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Teil I – Zentrale Herausforderungen in der Kindertagesbetreuung

1 Kinder- und Jugendhilfe und Bedarfsplanung in der Kindertagesbetreuung

1.7 Kindertagesbetreuung Bestand und Herausforderung – ein Fazit

1.7.1 Bestandsaufnahme – der Weg zur aktuellen Situation

Die Gründe für die derzeitige Situation sind vielfältig. Nicht alle Gründe werden für jede Kommune gleichermaßen zutreffen, sondern in unterschiedlicher Ausprägung relevant sein. In der Hauptsa-che lassen sie sich wie folgt benennen:

1. Gesetzesentwicklung Kindertagesbetreuung: Aufgaben und Zuständigkeiten 2. Ambivalente Indizien zur Bedarfsentwicklung und Bedarfsplanungskompetenz 3. Wahrnehmung der Gesamtverantwortung aller beteiligten Akteure

4. Konkurrierende Problemstellungen in den Kommunen

5. Dynamische Bedarfsanmeldung und Zusammentreffen mehrere Entwicklungen Ad 1. Gesetzesentwicklung Kindertagesbetreuung: Aufgaben und Zuständigkeiten

In Abschnitt 1.6.2 wurde die Entwicklung des SGB VIII mit Blick auf die Bedarfsplanungsaufgabe skizziert. Bereits die sich ständig weiterentwickelnde Gesetzgebung, die zudem bis 2013 einen Vorbehaltscharakter hatte, könnte die kommunale Ebene zur Zurückhaltung veranlasst haben. Bis 2013 war der Blick vermeintlich nur auf Kinder von berufstätigen Eltern und Eltern zu richten, die wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollten beziehungsweise die sich in Ausbildung befanden.

Obwohl dies im Gesetz so nicht explizit festgehalten war, konnte aber interpretiert werden, dass solche Kinder im Zweifel zu bevorzugen waren (siehe Abschnitt 1.6.2). Bis 2013 war noch das Kreisjugendamt mit der koordinierenden Aufgabe der Bedarfsermittlung und Festlegung von Aus-baustufen betraut. Die Aufgabe wurde ab 1. August 2013 aber nicht ausschließlich den Gemein-den zugeordnet.

In der Summe ergaben sich daraus einige Quellen, die Missverständnisse ermöglichten und damit Spielraum für das Entstehen von „Verantwortungsdiffusion“ ließen. Dieser aus der Sozialpsycholo-gie stammende Begriff bedeutet, dass Menschen, die sich in einer mehrdeutigen, schwer ein-schätzbaren Situation befinden, versuchen, aus der Beobachtung der jeweils anderen Beteiligten

Hinweise auf ein zielgerichtetes Verhalten zu bekommen. Gibt es dann keinen eindeutigen Für-sprecher für eine bestimmte Vorgehensweise, bleibt ein Handeln aus. Gerade diese nicht eindeu-tige Faktenlage zur Verantwortlichkeit in Fragen der Bedarfsplanung und zur eigentlichen Zielset-zung der Bedarfsplanung eröffnete einen großen Interpretationsspielraum. Ergänzend kam hinzu, dass in zahlreichen Kommunen zum damaligen Zeitpunkt eine dezidierte Bedarfsplanung nicht vorgelegen hat und bis heute nicht vorliegt. Entsprechend fehlten belastbare Daten, wie sie nur mit einer systematisierten Bedarfsermittlung festgehalten werden können. Zwar waren bis 2013 die Kreisjugendämter mit dieser Aufgabe ausdrücklich über § 24a SGB VIII betraut. Danach jedoch, so wurde aus den Rückmeldungen der KVJS-Transferveranstaltungen deutlich, waren viele Kommu-nen faktisch erneut auf sich allein gestellt oder wollten wieder selbst über den Ausbau entschei-den. Denn nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KiTaG haben sie mit Außerkrafttreten von § 24a SGB VIII ihre Bedarfsplanung dem örtlichen Träger der Jugendhilfe „nur noch“ anzuzeigen.

