden, in denen die Sparkasse Meißen keine eigene Geschäftsstelle unterhält. So können wir die flächendeckende Bargeldversorgung

garan-tieren, ohne in jeder Gemeinde selbst vertreten zu sein. Gestartet wurde 2003 mit zwei Bargeld-Agenturen, 2009 wurde das Angebot auf nun acht Agenturen ausgeweitet. Das war der erste Schritt in Richtung Große Emma. Schließlich stellt der bargeldauszahlende Händler in gewisser Weise schon eine „kleine“ Große Emma dar.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Große Emma ist eine Kooperation von Sparkasse Meißen, Ostdeutschem Sparkas-senverband und InD Initialdesign Berlin.

Können Sie in kurzen Worten und aus Sicht der Sparkasse Meißen die Genesis des Pro-jekts von der ersten Idee über die Kontaktauf-nahme bis zum aktuellen Stadium kurz vor der Umsetzung schildern?

Kriebel:

Alle Dienstleistungssparten, wie z.B. Friseur, Fußpflege, Physiotherapie, Paketdienste und

auch die Sparkasse stehen vor der gleichen Her-ausforderung. Dem Wunsch, überall präsent zu sein, stehen betriebswirtschaftlich nicht zu recht-fertigende Kosten entgegen. Durch den anhal-tenden Wegzug aus dem ländlichen Raum wird die Nachfrage weiter sinken. Die abwechselnde gemeinschaftliche Nutzung einer Immobilie ist diesbezüglich eine sinnvolle Möglichkeit, beide Enden in Einklang zu bringen. Fixkosten lassen sich reduzieren und die angebotenen Dienstleis-tungen bleiben für die Kunden bezahlbar. Und – die Große Emma schafft einen Ankerpunkt gegen Leerstand und Rückzug aus der Region.

Das Grobkonzept der Großen Emma wurde vom Ostdeutschen Sparkassenverband und dem Berliner Projektbüro Initialdesign entwickelt.

Die ersten Erfahrungen bei der Umsetzung im Landkreis Meißen zeigen, dass viele Gespräche, Überzeugungsarbeit und eine Menge Geduld notwendig sind.

Frei nach dem Motto „Der Bäcker kennt jeden im Ort“ haben wir Stück für Stück Kon-takte zu ansässigen Firmen geknüpft und uns mit den Vertretern vor Ort unterhalten. So wur-den drei Regionen ermittelt, in wur-denen aus unse-rer Sicht eine Umsetzung der Großen Emma möglich ist.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Was hat Sie in den Zusammenhängen des demografischen Wandels konkret an der Großen Emma begeistert? Ist ein stationärer Ankerpunkt mit der Vernetzung mehrerer Partner mobilen Angeboten, wie dem Spar-kassenbus, generell vorzuziehen?

Kriebel:

Ein klares JA zur Filiale. Ja zu einer gegenseitig befruchtenden Partnerschaft. Auch die Anschaf-fung eines Busses stellt eine erhebliche betriebs-wirtschaftliche Investition dar. Daneben ist es schlicht niveauvoller, in angenehmen Räum-lichkeiten betreut zu werden. Bis zum Jahr 2001 haben auch wir in unserem Vertriebsgebiet einen Bus eingesetzt. Allerdings konnte die tatsächli-che Nutzung die hohen finanziellen Aufwände nicht rechtfertigen. Wir haben uns deshalb im Jahr 2003 bewusst für die Schaffung von Bar-geld-Agenturen entschieden.

An der Großen Emma begeisterte uns, dass mehrere Unternehmen profitieren können und die Aufwendungen auf viele Schultern verteilt werden. Zudem erhält das soziale Leben vor Ort durch ein Dienstleistungszentrum in der Orts-mitte sicherlich mehr Impulse als durch einen wöchentlich verkehrenden Bus.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Im Jahr 2013 soll die Große Emma erstmals implementiert werden. Sind hier bereits

Andrea Kriebel

UNSER GESPRÄCHSPARTNER Andrea Kriebel ist im Vorstand der Spar-kasse Meißen zuständig für den Vertrieb im Privatkundenbereich und die Betreuung der Kommunen.

