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6 MODELLANNAHMEN

6.4 Möglichkeiten zum Einbringen der Modellannahmen

6.4.2 Zweck der Interaktion

Das Einbringen der Modellinformation kann an verschiedenen Stellen im Bildanalyseprozess erfolgen (siehe Abb. 6.7). Im Allgemeinen wird man versuchen, möglichst viel der einge-brachten Modellinformation in Form von Algorithmen zu beschreiben, um den Segmentie-rungsprozess besser kontrollieren zu können. Dies erhöht außerdem die Möglichkeit zur Au-tomatisierung eines Segmentierungsverfahrens. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass zwar zum einen der Grad der Wiederholbarkeit zunimmt, zum anderen aber die Flexibilität zum Einsatz des Verfahrens sinkt. So ist z. B. ein aktives Konturverfahren mit interaktiver Initialisierung für vielfältige Aufgabenstellungen einsetzbar, wobei aber das Ergebnis bei gestörten Bildern zwischen verschiedenen Initialisierungen variieren kann. Verwendet man statt der manuellen Eingabe der Startkontur ein Modell vom gesuchten Objekt, welches vom Nutzer nur richtig im Bild platziert werden muss, wird die Anwendung auf ein ganz spezielles Problem einge-grenzt. Gleichzeitig wird jedoch die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Eingabe minimiert und die Variabilität der Ergebnisse eingeschränkt.

Abb. 6.6: Verwendung eines elliptischen Cursors, um eine Markierung im mittleren Bereich der Handwurzelknochen im Röntgenbild zu ge-währleisten, nach [da Silva]

Abb. 6.7: Möglichkeiten zum interaktiven Einbringen von Modellinformation in den Segmentierungs-prozess, nach [Tönn93]

Anzumerken ist, dass nicht alle Modellinformation leicht algorithmisch eingebracht wer-den kann, da diese gerade bei medizinischen Segmentierungsaufgaben oft zu komplex ist.

Deshalb ist bei zahlreichen in der Medizin genutzten Segmentierungsverfahren eine Interakti-on zum Zweck der Initialisierung des Verfahrens notwendig. Hierbei kann es erforderlich sein, dass der Benutzer sein Wissen mittels graphischer Eingaben in den Algorithmus ein-bringen muss, wie dies z.B. beim Markieren von Startpunkten beim Region growing oder beim Setzen von Startstrukturen bei aktiven Konturen der Fall ist. Das setzt eine Interpretati-on des Bildes vInterpretati-on Seiten des Benutzers voraus, da durch die Nutzereingabe auch die Anzahl der gesuchten Segmente und deren ungefähre Position festgelegt wird.

Neben graphischen Eingaben können beim Initialisierungsschritt auch alphanumerische Eingaben zum Zweck der Parametrisierung eines Verfahrens erforderlich sein. Hierdurch ist eine Anpassung des Verfahrens an Unterschiede in der Bildqualität möglich. Die Bedeutung der einzelnen Eingaben muss jedoch so erläutert werden, dass der Effekt der Eingabe für den Anwender verständlich wird. Dies ist für sehr einfache Effekte, wie sie z.B. bei der Änderung eines festen Schwellwertes auftreten, noch einfach möglich. Bei komplizierteren Parameter-einstellungen, wie z.B. bei der Festlegung der Gewichtung der einzelnen Terme in der Ener-giefunktion bei aktiven Konturen, ist eine Vorhersage und Erläuterung der Effekte schon sehr viel problematischer.

Eine weitere Möglichkeit, Wissen des Benutzers zur Segmentierung zu verwenden, ist, ihn direkt in den Segmentierungsprozess zur Steuerung des Prozesses einzubinden. Dies erfordert, dass der Benutzer im gesamten Verlauf des Segmentierungsprozesses ständig mit dem Rech-ner im Dialog steht. Ein Beispiel für eine solche Vorgehensweise ist die Segmentierung mit interaktiver Schwellenwertsetzung. Hierbei erhält der Benutzer jeweils sofort eine Reaktion, d.h. ein Ergebnisbild, auf seine Eingabe. Der Prozess wird abgebrochen, wenn das erzielte Ergebnis mit der Erwartung des Benutzers übereinstimmt. Generell ist festzustellen, dass eine Integration des Benutzers zur Unterstützung des Segmentierungsvorgangs nur dann vorgese-hen werden sollte, wenn der Algorithmus ausreicvorgese-hend schnell ist. Ist der Zeitraum zwiscvorgese-hen den Informationsanforderungen zu lang, ermüdet der Benutzer aufgrund der ständig erforder-lichen Aufmerksamkeit, so dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fehlern steigt.

