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Teil II – Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung und Ausblick

6 Herausforderungen beim Wechsel der Betreuungssysteme

7.2 Rahmenbedingungen und Annahmen der Vorausrechnungen von DJI und KVJS

7.2.1 Rahmenbedingungen der Vorausrechnung

Das DJI identifiziert in seiner Studie drei zentrale Faktoren, aufgrund deren die erforderlichen Platzzahlen, Personalbedarfe und damit verbundenen Kosten bis 2025 deutlich größer ausfallen werden, als bislang vermutet. Die drei Faktoren sind:

1. Die seit 2012 wieder leicht steigenden Geburtenzahlen (entgegen der bis dahin anders lau-tenden Vorausrechnungen des statistischen Bundesamtes).

2. Die starke Zuwanderung im Sommer 2015 und Frühjahr 2016, in deren Rahmen deutlich mehr als eine Million vor allem junger Menschen nach Deutschland kamen.

3. Der weitergehende Bedarf an Betreuungsangeboten im Grundschulalter in Form von schu-lischen Ganztagesanboten, Hortplätzen oder geregelten Übermittagsbetreuungsformaten [und in Kleinkindbetreuung sowie Kindergartenbetreuung][der Verfasser].

Damit richten sich die Faktoren 1 und 2 an die absolute Zahl zu betreuender Kinder. Um Faktor drei näher zu bestimmen, ziehen die Forscher Erhebungsstudien heran, mittels deren die elterli-chen Betreuungswünsche erfasst wurden. Beginnend mit Faktor 3 werden beide Aspekte nachfol-gend ausführlich erläutert.

Bedarf an Betreuungsangeboten entsprechend der Elternwünsche

Die elterlichen Bedarfe61 wurden mit den bis 2015 durchgeführten KiFöG-Erhebungen und der sich 2016 daran anschließenden „DJI-Kinderbetreuungsstudie U15“ (KIBS) ermittelt. Bei letzterer wur-den auch Daten über die U3-Betreuungswünsche hinaus erhoben. Was hierin seitens der DJI-Stu-die (zumindest in der hier zugrunde gelegten StuDJI-Stu-die) noch nicht abgebildet wurde ist, dass auch die Betreuungsumfänge sowohl in der Kleinkind- als auch in der Kindergartenkinderbetreuung ste-tig zunehmen. Gerade bei den Kindergartenkindern ist das in § 24 Abs. 3 SGB VIII formulierte, be-darfsgerechte Angebot an Ganztagesbetreuungsplätzen in den Blick zu nehmen. Beides ist inso-fern relevant, als beim Platzausbau immer auch an die erforderlichen räumlichen Gegebenheiten mitzudenken ist. Bei der Ü3-Betreuung kommen hier die Betriebserlaubnis und damit die Maximal-zahl in einer Gruppe zu betreuender Kinder ins Spiel (s.o.). So werden bei längeren Betreuungs-zeiten mehr Gruppen erforderlich, um die gleiche Zahl an Kindern zu betreuen, als bei geringeren Zeitumfängen (z.B. für 100 Kinder 4 VÖ-Gruppen oder eben 5 GT-Gruppen; siehe oben). Werden Betriebserlaubnisse in diesem Sinne geändert, gehen Betreuungsplätzen verloren. In diesem

61 Für die Bewertung der ermittelten Platzvorausrechnungszahlen ist zu beachten, dass nicht die Bedarfe der Kinder die Grundlage stel-len. Das ist vor allem aus den in Abschnitt 1.5 thematisierten Aspekten von größter Bedeutung. Denn allein die Deckung der elterlichen Bedarfe bedeutet nicht, dass damit auch der Rechtsanspruch der Kinder erfüllt ist, der sich auch jenseits der elterlichen Bedarfe bewegt und auch volkswirtschaftlich von größter Bedeutung ist (siehe Fazit in Abschnitt 7.4).

Beispiel sind das mindestens fünf und maximal acht Plätze (in der Folge werden diese Platzver-luste als „KonversionsverPlatzver-luste“ bezeichnet – siehe auch Abschnitt 7.3.3). Entsprechend der oben genannten Erhebungsstudien sehen die Elternwünsche nach einem Kindertagesbetreuungsange-bot für die westlichen Flächenländer für das Jahr 2016 im Schnitt wie folgt aus (Rauschenbach et al. 2017, 11 ff.):

1. Kleinkinder: 42,6%

2. Kindergartenkinder: 96,2%

3. Grundschulkinder: 55,7%

Um daraus die notwendigen Ausbaubedarfe zu ermitteln, wurden die tatsächlich realisierten Be-treuungsquoten im Jahr 2016 verwendet. Diese lagen bei den westlichen Flächenländern durch-schnittlich auf folgendem Niveau (Rauschenbach et al. 2017, 11 ff.):