In vielen Jahren als Vorstandsmitglied pflegte sie einen intensiven Kontakt zu Unternehmen und Vereinen in der Region. Das Projekt der

„Großen Emma“ wird federführend von ihr betreut.

i infos

Eine Möglichkeit, wie die Große Emma umgesetzt werden könnte. Die Impression legt nahe, dass mit der Vernetzung lokaler Akteure ein neuer dörflicher Entwicklungskern entstehen soll.

Grafi k: ©InD

konkrete Objekte und Partner in der enge-ren Auswahl? Wann, wo und mit wem wird die erste Große Emma im Landkreis Meißen an den Start gehen?

Kriebel:

Wie bereits ausgeführt, braucht es zur Umset-zung viel Geduld und Überzeugungskraft. In einer der erwähnten drei Regionen sind wir schon recht weit gekommen. Aus Rücksicht auf unse-re potenziellen Partner möchten wir aber noch keine genaueren Informationen kommunizieren.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Welche Eigenschaften muss ein Ort, ein Gebäude generell aufweisen, um als Stand-platz der Großen Emma in Frage zu kommen?

Kriebel:

Das Gebäude muss die Ansprüche der in Frage kommenden Dienstleister erfüllen. Ein

Paket-shop benötigt nun einmal andere Voraussetzun-gen wie ein Friseur. Diese Unterschiede können aber durch moderne Lösungen in der Innenarchi-tektur auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Darüber hinaus gilt es, in Bezug auf Parkplätze, sanitäre Anlagen, Sicherheit, Lage oder Optik einen Standard zu schaffen, der von den Kunden gerne angenommen wird.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Sparkassen sind eng mit der kommuna-len Ebene verknüpft. Inwiefern werden die Konzeptionen der Sparkassen in Bezug auf die Anpassung an den demografischen Wan-del mit der kommunalen Ebene abgestimmt bzw. von dieser unterstützt.

Kriebel:

Die Gemeinden haben ein natürliches Interesse, die Versorgung der Einwohner zu gewährleisten und dadurch die Region attraktiv zu halten. In

den betreffenden Regionen pflegen wir einen intensiven Kontakt zu den jeweiligen Bürger-meistern. Die Erfahrungen waren hier bislang durchweg positiv. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.sparkasse-meissen.de www.osv-online.de www.initialdesign.de

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FORUM NEUE LÄNDER

zitiert

„Wir brauchen externe Partner und wir brauchen den Austausch der Kommunen untereinander. Gerade in dieser Hinsicht leistet das VfkE einen wichtigen Beitrag.“

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck am Rande der Jahresveranstaltung des Verbundnetz für kommunale Energie am 22. November in Potsdam.

VFKE-STUDIE ZU EINEM EINHEITLICHEN KOMMUNALWIRTSCHAFTLICHEN REGELWERK

Pflichtenhefte Kommunalwirtschaft

Mehr als 100 Vertreter der kommunalen Familie besuchten die achte Jahresveranstaltung des Verbundnetzes für kommunale Energie (VfkE)

D

ie Jahrestagung des Verbundnetzes für kommunale Energie (VfkE) war thematisch geprägt von der wachsenden Verantwortung im Bereich der kommunalwirtschaftlichen Betätigung. Ein Ausdruck dafür ist die Diskussion zur Kommunalisierung. Gerade im Kontext von Energiewende und des demografischen Wandels sind viele Kommunen zu dem Schluss gelangt, sich zukünftig komplett selbst zu engagieren oder mit kommunalen Partnern zu kooperieren. Die Diskussion zur Rolle der Kommunalwirtschaft wurde unter anderem mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck geführt. In seinem Referat ging er detailliert auf die Anforderungen der Energiewende und auf die Stärkung des kommunalen Handlungsrahmens ein. Moderiert wurde die Jahresveranstaltung von Prof. Dr. Michael Schäfer, Chefredakteur und Herausgeber von UNTERNEHMERIN KOMMUNE.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion – v.r.n.l.: Helmut Preuße, André Burkhardt, Jürgen Polzehl, Prof. Dr. Michael Schäfer, Karl-Ludwig Böttcher, Elona Müller-Preinesberger und Steffen Döring

Das wichtigste ostdeutsche Forum zur Kommu-nalwirtschaft traf sich am 22. November bereits zum achten Mal zu seiner Jahresveranstaltung.

