• Keine Ergebnisse gefunden

ganzheitlichen Konzept

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 42-48)

öffentliche Unternehmen, VKU und die Politik diskutieren zur Zukunft der Versorgungswirtschaft in Berlin

D

ie Idee, mit den VKU-Landesgruppen über strategische Themen der Kommunalwirtschaft zu diskutieren, ist mittlerweile drei Jahre alt. UNTERNEHMERIN KOMMUNE hat in Kooperation mit dem Verband kommunaler Unternehmen und den Experten von PricewaterhouseCoopers einst im uckermärkischen Schwedt/Oder begonnen, war in sieben Bundesländern zu Gast und ist nun in der Hauptstadt angelangt. Das aktuelle Treffen kann als direkte Fortsetzung der letzten Diskussionsrunde in der Freien und Hansestadt Hamburg angesehen werden. An der Alster wie an der Spree wurden in den vergangenen 20 Jahren sehr ähnliche Entwicklungen gemacht. Nach einer weitgehenden Privatisierung von Daseinsvorsorgeleistungen erschallt nun der Ruf nach größerer kommunaler Verantwortung. Zusammen mit den Vertretern der Politik und der öffentlichen Wirtschaft aus beiden Stadtstaaten wollte UNTERNEHMERIN KOMMUNE die Potenziale für mehr kommunales Engagement im Bereich der Daseinsvorsorge erörtern. Lesen Sie im Folgenden Ausschnitte aus einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde mit Vertretern der Berliner Landespolitik, der größten öffentlichen Unternehmen, des VKU und den Experten von PricewaterhouseCoopers – moderiert von Prof. Dr. Michael Schäfer, Chefredakteur von UNTERNEHMERIN KOMMUNE.

Dr. Sigrid Nikutta und Steffen Döring

43 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Einflussnahme in Bezug auf Tarife oder Ökologie sowie den Anforderungen der Wirtschaftlichkeit.

Im Sinne klarer Vorgaben, Verantwortlichkeiten und Zielorientierungen gilt es, diesen Interessens-konflikt möglichst schon im Vorfeld aufzulösen.

Harald Wolf:

In Berlin sprechen wir nicht über ein Stadtwerk im klassischen Sinne verstanden als kommunaler Mehrspartenkonzern unter Ausnutzung des steuer-lichen Querverbunds. Auch sollte unterschieden werden, ob ein Unternehmen eigenwirtschaftlich profitabel arbeiten kann oder auf Zuschüsse ange-wiesen ist. Ein kommunaler Energieversorger unter Einschluss der Netze würde von einer garantierten Verzinsung in einem stark regulierten Geschäft profitieren. Aus meiner Sicht sprechen zwei Grün-de für eine Re-Kommunalisierung Grün-der Energiewirt-schaft. Das eine wäre öffentlicher Einfluss bei den Vorhaben der ökologischen Erneuerung und das zweite eine mögliche kommunale Energieerzeu-gung. In jedem Fall werden aber starke Partner mit dem nötigen Know-how nötig sein.

Dr. Michael Garmer:

In den 90er Jahren erlebten wir die Modewelle der Privatisierung, nun schlägt das Pendel zurück in Richtung einer Re-Kommunalisierung. Es hat sich gezeigt, dass rein fiskalische Gründe als Rechtfertigung für eine Privatisierung nicht ausreichen. Es war auch ein Fehler, die Erlöse aus dem Teilverkauf der Wasserbetriebe nahezu vollumfänglich zur Stopfung von Haushaltslö-chern zu nutzen. Ebenso problematisch war es, den neuen privaten Teilhabern eine langfristige Gewinngarantie einzuräumen. Gerade bei den Netzindustrien stellt sich die Frage, inwiefern ein natürlicher Wettbewerb überhaupt möglich ist. Insofern wäre es vermutlich klüger gewesen, das Vermögen an den Netzen in kommunaler Hand zu halten und die Erbringung von Ver-sorgungsleistungen auszuschreiben.