1. Kleinkinder: 27,6%

2. Kindergartenkinder: 93,3%

3. Grundschulkinder: 42,1%

Das bedeutet, dass außer für die Kindergartenkinder noch erhebliche Anstrengungen erforderlich sind, um das Zielniveau bis 2025 zu erreichen. Interessant ist, dass die Durchschnittswerte für die Betreuungsquoten der westlichen Flächenländer im Jahr 2016, mit Ausnahme der Werte für die Grundschulkinder, sehr nahe an den Werten für Baden-Württemberg liegen (Kleinkinder: 27,8%;

Kindergärtenkinder: 95,1%; Grundschulkinder: 20,1%62). Entsprechend stellen die Zielwerte der westlichen Flächenländer bzgl. der Betreuungsquoten eine gute Annäherung an die Werte dar, die für Baden-Württemberg zu erwarten sind.

Bevölkerungsentwicklung BRD und Baden-Württemberg

Zur Abbildung der Entwicklung der Kinderzahlen verwendet das DJI die aktualisierte 13. Bevölke-rungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes mit der Basis 31. Dezember 2015 aus dem Jahr 2017. Wie zuvor bereits ausgeführt, steigen die Kinderzahlen seit 2012 wieder deutlich an (Rauschenbach et al. 2017, 7 ff.). Dabei ergeben sich für die unterschiedlichen Altersgruppen die Höchststände der erwarteten Kinderzahlen zu verschiedenen Zeitpunkten. Bei den Kleinkin-dern wird der höchste Stand im Jahr 2020 erreicht sein, bei den KindergartenkinKleinkin-dern wird dies drei Jahre später der Fall sein. Bei den Kindern im Grundschulalter fällt der Höchststand auf das Jahr 2025. Bei den Kleinkindern sinkt die Zahl der Kinder nach dem Jahr 2020 wieder ab. Im Jahr 2025 werden es für die westlichen Flächenländer dann aber immer noch 17.000 Kinder mehr sein als im Ausgangjahr 2016. Nach Auffassung der Autoren des DJI sind diese unterschiedlichen Zeitpunkte der Höchststände dennoch gesondert zu berücksichtigen (Szenario 1; vgl. DJI 2017: 9 ff.).

Diese Einschätzung teilen wir nicht. Denn gerade im Altersbereich der Kleinkinder, in dem der Höchststand deutlich vor dem Zieljahr 2025 liegt, muss die Betreuungsquote auch nach dem Jahr 2020 entsprechend der erhobenen Elternwünsche weiterhin steigen (Szenario 2; vgl. DJI 2017: 11

62 Bei den Grundschulkindern liegt für Baden-Württemberg eine unvollständige Datenlage vor, weshalb hier die Quote deutlich geringer ausfällt. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Quote in Baden Württemberg höher liegt. Weitere Ausführungen dazu finden sich in Abschnitt 6.1 und in Abschnitt 7.2).

ff.). Daher spielt die faktische Anzahl der Kinder in der Altersgruppe zum jeweiligen Jahr nur eine untergeordnete Rolle. Dies sei kurz an einem Beispiel veranschaulicht. Während der Höchststand der Kinderzahlen der U3-Kinder im Jahr 2020 erwartet wird (1.793.000 Kinder) und sich diese Zahl bis 2025 wieder auf (1.762.000) reduziert, wird für den gleichen Zeitraum ein erforderlicher Anstieg der Betreuungsquote um 7,8 Prozentpunkte angenommen. Das bedeutet, dass zum Jahr 2020 nach dieser Rechnung bereits Plätze für 623.964 Kinder (Betreuungsquote 34,8%) bereitgehalten werden müssten. Im Jahr 2025 sind es hingegen 750.612 (Betreuungsquote 42,6% – in DJI

740.039 [sic!]) Plätze. Die Zahl benötigter Plätze würde also trotz einer geringeren Kinderzahl nach wie vor steigen. Im Kindergartenalter spielen vor allen Dingen der Ausbau der Ganztagesbetreu-ungsangebote und damit die Umwandlung anderer Angebotsformen in Ganztagesangebote eine besondere Rolle. So müssen auch bei sinkenden Kinderzahlen mehr Plätze geschaffen werden, um die „Konversionsverluste“ zu kompensieren. Entsprechend ist auch hier der Höchststand, der 2023 erreicht sein wird, für die Planung zum Zieljahr 2025 nur bedingt relevant.