Ein Vorteil bei dieser Art der Interaktion ist, dass die Segmentierung zumeist für den Laien gut nachvollziehbar ist.

Auch zu einem späteren Zeitpunkt kann Wissen des Benutzers in den Segmentierungspro-zess integriert werden, indem er aufgefordert wird, ein vorläufiges Ergebnis zu korrigieren.

Dieser Schritt verlangt eine nicht so enge Zusammenarbeit zwischen Benutzer und Rechner und lässt sich besser in den gewöhnlichen Arbeitsablauf eines Mediziners integrieren. So sind die Anforderungen bezüglich der Rechenzeit auch geringer als im vorangegangenen Fall, da der Benutzer nicht auf eine weitere Anforderung warten muss. Ein Beispiel für eine derartige Unterstützung ist die Kantenverfolgung. Bei diesem Verfahren kann nicht immer sicherge-stellt werden, dass auch tatsächlich die gewünschte Kontur verfolgt wird. So kann es beim Einsatz dieses Verfahrens zur Gefäßsegmentierung in Angiogrammen dazu kommen, dass an einem Verzweigungspunkt der falsche Gefäßabschnitt weiterverfolgt wird. In diesem Fall ist die Eingabe eines zusätzlichen Zwischenpunktes durch den Benutzer erforderlich, um die Verfolgung in die gewünschte Richtung zu zwingen. Da es sich bei der korrigierenden Inter-aktion um einen Vorgang handelt, bei dem ein bereits bestehendes Ergebnis verbessert wird, ist es hier immer erforderlich, dem Benutzer schnell zu zeigen, welcher Bereich des Ergebnis-ses von der Korrektur betroffen ist und wie das verbesserte Ergebnis aussieht.

Auch ein Zusammensetzen von einzelnen segmentierten Primitiven zum gesuchten Ergeb-nis kann dem Benutzer abverlangt werden. Dies kann z.B. bei der Wasserscheidentransforma-tion der Fall sein, bei der zumeist eine starke Übersegmentierung auftritt und wo der Benutzer die einzelnen Segmente eines Objekts manuell auswählen muss [Olab01]. Dieses erfordert auch, dass die einzelnen Primitive in einer geeigneten Hierarchie abgespeichert sind.

Schließlich ist als letzter Interaktionsschritt noch die Bewertung des Ergebnisses durch den Benutzer erforderlich. Diese muss immer stattfinden, und der Nutzer muss hierbei entschei-den, ob das von ihm gewünschte Ergebnis mit dem von ihm gewählten Segmentierungsansatz sowie mit den vorgenommenen Parametereinstellungen erreicht werden konnte, oder ob eine erneute Verarbeitung des Bildes erforderlich ist. Der Informationsgehalt dieser Interaktion kann bei einer Verarbeitung von Bildserien auch für die Bearbeitung der weiteren Bilder ge-nutzt werden. Falls z.B. der Benutzer bei der Bewertung des Ergebnisses eines Schwellen-wertverfahrens feststellt, dass das segmentierte Objekt zu klein ist, kann für die Bearbeitung der nächsten Bilder ein niedrigerer Schwellenwert gewählt werden.

Ein anderer Interaktionszweck kann auch noch in der Bewertung der zur Lösung eines Problems verwendeten Sequenz von einfachen Bildverarbeitungsoperatoren bestehen. Ein Nachteil dieser Strategie ist jedoch, dass es keine Garantie dafür gibt, ob der ausgewählte Prozess auch bei anderen Bilddaten das gewünschte Ergebnis liefert.

