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Kurz rezensiert:

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 96-99)

Neukölln ist überall

„Die Gentrifizierung (von englisch gentry [dʒɛntri]

„niederer Adel”), ebenso Gentrifikation (von eng-lisch gentrification), ist ein aus der Stadtsoziologie kommender Begriff und beschreibt spezifische sozioökonomische Umstrukturierungsprozesse in städtischen Wohngebieten.“

Soweit Wikipedia in der Online-Variante vom 13. Dezember, 21.30 Uhr. Die Idee, dort noch ein-mal nachzulesen, war mir am späten Abend des 12.

Dezember gekommen. Da hatte ich die Lektüre von Buschkowskys Buch beendet. Unter anderem mit dem Fazit, das mir noch niemand so gut erklärt hat, was die Stadtsoziologen mit diesem schon recht alten, im 18. Jahrhundert geprägten Begriff, eigent-lich meinen. Warum dem Autor das gelang? Weil er als „Kommunaler“ die Dinge aus seiner Augenhöhe betrachtet. Sie werden jetzt als kluge Leser einwen-den, dass das doch die normale Perspektive sei, und demzufolge besonderes Lob nicht geboten. Auch hierzu schreibt Buschkowsky Kluges und Richtiges.

Er beweist an vielen Sachverhalten, dass gerade die

97 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Ich habe die knapp 400 Seiten in der nunmehr 7. Auflage gelesen, das Buch viermal zum Verschen-ken gekauft, und empfehle es Ihnen, dies mir nach-zutun. Neben tausend anderen guten Gründen, liefert der Bezirksbürgermeister gleich am Anfang ein zentrales Argument: „Ein beliebter Spruch aus dem Buch der Unverbindlichkeiten lautet. Über den Erfolg der Integration wird vor Ort in den Städ-ten entschieden. Ist noch nicht einmal ganz falsch.

Aber dann muss man die örtliche Ebene auch machen lassen. In Berlin kann kein Bezirksbürger-meister über Klassengrößen, Lehrerseinstellungen, Kitagruppengröße, Kita-Pflicht, Fachpersonal an Schulen, Einrichtung von Ganztagsschulen usw.

usw. entscheiden. Da müssen dann schon die Herr-schaften des Landes- und Bundesebene ran. Wenn die sich dann hinter der Kommunalpolitik verste-cken, wird es einfach nur peinlich.“

Rezensent: Michael Schäfer Bewertung:

*****

Heinz Buschkowsky: Neuköln ist überall 7. Auflage 2012

Ullstein Buchverlage Berlin ISBN 978-3-550-08011-1 www.ullstein.de

Die Milliardenverschwender Eigentlich ist man abgestumpft. Jahr für Jahr sehen wir schwarz, nein schwärzer, immer schwärzer: Immer wieder werden sie Medien und Öffentlichkeit präsen-tiert, die Schwarzbücher vom Bund der Steuerzahler und vom Bundesrechnungshof. Das analoge Ritual findet auf Ebene der Länder statt. Dort haben die Landesrechnungshöfe die Finger in der Wunde. Auch sie zeigen uns regelmäßig auf, wie nicht Millionen, sondern Milliarden öffentlicher Mittel verschwendet werden. Die Botschaften werden nicht besser, son-dern häufiger, aber die Schlagzeilen geraten immer kleiner. Offenbar resignieren auch die Kollegen von den tagesaktuellen Medien. Denn genannt wird das Übel, und wir erfahren auch – jedenfalls institutio-nell – von den Übeltätern. Doch dabei bleibt’s. Ich kann mich nicht erinnern, jemals darüber gelesen zu haben, dass die Schuldigen zur Verantwortung gezo-gen wurden. Und es gibt auch keine Kunde, warum es immer wieder dem Bund und den Ländern gerade bei ihren Bauvorhaben passiert, dass alle Planungen aus den Fugen geraten. Die jüngsten Katastrophen – Verdopplung der Bausumme beim Flughafen Berlin-Brandenburg oder sechs statt vier Milliarden für „Stuttgart 21“ – können wir demnächst in den Schwarzbüchern des Jahres 2013 besichtigen….

