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Teil I – Zentrale Herausforderungen in der Kindertagesbetreuung

1 Kinder- und Jugendhilfe und Bedarfsplanung in der Kindertagesbetreuung

1.3 Bedarfsvorausrechnung Plätze und Personal

1.3.1 Bedarfsvorausrechnung Plätze

Für eine bestmögliche Vorausrechnung der Plätze für Kinder im Grundschulalter bedarf es noch weiterer Daten, die aktuell nicht zur Verfügung stehen (siehe „Platzvorausrechnungszahlen“ und

„Ausblick für die Prognose zur Bedarfsentwicklung“). Dennoch können zumindest die erforderli-chen Platzzahlen für die Kleinkinder und Kindergartenkinder als gute Annäherung an die zu erwar-tenden Ausbauerfordernisse verstanden werden („Ausblick für die Prognose zur Bedarfsentwick-lung“).

Rahmenbedingungen der Vorausrechnungen von DJI und KVJS

Das DJI identifiziert in seiner Studie drei zentrale Faktoren, aufgrund derer die erforderlichen Platz-zahlen, Personalbedarfe und damit verbundene Kosten bis 2025 deutlich größer ausfallen werden, als bislang vermutet. Die drei Faktoren sind:

1. Die seit 2012 wieder leicht steigenden Geburtenzahlen (entgegen der bis dahin anders lauten-den Prognosen des Statistischen Bundesamtes).

2. Die starke Zuwanderung im Sommer 2015 und Frühjahr 2016, in deren Rahmen deutlich mehr als eine Million vor allem junger Menschen nach Deutschland kamen.

3. Der weitergehende Bedarf an Betreuungsangeboten im Grundschulalter in Form von schuli-schen Ganztagesangeboten, Hortplätzen oder geregelten Übermittagsbetreuungsformaten (und in Kleinkindbetreuung sowie Kindergartenbetreuung).

Damit richten sich die Faktoren 1 und 2 an die absolute Zahl zu betreuender Kinder. Um Faktor drei näher zu bestimmen, zieht das DJI eigene Erhebungsstudien heran, mittels deren die elterli-chen Betreuungswünsche erfasst wurden. Gemessen an der Ausbauleistung der vergangenen sie-ben Jahre (2010 bis 2016) kommt die Studie zu folgenden Ausbauerfordernissen bezüglich der Betreuungsquoten für die Altersgruppen in den westlichen Flächenländern:

1. U3-Kinder: im Jahr 2016 liegt der Betreuungswunsch bei 42,6 Prozent und die aktuelle Quote bei 27,6 Prozent; der mögliche Ausbaufortschritt wird über die durchschnittliche Ausbauquote von 2010-2016 ermittelt (1,8 Prozent); die Zielquote würde so 2025 erreicht

2. Kindergartenkinder: im Jahr 2016 liegt der Betreuungswunsch bei 96,2 Prozent und die aktuelle Quote bei 93,3 Prozent; für die Zielquote ist kein stufenweiser Ausbau erforderlich

3. Grundschulkinder: im Jahr 2016 liegt der Betreuungswunsch bei 55,7 Prozent und die aktuelle Quote bei 42,1 Prozent; der mögliche Ausbaufortschritt wird über die durchschnittliche Ausbau-quote von 2010-2016 ermittelt (2,5 Prozent); die ZielAusbau-quote würde so 2022 erreicht

Baden-Württemberg lag bei den Betreuungsquoten bei den Kleinkindern und den Kindergartenkin-dern mindestens auf dem Niveau des Mittelwertes der westdeutschen Flächenländer (U3: 28,6 Prozent; Ü3: 95,1 Prozent) weshalb die auf Grundlage der Elternwünsche ermittelten durchschnitt-lichen Betreuungsquoten der westdeutschen Flächenländer eine sehr gute Orientierung für den jeweiligen Zielwert darstellen sollten. Lediglich bei der Grundschulbetreuung weichen die Werte für Baden-Württemberg deutlich ab. Dies hat jedoch vor allem erhebungstechnische Gründe (siehe unten).

Platzvorausrechnungszahlen

Auf Grundlage der getroffenen Annahmen ermittelt die Studie bis 2025 folgenden Ausbaubedarf für die westlichen Flächenländer bezogen auf das Referenzjahr 2016:

Kleinkinder westlichen Flächenländer

• 271.734 Plätze (vor allem wegen der steigenden Betreuungsquote) Kindergartenkinder westlichen Flächenländer

• 235.081 Plätze (vor allem wegen der steigenden Kinderzahlen) Grundschulkinder westliche Flächenländer

• 414.656 Plätze (aufgrund des Rechtsanspruchs ab 2025)