Nun sind die Netze aber verkauft und die Erlöse konsumiert. Insofern erscheint es mir angemessen, einen strategischen Partner zu finden, mit dem die Kommune eine effiziente Versorgung garan-tieren kann. Ein Engagement des Landes Berlin

im Netzbetrieb halten wir als CDU-Fraktion nicht für nötig. Gerade der Flughafen Berlin-Brandenburg hat doch gezeigt, dass öffentliche Akteure nicht per se die besseren Ökonomen sind. Auch einen Stadt-werke-Verbund mit dem Zweck der Quer-subvention halte ich in einer Metropole wie Berlin nicht für umsetz-bar. Es wäre zudem politisch nicht korrekt, aus Strom-, Gas- oder Wassergebühren ander-weitige kommunale Leistungen zu finanzieren. Aus dem gleichen Grund müssten die Zuschüsse zu den Ticketprei-sen der BVG transparent gestaltet werden, anstatt im Unternehmen durch politische Entscheidun-gen verursachte Schulden anzuhäufen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Der steuerliche Querverbund ist auch ein Aus-druck der fehlenden kommunalen Finanzaus-stattung. Wenn öffentlicher Nahverkehr zum Kanon der

Daseins-vorsorge gerechnet wird, dann müssen die Kommunen auch in die Lage versetzt werden, diese Auf-gabe zu erbringen.

Hier fehlt es nach wie vor an einem ganz-heitlichen Konzept, wie kommunales Eigentum möglichst optimal mit den Auf-gaben der Daseins-vorsorge verknüpft werden kann. Welche Erfahrungen kann die Freie und Hanse-stadt Hamburg zu der

anlaufenden Berliner Diskussion um mehr kommunale Verantwortung beitragen?

Dr. Monika Schaal:

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat kein Stadt-werk, dafür aber mehr als 100 öffentliche Unter-nehmen. Sie sind in der Hamburger Gesellschaft

für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) organisiert. Der steuerliche Quer-verbund findet dort statt. Auch in Hamburg gab es die Diskussion um eine Re-Kommunalisierung der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Der Ansatz einer hundertprozentigen Übernahme durch die Stadt ist aufgrund zahlreicher Risiken verworfen worden. Die SPD wurde durch das Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahlen legitimiert, sich mit 25,1 Prozent an den Netzgesellschaften für Strom, Gas und Fernwärme zu beteiligen. Zusätzlich zu den Beteiligungsverträgen wurden mit den Ener-gieversorgern erhebliche energiewirtschaftliche Investitionen vereinbart. So wird unter anderem ein neues effizientes Gaskraftwerk für die Fern-wärme entstehen und in Speicher- und moderne Netztechnologie investiert.

Schon 2009 hat der damalige Senat mit „Ham-burg Energie“ ein kommunales Stromunterneh-men gegründet, das den Hamburgern Ökostrom zu bezahlbaren Preisen anbietet. Auf die Schaffung eines Ergebnisabführungsvertrages und eine Quer-subventionierung zwischen der Mutter Hamburg Wasser und der Tochter Hamburg Energie ist bewusst verzichtet worden. Nach drei Jahren Anlaufphase wird das Unternehmen ab 2013 schwarze Zahlen schreiben. Zudem werden auch die öffentlichen Gebäude der Stadt mit Strom von Hamburg Energie versorgt werden. Dies ist das Ergebnis einer europaweiten Ausschreibung und zeigt, dass das Unternehmen im Wettbewerb bestehen kann. Die Erzeugungskapazitäten für Erneuerbare Energien sollen in den kommenden Jahren schrittweise ausgebaut werden.