Ich hatte gehofft, bei Karl Heinz Däke, dem langjährigen Präsidenten des Bundes der Steuer-zahler, und Autor des gerade erschienenen Buches

„Die Milliardenverschwender“, endlich einmal Antworten zum Warum zu finden, und auch Vor-schläge, wie man den Ursachen dieser katastro-phalen Missstände zu Leibe rücken kann. Doch

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Dinge, die wir sehen, die sich in ihrer Klarheit und Logik geradezu aufdrängen, vom Gros der Politiker ignoriert werden. Mehr noch: diejenigen, die die Dinge so benennen wie sie sind, werden zunehmend mit dem Totschlagargument „Politically not correct“

diffamiert. Bei Buschkowsky kommt hinzu, dass seine ebenso ehrliche wie zutreffende Beschreibung der Realitäten in Neukölln sogar zu dem komplett absurden Vorwurf führt, er leiste damit rechtem Gedankengut Vorschub. Das hörten wir auch über Thilo Sarrazin und wegen dieses Zusammenhanges will ich Ihnen nicht vorenthalten, was der Berliner

„Tagesspiegel“ am 13. Dezember über die indirek-te Buchbegegnung beider Autoren schrieb: „Der Bestseller-Autor, SPD-Politiker, Ex-Bundesbanker und Ex-Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, hat sich anerkennend über das Buch "Neukölln ist überall" seines Parteikollegen Heinz Buschkowsky geäußert. Das Buch sei "authentisch" und eine

"Bereicherung des Buchmarkts und der Debatte", sagte Sarrazin. Buschkowsky, Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, habe seinen Beitrag zur Integrations-Debatte als „handelnder Lokalpoliti-ker mit Herzblut" verfasst.“

Ich habe beide Bücher gelesen, gegen den „Zeit-geist“ in UNTERNEHMERIN KOMMUNE auch Sarrazin gelobt, und halte Buschkowsky für eine gerade ideale Ergänzung. Denn die Fakten aus der Feder des ehemaligen Berliner Finanzsenators bekommen durch die genauen und authentischen Befunde des Bürgermeisters quasi Leben ein-gehaucht. Gentrifizierung! Ich lebe seit 1970 in Berlin und Umgebung und kenne seit 1990 auch den Westen. Unter anderem Britz. Dort gab es vor Jahrzehnten eine erfolgreiche Bundesgartenschau und einige Jahre hatte dort meine liebe Tochter Franca ihren Wohnsitz. Die habe ich dort oft besucht, aber erst Buschkowskys Buch hat mit klar gemacht, dass Britz auch Neukölln ist.

leider weitgehend Fehlanzeige. Dem Thema

„Die Ursachen der Verschwendung“ werden in Kapitel 1 des Buches gerade einmal 16 Seiten gewidmet. Das sind 6 Prozent des Buchumfan-ges und qualitativ sind die Aussagen eher dürftig.

Für die Erkenntnis, dass man fremdes Geld sorg-loser und mit weniger Verantwortungsbewusst-sein ausgibt, als das eigene, muss ich nicht bei Däke nachlesen. Und unsinnige oder zumindest unnütze EU-Regelungen sind ganz gewiss nicht die zentrale Ursache für finanzielles Missma-nagement im öffentlichen Sektor.

Auch wenn eine Rezension nicht unbedingt der Rahmen ist, in dem man sich an der an der Ursa-chenforschung beteiligt, sei zumindest folgender Hinweis gestattet: ganz offenbar ist die kollektive Verantwortungslosigkeit doch deshalb so ausge-prägt und im Wachstum begriffen, weil es an klaren Sanktionen fehlt. Effiziente Kontrolle, drakonische Bestrafung der Schuldigen auf der Grundlage ein-deutiger Regeln – nur so werden wir verhindern, dass unser aller Geld weiter zum Fenster herausge-worfen wird. Zurück zu Däke: Sein Buch ist eine Art „Best of“ von Jahrzehnten der Verschwendung.

