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4 GRUNDLAGEN DER BILDGEBENDEN DIAGNOSTIK

4.1 Bildgebungsverfahren in der Medizin

4.1.1 Röntgenbildgebung

Bei der Röntgenbildgebung in der medizinischen Diagnostik werden drei wesentliche Eigen-schaften der Röntgenstrahlung ausgenutzt: die Ausbreitung, die Durchdringungsfähigkeit und die Schwächung. Die Ausbreitung der Röntgenstrahlen erfolgt dabei ausgehend vom Brenn-fleck der Röntgenröhre geradlinig in alle Richtungen mit Lichtgeschwindigkeit. Das Durch-dringungsvermögen der Röntgenstrahlung hängt von ihrer Energie ab. Je energiereicher sie ist, desto größer ist es. Am wichtigsten für die Bildgebung ist jedoch die dritte Eigenschaft, die darauf beruht, dass Röntgenstrahlen beim Durchdringen von Körpern infolge der Wech-selwirkung mit den Atomen des durchstrahlten Körpers geschwächt werden. Diese Schwä-chung erfolgt nach dem SchwäSchwä-chungsgesetz entsprechend der folgenden GleiSchwä-chung:

e x

I

I = 0µ , (4.1)

wobei I die Intensität der ausgetretenen Strahlung angibt, I0 die Ausgangsintensität, µ den Schwächungskoeffizienten und x die durchstrahlte Dicke. In inhomogenen Medien (z.B. bei hintereinanderliegendem Weichgewebe, Knochen und Luft) ergibt sich die Gesamtschwä-chung an einem betrachteten Punkt entsprechend der GleiGesamtschwä-chung

=

n

i i idx

e I I

µ

0 , (4.2)

mit n als der Anzahl der unterschiedlichen Gewebeanteile der Dicke dx.

Die Schwächung der Röntgenstrahlung im Röntgendiagnostikbereich ist auf zwei physika-lische Prozesse zurückzuführen, auf die Absorption und auf die Streuung. Sie kommen beide meist gemeinsam aber zumeist unterschiedlich stark vor. Die Absorptionsunterschiede wirken sich positiv auf die Bildqualität aus, da sich mit zunehmenden Unterschieden der Kontrast des Bildes erhöht. Die Streuung ist hingegen unerwünscht, weil sie zu einer Verschlechterung der Bildqualität führt. Infolge der Streuung abgelenkter Röntgenphotonen erfolgt eine ungerichte-te Belichtung, die zu einer Kontrastminderung führt.

Die Stärke der Absorption hängt von der Dichte, der Ordnungszahl, der Wellenlänge der Strahlung und der Schichtdicke ab. Sie nimmt mit zunehmender Dichte, zunehmender Ord-nungszahl, größer werdender Wellenlänge und zunehmender Dicke zu. So liefern Knochen bei harter Strahlung sehr kontrastreiche Bilder (Abb. 4.1a). Weiche Strahlung führt zu kon-trastreichen Bildern der Weichgewebe. Dies nutzt man z.B. bei der Mammographie aus (Abb.

4.1b). Die Röntgendichte steigt angefangen von Luft, über Fettgewebe, parenchymatöse Or-gane, Knochen bis hin zu metallischen Fremdkörpern immer weiter an. Im Röntgenfilm be-deutet dies, das die Schwärzung in der gleichen Reihenfolge abnimmt.

Abb. 4.1: a) Röntgenaufnahme eines Oberschenkels, b) Mammographieaufnahme

Die negativen Einflüsse der Streuung der Röntgenstrahlung lassen sich durch das Einblen-den des Strahlenbündels, durch Einblen-den Einsatz von Streustrahlenrastern und durch die Vergröße-rung des Objekt-Film-Abstandes reduzieren. Bei letzterem ist zu beachten, dass eine Variation des Objekt-Film-Abstandes auch eine Größenvariation und eine Verzeichnung im Röntgen-projektionsbild bewirkt (Abb. 4.2).