Olaf Czernomoriez:

Das was einst als GASAG verkauft wurde, hat sich bis heute zu etwas vollkommen anderen entwi-ckelt. Das Unternehmen hat sich verändert, Berlin hat sich verändert und auch das Marktumfeld und der regulative Rahmen unterscheiden sich deut-lich von der Situation in den 90er Jahren. Wir

Dr. Klaus Lederer und Harald Wolf

Prof. Dr. Michael Schäfer und Helmut Preuße

haben als GASAG überhaupt kein Problem, wenn etwa im Bereich der Erneuerbaren Energien ein weiteres Unternehmen hinzu kommt. Schließlich haben wir schon heute viele Wettbewerber und behaupten uns auf einem umkämpften Markt.

Der Netzbetrieb ist jedoch eine vollkommen andere Sache. In Hamburg wurde diesbezüglich mit einem einzigen potenziellen Partner verhan-delt, der sich dem Konzessionsverfahren vorgelagert in einer M&A-Transaktion zu erheblichen Zuge-ständnissen bereit erklärte – Verpflichtungen, die nicht nur von den Netzgesellschaften sondern auch von ihren Aktionären eingegangen wurden. Dass die gemeinsamen Gesellschaften von eon und dem Land Hamburg sowie von Vattenfall und dem Land Hamburg heute deutlich bessere Chancen haben, in einem Konzessionswettbewerb zu reüssieren, hat auch mit dem gemeinsam gewählten energie-politischen Ansatz zu tun. In Berlin stehen wir in einem vollkommen offenen Verfahren. Die Politik

ist sich sowohl bei den zu formulierenden Kri-terien als auch in Bezug auf die präferierten Partner noch vollkom-men uneins. Wir wol-len unser Know-how gerne einbringen und uns am Wettbewerb um die Konzessionen beteiligen. Deshalb bedaure ich ein wenig, dass sich das Land Ber-lin so spät Gedanken um eine energiewirt-schaftliche Konzeption gemacht hat.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Was folgt aus diesen sehr sachlichen Über-legungen der großen Berliner Versorgungs-unternehmen für die Konzeption der weiteren Schritte zur Neuordnung der öffentlichen Wirtschaft im Land Berlin?

Preuße:

Ich verstehe nicht, warum das Wort Stadtwerk in Berlin verbrannt sein soll. Stadtwerke stehen für demokratische Beteiligung, gesellschaftliches Engagement und hohe Versorgungssicherheit. Sie sind ein stabiler Auftraggeber für die heimische Wirtschaft und ein zuverlässiger Arbeitgeber in der Region. Allein der Begriff schafft eine enorme Identifikation. Das Land Berlin sollte in der Lage sein, über eine Holding nachzudenken, innerhalb der die einzelnen Beteiligungen sinnvoll gruppiert werden können. Aktuell fließen Milliardengewinne ab – eine Situation, die man sich gerade angesichts

des horrenden Schuldenstandes nicht länger leisten sollte. Aus dem gleichen Grund sollten die mögli-chen Einsparungen im Rahmen eines steuerlimögli-chen Querverbundes zumindest geprüft werden, anstatt dieses Modell unbesehen zu verwerfen. Die Energie-wende bietet die Chance, kommunalen Einfluss im Sinne der Bürger vor Ort und einer ökologischen Erneuerung auszubauen. Es geht auch nicht um Arbeitsplätze oder um Kompetenzen. Die Angestell-ten von VatAngestell-tenfall könnAngestell-ten auch in einer anderen Konstruktion ihr Know-how einbringen. Ich habe nichts gegen strategische Partner für den Netzbe-trieb, doch die kommunale Gestaltungshoheit sollte über die Mehrheit der Anteile gesichert werden.

Daniel Buchholz:

Wir sind der Meinung, dass die Privatisierung der 90er Jahre in ihrer generellen Stoßrichtung aber auch in ihrer Umsetzung ein großer Fehler war. Deshalb begrüßen wir, dass sich auch die CDU-Fraktion mehrheitlich zu einer Stärkung der kommunalen Verantwortung bekannt hat.

Wir haben schmerzlich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise lernen müssen, dass der pau-schale Grundsatz, privat sei immer besser als Staat, nicht aufrecht erhalten werden kann.