Die nachfolgende Tabelle 10 enthält die neueste Vorausrechnung auf Grundlage der Bevölke-rungsdaten zum Jahr 2017, die Anfang des Jahres 2019 vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg herausgegeben wurde. Die Werte zu den Jahren 2014 bis 2016 entsprechen den tat-sächlichen Bevölkerungsdaten der betreffenden Jahre. Sie wurden noch mit aufgeführt, weil in der Berichterstattung und in den Transfers in den Stadt- und Landkreisen bis Anfang 2019 mit diesen Zahlen gearbeitet wurde. Das Referenzjahr 2016 und das Zieljahr 2025 sind jeweils grau hervorge-hoben. Ebenso sind die Jahre der jeweiligen Höchststände der Kinder farblich (grün) markiert.

Anders als die vom DJI abgedruckte Tabelle, sind hier die Vorausrechnungszahlen nicht nur bis 2025, sondern bis 2035 ausgewiesen. Ein weiterer Unterschied ist, dass mit Ausnahme der Klein-kinder in der untenstehenden Tabelle jeweils andere Zuschnitte der Altersgruppen verwendet wer-den, als bei der DJI-Studie. Für die Kindergartenkinder wird in Abschnitt 10.2 ausführlich dargelegt, wie der Zuschnitt der betreffenden Altersgruppe festzulegen ist. Dadurch kann die altersgleiche Wohnbevölkerung bestimmt werden, obwohl unterschiedliche Stichtage für die Zahl betreuter Kin-der und die Zahl Kin-der Wohnbevölkerung sowie weitere Unterschiede vorliegen. Auf dieser Grund-lage wurde dann eine Anpassung des Faktors für die sechsjährigen Kinder vorgenommen und konstant gehalten. Dazu ist anzumerken, dass seit dem Kitabericht 2016 für die Ermittlung der Be-treuungsquoten der Sechsjährigen die Zahlen der Kinder, die vom Schulbesuch zurückgestellt wur-den, verwendet werden. Da diese aber nicht für die zukünftigen Jahre vorliegen, wird mit dem Fak-tor 0,46 für den Jahrgang der Sechsjährigen gearbeitet.63 Ähnliches gilt für die Grundschulkinder.

63 Zur Ermittlung der Wohnbevölkerung der Kindergartenkinder ist der Erhebungsstichtag 1. März relevant, da für diesen die Zahl betreuter Kinder und vorhandener Betreuungsangebote vorliegen. Bei den Sechsjährigen wird dabei die Schulpflicht relevant. Daher dürfen bei der Ermittlung der altersgleichen Wohnbevölkerung nur Kinder berücksichtigt werden, die zum 1. März noch nicht eingeschult sind bzw. vom Schulbesuch zurückgestellt wurden. Das sind durchschnittlich zehn Prozent des Jahrgangs, von welchen in ganz Baden-Württemberg rund die Hälfte in Grundschulförderklassen betreut wird. Diese Kinder entfallen aus der zu betrachtenden Wohnbevölkerung, da sie bereits versorgt sind und entsprechend nicht (mehr) in nach § 45 SGB VIII betriebserlaubnispflichtigen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden müssen bzw. können (letztlich sind für den Bericht und die Vorausrechnungen hier aber nur diese relevant). Von dieser Zahl sind noch die früher eingeschulten Kinder abzuziehen. Bei Berücksichtigung aller Faktoren ergeben sich 5 relevante Monate (Oktober bis Februar, je 0,0833 siehe folgende Fußnote) sowie rund fünf Prozent des Jahrgangs, der aufgrund von Rückstellung betreut werden muss abzüglich der früher eingeschulten (entspricht: 5*0,0833+0,03=0,4467). Unter Annahme, dass die Zurückstellungen künftig zuneh-men, wird mit dem großzügigeren Faktor von 0,46 gerechnet (siehe Abschnitt 7.4).

Hier wurde der Zuschnitt der Altersgruppe nach sachlogischen Kriterien vorgenommen und im Ab-gleich mit den tatsächlichen Grundschulbesuchszahlen validiert.64