Inklusive des Gründungstreffens 2003 in der Bernauer Waldsiedlung war das Land Branden-burg nun schon zum vierten Male Gastgeber.

2006 wurde ebenfalls in Potsdam die Studie

„Kommunalwirtschaft im gesamtwirtschaftli-chen Kontext“ übergeben, die sich in wissen-schaftlicher Pionierarbeit erstmals der Frage widmete, wie die Rolle kommunaler Unterneh-men im Hinblick auf zentrale strukturpolitische Parameter in Ost und West quantifiziert werden kann. Seitdem haben kommunale Unterneh-men weiter an Vertrauen und auch an Marktan-teilen gewonnen. Im Zuge von demografischer Entwicklung und Energiewende wird ihnen eine wachsende Verantwortung zugewiesen.

Mit diesen gestärkten Kompetenzen muss jedoch auch eine weitere Professionalisierung einhergehen. Gerade das komplexe Kompe-tenzgeflecht zwischen Stadtrat, Bürgermeis-ter, Aufsichtsrat und Geschäftsführung, das Spannungsfeld zwischen politischer Einfluss-nahme und unternehmerischer Steuerung, bedarf klar strukturierter Vorgaben, um gemäß eindeutig formulierten Zielvorgaben nachhaltig erfolgreich sein zu können. Auf Initiative der VfkE-Koordinierungsgruppe wurden deshalb grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft erörtert. Das Ergebnis waren Vorschläge für eine Mustergliederung und zur möglichen Implementierung von „Pflichtenheften

Kom-munalwirtschaft“ als künftiges einheitliches Regelwerk. Die entsprechende Studie: „Prä-missen zur Erarbeitung von Regelwerken für die komplexe strategische und operative Steuerung der Kommunalwirtschaft im Maß-stab einer kommunalen Gebietskörperschaft“

wurde finanziell von der Stiftung der VNG – Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) getragen und von Experten der Kommunalwirtschaft erarbeitet. Sie ist auf der VfkE-Jahresver-anstaltung am 22.

November im Pots-damer SEMINARIS Tagungshotel der kommunalen Familie präsentiert worden.

Vom regeln-den zum zulassenden Staat

Einer der Adressaten der VfkE-Studie war der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, der in seinem Referat die Rolle der kommuna-len Unternehmen hervorhob, ihnen aber auch vielfältige Aufgaben im Kontext von demo-grafischem Wandel, Energiewende und Bür-gerbeteiligung zuwies. Auch aufgrund dieser

wachsenden Verantwortung habe der Land-tag im Januar dieses Jahres den kommunal-wirtschaftlichen Handlungsrahmen deutlich gestärkt, so Matthias Platzeck.

Wolfgang Sedner, Bürgermeister der Stadt Lichtenstein im Landkreis Zwickau und

Mit-glied der VfkE-Koordinierungsgruppe, richtete an Matthias Platzeck die Frage nach den grund-legenden Prämissen für die im Januar 2012 verabschiedete Neuordnung des Gemeindewirt-schaftsrechts in Brandenburg. Der Ministerprä-sident verwies darauf, dass die Regelungen vor der Novellierung aus einer Zeit stammten, in der das Paradigma „Privat vor Staat“ noch recht unkritisch verfolgt worden sei. Zudem würden die Implikationen der demografischen Ent-wicklung an vielen Orten ein stärkeres kommu-nales Engagement erfordern – allein deshalb, weil sich viele private Marktteilnehmer bei sinkender Nachfrage nicht mehr für ein Enga-gement interessieren würden. „Über die Aus-weitung ihrer Handlungsmöglichkeiten soll die kommunale Wirtschaft in Brandenburg in die Lage versetzt werden, diese Lücken zu füllen“, so Platzeck.

Die Bedenken der Reformgegner, Stadtwer-ke würden sich dann in exzessivem Maße der Daseinsvorsorge nicht verbundenen Tätigkeiten widmen, hätten sich nicht bestätigt. „Kommu-nale Unternehmen wollen keine bestehenden Strukturen zerstören, sondern sie dort ergänzen, wo sie nicht hinreichen“, führt der Ministerprä-sident aus.

