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2.3 Entwicklung und Beeinflussung einer Protozoenpopulation im Pansen

2.3.2 Protozenpopulationsdichte und deren Zählmethoden

Die Protozoenanzahl ist bei faunierten Tieren ein bedeutender Gradmesser für die Qualität des Pansensaftes und kann als Indikator für ruminale Störungen des mikrobiellen Systems dienen (HORSTMANN 1956; JACHENS 1957; HOLTENIUS et al. 1959; DIRKSEN u. WOLF 1963). Die Zahl der Protozoen variiert im Pansen von 1 x 10³ bis 25 x 106 pro g Panseninhalt bzw. pro ml Pansensaft (HARMEYER 1973). Die Protozoendichte ist dabei allgemein in Haube und Pansen gleich. Weitere Angaben sind in Tabelle 2.16 aufgelistet.

Tab. 2.16: Physiologische Werte der Protozoenkonzentration im Pansen bei Rind und Schaf

Autor und Jahr Tierart Protozoenzahl in 1000 pro ml Pansensaft oder pro g Panseninhalt

Fütterung

KÄRST 1964 Rind 120 – 895/ml gemischte Rationen plus verschiedene Mengen Eiweiß NAGA et al. 1969 Rind

Rind

770/ml 290/ml

gemischte Ration Berssem, 1. Schnitt ABE et al. 1973 Rind 190 – 278/ml gemischte Ration HARMEYER 1973 Rind 500 – 3000/ml gemischte Ration

HARMEYER 1973 100 – 200/ml gemischte Ration

PURSER u. MOIR 1959 Schaf 339 – 787/ml gemischte Ration WARNER 1962a Schaf 130 – 648/ml Luzernespreu plus

Weizenspreu (1 : 1)

KÄRST 1964 Schaf 115 – 320/ml Heu ad libitum

WARNER 1966c Schaf 239 – 300/ml 609 – 773/ml

Rauhfutter ad libitum Weidegang

KANE u. LAWLOR 1969 Schaf 574 – 683/ml gemischte Ration (pelletiert)

ANONYM 1970 Schaf 3750 - 6894/ml gemischte Ration

Tab. 2.16: Physiologische Werte der Protozoenkonzentration im Pansen bei Rind und Schaf (Fortsetzung)

Autor und Jahr Tierart Protozoenzahl in 1000 pro ml Pansensaft oder pro g Panseninhalt

Fütterung

O`CONNOR et al. 1971 Schaf 450 – 737/ml gemischte Ration PEARSON 1965, 1969;

HOBSON et al. 1976;

WESTERLING 1970;

BONHOMME-FLORENTIN et al. 1978; VAN HOVEN 1978; DEHORITY u. ORPIN 1997

Hauswie-derkäuer

100 - 500/ml bis 3000/ml

Rauhfutter oder Weide konzentriertes Futter

Anhaltspunkte für den Gehalt an großen Infusorien erhält man makroskopisch durch die Betrachtung der Wolkenbildung in der Pansensaftprobe oder durch die Betrachtung des weißen Protozoensaums am Boden eines Standzylinders zwei bis drei Minuten nach der Entnahme (HARMEYER 1973).

Mehr Aufschluß gibt die mikroskopische Beurteilung bei 80-facher Vergrößerung. Es haben sich zwei Zähltechniken etabliert. Bei der einen wird ein definiertes Flüssigkeitsvolumen in eine Zählkammer pipettiert und die Protozoen in einem Kästchen auf dem Objektträger oder im Blickfeld ausgezählt. Die Ziliaten werden zuvor in Formaldehyd fixiert und teilweise mit Brilliantgrün angefärbt. Dabei sind die in früheren Arbeiten verwendeten Hämozytometer-Zählkammern mit einem Volumen von 0,01 – 0,05 ml und einer Kammertiefe von 0,1 mm (FERBER 1928; HEDLER 1952; BEYRLE 1956; HUNGATE 1957; BARABANOW 1962;

WISEMAN et al. 1962) nicht in der Lage, größere Protozoen (> 0,1 mm) aufzunehmen und eine repräsentative Stichprobe des Pansensaftes darzustellen (ADAM 1951). Ihnen sind Zählkammern wie die SEGDWICK-RAFTER und MAC-MASTER-Zählkammer mit einer Kapazität von 1 - 2 ml und einer Tiefe von 0,5 mm überlegen (ADAM 1951; OXFORD 1955b; WARNER 1956a, b; MOIR u. SOMERS 1956, 1957; BOYNE et al. 1957; PURSER u. MOIR 1959). Bei der zweiten Methode werden die Einzeller mit 0,1 M Iod- oder Kaliumiodid-Lösung fixiert und gleichzeitig blau angefärbt. Danach werden alle Protozoen auf einem Objektträger bei bekanntem Volumen ausgezählt. Im Gegensatz zur ersten Methode müssen die Infusorien nicht gleichmäßig auf dem Objektträger verteilt sein. Iod-Lösung ist das bessere Konservierungsmittel als Formaldehyd (COLEMAN 1958, 1987a;

WILLIAMS u. COLEMAN 1992).