Czernomoriez:

Ich bin vermutlich der einzige am Tisch, der die Privatisierung der 90er Jahre direkt miterlebt hat. Vor dieser Zeit wurde die GASAG nicht immer nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt. Zumindest dies hat sich mit der Priva-tisierung zum Positiven gewandelt. Auch für die Tatsache, dass die Politik die Privatisierungserlö-se nicht nachhaltig nutzen konnte, können die nun privaten Versorgungsunternehmen kaum verantwortlich gemacht werden.

AUS DEM VORTRAG VON STEFFEN DöRING, PARTNER PRICEWATERHOUSECOOPERS

Nach der Liberalisierung der Energiemärkte wurde auch von Experten das Überleben der Stadtwerke zur Disposition gestellt. Dennoch ha-ben sich kommunale Energieversorger weiterhin im Markt behaupten können. Nun hat sich der Wind in die vollständig entgegengesetzte Richtung gedreht. Selbst Ole von Beust, ehemaliger Erster Bürgermeis-ter von Hamburg und als CDU-Mitglied einer mangelnden Distanz zur öffentlichen Wirtschaft eher unverdächtig, bezeichnete die Privatisie-rungen in seiner Stadt als Fehler. Vielerorts wird versucht, kommunale Verantwortung im Bereich der Daseinsvorsorge auszubauen. Nach ak-tuellen Umfragen kann sich mehr als ein Drittel der befragten Kommu-nen vorstellen, solche Initiativen in Gang zu setzen. Sie finden dabei in der Regel die breite Unterstützung ihrer Bürger. Die Zufriedenheit mit der Leistung kommunaler Unternehmen ist aktuell so hoch wie noch nie.

In jedem Fall sollte eine Kommune die Argumente Pro und Contra Re-Kommunalisierung vor dem Hintergrund der spezifischen Rah-menbedingungen und möglichst unabhängig von politischen Ein-flussnahmen genau wägen. Für eine kommunale Lösung könnten sprechen:

ˆ die Haushaltskonsolidierung

ˆ die Rolle als Wirtschaftsfaktor

ˆ die Akzeptanz der Bürger

ˆ der steigende kommunale Einfluss

ˆ Verbundeffekte oder

ˆ die Verantwortung für die Leistungen der Daseinsvorsorge.

Die Pendelbewegungen zwischen Privatisierungen und Kommunalisierungen könnten auch dadurch erklärt werden, dass die Netzkonzessionen in der Regel alle 20 Jahre neu ausgeschrieben werden. In den Jahren zwischen 2011 und 2015 laufen bundesweit gut 1.000 Konzessionen für Strom- und Gasnetze aus.

Gerade in diesem Jahr wurde diesbezüglich der absolute Peak erreicht. Kom-munale Unternehmen haben seit 2007 mehr als 100 Konzessionen zurückge-wonnen. Davon sind 35 bis 40 Stadtwerke komplett neu entstanden.

Eine Re-Kommunalisierung ist allerdings immer auch mit Risiken verbunden, die die Kommunen stets im Auge behalten sollten. Gerade in Berlin ver-mittelt der gigantische Marktwert des Netzes ein erhebliches Risiko in der Finanzierung. Jede Kommune muss deshalb die Rahmenbedingungen klar abwägen, um eine ausgereifte Entscheidung treffen zu können. Ein strategi-scher Partner könnte dazu beitragen, das Risiko zu minimieren.