Mit Blick auf Tabelle 10 wird ersichtlich, dass sich für Baden Württemberg die gleichen Tendenzen bzgl. der unterschiedlichen Höchststände der Kinderzahlen ergeben wie für die westlichen Flä-chenländer (siehe DJI-Studie). Bei den Kleinkindern ist das im Jahr 2021, bei den Kindergartenkin-dern im Jahr 2024 und bei den GrundschulkinKindergartenkin-dern im Jahr 2027 der Fall. Vergleicht man bei den Kleinkindern für Baden-Württemberg die Jahre 2016 und 2025 sind es im Jahr 2025 noch rund 12.500 Kinder mehr als im Jahr 2016. Mit einer Konsolidierung der Kinderzahlen bei den Unterdrei-jährigen kann im Jahr 2030 gerechnet werden. Das bedeutet, dass in diesem Jahr die Zahl der Kleinkinder nach aktueller Vorausrechnung das Niveau von 2016 erreichen und danach darunter absinken wird. Die Ausbauzielplanung hängt folglich stark von den in diesem Jahr zu erwartenden Elternwünschen hinsichtlich der Betreuungsquote ab. Ebenso besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Ausbau der Betreuungsangebote weiterhin Einfluss auf die Familienplanungen haben kann (siehe auch Abschnitt 2.3). Bei den Kindergartenkindern und den Grundschulkindern liegen die absoluten Zahlen auch 2035 teilweise deutlich über den Zahlen des Vergleichsjahrs 2016. Da-mit deutet sich an, dass für eine zielführende Planung in der Kindertagesbetreuung hier eine Ge-samtstrategie benötigt wird, bei der über die unterschiedlichen Altersgrenzen hinweg Räumlichkei-ten, Personal und Plätze geplant werden (siehe Abschnitt 7.4). Gerade bei der Schnittstelle zwi-schen der Kindergarten- und der Grundschulkinderbetreuung ergeben sich aufgrund des System-wechsels von Jugendhilfe zur Schule einige Herausforderungen (siehe auch Abschnitt 6.1). Hier kann die Verwendung der KVJS-Software Zentrale Vormerkung deutliche Planungserleichterungen bieten (siehe Abschnitt 9.3.2).

64 Die Population der Wohnbevölkerung bzw. Grundschulbevölkerung, für welche Plätze vorzuhalten sind, kann nicht genau bestimmt werden. Das hängt damit zusammen, dass Kinder, die zur Grundschule gehen, prinzipiell zwischen fünf (früh eingeschult) und zwölf Jahren (spät eingeschult und Klasse wiederholt o.Ä.) alt sein können. Zur groben Orientierung werden hier die Werte für Kinder zwischen sechs und zehn Jahren ausgewiesen, welche der Zahlen aktuell tatsächlich beschulter Kinder relativ genau entsprechen (siehe Abschnitt 7.3). Zu ergänzen ist, dass die Betreuungsangebote um die Zahlen von KDW ergänzt werden und daher der Stichtag 1. März die relevante Referenzgröße für die betreuten Kinder ist. Folglich wird von den Sechsjährigen nur rund ein halber Jahrgang bei der Bestimmung der zu betreuenden Population berücksichtigt, da nur die Kinder, die nach dem 1. März und vor dem 30. September sechs Jahre alt geworden sind, zum Stichtag auch noch sechs Jahre alt sind. Das sind insgesamt rund 7 Monate, was mehr als der Hälfte des Jahrganges entspricht.

Da aber aus dieser Altersgruppe noch einige Kinder vom Schulbesuch zurückgestellt werden bzw. bereits zurückgestellt wurden, müssen davon noch Kinder abgezogen werden (je Jahrgang durchschnittlich zehn Prozent), andererseits aber auch Kinder addiert werden, die im Vorjahr früher eingeschult wurden (vgl. vorausgehende Fußnote). In der Summe ergibt sich etwa ein halber Jahrgang. Bei den Zehn-jährigen sind hingegen nur die zu berücksichtigen, die im vierten Schuljahr bis zum 1. März zehn Jahre alt geworden sind und damit Oktober bis Februar geboren sind. Das sind 0,4167 Jahrgänge. Damit lässt sich die Zahl der Kinder ermitteln, die in der Hauptsache die Population der Grundschulkinder stellen, obwohl die maximale Alterspanne der Grundschüler größer ist (s.o. in dieser Fußnote). Der Anteil der Kinder, die älter bzw. jünger als die hier verwendete Spanne von sechseinhalb bis neuneinhalb Jahren sind, ist relativ klein (vgl.

Abschnitt 6.1). Zudem sind in der Gruppe der beschulten Kinder die Kinder die in Sozialpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) beschult werden, nicht enthalten.

Tabelle 10: Vorausrechnung der Kinderzahlen Baden-Württemberg unterteilt in Kleinkinder, Kindergartenkinder und Kinder im Grundschulalter (Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2019)

Kleinkinder (6,5 bis 9,5 Jahre; nicht exakt identisch zur Zielpopulation)66 Jahr absolut relativ zu 2016 absolut relativ zu 2016 absolut relativ zu 2016

2014 283.420 -9,3% 324.924 -3,4% 381.124 -1,8%

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