ARNEZ (1958), KROGH (1959, 1960, 1961), DIRKSEN und WOLF (1963), BORHAMI et al. (1967), MAHLER (1970) und HÖLZER (1971) haben die Befunde hinsichtlich ihrer Protozoenzahl in verschiedene Kategorien eingeteilt (s. Tab. 2.17).

Tab. 2.17: Einteilung der Befunde hinsichtlich ihrer Protozoenzahl in verschiedene Kategorien

Autor und Jahr Beurteilungsstufen bei der Bestimmung der Protozoenzahl ARNEZ 1958 ++ Protozoenzahl stark vermehrt

+ Protozoenzahl vermehrt n Protozoenzahl normal - Protozoenzahl vermindert -- Protozoenzahl stark vermindert --- Protozoen nur vereinzelt 0 keine Protozoen

KROGH 1959, 1960, 1961

+ 5 Protozoen pro Gesichtsfeld ++ 10 Protozoen pro Gesichtsfeld +++ physiologisch

DIRKSEN u. WOLF 1963; BORHAMI et al.

1967; MAHLER 1970

+++ massenhaft Protozoen im Tropfen

++ zahlreiche Protozoen in abschätzbaren Mengen im Tropfen + wenig Protozoen im Tropfen

- keine Protozoen im Tropfen

HÖLZER 1971 I massenhaft Protozoen mit lebhafter Beweglichkeit II viele Protozoen mit guter Beweglichkeit

III mäßig viele Protozoen von träger Beweglichkeit IV wenig Protozoen mit schwacher Beweglichkeit V vereinzelt oder keine Protozoen

Bei der Bestimmung der Protozoenpopulationsdichte sind letztendlich folgende Probleme zu berücksichtigen:

1. Panseninhalt ist nicht homogen. Um dennoch eine uniforme Probe zu erhalten, entnimmt WARNER (1962b) beim Schaf ungefähr 800 g Panseninhalt, mischt diesen, teilt eine definierte Menge ab und gibt den Rest in den Pansen des Spendertieres zurück. Da diese Prozedur aber sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, wird die Struktur des Panseninhalts geschädigt und vermindert somit den Wert der gesamten Untersuchung. PURSER und MOIR (1959) zeigen in ihren Arbeiten hinsichtlich Protozoenpopulationskonzentrationen, daß nur ein geringer Unterschied zwischen den Proben aus Pansensaft und festen Pansenstrukturen besteht. MINOR et al. (1977) beweisen dagegen, daß aus vier Stunden nach der letzten Fütterung getöteten Tieren sofort entnommener und durchmischter Panseninhalt eine höhere Infusoriendichte enthält.

2. Protozoen können Pflanzenreste anhaften oder beim Zählen von ihnen überdeckt sein. Zur Problemlösung kann die Probe mit einem Verdünnungsmittel versetzt oder verschnitten oder durch Gaze filtriert werden. Die beiden letztgenannten Möglichkeiten verringern jedoch die Protozoenzahl, wobei der prozentuale Anteil an Entodinium zu- und der an Diplodinium und Ophryoscolex abnimmt. Der Verlust durch Filtration hängt dabei von der Maschengröße und der Zeitspanne nach der letzten Fütterung ab (DEHORITY 1984).

3. Ziliaten sedimentieren rasch, sobald sie mit einer Fixationslösung verdünnt werden. Somit müssen alle Vorgänge schnellstmöglich ausgeführt und eine Pipette mit weiter Öffnung verwendet werden. DEHORITY (1984) versucht das Absinken der Protozoen durch Zugabe von 30 %-iger Glyzerollösung zu verlangsamen.

4. Von Tier zu Tier und innerhalb eines Tieres treten Variationen hinsichtlich der Protozoendichte auf. Ein unter gleichen Bedingungen und konstanter Fütterung gehaltenes Tier zeigt in seinem ruminalen Protozoengehalt Abweichungen bis um das Dreifache (BOYNE et al. 1957). CLARKE et al. (1982) finden bei Tieren mit denselben Voraussetzungen Unterschiede, die von 9 bis zu 58 g Protozoen pro Pansen eines Tieres reichen. Somit müssen Versuche mit wenigen Tieren mit Vorsicht gewertet werden. Ein Versuchsaufbau nach dem „Latin square“- Prinzip, bei dem jedes Tier in allen Behandlungen einbezogen wird, ist dabei von Vorteil.

5. Das Pansenvolumen wird von Futtermenge und Diätart beeinflußt, so daß die Protozoenkonzentration pro ml Panseninhalt nicht immer die Größe der Protozoenpopulation (Pansenvolumen x Protozoenkonzentration) widergibt (DEHORITY 1978). In seinen Versuchen am Schaf findet DEHORITY (1978) beispielsweise 118 x 104 Protozoen pro ml Pansensaft bei mit konzentrierten Futter versehenen Tieren und 38,9 x 104 Protozoen pro ml Pansensaft bei mit Rauhfutter versorgten. Obwohl der Trockensubstanzgehalt im Pansen nur zwischen 3 und 5 % variiert, beträgt die absolute Anzahl an Protozoen 2,98 x 109 bei der ersten Versuchsgruppe und 2,43 x 109 bei der zweiten. Somit liegt im Gegensatz zur anfänglichen Annahme kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Protozoenpopulationsgröße zwischen den Tieren vor.