Dr. Monika Schaal und Daniel Buchholz

45 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

HALBERSTADTWERKE Wehrstedter Straße 48, 38820 Halberstadt,

Telefon: 03941 579 100

Buchholz:

Ich habe bereits eingeräumt, dass die Politik sei-nerzeit Fehler gemacht hat. Eine kurzfristige Cash-Optimierung hätte bei weitem nicht aus-reichen sollen, um eine radikale Privatisierung zu rechtfertigen. Die Landes-SPD ist sich einig, die Gas-, Strom- und Fernwärmenetze in kommuna-le Verantwortung zurückführen zu wolkommuna-len. Damit verbindet sich die Schaffung eines kommunalen Versorgungsunternehmens für den Vertrieb und die Produktion von Energie. Hinsichtlich der Stromnetze wollen wir mindestens für eine Mehr-heit der kommunalen Anteile sorgen. Die Dis-kussion um die Schaffung eines Unternehmens Berlin Energie ist erst spät ins Laufen

gekommen. Zudem müssen in der Verwaltung erst wieder die Kompe-tenzen geschaffen werden, um abge-stimmte Konzessionsverfahren zu initiieren. Insofern begrüßen wir es, dass sich mit dem Berliner Energie-tisch auch die Bürger stärker an einer Neuordnung der Berliner Energie-versorgung beteiligen.

Dr. Michael Efler:

Ich möchte kurz auf die Situation in Hamburg zurückkommen. Hier wird so getan, als ob es bereits zu einer Entscheidung gekommen wäre. Allerdings steht hier noch ein Volksentscheid aus. Ich hoffe, dass die Bürger für eine kommunale

Mehrheit optieren werden. Der Berliner Ener-gietisch hat sich vor einem Jahr konsolidiert.

Unsere zentralen Ziele sind die Re-Kommuna-lisierung des Stromnetzes und der Aufbau eines Berliner Stadtwerkes – einen Begriff, den ich gerade aufgrund der vielen positiven Beispiele landauf landab mitnichten als antiquiert bewerte.

Es macht aber auch keinen Sinn, eine Re-Kom-munalisierung nur mit fiskalischen Aspekten zu

begründen. Deshalb wollen wir die Energiever-sorgung in der Stadt sowohl ökologisch als auch sozial und demokratisch organisieren. Der Anteil Erneuerbarer Energien in der Stadt ist katastro-phal gering. Ein neu zu schaffendes Stadtwerk soll deshalb die Kapazitäten bei der Erzeugung Erneuerbarer Energien gezielt ausbauen. Die Hamburg Energie ist ein gutes Beispiel. Daneben geht es um den Erhöhung der Energieeffizienz.

Hier könnte ein Stadtwerk in Kooperation mit der Berliner Energie-Agentur eine sozial verträg-liche Gebäudesanierung realisieren. Im Hinblick auf den sozialen Aspekt haben wir das Problem, dass immer mehr Menschen ihre Stromrechnung

nicht begleichen können. In Deutschland wur-den im vergangenen Jahr 600.000 Haushalte von der Energieversorgung abgeklemmt. Ein Berliner Stadtwerk sollte tragfähige Konzepte entwickeln, die von einer Energieeinspar-Beratung bis hin zur Schaffung von Sozialtarifen reichen können. Der letzte Punkt ist die Demokratie. Wir wollen nicht zurück zur alten BEWAG und zu intransparenten Strukturen in der Versorgungswirtschaft. Solange

sich die Koalition in ihrer Gesamtheit zu diesen gemeinsamen Zielen nicht eindeutig bekennt, werden wir auch in Berlin ein Volksbegehren zur Zukunft der Energieversorgung auf den Weg bringen.

Dr. Schaal:

Es ist korrekt, dass die bereits geschlossenen Ver-träge in Hamburg wirkungslos werden, wenn der Volksentscheid zugunsten der Bürgerinitia-tive ausgeht. Allerdings hat die InitiaBürgerinitia-tive abge-sehen von der vollständigen Kommunalisierung des Netzes kein Konzept, wie die Energiewende in Hamburg umgesetzt werden kann.

Klaus Rabolt:

Ich habe als Abschlussprüfer eine Reihe Berliner Unternehmen ken-nenlernen dürfen. Ich vermisse sei-tens der Politik einen konsistenten Plan, was man mit der öffentlichen Unternehmenstätigkeit bezwecken möchte. Die Politik hat noch immer kein in der Öffentlichkeit erkennbares Bewusstsein für die öffentliche Unternehmenstätigkeit entwickelt. Beispielhaft seien der seit Jahren andauernde Rückgang des Eigenkapitals und die damit einhergehende Verschuldung der BVG genannt.