Ad 2. Ambivalente Indizien zur Bedarfsentwicklung und Bedarfsplanungskompetenz

Mit dem Ende der ausdrücklichen Ausbauzuständigkeit des örtlichen Trägers der Jugendhilfe zum 1. August 2013 stiegen, im Gegensatz zu den Vorausrechnungen des Statistischen Landesamts, die Geburtenzahlen wieder an. Hinzu kam, dass bis 2013 stetig sinkende Zahlen an betreuten Kin-dergartenkindern gemeldet wurden (siehe Abschnitt 1.2). Hieraus resultierte eine Gemengelage, die nur noch mit einer ausgewiesenen Bedarfsplanungskapazität sachgerecht analysiert werden konnte. Aus den Arbeitskreisen ist bekannt, dass einige Kreise zwar Bedarfsabfragen bei ihren Kommunen vornehmen. Wie diese aber ihre Bedarfsermittlung vor Ort vollziehen, ist nicht bekannt beziehungsweise dies wird sehr heterogen sein. Auch hier legen Erfahrungsberichte nahe, dass die „Bedarfsanmeldungsinstrumente“ in manchen Fällen wenig transparent waren und sind. Nicht alle Eltern, deren Kinder einen Bedarf hatten, zeigten diesen tatsächlich an. Hier ist insbesondere an sozial schwächere Kinder (siehe Abschnitt 1.5.3) und Kinder, deren Wohl gefährdet ist, zu den-ken. Hohe Elternbeiträge werden vereinzelt ebenso dazu geführt haben, dass die Bedarfsmeldun-gen nicht bedarfsentsprechend erfolgten. Soweit diese ProblemstellunBedarfsmeldun-gen für die jeweilige Kom-mune zutreffen, können die in Abschnitt 1.7.2, 1. skizzierten Lösungsansätze aufgegriffen werden.

Zu ergänzen ist, dass die Bedarfsplanung vor dem unbedingten Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren zum 1. August 2013 einfacher zu handhaben war. Überspitzt gesagt war es vor dem TAG und KiFöG ausreichend die Geburtenstatistik zu kennen, um zu wissen, wie viele Plätze drei Jahre später benötigt würden. Denn erfahrungsgemäß war und ist es so, dass zwischen 95 und 100 Prozent der Eltern aller Kinder einer Gemeinde einen Kindergartenplatz in Anspruch nehmen.

Das Geburtsdatum der Kinder war daher lange Zeit unerheblich, weil die Plätze erst ab dem voll-endeten dritten Lebensjahr angeboten wurden. Folglich war es nur nötig zu wissen, wie viele Kin-der zum jeweiligen 1. September drei Jahre alt waren. Dementsprechend waren manche KinKin-der bereits älter, wenn sie den Kindergartenbesuch aufnahmen. Planerisch war es erforderlich zu be-stimmen, wie hoch der Bedarf an Ganztagsbetreuungsangeboten sein würde.

Während diese drei Jahre eine ausreichende Zeitspanne sind, etwa um Personal auszubilden oder Einrichtungen zu planen und zu bauen, bedingt der „neue“ Rechtsanspruch deutlich kürzere Zeit-fenster sowie ein völlig anderes Planungsverständnis. Zumal mit ihm auch die Zahl der Leistungs-berechtigten deutlich gestiegen ist und hier ohnehin eine große Ausbautätigkeit erforderlich wurde.

Damit wurde es erforderlich Betreuungsbedarfe frühzeitig zu erfassen und am besten aktiv auf die Elternschaft zuzugehen. Denn mit Vollendung des ersten Lebensjahres kann nun ein

Betreuungsplatz beansprucht werden und zwar nicht nur zum 1. September. In vielen Gemeinden wurde aber keine aktive Bedarfsplanung vorgenommen und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Gemeinde keine oder nur wenige eigene Einrichtungen betrieb. Entsprechend gab es in man-chen Gemeinden keine dezidierte Planungsstelle(n).

Der Vorlauf für die Bedarfsplanung und damit für die Bau- und Personalplanung hatte sich auf nun-mehr bis zu einem halben Jahr reduziert, denn gemäß § 3 Abs. 2a KiTaG sind die Eltern lediglich verpflichtet, ihren Betreuungswunsch bis sechs Monate vor gewünschtem Aufnahmedatum bei der Gemeinde anzumelden. Beim Krippengipfel im Jahr 2007 wurde zwar als Zielsetzung eine Betreu-ungsquote von 35 Prozent bis zum Jahr 2013 ausgegeben. Gerade den Kommunen im ländlichen Raum dürfte aber aufgrund der damals aktuellen Betreuungsquoten von häufig lediglich zwischen fünf und zehn Prozent nur schwer nachvollziehbar gewesen sein, wie eine solche Quote die tat-sächlichen Bedarfe der Eltern und Kinder vor Ort abbilden sollte.

In der Summe wird deutlich, dass mit der Zielsetzung des Krippengipfels und dem folgenden Ki-FöG die Aufgabe der Bedarfsplanung in der Kindertagesbetreuung erheblich komplexer wurde und die bisherigen Planungskonzepte und auch Ressourcen einer solchen Aufgabe in vielen Fällen nicht mehr gerecht wurden.