In Tab. 6.1 sind für die verschiedenen Interaktionszwecke die Anforderungen an die Visua-lisierung und die Art der geforderten Eingabe noch einmal zusammengefasst.

Tab. 6.1: Zusammenfassung der Anforderungen an die Visualisierung und Interaktionswerkzeuge so-wie deren Bedeutung für das Segmentierungsergebnis [Olab01]

Anforderungen Interaktionszweck

Visualisierung Eingabewerkzeuge Initialisierung Ergebnisanzeige Parametereingabe, graphischer

Editor Steuerung Ergebnisanzeige,

Echtzeit-Feedback

Graphischer Editor

Korrektur Ergebnisanzeige Graphischer Editor

Zusammenfassung von Primitiven

Primitiven- und Ergebnisanzeige Graphischer Editor zur Auswahl und Kombination

Bewertung Ergebnisanzeige Ja/Nein-Abforderung

Sequenzbildung Anzeige des Prozesses und Er-gebnisanzeige

Auswahloperationen, Parameter-eingabe

Die meisten Schritte der Interaktion eines Benutzers im Segmentierungsprozess sind für das Beispiel der Segmentierung von Hauttumoren in hochfrequenten Ultraschallaufnahmen mittels aktiver Konturen in Abb. 6.8 demonstriert. Bei dem verwendeten Programm ist zuerst eine Initialisierung durch Eingabe von drei Startpunkten vorgesehen, die die Startkontur auf-spannen. Diese Punkte werden vom System automatisch in die berechnete optimale Position bewegt. Aufgrund zahlreicher Bildartefakte ist es jedoch notwendig, dem Benutzer anschlie-ßend die Möglichkeit zu geben, sich zwischen seiner Startpunktsetzung und der optimierten Position zu entscheiden bzw. Korrekturen an dem Ergebnis der Optimierung vorzunehmen.

Nachdem der Segmentierungsvorgang abgeschlossen ist, muss der Benutzer entscheiden, ob er mit dem Ergebnis zufrieden ist. Ansonsten hat er die Möglichkeit, einzelne Punkte zu kor-rigieren und in eine feste Position zu bringen, bevor der Segmentierungsschritt erneut durch-laufen wird.

Abb. 6.8: Interaktionsschritte bei der Segmentierung von Hauttumoren in 20 MHz-Ultraschallaufnahmen mittels einer aktiven Kontur, von links nach rechts: Originalbild, Startpunktini-tialisierung, Optimierung der Benutzereingabe durch das Programm, Korrektur der Optimierung, Segmentierungsergebnis, Korrektur des Ergebnisses durch den Benutzer

6.5 Zusammenfassung

Wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, hat der Benutzer bei der Durchfüh-rung der Bildanalyse die Möglichkeit, unterschiedliche Arten von Modellannahmen in seinen Analyseprozess zu integrieren. Welche Annahmen er verwenden kann, hängt zum einen von der Aufgabenstellung und damit von seinem Vorwissen über das konkret zu lösende Problem ab und zum anderen von dem Bildmaterial, dass ihm zur Verfügung gestellt wird. Insgesamt kann man feststellen, dass mit zunehmendem Umfang an korrekten Modellannahmen im Segmentierungsprozess auch die Wahrscheinlichkeit ansteigt, ein stabiles und richtiges Seg-mentierungsergebnis zu erhalten.

Weiterhin wurde in dem Kapitel dargelegt, dass die Modellannahmen auf unterschiedli-chem Weg in den Segmentierungsprozess eingebracht werden können. So ist die Integration von Vorwissen zum einen direkt in den Algorithmus möglich und zum anderen können die Modellannahmen über eine Benutzerinteraktion abgefragt werden.

Im nachfolgenden Kapitel soll nun eine Einteilung der in der medizinischen Bildverarbei-tung gängigen Segmentierungsverfahren entsprechend der im Analyseprozess integrierten Modellannahmen vorgenommen werden, um daraus später eine Hilfestellung für die Auswahl von Verfahren ableiten zu können.