Dies muss bei einer quantitativen Auswertung der Bilder, d.h. bei Vermessungsaufgaben mittels Bildverarbeitung, berücksichtigt werden. Der Maßstab für eine Größenänderung ergibt sich wie folgt:

M = Fokus-Film-Abstand (FFA) / Fokus-Objekt-Abstand (FOA) (4.3) Abb. 4.2: Einfluss der Position der

Strahlen-quelle auf die Größe, Lage und Gestalt der ab-gebildeten Objekte in der Projektion, aus [Bau-d81]

a) b)

Wie in Abbildung 4.3 zu sehen ist, bewirkt eine unterschiedliche Wahl des Abstandes bei ei-ner punktförmigen Strahlenquelle keine Verschlechterung der Bildqualität. Bei nichtpunkt-förmigen Strahlenquellen, wie sie in der Realität vorhanden sind, kommt es infolge der Ver-größerung des FFA zu einer Halbschattenbildung und damit zu einer VerVer-größerung der Bild-unschärfe.

Neben diesem Einfluss auf die Unschärfe hat der Brennfleck der Röntgenröhre auch noch einen Einfluss auf die erzielbare Ortsauflösung. So unterscheidet man zwischen Röhren mit normalem Brennfleck (1 mm x 1 mm), Feinfokusröhren (0.5 mm x 0.5 mm) und Mikrofokus-röntgenröhren (0.2 mm x 0.2 mm). Dabei gilt, dass mit abnehmender Größe des Brennflecks die erzielbare Ortsauflösung besser ist. Die genauen Werte können aus der für die einzelnen Röhren gemessenen Modulations-Transfer-Funktion (MTF) entnommen werden.

Unter dem Gesichtspunkt einer möglichst guten Bildqualität für die Bildauswertung ist je-doch neben der optimalen Wahl der Aufnahmegeometrie, der Streustrahlenreduzierung, der Wahl der Abbildungsgüte (MTF) auch noch die Wahl der Röhrenparameter und die Wahl der Belichtungszeit von Bedeutung. So können bei einer Röntgenuntersuchung sowohl Röhren-spannung als auch das Produkt variiert werden. Während die Veränderung des mAs-Produkts nur die Schwärzung des Films beeinflusst, bewirkt die Variation der Spannung auf-grund der unterschiedlichen Schwächungskoeffizienten von Knochen, Weichteilen und Was-ser neben der Veränderung der Schwärzung auch eine Kontrastveränderung. Bei der Wahl der Belichtungszeit muss außerdem berücksichtigt werden, dass zu lange Zeiten infolge der Be-wegung des Patienten (z.B. durch Atmen) zu einer BeBe-wegungsunschärfe im Bild und damit zu verwaschenen Kanten an den Organgrenzen führen können.

Bei der Auswertung von Röntgenbildern, die ursprünglich einmal mittels Röntgenfilm auf-gezeichnet wurden, ist außerdem noch zu beachten, dass zumeist mit einem Film-Folien-System bei der Bildaufnahme gearbeitet wird. Durch den Einsatz der Folie kann die Belich-tungszeit und somit die Strahlungsbelastung für den Patienten erheblich reduziert werden. Be-züglich der Bildqualität erfolgt jedoch auf Grund der größeren Korngröße der Folie eine Re-duktion der Auflösung. Auch die Kontrastauflösung wird mit zunehmender Foliendicke we-gen der Streuung der Röntwe-genquanten in der Folie schlechter.

Soll eine automatische Bildauswertung mittels digitaler Bildverarbeitung erfolgen, muss notwendigerweise zuerst eine Digitalisierung der Röntgenfilme durchgeführt werden. Dabei verringert sich die Bildqualität infolge von Rasterung und Quantisierung gegenüber dem

Abb. 4.3: Einfluss der Ausdehnung der Strahlenquelle und des Film-Fokus-Abstandes auf die Bildunschärfe infolge von Halb-schattenbildung, aus [Baud81]

Röntgenfilm. Die üblichen Bildgrößen betragen in der Radiographie 1024x1024, 2048x2048 bzw. 4096x4096 Pixel bei einer Grauwerttiefe von 12 bzw. 14 Bit. Gleiche Probleme beste-hen auch bei der sofortigen Erzeugung von digitalen Röntgenaufnahmen, z. B. mittels Bild-verstärkertechnik, digitaler Luminizenzradiographie oder digitaler Selenradiographie.