Ad 3. Wahrnehmung der Gesamtverantwortung der beteiligten Akteure

Daraus wird ersichtlich, dass ohne eine hierarchieübergreifende Verantwortungsgemeinschaft die Probleme der Kindertagesbetreuung nicht zu lösen sind. Das hängt vor allem auch damit zusam-men, dass die Legislaturperioden auf den verschiedenen Hierarchieebenen unterschiedlich ausfal-len und die verschiedenen Hierarchieebenen unterschiedliche Finanzierungsverantwortung haben.

Während der Bund zum Beispiel die Kosten des SGB-II-Bezugs trägt, kommen die Länder bezie-hungsweise Kreise für das Wohngeld auf. Und während die Kommunen einen großen Teil der Fi-nanzierung der Kindertagesbetreuung leisten müssen, sind sie nicht für die finanziellen Kosten ver-antwortlich, die entstehen, wenn die jungen Menschen keine monetär auskömmliche Bildungskarri-ere absolviBildungskarri-eren. In Abschnitt 1.5.5 wurde bBildungskarri-ereits ausführlich erläutert, dass das jedoch nicht die einzigen nachteiligen Effekte sind, die von einer fehlenden frühkindlichen Bildung resultieren kön-nen. Es wird aber deutlich, dass die gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Betrachtung den Zeitraum von einzelnen Legislaturperioden überschreitet. In der Folge ist auch die Verantwor-tung nicht nur als TeilverantworVerantwor-tung zu sehen, sondern als gemeinsame VerantworVerantwor-tung einzuord-nen.

Dem Grunde nach ist dieses Gemeinschaftsverantwortungsprinzip im SGB VIII verankert. Aber da die Aufgaben und Kompetenzen vor allem der verschiedenen Entscheidungsebenen nicht konse-quent zusammengeführt werden, differieren auch die Ergebnisse der Bedarfsplanung. Ziel sollte daher sein, gemeinsame Strategien der Bedarfsplanung zu entwickeln und zu prüfen, welche Teil-autonomien abgestimmt wahrgenommen werden müssen (dazu Abschnitt 1.7.2).

Eine Ebene ist die Trägerhoheit, darüber zu entscheiden, welche Kinder in der eigenen Einrichtung aufgenommen werden. Mögliche Selektionseffekte wurden in Abschnitt 1.5.3 und 1.5.4 erläutert.

Alter oder auch das Geschlecht können natürlich nicht reglementiert werden, da ansonsten die Zu-sammensetzung aus pädagogischen Gründen nicht zielführend wäre (wie eine entsprechende Steuerung aussehen kann, dazu siehe Abschnitt 1.7.2). Hier muss der Handlungsspielraum ge-wahrt bleiben, damit die Gruppenstruktur bei Erreichung der Förderziele zweckdienlich ist. Eine

weitere Ebene ist die Kommune, die entscheidet, wie sie Bedarfe erhebt, wie sie die Gebühren veranschlagt, wie sie Fachkräfte bezahlt, welche Kinder sie aufnimmt. Hier wäre es erforderlich, sich unter anderem beim Personal keine Konkurrenz zu machen, sondern gemeinsame Ausbil-dungskonzepte zu verabschieden. Bei der Platzvergabe wäre es vorteilhaft, über die Grenzen hin-weg gemeinsam zu planen, jedoch unbedingt auch die Öffentlichkeit mitzunehmen, damit auch

„Stützpunkteinrichtungen“34 von Eltern akzeptiert werden und so die Planung und der Bau von Ein-richtungen effizienter gestaltet werden kann.

Sind grenzübergreifende Bedarfszahlen bekannt, dann können auch mehrere „Stützpunkteinrich-tungen“ in unterschiedlichen Kommunen geplant und von verschiedenen Kommunen genutzt wer-den. Es gibt Beispiele dafür, dass bestimmte Angebote in einem Ortsteil nicht voll belegt werden können, aber im nahegelegenen Nachbarort nicht zu befriedigende Bedarfe existieren. Die aus der Praxis bekannten Beispiele zur Ganztages- und zur Regelgruppe sind quasi äquivalent. Denn in manchen Fällen gibt es immer noch Eltern, für die eine Regelgruppe das bessere Angebot dar-stellt, weil dritte Personen am Mittag die Versorgung der Kinder übernehmen können. In diesem Fall können die Kinder dann so lange betreut werden, wie in einem Ganztagesangebot und so die Zeitspanne der Angebote der verlängerten Öffnungszeit übersteigen. Das Problem ist, dass die Regelangebote in einem Ort(-steil) allein zumeist nicht voll belegt werden. Entsprechend würden sie sich nur dann rechnen, wenn eine Belegung über den Ort(-steil) hinweg erfolgt. Das erfordert in jedem Fall das Werben um Verständnis bei den Eltern, gegebenenfalls aber auch die Etablierung einer kommunenübergreifenden Kooperation (siehe unten beziehungsweise Abschnitt 1.4).