Das klingt zynisch, trifft aber den Kern. Mit dieser Überschrift kann man es gelten lassen.

Rezensent: Michael Schäfer Bewertung:

***

Karl-Heinz Däke: Die Milliardenver-schwender. Wie Beamte, Bürokraten und Behörden unsere Steuergelder zum Fenster hinauswerfen 1. Auflage 2012

Wilhelm Heyne Verlag, München ISBN 978-3-453-20022-7 www.heyne.de

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Handbuch der Wirtschaftsförderung

Ich gebe zu, ich habe das Handbuch nicht von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen. Dennoch empfehle ich es. Denn der Titel ist nicht die x-te Neuauflage alter Standards, sondern verkündet einen Paradigmenwechsel, der aber (leider) mental noch nicht überall auf kommunaler Ebene angekommen ist: die Zeit großer Indus-trieansiedlungen in Deutschland (Ausnahmen bestätigen die Regel) war gestern. Vorbei sind damit auch die Zeiten – gottlob – in denen sich Ansiedlungsspezialisten von Oberbayern bis Rügen immer heftiger um die immer kleinere Zahl von Investoren balgten. Gottlob deshalb, weil dieser unsinnige kommunale Konkurrenz-kampf natürlich in erster Linie zur sinnlosen Vergeudung öffentlicher Gelder führte. Leere oder spärlich gefüllte Gewerbegebiete geben davon Zeugnis. Stattdessen – so die Autoren – stehen heute eine aktive Bestandspflege und ein ganzheitlicher Ansatz im Fokus der Aktivitäten.

Wirtschaftsförderung als integraler Bestandteil eines komplexen Konzern-Stadt-Modells. Es gibt handfeste Gründe, warum Wirtschaftsför-derer schnell und gründlich umdenken müssen.

Das neue Handbuch der Wirtschaftsförderung ist dabei eine wichtige Hilfe.

Rezensent: Michael Schäfer

Bewertung:

****

Dallmann, Bernd/Richter, Michael: Handbuch der Wirtschaftsförderung 1. Auflage 2012

Haufe Gruppe Freiburg, Berlin, München ISBN 978-3-648-02417-1

www.haufe.de

Mutige Bürger braucht das Land Dr. Günther Nonnenmacher, Mitherausge-ber der FAZ, und Prof. Dr. Bernhard Vogel, u.a. Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und dann in Thüringen, später, bis 2011, Vorsit-zender der Konrad-Adenauer-Stiftung, haben ein langes Gespräch geführt. Das haben, so ist im Vorwort zu lesen, „drei besonders hilfreiche Damen, Meike Hedwig, Monika Schoettel und Barbara Hornschuh“ aus Mitschnitten über-tragen und in Rekordzeit zu Papier gebracht.

Immerhin knapp 300 Seiten sind es geworden, und Kapitelüberschriften wie „Von Mutbürg-ern und WutbürgMutbürg-ern“ über „Wir höhlen den Föderalismus aus“ bis „Diese Gurkentruppen“

versprechen Einblicke, auch interne, in den politischen Alltag ebenso wie in visionär-pro-grammatische Ebenen. Was ich dann real in 22 Kapiteln gelesen habe, ist eine kurzweilige (das heißt auch schnell) zu lesende Mischung aus Erinnerungen und Reflexionen zum politischen Geschäft. Die Reflexionen bieten keine Überra-schungen. Das haben wir so oder so ähnlich sel-ber schon gedacht, und manches dabei kommt leider auch viel zu didaktisch daher. Wenn zwei

Männer mit Erfahrung, mit Erfolg und mithin auch Bedeutung über viele Jahrzehnte parlieren, ist Selbstdarstellung unvermeidbar. Dass man den, aber auch den, ja sogar den gekannt habe, dass jener so, dieser aber nur so gewesen sei, ist nur in wenigen Fällen wirklich interessant.

