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Auswirkungen verschiedener Futterzulagen auf die Protozoenkonzentration Derartige Untersuchungen wurden bisher in der Literatur ebenso wenig erwähnt wie

H) Verschimmeltes Heu:

3. Eigene Untersuchungen 1 Versuchsziel

5.4 Auswirkungen verschiedener Futterzulagen auf die Protozoenkonzentration Derartige Untersuchungen wurden bisher in der Literatur ebenso wenig erwähnt wie

Mechanismen, auf welche Weise Protozoen geschädigt oder gefördert werden könnten. Daher können in den folgenden Abschnitten nur allgemeine Vermutungen angestellt werden.

5.4.1 Auswirkungen durch Zulage von Schadgras (Exp. 1), durch Verfütterung von mit Epicoccum nigrum, Alternaria alternata (Exp. 2), Mucor racemosus oder Ulocladium chartarum (Exp. 3) verschimmeltem Heu

Die Verfütterung von Schadgras führte zu keinen siginifikanten Effekten. Ob nun das eingesetzte Futtermittel generell nicht protozoentoxisch wirkt, gegensätzliche Effekte unterschiedlicher Mykotoxine sich aufhoben, Mykotoxine durch die Art der Lagerung (-18° C) zerstört waren oder gar durch Protozoen detoxifiziert wurden, konnte mittels dieses Experiments nicht entschieden werden. KIESSLING et al. (1984) und KING et al. (1984; s. a.

MAIWORM 1994) schreiben Protozoen jedenfalls die Fähigkeit zur Mykotoxin-Detoxifikation zu. MOHANTY et al. (1969) und HOCHSTEINER et al. (2000) stellen dagegen negative Einflüsse auf die Protozoenkonzentration nach Verfütterung verschimmelten Luzerne-Heus (mit u. a. Scopulariopsis brevicaulis) bzw. nach Verfütterung von Mykotoxinen (Desoxynivalenol u. Zearalenon) fest.

Versuche nach dem Vorbild von Experiment 2 und 3 sollten daher durch den Einsatz eines Schimmelpilzes zur Klärung deren möglicher Teileinflüsse auf die Protozoenzahlen herangezogen werden.

Die Verfütterung von mit Alternaria alternata, Epicoccum nigrum, Mucor racemosus oder Ulocladium chartarum verschimmeltem Heu führte zwar ebenso zu keinen signifikanten Veränderungen der Protozoenkonzentrationen, jedoch sank die Anzahl der mittleren Protozoen nach der Kontrollphase durch Epicoccum um 27 %, durch Alternaria um 16 % und Mucor um 9 %. Der Einfluß von Ulocladium (+ 2 %) fiel geringer allerdings positiv aus.

Neben direkten protozoentoxischen Effekten des verschimmelten Heus sind hier auch indirekte Einflüsse wie z. B. Änderung des Nährwertes (s. 3.2), der bakteriellen Zusammensetzung und der damit möglicherweise verbundenen Milieuparameter (pH: 6,61 – 6,78 gegenüber 6,6 – 6,73 in den Kontrollfermentern, s. TIADEN 2000; Redoxpotential: hier nicht gemessen, etc.) als mögliche Ursachen für den Konzentrationsrückgang in Erwägung zu ziehen.

5.4.2 Auswirkungen chronischer Pansenazidosen (Exp. 4)

Die Pansenazidose ist durch Verschiebung im Fettsäuremuster und Absenkung des pH-Wertes charakterisiert (s. RATHJENS 1999), wobei letzterer im RUSITEC-System im wesentlichen eine Funktion der mikrobiellen Stoffwechselaktivität, des Pufferzu- und Pansensaftabflusses und der Futterazidität ist (s. KRAKOW 1992). Protozoen dienen als Stabilisatoren des

Pansen-pH, indem sie Stärke als Nahrungskonkurrenten zu säureproduzierenden Bakterien aufnehmen (ROSSOW 1980), als Polysaccharide speichern (s. 2.2.2), Laktat schneller verstoffwechseln als Bakterien (s. 2.2.3) sowie Bakterien inkorporieren und somit ihre Population begrenzen (s. 2.5.1). Dafür sind laut HARMEYER (1973) allerdings Protozoen in einer Menge von mindestens 10 Volumenprozent erforderlich.