Entsprechend der Gesetzeslage ist eine solche interkommunale Zusammenarbeit unter Rückbin-dung zu den Kreisen möglich, wird aber nur teilweise praktiziert. So finden in manchen Kreisen Trägerrunden statt, manche Kreise verfügen hingegen über kein Personal, welches die Aufgabe der Jugendhilfeplanung nach § 80 im Bereich der Kindertagesbetreuung wahrnehmen könnte.

Weitere verfügen über das Personal, erstellen aber keine regelhafte Bedarfsplanung und/oder hal-ten keine Veranstaltungen mit ihren Kommunen und den freien Trägern ab. Andere wiederum ver-fügen über die Ressource beteiligen sich aber nicht an den KVJS-Arbeitskreisen et cetera (siehe Abschnitt 1.6.2 – „Bedarfsplanung Stand heute“).

34 Aus einigen Kommunen ist bekannt, dass sie beispielsweise im Ortskern größerer Krippeneinrichtungen gebaut haben, damit den Eltern aus den umliegenden Ortsteilen möglichst geringe Fahrtzeiten entstehen. In Fällen äußerten Eltern ihren Unmut darüber, dass sie ihre Kinder nicht vor Ort betreuen lassen können.

Ad 4. Konkurrierende Problemstellungen in den Kommunen

Von grundlegender Bedeutung ist die „Kommunale Selbstverwaltung“. Es wurde bereits dargelegt, dass gerade im Bereich der Kindertagesbetreuung die Bedarfsplanung deutlich an Komplexität ge-wonnen hat. Bereits in Abschnitt 1.5.5 wurde ausgeführt, dass die Kommunen nicht nur für die In-vestitions- und Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen aufkommen müssen, sondern zahlrei-che weitere Pflichtaufgaben finanziert werden müssen (zum Beispiel Schulen, Straßenbau, Abwas-ser et cetera). Hinzu kommt, dass die Finanzlage der Kommunen unterschiedlich ist. Unter der be-stehenden und der unter 2. beschriebenen Problemstellung unklarer Datenlagen ist daher auch nachvollziehbar, weshalb so kostenintensive Vorhaben, wie etwa der Bau einer Kindertagesein-richtung im Zweifel zurückgestellt werden. Aus den Transferveranstaltungen ist hierzu bekannt, dass aufgrund der „alten“ Bevölkerungsvorausrechnungen vor 2012 in manchen Kommunen die Entscheidung gegen den Ausbau fiel, da aufgrund einer nicht vollumfänglichen Bedarfserhebung (siehe Abschnitt 1.7.2) die aktuell „ermittelten“ Bedarfe als zu gering beurteilt wurden, um entspre-chende Baumaßnahmen zu rechtfertigen. In solchen Situationen gibt es eine besondere Notwen-digkeit von Fürsprechern für den Kindergartenausbau, gerade dann, wenn auch andere Infrastruk-turprojekte aktuell dringlicher erscheinen. Und hier ist eine professionelle Bedarfsplanung das beste Argument, weil sie verlässliche Zahlen zur aktuellen und zur künftigen Bedarfsentwicklung liefern kann. Werden dann noch zukunftsfähige, weil flexible, Baukonzepte vorgelegt,35 besteht auch eine Absicherung im Falle sinkender Bedarfe, wobei damit kaum zu rechnen ist, insbeson-dere wenn die Entwicklungen der Förderbedarfe, wie in Abschnitt 1.4 und 1.5.3 skizziert, berück-sichtigt werden. Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass die frühkindliche Bildung gesetzlich verpflichtend wird.