Das Buch heißt „Mutige Bürger braucht das Land“. Unter dieser Überschrift hätte ich mehr und anderes erwartet. Es klingt ja wie ein Fazit nach vielen Jahrzehnten, die beide als Politiker bzw. Publizist verbracht haben. Warum unser Land diesen Mut braucht, warum und wie er

konkret beschaffen sein muss, hat sich mir nach der Lektüre leider nicht so recht erschlossen.

Verwunderlich in diesem Kontext war für mich dann schon, dass Vogel die Frage nach mehr direkter Bürgermitbestimmung mit einem ein-deutigen Nein beantwortet – verwunderlich vor allem, weil sich mir die Frage stellte, wo er diesen Mut denn dann außer in der Wahlurne entfalten kann…

Ins Grübeln brachte mich auch der folgen-de O-Ton Vogel: „Es gab Zeiten, da stellte die Union in den Ländern neun von sechzehn Bil-dungsministern. Heute gehört nur noch einer der CSU in Bayern (mehr von der CSU kön-nen’s aber auch nicht sein, lieber Herr Vogel – d.A.) und einer in Niedersachsen der CDU an. Niemand begehrt dagegen auf. So höhlt man den Föderalismus aus. Dagegen muss man etwas tun.“ (S. 88). Merke: Mehrheitlich unionsbesetzte Bildungsressorts – das ist die Rettung unseres föderalen Systems!

Natürlich gibt es auch Richtiges und Wich-tiges. Wieder Vogel zur Auffassung einiger NRW-Bürgermeister, dem Osten gehe es zu gut: „Weil ein paar Städte im Westen Proble-me haben, kann ich doch nicht leugnen, dass die Probleme im Osten flächendeckend sind. Es ist doch etwas anderes, ob in einem Land wie Nordrhein-Westfalen zehn Städte Schwierigkei-ten haben oder ob ich in einem Teil Deutsch-lands keine einzige Stadt ohne Schwierigkeiten haben.“ (S. 176)

Als bemerkenswert ist auch die folgen-de Einschätzung einzuordnen, mit folgen-der Vogel unter anderem die Tatsache begründet, dass sich die Nachfolgeparteien der SED stabil im politischen Nachwendesystem etablieren konn-ten: „Und ein dritter Grund: Im Gegensatz zur nationalsozialistischen Ideologie, die ohne jeden Tiefgang war, steht hinter der Idee der SED ein 2000-jähriger Traum vom Erfolg des Sozialismus, und dieser Traum ist auch heute noch nicht von allen ausgeträumt. Die Frage, ob es keine Welt geben könne, auf der alle Men-schen gleich sind, und es allen MenMen-schen gleich gut geht, ist so alt wie der Traum, dass dies mög-lich sein müsste.“

Es gibt eine ganze Reihe weiterer kluger Sätze und wer diese finden und lesen will, dem sei das Buch empfohlen. Dann muss er es aber gründlich lesen.

Rezensent: Michael Schäfer Bewertung:

***

Nonnenmacher, Günther/Vogel, Bernhard: Mutige Bürger braucht das Land

1. Auflage 2012 Herder Verlag, Freiburg im Breisgau ISBN 978-3-451-32579-3 www.fgb.de

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99 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Landgericht

Wenn ich Ihnen, liebe Leserinnen und liebe Leser, unter der Rubrik Sachbücher neue Titel vorstelle, erfolgt die Auswahl in erster Linie nach objektiven Kriterien. Was sich an Inhalten einer kommunalwirt-schaftlichen Fachzeitschrift zuordnen lässt, kann ein-deutig definiert werden. Damit ich aber nicht Sklave des Sachzwanges werde, habe ich einen Graubereich zugelassen. Der ist zwischen rein Kommunalem und allgemein Gesellschaftspolitischem angesiedelt. Im aktuellen Heft sind die Bücher von Däke zur Ver-schwendung, oder der Dialogband mit dem ehema-ligen Thüringer Ministerpräsidenten dort zu Hause.

Ganz anders ist die Situation in dieser letzten Rubrik.

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 96-99)