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7 SEGMENTIERUNGSVERFAHREN FÜR MEDIZINISCHE BILDDATEN

7.2 Segmentierungsverfahren mit einfachem Modellwissen

7.2.2 Region growing

Die Segmentierung mittels Region growing kann sowohl in 2D- als auch in 3D-Datensätzen erfolgen. Es handelt sich hierbei um ein einfaches und sehr vielseitig einsetzbares Segmentie-rungsverfahren, welches ausschließlich auf der Auswertung der Grauwerteigenschaften bzw.

anderer charakteristischer Struktureigenschaften in einer lokalen Umgebung basiert. Der Al-gorithmus startet mit der interaktiven Vorgabe eines Startpunktes. Ausgehend von diesem Startpunkt erfolgt dann die Suche eines zusammenhängenden Gebiets in Abhängigkeit von der definierten Nachbarschaft und von einer vom Nutzer vorzugebenden Homogenitätsbedin-gung. Um das Region growing Verfahren erfolgreich einsetzen zu können, muss das zu seg-mentierende Gebiet intern eine größere Homogenität besitzen als an seinen Grenzen. Die

Homogenitätsverhältnisse an anderen Orten des Bildes werden nicht berücksichtigt. Sollen mehrere Strukturen in einem Bild segmentiert werden, muss die Startpunktabfrage mehrfach wiederholt werden. Mit der Eingabe der Startpunkte bringt der Benutzer sein Wissen über die Anzahl der gesuchten Objekte und über deren Position in das Verfahren ein. Diese Markie-rung stellt für den Nutzer auch kein Problem dar, da von ihm erwartet werden kann, dass er über ausreichendes anatomisches Wissen zur Auswahl der Strukturen verfügt. Problemati-scher für den Benutzer ist dagegen die Festlegung des Homogenitätskriteriums, da er sehr häufig nur in der Lage ist, dieses Wissen vage und unscharf zu formulieren. Dadurch lässt es sich nicht leicht in eine berechenbare Form übertragen. Sehr häufig ist deshalb die Festlegung der Homogenitätsgrenzen für ihn nur in einem Trial-and-Error-Prozess möglich.

Deshalb hat sich die Forschung auf diesem Gebiet auch darauf orientiert, die Auswahl des Wachstumskriteriums und die Effizient der Berechnung zu verbessern [Wan03]. In der Litera-tur wird eine große Anzahl von Ansätzen zum Finden eines geeigneten Homogenitätskriteri-ums beschrieben. Diese lassen sich grob in drei unterschiedliche Kategorien einteilen:

• Die erste Kategorie umfasst Methoden, die das Homogenitätskriterium in Abhängigkeit von der Charakteristik der Grauwertverteilung in einer Region unmittelbar um den Startpunkt schätzen. Bei diesen Methoden wird das Kriterium immer dann aktualisiert, wenn ein neuer Punkt zur Region hinzugefügt wird. Beispiele für eine derartige Vorge-hensweise finden sich in ([Chan94], [Levi81], [Hara85]). Nachteilig bei diesem Grund-ansatz ist, dass die Ergebnisse vom gesetzten Startpunkt und der gewählten Suchord-nung abhängig sind. Dadurch kann es z. B. beim Vorhandensein von leichten Grauwert-schwankungen innerhalb der zu segmentierenden Region vorkommen, dass bei Nutzung des herkömmlichen rekursiven Algorithmus das Kriterium so aktualisiert wird, dass nach Abarbeitung eines rekursiven Zweigs für alle anderen Bereiche das Kriterium nicht mehr erfüllt ist.

• Zur zweiten Kategorie zählen Methoden, die die Homogenitätsgrenzen basierend auf einer größeren Anzahl unterschiedlicher Segmentierungen mit variierendem Homogeni-tätskriterium auswählen. Beispiele hierfür sind z.B. in [Law00], [Sieb97] und [Hojj95]

beschrieben. Diese Vorgehensweise hat den Nachteil, dass die Verfahren aufgrund der großen Anzahl von Segmentierungen oft sehr langsam sind. Außerdem hängt ihr Erfolg davon ab, ob es möglich ist, anhand der unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Segmentierungen mit leicht variierenden Kriterien das optimale Segmentierungsergeb-nis automatisch herauszufinden.