Strukturell hätten die Länder Sachsen-An-halt, Mecklenburg-Vorpommern und Bran-denburg ganz ähnliche Probleme bei der Anpassung an den demografischen Wandel, so ein Konferenzteilnehmer aus Mecklenburg-Vorpommern. Darauf aufbauend wurde an den JAHRESTHEMA 2013 DES „VERBUNDNETZ FüR KOMMUNALE ENERGIE“

Das von der VfkE-Koordinierungsgruppe am 22. November in Potsdam verabschiedete Jahres-thema 2013 lautet:

„Konzern Stadt. Ganzheitliche Restrukturierungskonzepte für die Modernisierung des kommunalen Verwaltungs- und Managementprozesses“

Bei der Behandlung dieses Themas im Rahmen von VfkE-Veranstaltungen sollen vor allem fol-gende Schwerpunkte gesetzt werden:

ˆ Erarbeitung von praktischen Schlussfolgerungen für die kommunalwirtschaftliche Betätigung aus der 2012 vorgelegten VfkE-Studie „Pflichtenhefte Kommunalwirtschaft“

ˆ Herausarbeitung der zentralen Rolle der Kommunalwirtschaft – insbesondere der kommu-nalen Energieversorgungsunternehmen – für die Daseinsvorsorge und die Erfüllung der kommunalen Aufgaben

ˆ Darstellung der Synergiepotenziale, die sich aus einer ganzheitlichen Anlage der kommuna-len und kommunalwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung ergeben

ˆ Überlegungen zur Gestaltung der kommunalen Verwaltungs- und Managementprozesse unter dem Aspekt der Erschließung und Nutzung der bestehenden Synergiepotenziale

ˆ Maßnahmen zur Etablierung horizontaler kommunalwirtschaftlicher Kooperationen im Maß-stab der kommunalen Gebietskörperschaften

ˆ Etablierung strategischer Allianzen mit bestehenden kommunalen Netzwerken und/oder ex-ternen Partnern zur Nutzung dort verfügbarer Ressourcen

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck widmete sich in seinem Vortrag insbesondere den Implikationen der Energiewende für die kommunalen Unternehmen.

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Ministerpräsidenten die Frage gestellt, mittels welcher Strategien eine angemessene Daseins-vorsorge auch bei sinkender Siedlungsdichte finanziert werden kann. Eine zweite Frage lau-tete, ob es heute bereits konkrete Berechnungen gäbe, die die Verteuerung von Energie vor-hersagen könnten. Ministerpräsident Platzeck verwies im Hinblick auf die Preisentwicklung bei Strom, Gas und Fernwärme auf eine Viel-zahl von Studien, die zu sehr unterschiedli-chen Ergebnissen gelangt seien. Er selbst halte es für wahrscheinlich, dass die Strompreise in den kommenden Jahren weiter steigen werden.

Derzeit sei allerdings kaum jemand in der Lage, den Markt derart zu überblicken, dass verläss-liche Aussagen möglich seien. Die energieinten-siven Unternehmen könnten jedoch, um auch im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, vielfach die aktuellen Steigerungsraten nicht mehr tragen. Deshalb seien die von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungen der stromintensiven Industrie in Deutschland zu begrüßen, so der Ministerpräsident.

Auch die Demografie sei ein Kostentrei-ber, beleuchtet Platzeck die erste der eingangs gestellten Fragen. „Die Prozesse in den peri-pheren Teilen Brandenburgs werden mit den herkömmlichen Instrumenten nicht mehr zu beherrschen sein“, ist er sich sicher. Hier gelte es, kreative Lösungen zu ersinnen, an die sich der heute noch sehr starre Rechtsrahmen anpas-sen müsse. Die heutigen Normen seien in einer Zeit des Wachstums geschaffen worden, wes-halb sie den zu erwartenden Rahmenbedingun-gen der kommenden Jahre nur noch bedingt gerecht würden. Für die Schrumpfung gäbe es auch deshalb kein Handbuch, weil ein solcher Wandel im industrialisierten Deutschland erst-malig auftrete. Generell müsse sich die Bundes-republik vom regelnden Staat zum zulassenden Staat entwickeln, wobei sich der Mentalitäts-wandel gleichzeitig in den Köpfen der Men-schen abspielen müsse. „Die kommunale Ebene ist hier einmal mehr gefragt, für Akzeptanz und Engagement zu werben und kreative Ideen der Anpassung zu entwickeln.“ Anschließend an den Ministerpräsidenten verwies Prof. Dr.

