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H) Verschimmeltes Heu:

3. Eigene Untersuchungen 1 Versuchsziel

5.2 Kritische Betrachtung der Versuchsanstellungen

5.2.1 Das RUSITEC-System

Das bei den Versuchen eingesetzte Pansensimulationsmodell RUSITEC findet in den Dissertationen von SCHIRMER (1990), KRAKOW (1992), BECKER (1994) und MAIWORM (1994) eine ausführliche Bewertung. Seine Arbeitspräzision ist anhand der Konzentrationsverläufe gemessener Parameter den Dissertationen von PLITT (1995), BRÖCKER (1996), ELIAS (1999) und MITTROWANN (1999) belegt. Detaillierte Daten sind diesen Arbeiten zu entnehmen.

In der Literatur (s. 2.3.2) wird darüber hinaus ein weiterer, schnell und einfach zu messender Indikator für die Pansenaktivität erwähnt: die „Protozoenzahl“, da Protozoen sich aktiv am intraruminalen Stoffwechsel beteiligen (s. 2.2), daher auf Mangelsituationen oder das Vorhandensein bestimmter Stoffe mit partiellen oder absoluten Protozoenkonzentrationsänderungen reagieren (s. 2.3.4.1) und mit Hilfe eines Lichtmikroskops bei 80-facher Vergrößerung leicht zu zählen sind. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen (s. 2.3.4.1) ließen sich in den selbst ausgewerteten Versuchen, die sich in Versuchsaufbau und –durchführung glichen, bei allen Wiederholungen eines Experiments gleichgerichtete Konzentrationsänderungen ähnlichen Ausmaßes feststellen, so daß sowohl von einer hohen Sensitivität des Testparameters (d. h. falls beeinflussende Agentien vorhanden sind, dann sind auch zielgerichtete Konzentrationsänderungen vorzufinden) als auch von einer hohen Spezifität (d. h. falls keine beeinflussenden Agentien vorhanden sind, dann sind auch keine zielgerichteten Konzentrationsänderungen vorzufinden) ausgegangen werden kann.

Trotz der offensichtlich guten Brauchbarkeit (Validität) dieses Testparameters muß man sich jedoch zunächst die vielfältigen Risiken für dessen Interpretation bei Langzeitinkubationssystemen vor Augen halten: So kann die Protozoenpopulation aufgrund von Sauerstoffzufuhr während der Fütterung (HILLMAN et al. 1991; PREVOT et al. 1994; s.

a. 2.3.4.1) zurückgehen. Auch zu kleine Maschenweite der Futtersäckchen (0,04 – 1 mm;

näheres s. HÜBNER 2000) und übermäßiger Pufferzufluß (CZERKAWSKI u.

BRECKENRIDGE 1979; HILLMAN et al. 1991; PREVOT et al. 1994) reduzieren die Protozoenzahl, sofern diese Effekte nicht durch die Generationszeiten der Protozoen (0,33 – 2,86 Tage; FUCHIGAMI et al. 1989) kompensiert werden. Ähnliches bewirken

unzureichende intraruminale Strukturen (z. B. Heu, Nylon, Glaswolle, Polyurethanschwamm), die den Protozoen zur Sequestration dienen (CZERKAWSKI u.

BRECKENRIDGE 1979b). Beim Wechseln der Futtersäckchen (HILLMAN et al. 1991) und bei den täglichen Probenentnahmen sind Protozoenverluste ebenso möglich wie bei Modifikationen essentieller Protozoen-Bakterien-Interaktionen z. B. durch Vermehrung oder Absterben bestimmter Bakterienspezies (SUDGEN 1953; PREVOT et al. 1994; s. a. 2.5.1).

So sanken auch in den ausgewerteten Versuchen die Protozoenkonzentration von gemittelt 28,6 (+ 10,3) x 10³ Protozoen/ml PAS in den ersten 10 Tagen um 0 - 36 % auf gemittelt 22,1 (+ 8,9) x 10³ Protozoen/ml PAS (s. Tabb. A1 – A13). Da bereits in Vorlauf- und Kontrollphase ein die Protozoenanzahl beeinflussender niedriger pH-Wert (pH: ∅ 5,9) eingestellt war, wurde Experiment 4 (azidotische Bedingungen) aus den generalisierenden Berechnungen herausgenommen. In allen anderen Versuchen erreichten die Protozoen zu Versuchsende mit 87,4 % der Protozoenausgangskonzentration ein gemitteltes Niveau von 25 (+ 16,1) x 10³ Protozoen/ml PAS.

In Versuchen von HILLMAN et al. (1991), PREVOT et al. (1994), PRÜSTEL (1994) sowie KELLY (1996) fiel die Protozoenanzahl dagegen um 95,8 – 100 % bis Tag 14, um 99 % bis Tag 6, um 55 % bis Tag 5 bzw. um 76,2 – 90,5 % bis Tag 5 ab. Nur BECKER (1994) konnte unter Versuchsbedingungen, die den ausgewerteten glichen, einen verhältnismäßig geringen Protozoenverlust von 13 % bis Tag 10 verzeichnen. Zu Versuchsende am Tag 15 fand er immerhin noch 75,7 % seinerProtozoenausgangskonzentration vor. HILLMAN et al. (1991) waren in der Lage, nur in einem Versuch Protozoen bis Tag 14 zu halten, TEATHER und SAUER (1988) bis Tag 17, FUCHIGAMI et al. (1989) bis Tag 26 und CZERKAWSKI und BRECKENRIDGE (1979) bis Tag 16 – 30.