• Die dritte Kategorie umfasst Methoden, die das Homogenitätskriterium auf der Grund-lage von Optimalitätsbetrachtungen für eine vollständige Segmentierung des gesamten Bildes auswählen. Dabei werden für die unterschiedlichen Regionen des Bildes auch unterschiedliche Homogenitätsbedingungen genutzt. Beispiele hierfür sind in [Koch86]

und [Adam94] zu finden. Nachteilig bei diesen Verfahren ist, dass immer eine vollstän-dige Segmentierung vorgenommen werden muss, was zu einem höheren Berechnungs-aufwand führt. Andererseits hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass vom Benutzer kein explizites Homogenitätskriterium angegeben werden muss, sondern dieses durch den Algorithmus selbst definiert wird. So wird bei dem von Adams vorgeschlagenen Seeded Region growing z.B. die Wachstumsstrategie so gewählt, dass ausgehend von mehreren interaktiv eingegebenen Startpunkten immer die Region um einen direkt zur Region benachbarten Pixel vergrößert wird, für den die Differenz zwischen dem mittle-ren Grauwert der jeweiligen Region und seinem Grauwert am kleinsten ist. Das Verfah-ren wird so lange fortgesetzt, bis alle Pixel einer Region zugeordnet wurden.

Anzumer-ken zu diesem Verfahren ist, dass die Wahl der Anzahl der Startpunkte ganz entschei-dend die Qualität der Segmentierung der einzelnen Regionen beeinflusst.

Um die Probleme, die bei der Auswahl eines geeigneten Homogenitätskriteriums auftreten können, einzuschränken, wurde als eine Erweiterung des einfachen Region growing Verfah-rens im Zusammenhang mit der Anfertigung dieser Arbeit ein adaptives modellbasiertes Re-gion growing Verfahren entwickelt, welches im Abschnitt 9.2 ausführlich erläutert wird.

7.2.2.1 Probleme beim Einsatz des Region growing Ansatzes

Beim Einsatz des Region growing Verfahrens zur Segmentierung von medizinischen Bildda-ten können zahlreiche Probleme auftreBildda-ten. So kann es aufgrund des Partialvolumeneffekts vorkommen, dass eine Untersegmentierung der Region erfolgt. Weiterhin kann bei der Segmentierung von Strukturen, die nur geringe Grauwertunterschiede zu benachbarten Geweben im Bild aufweisen, bei zu tief gewählten Homogenitätsgrenzen sehr leicht „ein Auslaufen“ der Region erfolgen. Wählt man die Grenzen jedoch zu hoch, kann es aufgrund des Bildrauschens zum Auftreten von Löchern in der segmentierten Region kommen (Abb.

7.15). Schließlich versagt das Region growing auch, wenn Shading im Bild auftritt, da dann die ursprüngliche Annahme, z.B. über das Vorhandensein eines homogenen Grauwerts innerhalb der Region, nicht mehr uneingeschränkt zutrifft.

Abb. 7.15: von links nach rechts: Ausschnitt aus einem CT-Bild, fehlerhaftes Segmentierungsergebnis bei zu eng gefasstem Homogenitätskriterium, optimales Segmentierungsergebnis bei korrekt gewähl-tem Homogenitätskriterium, Auslaufen des segmentierten Bereichs in benachbarte Gebiete infolge ei-nes zu weit gefassten Homogenitätskriteriums

Um das Auftreten dieser Fehler zu minimieren, können einige Vor- bzw. Nachverarbei-tungsschritte eingesetzt werden. So lässt sich das Auftreten von Löchern durch vorheriges Glätten des Bildes mittels Median- oder Mittelwertfilter reduzieren. Eine andere Möglichkeit zur Beseitigung dieser Artefakte besteht in einer Nachverarbeitung der Segmentierungsergeb-nisse mittels morphologischem Closing. Das Auslaufen der Regionen kann in einigen Fällen durch das vorherige Einzeichnen von Barrieren an kritischen Bereichen der Objektgrenze ver-hindert werden. Diese werden dann wie Bildbereiche behandelt, bei denen das Homogenitäts-kriterium nicht mehr erfüllt ist. Bei Bildern mit Shading sollte unbedingt vorher eine Sha-dingkorrektur durchgeführt werden.

7.2.2.2 Einsatzgebiete für Region growing

Region growing kann in der Praxis immer dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn die zu segmentierende Region bezüglich des betrachteten Merkmalswertes möglichst homogen ist und die Merkmalswerte für die Nachbarregionen möglichst stark von den Werten der gesuch-ten Region abweichen. Einige exemplarische Einsatzgebiete sollen im folgenden näher betrachtet werden.

Ein Beispiel, bei dem die oben gemachten Annahmen zutreffen, ist die Segmentierung des Bronchialbaums in CT-Datensätzen im Rahmen der virtuellen Bronchoskopie. Die zu seg-mentierenden Luftwege stellen sich als homogene schwarze Gebiete dar, die von einer gut abgrenzbaren sehr viel helleren Wand umgeben werden (Abb. 7.16). Dies wird auch im dar-gestellten Grauwertprofil entlang der Linie durch die Trachea deutlich. Probleme treten je-doch dann auf, wenn das Wachstumsverfahren die unteren Segmente des Bronchialbaums er-reicht. In diesen Bereichen ist die Wandstärke der Tracheen geringer, so dass der Grauwertun-terschied zwischen Wand und Innerem aufgrund des Partialvolumeneffekts teilweise sehr ge-ring ist. So kann es auch passieren, dass die Wand Unterbrechungen aufweist, durch die ein Auslaufen der Region erfolgen kann. Deshalb wurde in [Schl02] ein Algorithmus vorgeschla-gen, der diese kritischen Stellen identifiziert und ein Auslaufen der Region in den äußeren Be-reich des Lungengewebes durch geeignete Abbruchkriterien verhindert.