In der Diskussion darf nicht vergessen werden, dass eine eventuell lange Zeit nicht berücksichtige Infrastruktur für Familien negative Auswirkungen haben kann. Denn aufgrund fehlender junger Fa-milien ist denkbar, dass sich weniger Gewerbetreibende und Unternehmen ansiedeln und folglich finanzielle Mittel für den Ausbau der Kindertagesbetreuungsinfrastruktur fehlen. Aus demselben Grund sollte kritisch geprüft werden, ob Einrichtungen aufgrund von aktuell zu wenigen Kindern in der Gemeinde tatsächlich geschlossen werden. Denn wenn einmal mit dem Rückbau der Infra-struktur begonnen wurde, könnte das ein negatives Signal hinsichtlich der Ansiedlung von Fami-lien, Gewerbetreibenden und Unternehmen sein. Alternativ sollte stattdessen mit den Nachbar-kommunen geprüft werden, ob die Infrastruktur gemeinsam genutzt werden kann und dann über einen „erweiterten“ interkommunalen Kostenausgleich finanziell ausgeglichen wird (mehr dazu in Abschnitt 1.7.2).

Ad 5. Dynamische Bedarfsanmeldung und Zusammentreffen mehrere Entwicklungen Während die zuvor ausgeführten Punkte dargelegt haben, weshalb die Bedarfsplanung in Teilen Baden-Württembergs zögernd in Gang kam, wird unter diesem Punkt nun erläutert, weshalb sich

35 Bei der Neuplanung von Einrichtungen erscheint als Mindestflexibilität die Möglichkeit, Raumkonzepte so zu planen, dass Räume ohne größeren Aufwand zusammengelegt oder erweitert werden können. Denn während Angebote der verlängerten Öffnungszeit ohne Küche auskommen, sind für Angebote, in denen Kinder länger als sieben Stunden am Tag betreut werden, Möglichkeiten zur Zubereitung von Nahrung (in der Regel eine Küche) erforderlich. Bei Kleinkind- und Ganztagesangeboten werden zudem Ruhe- und Schlafmöglichkeiten benötigt. Über bloße Raumkonzepte gehen etwa Konzepte hinaus, welche einen Neubau so planen, dass daraus ein Familienzentrum oder ganz andere Nutzungen möglich werden. Eine Kommune hat beispielsweise den Bau eines Seniorenheims so umgesetzt, dass im Erdgeschoss Platz für drei Krippengruppen besteht. Damit ist nicht nur ein Mehrgenerationenkonzept realisiert, sondern das Senioren-heim kann in späterer Zukunft, um weitere Pflegeplätze erweitert werden, was mit Blick auf die demographische Entwicklung eine sehr realitätsnahe Planung darstellt (siehe Abschnitt 1.5.2).

in vielen Kommunen die Situation in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs grundle-gend änderte. In Gegrundle-genden, wo die Kleinkindbetreuung aufgrund der traditionellen Familienbilder bis dato unterentwickelt war, sind entsprechende Vorbehalte durch die zusätzliche Inanspruch-nahme von Kleinkindangeboten sukzessive abgebaut worden. Offenkundig aber auch in den Transferveranstaltungen vielfach berichtet, stellt jede weitere Familie einen Multiplikator dar, der von diesem Lebensmodell auf dem Kinderspielplatz berichten und so weitere Bedarfe erzeugen kann.

Hinzu kommt, dass die starke Ausbautätigkeit in allen Kommunen stattgefunden hat, damit wurde der Fachkräftemarkt rapide leergefegt. Ebenso war zu beobachten, dass die bereitgestellten Inves-titionsfördermittel in der Regel innerhalb kürzester Zeit aufgebraucht waren, sodass manche Vor-haben entgegen der Planung der Kommune komplett aus eigenen Mitteln bestritten werden muss-ten und dadurch die Haushalte massiv belastet wurden (auch dies muss bei der Ebenen übergrei-fenden Planung mitgedacht werden – siehe Abschnitt 1.7.2).

Ähnliche Wirkungen entfaltete sicherlich die Einführung beteiligungsorientierter und niederschwelli-ger Bedarfserhebungsverfahren. Diese erzeugten wahrscheinlich nur in der Minderzahl „Gelegen-heitsbedarfe“. In der Mehrzahl bildeten sie einfach nur vollumfänglich ab, was bislang durch die be-dingt geeigneten Instrumente nicht abgebildet werden konnte (siehe Abschnitt 1.6.3). In der Folge führte hier eine verantwortungsbewusste Planung zum gewünschten Ergebnis, was gemeinsam mit den anderen Faktoren das System der Kindertagesbetreuung in kurzer Zeit insgesamt überlas-tete.

Ziel muss es daher sein, künftig solche Überforderungen des Systems zu vermeiden, indem Struk-turen geschaffen werden, die vergleichbare Entwicklungen frühzeitig identifizieren und gleichzeitig Problemlösungen in der Fläche ermöglichen.

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