Michael Schäfer als Moderator der Veranstal-tung und Koordinator des VfkE auf das Jahres-thema 2013.

Zu den von Ministerpräsident Platzeck geforderten kreativen Lösungen gehöre auch eine zunehmende horizontale Integration und Kooperation zwischen den öffentlichen Unter-nehmen der Daseinsvorsorge. Mit der klaren Orientierung auf die Optimierung kommu-naler Strukturen in Verwaltung und Manage-ment werde sich das VfkE im kommenden Jahr mit dem Modell „Konzern Stadt“ befassen.

Thematisch schließe die Suche nach

ganzheit-lichen Restrukturierungskonzepten direkt an das Jahresthema 2012 an. Die Koordinierungs-gruppe des VfkE habe sich bewusst für diesen Aspekt entschieden, um eine kontinuierliche Diskussion zu ermöglichen, wie Kommunen bestmöglich mit den Herausforderungen der Demografie und der Energiewende umgehen könnten, so Prof. Dr. Schäfer.

Insgesamt positives Echo

Nach einem Impulsvortrag, vorgetragen von einem der Autoren der Studie zu den „Pflich-tenheften Kommunalwirtschaft“, widmete sich eine Podiumsdiskussion genau diesem Gegenstand. Es debattierten Vertreter der kom-munalen Wirtschaft, der Politik, der kommu-nalen Spitzenverbände und externe Fachleute.

Prof. Dr. Michael Schäfer, selbst Co-Autor der VfkE-Studie 2012, beginnt mit einer etwas provokanten Frage: Kommunale Unternehmen hätten sich in den vergangenen Jahren gerade aufgrund ihrer Flexibilität hervorragend im Wettbewerb behaupten können. Wieso soll nun ein neuer

Regelungs-rahmen gefunden wer-den, wenn im Zuge von Energiewende und demografischem Wandel gerade Offen-heit und kreative Ansätze gefragt seien?

„Kommunale Unter-nehmen haben auch innerhalb der Kom-munen einen ganz anderen Stellenwert gewonnen“, antwortet Elona Müller-Preines-berger, Beigeordnete der Landeshauptstadt Potsdam. In den öffentlichen Unter-nehmen seien doppelt so viele Menschen

beschäftigt, wie in der Potsdamer Stadtver-waltung. Gerade angesichts dieser Imbalan-ce zwischen Eigentümer und den jeweiligen Gesellschaften sei es dringend geboten, das Beziehungsgeflecht zwischen den einzelnen Akteuren zu ordnen. Angesichts der viel-schichtigen und unterschiedlichen Sparten der Daseinsvorsorge müsste die städtische Wirt-schaft auch in ihrer komplexen Gesamtheit betrachtet werden. „Hier benötigen wir klare Zielorientierungen, die nicht nur die Stadt selbst, sondern auch ihr Umland umfassen.

Nicht zuletzt sind es die enormen Herausfor-derungen und die wachsende Notwendigkeit von Kooperation und Abstimmung, die ein für

alle Partner verbindliches Regelwerk sinnvoll erscheinen lassen“, so Müller-Preinesberger. In vielen Kommunen gäbe es keine Kongruenz zwischen dem Aufsichtsrat und der Verwaltung, weshalb noch immer eine singuläre Steuerung einzelner Unternehmen überwiege, führt Prof.

Dr. Schäfer aus.