Abb. 7.16: links: Ausschnitt aus einem CT-Bild der Lunge mit einer angeschnittenen Trachea, Mitte:

Grauwertprofil entlang der gekennzeichneten Linie durch die Trachea, rechts: mit Region growing segmentierter Bronchialbaum, aus [Schl02]

Ein weiteres Beispiel, bei dem Region growing erfolgreich eingesetzt wird, ist die Segmen-tierung des Ventrikelsystems in MR-Aufnahmen des Gehirns. Diese Auswertung erfolgt u.a.

mit dem Ziel, die Planung komplizierter endoskopischer Eingriffe am Gehirn zu unterstützen.

Da das CSF sich im MR-Bild sehr dunkel darstellt und es sich außerdem gut vom benachbar-ten Gehirngewebe abgrenzen lässt, kann ein einfaches 3D Region growing mit interaktiver Startpunktvorgabe verwendet werden [Bart99].

In [Warf95] werden ebenfalls MR-Aufnahmen des Gehirns genutzt, in denen der Cortex mit einem 3D Region growing Algorithmus erkannt werden soll. Im Verlaufe des Wachs-tumsprozesses kommen hierbei neben dem Homogenitätskriterium auch noch geometrische Contraints und Gradientenconstraints zum Einsatz, um eine korrekte Segmentierung zu ge-währleisten.

In [Kapu98] ist mit der Segmentierung des Knies in MR-Aufnahmen ein weiteres Einsatz-gebiet beschrieben. Hier wird ein zweistufiges Segmentierungsverfahren eingesetzt, um die einzelnen Knochen zu identifizieren. In einem ersten Schritt wird ausgehend von einer inter-aktiven Startpunktsetzung ein adaptives Region growing Verfahren gestartet, welches im Ge-gensatz zu den beiden vorangegangenen Beispielen jedoch nicht die Grauwerte als Homogenitätskriterium benutzt, sondern lokale Textureigenschaften analysiert. Während des Wachstumsprozesses wird nach jedem Wachstumsschritt die Statistik der lokalen Textur aktualisiert und die Grenzen des Homogenitätskriteriums automatisch angepasst. Um ein Auslaufen der segmentierten Region zu verhindern, werden zusätzlich noch Konturkanten im Bild detektiert und miteinander verbunden. Diese werden im Algorithmus als Heterogenitätskriterien benutzt, um das Wachstum in kritischen Bereichen zu stoppen. Nach diesem ersten Segmentierungsschritt erfolgt eine Nachbearbeitung des Ergebnisses, indem

rungsschritt erfolgt eine Nachbearbeitung des Ergebnisses, indem eine aktive Kontur zur Re-gularisierung der Objektgrenzen eingesetzt wird.

Neben dem Einsatz zur Segmentierung kann das Regionenwachstumsverfahren aber auch zur Ermittlung von Zusammenhangskomponenten eingesetzt werden. Hierbei muss lediglich im Binärbild abgetestet werden, ob der betrachtete Bildpunkt markiert ist oder nicht. Mit dem einfachen rekursiven Algorithmus können ausgehend von einem Startpunkt dann jeweils alle Pixel bzw. Voxel bestimmt werden, die ein zusammenhängendes Gebiet bilden. Diese Me-thode kann zum Labeln der einzelnen Regionen in einem Datensatz verwendet werden, um für nachfolgende Verarbeitungsschritte einen einfachen Zugriff auf die einzelnen Objekte zu gewährleisten.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass beim Region growing sowohl Informati-onen über die Abbildungsqualität als auch teilweise InformatiInformati-onen über die Abgrenzbarkeit von Objekten genutzt werden. Bei einfachen Fragestellungen, z. B. bei Bildern mit einem ho-hen Kontrastunterschied zwischo-hen Objekt und Hintergrund, wird das Homogenitätskriterium fest oder in Form einer Berechnungsvorschrift in den Algorithmus integriert. Bei komplizier-ten Segmentierungsproblemen muss dieses Modellwissen über die Charakterisierung der Ho-mogenität mitunter interaktiv eingegeben werden. Außerdem findet teilweise bei einigen Einsatzgebieten auch noch während des Wachstumsprozesses eine zusätzliche Plausibilitäts-prüfung durch einen Vergleich der Ergebnisse mit geometrischen bzw. topologischen Modell-annahmen statt.