Für eine Übertragung der Vorausrechnungsergebnisse auf Baden-Württemberg muss nun beach-tet werden, dass die Abschätzung des Bedarfs im Grundschulalter ein gesondertes Problem dar-stellt: Die über das Kultusministerium erhobenen Daten weisen lediglich schulische Ganztagesan-gebote nach Definition der Kultusministerkonferenz (KMK) aus. Kommunal organisierte AnGanztagesan-gebote sind darin nicht abgebildet und davon gibt es in Baden-Württemberg sehr viele. Entsprechend wird der Bestand an Ganztagesangeboten wahrscheinlich massiv unterschätzt. Ein weiteres Problem bei der Vorausrechnung ist, dass die Population der Wohnbevölkerung beziehungsweise Grund-schulbevölkerung, für die Plätze vorzuhalten sind, nicht genau bestimmt werden kann. Kinder, die zur Grundschule gehen sind prinzipiell zwischen 5 (früh eingeschult) und gegebenenfalls sogar 12 Jahren alt (spät eingeschult und sitzen geblieben o. Ä.). In der Folge muss auf Grundlage der Be-völkerungsentwicklung die Population der Grundschulkinder geschätzt werden. Schließlich ist be-züglich der Betreuung von Grundschulkindern noch nicht abschließend geklärt, welche Anforde-rungen an die Betreuungsangebote beziehungsweise das betreffende Personal gerichtet werden (das hat allerdings „nur“ Auswirkungen auf das Personal und die Kosten). Folglich können hier nur vage Zahlen benannt werden, die mit großer Vorsicht zu interpretieren sind.

Anders als die Werte der DJI-Studie wurden die nachfolgend berichteten Ergebnisse unter Berück-sichtigung der neuesten Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg von Anfang 2019 ermittelt. Darüber hinaus werden jeweils die betreffenden Aus-gangswerte zu den 2016 betreuten Kindern und der jeweiligen Betreuungsquote aufgelistet. Die Zahlen stammen aus jeweils verschiedenen Quellen.7

Kleinkinder Baden-Württemberg

• 2016: 89.320 (Betreuungsquote 28,6 Prozent) vs. 2025: 139.205 (BQ 42,6 Prozent)

7 Die Zahlen zur Bevölkerung haben bei den Klein- und Kindergartenkindern den Stichtag 31.12. des betreffenden Jahres (also hier jeweils der 31.12.2016 beziehungsweise 31.12.2025) und stammen vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. Die Zahlen der betreu-ten Kinder haben hingegen als Stichtag den 01.03. des jeweiligen Jahres und sind bei den Kleinkindern ebenfalls den Zahlen des Statistischen Landesamts entnommen, stammen im Fall der Kindergartenkinder aus den Erhebungen des KVJS. Hinsichtlich der be-treffenden Quoten und Zahlen ist zu ergänzen, dass diese von den sonstigen Zahlen der Kitaberichterstattung abweichen. Und zwar handelt es sich um die Zahlen des jeweiligen Folgejahres (in der übrigen KVJS-Kitaberichterstattung wurden die Werte nicht für 2016, sondern für den Stichtag 01.03.2017 ausgewiesen). Das hängt damit zusammen, dass bei der DJI-Studie der Stichtag der Bevölkerung die Basis des jeweils betrachten Jahres darstellt, während bei der KVJS-Berichterstattung immer der Stichtag zu den betreuten Kindern maßgeblich ist. Die Zahlen zu den Grundschulkindern stammen hingegen vom Kultusministerium. Das Jahr 2016 entspricht dabei dem Schuljahr 2015/2016.

• bis 2025 werden rund 50.000 Plätze U3 benötigt Kindergartenkinder Baden-Württemberg

• 2016: 318.978 (BQ 95,1 Prozent) vs. 2025: 370.000 (BQ 96,2 Prozent)

• bis 2025 werden rund 50.000 Plätze Ü3 benötigt Grundschulkinder Baden-Württemberg

• 2016: 102.094 (BQ 27,0 Prozent) vs. 2025: 237.861 (BQ 55,7 Prozent)

• bis 2025 demnach rund 135.000 Plätze für Schulkinder benötigt

Die mit diesen Berechnungen ermittelte Gesamtzahl von 235.000 fehlenden Plätzen ist vor allen Dingen auf die großen Ungenauigkeiten im Bereich der Grundschulkinder zurückzuführen. Daher sollten diese Zahlen bei den weiteren Betrachtungen vorerst unberücksichtigt bleiben und es sollte geprüft werden, wie die erforderlichen zusätzlichen Daten zur Präzisierung der Vorausrechnung erhoben werden können (dazu auch „Ausblick“).