Ich stimme diesem Befund ausdrücklich zu. In den 90er Jahren wurde in die eine Richtung gestückwerkt und heute in die andere. Berlin sollte sich klar darüber werden, in wessen Inte-ressen die öffentliche Wirtschaft funktionieren soll. Wenn eine Re-Kommunalisierung tatsäch-lich angestrebt wird, muss man sich einigen, ob das Sachziel oder das Formalziel ausschlaggebend sein soll. Bei einer fachlichen Angliederung

Dr. Michael Garmer und Vera Gäde-Butzlaff Dr. Hans-Martin Dittmann und Dr. Michael Efler

Klaus Rabolt und Olaf Czernomoriez

Dr. Lederer:

47 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2012

Die Idee einer konsistenten Strategie für die Daseinsvor-sorge in der Hauptstadt wurde von recht unterschiedlichen Protagonisten der Gesprächsrunde geteilt. Über das Wie einer Umsetzung konnte allerdings keine Einigkeit erzielt werden. Wenn die Verwaltung oder auch die Legislative

hier keine Impulse setzen wollen oder können, dann werden Lösungsansätze aus der breiten Bürgerschaft heraus entwickelt werden müssen. Eine ähnliche Tendenz ist aktuell am Volksbegeh-ren zu den Berliner Wasserbetrieben oder an den Aktivitäten des Berliner Energietisches abzulesen.

Wenn die Mandatsträger keine tragfähigen Strategien entwickeln können, dann wandert diese Ver-antwortung eben wieder zurück zu denen, die sie gewählt haben. Auch wenn damit die repräsenta-tive Demokratie ad absurdum geführt würde und der regierenden Koalition ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt werden müsste. Die Re-Kommunalisierung ist in gewisser Hinsicht die dialekti-sche Antwort auf die Globalisierung. Die Mendialekti-schen haben das Bedürfnis, ihr Umfeld wieder stärker selbst zu gestalten und werden sich dieses Recht auch erkämpfen. Falk Schäfer

DIE TEILNEHMER DER GESPRÄCHSRUNDE (IN NAMENSALPHABETISCHER REIHENFOLGE) Kommunalpolitik und Kommunalwirtschaft (in namensalphabetischer Reihenfolge):

ˆ Buchholz, Daniel, Mitglied der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, umwelt- und energiepolitischer Sprecher, Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes und Leiter der AG „Daseinsvorsorge“

ˆ Czernomoriez, Olaf, Vorstand Gasag

ˆ Efler, Dr., Michael, Mitinitiator des Volksbegehrens des Berliner Energietisches zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung und Vorstandssprecher Bundesvorstand

„Mehr Demokratie“ e.V.

ˆ Gäde-Butzlaff, Vera, Vorstandsvorsitzende BSR Berliner Stadtreinigung

ˆ Garmer, Dr., Michael, CDU-Fraktion Berliner Abgeordnetenhaus

ˆ Lederer, Dr., Klaus, Fraktion DIE LINKE, Berliner Abgeordnetenhaus

ˆ Nikutta, Dr., Sigrid, Vorstandsvorsitzende Berliner Verkehrsbetriebe

ˆ Preuße, Helmut, Vorsitzender Landesgruppe Berlin-Brandenburg Verband kommunaler Unternehmen (VKU) e.V., Geschäftsführer Stadtwerke Schwedt GmbH

ˆ Schaal, Dr., Monika, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, SPD-Fraktion, Fachsprecherin für Umwelt

ˆ Wolf, Harald, Mitglied der Fraktion DIE LINKE, Berliner Abgeordnetenhaus, Sprecher für Verkehrspolitik und ökologischen Umbau

Expertise (in namensalphabetischer Reihenfolge):