An Karl-Ludwig Böttcher richtet er die Frage, ob es denn sinnvoll sei, wenn jedes Ver-sorgungsunternehmen auch in kleineren Städ-ten einen eigenen Aufsichtsrat unterhalStäd-ten müsse. Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes zeigt sich skeptisch gegen-über weiteren Regelwerken. Generell gelte es doch, den Handlungsrahmen zu flexibilisieren, anstatt immer neue Steuerungsinstrumente zu schaffen. „Wenn ich mir die kommunale Wirt-schaft in Brandenburg vor Augen führe, kann ich keine derart gravierenden Mängel feststel-len, die eine weitere Regulierung rechtfertigen würden.“ Böttcher fügt allerdings an, dass die Studie im Hinblick auf die interkommunale Kooperation aber auch für das Zusammen-wirken der Unternehmen untereinander viele

interessante Akzente setzt. Auch hinsichtlich der strategischen Steuerung ließe sich in vie-len Kommunen eine weitere Optimierung erreichen. In seiner Rolle als Co-Autor der VfkE-Studie entgegnet Prof. Dr. Schäfer: „Wir plädieren im Sinne der kommunalen Selbst-verwaltung offensiv für eine geringere Rege-lungsdichte. Deshalb schlagen wir nur eine Rahmenstruktur für ein einheitliches Regelwerk vor, die jede Kommune im Rahmen ihrer Orga-nisationshoheit selbst ausfüllen kann.“

Das in vielen Kommunen diskutierte Kon-zernmodell wird bei der privatwirtschaftlich organisierten VNG Verbundnetz Gas AG in Leipzig bereits verfolgt. André Burkhardt,

Mathias Hartung

Direktor bei der VNG, wird daher gefragt, was kommunale Unternehmen in Bezug auf eine zentrale Steuerung aus diesen Erfahrun-gen lernen könnten. „Ich habe mich ange-sichts der Studie an unsere eigene Diskussion zur Schaffung von Corporate governance-Ko-dizes erinnert“, so Burkhardt. Es sei wichtig, sich immer wieder aufs Neue zu fragen, ob das Unternehmen richtig ausgerichtet sei. Hier könnten verbindliche Kodizes als regelmäßi-ge Erinnerungshilfe wirken. Handlungsleitli-nien seien geeignet, das in der kommunalen Wirtschaft besonders komplexe Gefüge an Verantwortlichkeiten zwischen Stadtrat, Geschäftsführung, Aufsichtsrat und der Ver-waltung zu regeln. Klare Zielorientierungen würden daneben auch der Geschäftsführung helfen, die eigenen Ergebnisse gegenüber externen und internen Prüfungsinstanzen zu vertreten.

Konzern Stadt

Kommunale Unternehmen seien in der Mehr-zahl der Fälle auch privatrechtlich verfasst, dennoch gäbe es einige wesentliche Spezifika, stellt Prof. Dr. Schäfer fest. Jürgen Polzehl wird gefragt, worin er im Hinblick auf die strategi-sche Steuerung die Besonderheiten der kom-munalen Wirtschaft erkennt und wie unter deren Berücksichtigung eine klare Zielorien-tierung möglich werden kann. Der Schwedter

Bürgermeister bewertet seine eigenen Unter-nehmen in der Oderstadt als stark und leis-tungsfähig. Eine Voraussetzung für derartige Erfolge sei jedoch, dass klare Zielorientierun-gen formuliert würden. Hier stimmt Polzehl dem Grundtenor

der Studie ausdrück-lich zu. Eine stärke-re Einbindung der Stadtverordneten-versammlung sieht er hingegen kritisch.

Stadtverordnetenver-sammlungen würden stets medial beglei-tet. Damit bestünde die Gefahr, dass eine kurzfristige Medien-aktualität höher gewichtet werde, als die langfristige Unter-nehmensentwicklung.

Helmut Preuße ist Geschäftsführer der Stadtwerke Schwedt und gleichzeitig

Vor-sitzender der VKU-Landesgruppe Berlin-Brandenburg. Er wird gefragt, ob nicht auch die Geschäftsführer stärker an der Entwicklung mittel- und langfristiger Strategien und Ziel-setzungen beteiligt werden sollten. „Wir haben als Unternehmen klare Aufgaben zu erfüllen.

Deshalb wünschen wir uns, von Handfesseln möglichst vollständig befreit zu werden“, sagt Preuße. Die Novellierung des Gemeindewirt-schafsrechts sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Und natürlich sollten sich die kommunalen Unternehmen mit ihren Kompetenzen auch in ein strategisches Betei-ligungscontrolling einbringen können. Es hätte sich gezeigt, dass eine Personenidentität zwischen dem Aufsichtsrat und der Verwal-tung sehr hilfreich sein kann, um das gesamte strategische Interesse der Kommune im Auge zu behalten und schnell handeln zu können.