Somit schneiden die eigenen Versuchsdurchführungen und die von BECKER (1994) im Vergleich zu den oben erwähnten Literaturangaben überdurchschnittlich gut ab, so daß trotz aufgeführter Probleme eine sich weitgehend im Gleichgewicht befindliche Protozoenpopulation auf einem im Pansen üblichen Konzentrationsniveau über den gesamten Versuchslauf unterstellt werden kann. Die Schaffung derartiger Verhältnisse war Grundvoraussetzung für die Nutzung der Protozoenzahl als Indikator für die Pansenaktivität.

Als weiteres Indiz für Brauchbarkeit und Qualität der Versuchsansätze sollten noch die großen Protozoen erwähnt werden, die als sehr empfindlich gelten (s. 2.3), sich jedoch in allen Versuchen teils sporadisch (Exp. 2, 3, 5), teils konstant (Exp. 1, 6) bis Versuchsende halten konnten. Ihr gegenüber der mittleren und kleinen Fraktion überdurchschnittlich starker Rückgang um bis zu 100 % in der Kontrollphase des RUSITEC wird in der Literatur folgendermaßen erklärt:

Große holotriche Protozoen können in das Kompartiment 3 sequestrieren (CZERKAWSKI 1979; ABE et al. 1981; CHENG u. McALLISTER 1997) und somit aus dem beprobten Kompartiment 1 verschwinden, ohne daß die Gesamtprotozoenkonzentration durch den geringen Anteil dieser Ziliaten (< 0,5 %) beeinflußt wird (YANG u. VARGA 1989). Darüber hinaus neigen sie nach der Fütterung durch Speicherung von Glukose in Form von Polysacchariden zur Sedimentation und entziehen sich somit der Probenentnahme (ANNISON u. LEWIS 1959; HARMEYER 1973; s. a. 2.1.2). Allerdings konnte letzteres durch die steten Hubbewegungen minimiert und durch den Zeitpunkt der Probenentnahmen (vor der täglichen Fütterung) umgangen werden. Verluste durch Ausspüleffekte und tägliche Probenentnahmen machen sich bei den verhältnismäßig geringen Ausgangskonzentrationen

an großen Protozoen (< 800 Zellen/ml Pansensaft) besonders bemerkbar und können nur schwerlich durch deren Generationszeiten (z. B. Isotricha spp. mit 2,86 d und Dasytricha ruminantium mit 1,45 d gegenüber 0,33 d bei Entodinium spp. und 0,72 d bei Epidinium ecaudatum, FUCHIGAMI et al. 1989) ausgeglichen werden. Auch suboptimale Umweltbedingungen (z. B. O2-Partialdruck, Temperatur, pH) sowie Futterzusammensetzungen (z. B. relativer Energiemangel) wirken sich zunächst insbesondere auf die großen Protozoen aus (WILLIAMS u. COLEMAN 1992). In den ausgewerteten Versuchen (HÖLTERSHINKEN 1999) konnten zumindest Schwankungen des Redoxpotentials relativ gering und stets im negativen Bereich (-150 bis –380 mV) gehalten werden, so daß dieses Argument nur eingeschränkt gilt. Letztendlich können große Protozoen nach Erfahrungen von WILLIAMS und COLEMAN (1992) auch aus nicht offensichtlichen Gründen aus einer etablierten Pansenfauna verschwinden.

Im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten wurden die aufgeführten Risiken in den ausgewerteten Versuchen vermieden oder umgangen.

Nichtsdestotrotz waren auch in den ausgewerteten Versuchen tägliche Konzentrationsschwankungen von 0 – 54 % nicht zu verhindern, die ebenso in vitro von MICHALOWSKI et al. (1979) als auch in vivo von MÖDLINGER et al. (1958) beobachtet wurden. Um dennoch Verlaufstendenzen der Protozoenzahlen beurteilen zu können, werden entweder gleitende Mittelwerte während eines Laufes betrachtet und/oder Mittelwerte entsprechender Versuchstage von mehreren Läufen gebildet. Da ersteres allein die Effekte der zu überprüfenden Substanz nivelliert und ein einziger Lauf statistisch nicht aussagefähig ist [CLARKE et al. (1982) weisen nach eigenen Fütterungsstudien (in vivo) auf protozoale Konzentrationsunterschiede bis zu 600 % hin, falls nur eine geringe Anzahl an Probanden genutzt wird], ist die zweite Variante auf jeden Fall vorzuziehen. Nach eigenen Erfahrungen gleichen sich die Schwankungen dabei aus.

Desweiteren trat in allen Experimenten ein charakteristisches Adaptationsverhalten auf (Protozoenvermehrung in den ersten 2 – 5 Tagen gefolgt von einem steilen Rückgang bis zur Kontrollphase), das entweder auf eine erhöhte Vermehrungs- bzw. Sterberate der Protozoen als Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen (s. 2.3.4.1) oder auf einen zunächst wechselhaften Aufenthalt der Protozoen in den verschiedenen Kompartimenten (1, aus dem die Proben gezogen wurden, 2 oder 3; näheres s. bei 5.2.2) zurückführen ist. Um eine Überlagerung dieser Effekte mit möglichen Einflüssen der eingesetzten Testsubstanzen zu vermeiden, sollte auch weiterhin allen Experimenten bis zum Erreichen eines „steady state“

der Protozoenkonzentrationen eine Vorlaufphase vorgeschaltet sein.

Somit konnten während der Versuche Protozoengehalte im Pansensaft des RUSITEC in Größenordnungen wie in vivo erhalten werden. Da sie als gute Indikatoren für die natürliche Pansenaktivität gelten (s. 2.3.4.1), kann man die Bedingungen im RUSITEC als gut geeignet für weitere Untersuchungen ansehen.