ˆ Dittmann, Dr., Hans-Martin, PricewaterhouseCoopers AG, Berlin

ˆ Döring, Steffen, Partner, PricewaterhouseCoopers AG, Berlin

ˆ Rabolt, Klaus, Partner PricewaterhouseCoopers AG, Berlin

i infos

öffentlicher Unternehmen an den Senator für Finanzen werden stets die Erträge im Vorder-grund stehen. Doch es muss um klare Zukunfts-konzeptionen gehen, anstatt die öffentlichen Unternehmen lediglich zur Beute wechselnder Interessengruppen werden zu lassen. Auch über mögliche Synergien zwischen den öffentlichen Unternehmen wird nicht diskutiert. Hier sollte zumindest ein gedanklicher Querverbund zwi-schen den Spartenunternehmen der Daseinsvor-sorge hergestellt werden.

Berlins Chancen, seine Infrastruktur zukunftsfähig zu gestalten, sind besser denn je.

Doch die Koalition müsste dazu endlich aufhö-ren, es allen rechtmachen zu wollen.

Wolf:

Auch ich halte den Begriff Stadtwerk für positiv besetzt. Bezüglich des steuerlichen Querverbun-des weise ich allerdings darauf hin, dass der Effekt in Stadtstaaten geringer ist, da damit auch dem Land Steuern vorenhalten werden. Er kann auch nicht das zentrale Element für das Geschäftsmo-dell kommunaler Unternehmen sein.

Im rot-roten Senat wurde das Thema Re-Kommunalisierung stets von der Linken ange-schoben. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Außer den abstrakten Absichtsbekundungen im Koalitionsvertrag fehlt es am konkreten Willen zu einer aktiven Gestaltung der Berliner Versor-gungslandschaft. Der Senat müsste mit Hoch-druck daran arbeiten, strategische Partner zu gewinnen, die die nötige Kompetenz für den Netzbetrieb garantieren könnten. Doch das findet genauso wenig statt wie eine Diskus-sion über mögliche Synergien – etwa durch die Zusammenlegung von Back-Office Prozessen der kommunalen Unternehmen, einen gemein-samen Einkauf von Energie oder ein gemeinsa-mes Lastenmanagement.

Dr. Garmer:

SPD und CDU sind noch immer zwei unterschied-liche Parteien. Innerhalb der Koalition sind wir jedoch durchaus in der Lage, zu sinnvollen Kom-promissen zu gelangen. Ich hoffe, dass wir auch mit dem Berliner Energietisch zu vernünftigen Lösun-gen kommen. Wichtig ist in diesem Zusammen-hang aber auch, dass wir in der Verwaltung mehr Kompetenz aufbauen, um die Versorgung sinnvoll

steuern zu können. Der konzertierte Plan zur Neu-ordnung der Versorgungswirtschaft ist auch deshalb nicht vorhanden, weil uns die extrem knappe kom-munale Finanzausstattung dazu zwingt, uns immer wieder von einem Ast zum nächsten zu hangeln.

Preuße:

Wenn die Zeit nicht ausreicht, einen abge-stimmten Plan zu entwickeln, dann sollte die Politik die aktuellen Konzessionen um ein Jahr verlängern und einen ordentlichen Mas-terplan komplett entwickeln. Denn nichts wäre schlimmer, als in die neue Verantwor-tung nur hinein zu stolpern. Die Sorge um fehlende Kompetenzen kann ich nicht tei-len, weil der Personalstamm des aktuellen Berliner Stromversorgers mehrheitlich in eine neue Gesellschaft übergehen würde.

Niemand hat ein Interesse, Arbeitsplätze zu vernichten. Bei derartigen Prozessen ist ein Personalübergang Gang und Gebe. Auch der VKU steht gerne bereit, die Politik bei der Neuordnung der Berliner Versorgungsland-schaft zu unterstützen. n Die Gesprächsrunde dokumentierte Falk Schäfer

www.vku.de www.pwc.de

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 42-48)