Ausblick für die Prognose zur Bedarfsentwicklung

Bleibt die erwartete Betreuungsquote 42,6 Prozent stabil, ist davon auszugehen, dass die erforder-liche Ausbauzahl von 50.000 zu betreuenden Kindern zur Kleinkindbetreuung für Baden-Württem-berg verlässlich ist. Da diese Quote auf den geäußerten Elternwünschen beruht, könnten damit aber möglicherweise nicht alle kindlichen Bedarfe abgedeckt sein. So wurde der Fragebogen nur in deutscher Sprache ausgegeben, weshalb Eltern, die des Deutschen nicht mächtig sind, an der Befragung nicht teilnehmen konnten und daher auch nicht in die Quote einbezogen sind. Aus der Perspektive der Kinder- und Jugendhilfe und der Volkswirtschaft sind aber vor allem diese Bedarfe von zentraler Bedeutung. Denn gerade Kinder aus Familien, die zumindest mit Blick auf den Er-werb der deutschen Sprache einen besonderen Bedarf haben, benötigen eine stärkere frühkindli-che Förderung (siehe Abschnitt 1.5). Insofern könnte es durchaus sein, dass das Erreifrühkindli-chen dieser Betreuungsquote auch mit Blick auf kommunale Standortfaktoren und die Volkswirtschaft als Ganze nur einen Zwischenschritt darstellt. Was die zu erreichende Betreuungsquote betrifft, muss selbstverständlich auf örtlicher Ebene geprüft werden, inwiefern bereits ein näherungsweise be-darfsgerechtes Angebot besteht und in welche Richtung der weitere Ausbau daher gehen sollte.8 Die 50.000 Plätze, die für den Kindergartenbereich vorausgerechnet wurden, sollten sich ebenfalls als belastbar erweisen. Vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die beiden im Rahmen der Sit-zung des Landesjugendhilfeausschusses am 10.07.2019 geäußerten, einschränkenden Annah-men zwischenzeitlich aufgrund weiterer Analysen entkräftet werden konnten.9 Damit können die insgesamt 100.000 zu schaffenden Plätze für den Kleinkind- und Kindergartenbereich ausgehend vom Jahr 2016 bis zum Jahr 2025 als Ausgangsgröße angesehen werden. Geht man jedoch nicht

8 Ganz generell lassen sich Analysen der Bedarfsgerechtigkeit bestehender Angebote am besten über die systematische Beobachtung mit zentralen Vormerkungs- beziehungsweise Anmeldeverfahren, wie etwa der KVJS-Software „Zentrale Vormerkung“ feststellen.

Diese ermöglicht zudem eine niederschwellige Vormerkung auch in anderen Sprachen, weshalb damit in der Regel eine vollumfängli-chere Bedarfsermittlung gelingt.

9 Einschränkend wurde bei dieser Sitzung erwähnt, dass der Rückbau der Regelgruppen möglicherweise zum Verlust zusätzlicher Plätze führen, könnte aufgrund dessen, bereits betreute Kinder ihren Platz „verlieren“ und damit für eigentlich bereits versorgte Kinder neue Plätze zu schaffen sind. Diese Befürchtung erwies sich aber als unbegründet. Gleiches gilt für Plätze die aufgrund der Aufnahme von Kindern mit Eingliederungshilfe reduziert werden müssen. Da die Zahl dieser Kinder über die letzten Jahre vergleichsweise stabil ge-blieben ist, werden hier auch keine zusätzlichen Bedarfe erwartet.

vom Jahr 2016 (Basis der DJI-Studie), sondern vom Jahr 2017 (und hier den Daten des Stichtages 01.03.2018; vgl. Fußnote 7) aus, reduziert sich die Zahl der zu schaffenden Plätze. Im Kleinkindbe-reich wurden in dem Zeitraum immerhin rund 4.000 Kinder mehr versorgt. Im KindergartenbeKleinkindbe-reich waren es rund 7.000 Kinder. In der Summe bleiben noch 89.000 zu schaffende Plätze. Dennoch wird deutlich, dass mit der Versorgung von 11.000 zusätzlichen Kindern in einem Jahr, die erfor-derliche Quote für die restlichen sieben Jahre bis 2025 von dann circa 12.700 versorgten Kindern pro Jahr möglicherweise nicht erreicht werden kann und das, obwohl das Jahr 2017 das zweit-stärkste Ausbaujahr seit Beginn der Berichterstattung war.

Um für den Grundschulbereich Aussagen treffen zu können, ist hingegen zunächst eine angemes-sene Datenlage erforderlich. Denn nur so kann eine seriöse Bestandsaufnahme gelingen. Hierzu ist eine Abfrage bei den einzelnen Kommunen erforderlich, um die Versorgung mit Ganztagesan-geboten jenseits der Angebote nach KMK-Definition erfassen zu können. Da bereits einige Kom-munen ihre Platzvergabesteuerung auch bei der Betreuung von Grundschulkindern mit der KVJS-Software „Zentrale Vormerkung“ vornehmen, bestünde hierüber bereits die Möglichkeit zumindest in diesen Kommunen entsprechende Zahlen zu generieren. Bei den übrigen Kommunen müsste eine separate Abfrage erfolgen, die im Moment noch geprüft wird.

Vor dem Hintergrund der gewaltigen Zahl an noch zu schaffenden Plätzen, wirkt es als zwingend geboten, dass die Jugend- und Familienministerkonferenz die Bundesregierung aufgefordert hat, frühzeitig zu erklären und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich der Bund auch im Anschluss an das laufende Investitionsprogramm „Kinderbetreuungsfinanzierung 2017-2020“

weiterhin an der investiven Förderung des Ausbaus eines bedarfsgerechten Betreuungsangebotes beteiligt (öffentliches Beschlussprotokoll der Jugend- und Familienministerkonferenz Mai 2019).

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