Wird mit digitalen Röntgenverfahren gearbeitet, so sollte sich die Wahl der optimalen Bildrasterung (Matrixgröße) an dem jeweiligen Auswerteproblem orientieren, da ansonsten unnötig große Datenmengen anfallen können, welche die Auswertung mittels Computer er-schweren. Gleiches gilt für die Wahl der Quantisierungsstufen. Des Weiteren ist es günstig, durch Aufnahme der Modulations-Transfer-Funktion ein Kontrast-Detail-Diagramm abzulei-ten, um abschätzen zu können, ob das Problem mit Mitteln der Bildverarbeitung überhaupt gelöst werden kann. Schließlich empfiehlt sich eine Untersuchung des Einflusses von Bild-verarbeitungsfunktionen an Phantomen bzw. an digitalen Phantomen. Dadurch kann abge-schätzt werden, ob bestimmte Filterverfahren einsetzbar sind oder nicht.

Ein letzter für die Auswertung besonders mittels digitaler Bildverarbeitung wichtiger Punkt ist, dass es sich bei dem Röntgenverfahren um ein Projektionsverfahren handelt. Dadurch er-geben sich Verdeckungen der einzelnen Organe im Bild, so dass bestimmte Modellannahmen über Strukturen, wie z. B. Annahmen über den kontinuierlichen Verlauf von Blutgefäßen, ü-ber die Form von Organgrenzen usw., nicht mehr zutreffen müssen. Während der Mensch bei der visuellen Betrachtung der Röntgenaufnahmen diese Probleme durch seine intellektuellen Fähigkeiten häufig kompensieren kann, sind bei einer automatischen Auswertung mitunter sehr große Anstrengungen zur ihrer Lösung notwendig.

Zusammenfassend kann man einschätzen, dass es sich bei dem Röntgenverfahren um ein Verfahren mit einer im Allgemeinen sehr guten Bildqualität handelt. Der im Vergleich zu an-deren Bildgebungsverfahren sehr hohen Ortsauflösung steht jedoch teilweise ein geringer Kontrast (je nach Untersuchungsobjekt und verwendeter Technik: Hartstrahl- oder Weich-strahltechnik) gegenüber. Der Rauschanteil in den Bildern kann als gering eingeschätzt wer-den. Die Kosten für Röntgenuntersuchungen liegen im mittleren Bereich. Problematisch für die Durchführung von Vergleichsuntersuchungen ist die Strahlenbelastung. Ungünstig ist wei-terhin, dass keine 3D-Informationen erhalten werden und sich deshalb Probleme bei der Bild-auswertung infolge der Überlagerung räumlich hintereinander liegender Objekte im Bild er-geben.

Eingesetzt werden Röntgenverfahren in der medizinischen Praxis zur Untersuchung von Knochen und parenchymatösen Organen sowie von Weichteilen bei Verwendung weicher Röntgenstrahlung. Im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung wurden bisher schon zahl-reiche Fragestellungen aus dem Bereich der Röntgenbildauswertung bearbeitet. Besonders häufig sind in der Literatur Arbeiten auf dem Gebiet der Erkennung von Lungenkrankheiten, wie z.B. Lungenkrebs und pulmonarer Tuberkulose in digitalen Röntgenbildern des Brust-korbs zu finden. Ein weiteres sehr wichtiges Einsatzgebiet ist die Erkennung von Brustkrebs in Mammographien. Hierbei geht es vor allem um die Differenzierung zwischen benignen und malignen Prozessen sowie spiculären Läsionen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Erkennung von Mikroverkalkungen in Mammogrammen. Ein anderes Forschungsgebiet, welches bereits in die medizinische Praxis überführt wurde, ist die Charakterisierung der Knochenfaserstruk-tur in Radiographien zur Verbesserung der Diagnosesicherheit von Osteoporose. Unter den vielen anderen Untersuchungsfeldern soll abschließend noch die Erkennung von Tumoren im Schädelknochen in Röntgenbildern sowie die Segmentierung von Wirbelkörpern in Radiogra-phien der Wirbelsäule hervorgehoben werden.