Generell sei es sinnvoll, dass Geflecht von Ein-flüssen zu ordnen, um gemäß klarer Zielorien-tierungen strukturiert handeln zu können.

Steffen Döring, Partner bei Pricewaterhouse-Coopers, gehört laut Prof. Dr. Schäfer zu den Verfechtern des Modells „Konzern Stadt“. An ihn geht die Frage, inwiefern die Studie Impul-se für eine stärkere horizontale Vernetzung der Unternehmen geben kann. Auch Döring bezieht sich auf die Kritik von Karl-Ludwig Böttcher indem er betont, dass die Studie kein neues Regelwerk vorschlage, sondern auf der fakultativen Ebene Angebote für eine bessere Strukturierung von Zielen und Verant-wortlichkeiten unterbreite. Das Modell eines

„Konzern Stadt“ böte sowohl Vorteile als auch Nachteile, die je nach den spezifischen Gege-benheiten vor Ort gewogen werden müssten.

Die Handlungsmöglichkeiten auf kommuna-ler Ebene seien noch immer sehr stark durch

übergeordnete Rechtsetzung begrenzt, wes-halb es schwer falle, pauschale Empfehlungen zu erteilen. Daran anschließend, wird Elona Müller-Preinesberger gefragt, welche Gründe die Landeshauptstadt Potsdam dazu veranlasst haben, ihre kommunalwirtschaftliche Ver-antwortung in Cluster zu gruppieren. Mül-ler-Preinesberger: „In Potsdam lassen sich mit Verkehr/Energie, Wohnen und Gesundheit/

Soziales drei wesentliche Bereiche der Daseins-vorsorge ausmachen. Kleinere Sparten, wie die Raumentwicklung oder die Bäder haben wir nach inhaltlichen Kriterien an einen dieser Bereiche angedockt. Das ermöglicht Synergien und erhöht die Transparenz der Daseinsvorsor-geleistungen.“ In diesem Zuschnitt sei in Pots-dam ein öffentlicher Konzern entstanden, der weiter wächst. Damit werde der Tendenz einer allzu kleinteiligen politischen Einflussnahme in den Aufsichtsräten vorgebeugt. Der Gesell-schafter sei in einer solchen Konstruktion in der Lage, strategische Weichenstellungen vor-zunehmen. Ziel sei es, über alle Unternehmen im Rahmen des „Konzern Stadt“ ein schlag-kräftiges und kompetentes Beteiligungsma-nagement zu schalten.

Lebendiger Austausch im Auditorium

Die Ergebnisse der VfkE-Studie 2012 sorgten auch im Auditorium für einen lebhaften Dis-kurs. Der Impuls dazu wurde zunächst von Mathias Hartung gesetzt. Der gelernte Diplom-ZUR JAHRESTAGUNG DER

VFKE-KOORDINIERUNGSGRUPPE

Am Rande der Jahresveranstaltung traf sich auch die Koordinierungsgruppe des VfkE zu ihrer jährlichen Tagung. Im Potsdamer SE-MINARIS Tagungshotel wurde intensiv der Vorschlag für das Jahresthema 2013 dis-kutiert. Nach einmütiger Entscheidung wird sich das kommunalwirtschaftliche Diskus-sionsforum VfkE im kommenden Jahr mit dem Thema „Konzern Stadt. Ganzheitliche Restrukturierungskonzepte für die Moderni-sierung des kommunalen Verwaltungs- und Managementprozesses“ befassen. Über die Vorschläge zur Umsetzung dieses Projekt soll laufend durch den Koordinator des VfkE, Prof.

Dr. Michael Schäfer, informiert werden. Eben-so geschlossen stimmten die Teilnehmer der Koordinierungsgruppe dafür, das zehnjährige Jubiläum des VfkE seit der Gründungsveran-staltung 2003 angemessen zu begehen. Im Kontext mit den Vorschlägen zur Umsetzung des Jahresthemas soll auch ein Vorschlag für eine angemessene Würdigung erarbeitet werden. Einmütig gebilligt wurde auch der Jahresbericht 2012.

Roger Preußmann

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 61-67)