Über Rationsgestaltung und Pufferzufluß konnte in den ausgewerteten Versuchen der pH-Wert bis zur Kontrollphase bis auf 5,6 - 5,8 bei Experiment 4a bzw. 5,8 - 6,0 bei Experiment 4b gesenkt werden (s. ELIAS 1999; WENDELKEN 2000). Bis Versuchsende stieg er auf 6,0 - 6,1 wieder an. Der Unterschied beider Versuchsansätze lag dabei in der marginalen Thiaminversorgung in Experiment 4a gegenüber einer ausreichenden Thiaminversorgung in Experiment 4b (ELIAS 1999).

Während in den Versuchen von RANDHAWA et al. (1989) die Protozoen schon bei einem Pansensaft-pH von 6 verschwanden, lagen die Gesamtprotozoenkonzentrationen bei diesem pH-Wert im Experiment 4a bzw. 4b mit 5 bzw. 7,5 x 104 Protozoen/ml PAS noch im normalen Bereich.

Bei gleichzeitigem Vitamin B1-Mangel (Exp. 4a) sank jedoch die Anzahl aller Protozoen bis zur Kontrollphase kontinuierlich ab, bis sie ab Tag 15 (mittlere Protozoen bereits ab Tag 9) aus allen Fermentern - wie bei LYLE et al. (1981) bei einem vergleichbaren pH von 5,67 - vollkommen verschwunden waren.

Wurde Vitamin B1 supplementiert (Exp. 4b), so hielt sich die Protozoenpopulation dagegen in drei zum Versuchsende hin kleiner werdenden Wellen auf einem Niveau von > 2,4 x 104 Protozoen/ml PAS. EADIE und MANN (1970) sowie NOCEK und KESLER (1980) finden ebenso bei einem pH-Wert von 5,5 bis zu 3,6 x 105 Protozoen/ml PAS vor. Die Anzahl der mittleren Protozoen ging bis Tag 11 auf Werte unter 8 x 10² Protozoen/ml PAS zurück.

Offensichtlich schützt Vitamin B1-Supplementierung die Protozoen vor negativen Auswirkungen einer chronischen Pansenazidose, sei es durch Stabilisierung der äußeren Zellmembran oder der zur Nahrungsaufnahme und -verstoffwechslung benötigten Enzyme, eventuell auch durch Begünstigung der protozoalen Teilungsrate. So stellt FRANK (1998) unter Thiamingaben eine vergleichbar wachstumsfördernde Wirkung auf einige Bakterienarten fest.

Der Wert dieser Veränderung für die Aufdeckung chronischer Pansenazidosen in der Fütterungspraxis hochleistender Wiederkäuer sollte gesondert geprüft werden.

5.4.3 Auswirkungen von Schwefel-Verbindungen (Exp. 5)

Protozoen beteiligen sich am ruminalen S-Stoffwechsel, indem sie schwefelhaltige Aminosäuren aus Futterproteinen abspalten und den Bakterien zur Verfügung stellen (HEGARTY et al. 1989; s. a. 2.2.7). Ihrerseits werden die Einzeller durch die mit dem Futter aufgenommenen und im Pansen durch chemische oder Stoffwechselreaktionen entstandenen S-Verbindungen (FELBECK et al. 1981) je nach Dosis stoffwechselfördernd oder –hemmend beeinflußt (GUNNISON et al. 1981). Sulfat wird dabei vorübergehend in Sulfit (BRAY 1969b), sodann in Sulfid und unter den gegebenen anaeroben Bedingungen in H2S

umgewandelt (WEIGAND 1974). Die Wirkungen der einzelnen chemischen Verbindungen sind Tab. 5.2 zu entnehmen (s. a. MITTROWANN 1999).

Tab. 5.2: Wirkungen von Sulfit, Sulfid und H2S auf das Pansenmilieu

Verbin-dung

Wirkung Folgen Autor und Jahr

Sulfit Verbindung mit Sauerstoff (Oxidation)

Schaffung eines

sauerstoffarmen Milieus

HARMEYER 1964 Sulfit Sulfonierung verschiedener

Carbonyle

Sulfit Blockade NAD-abhängiger Reaktionen durch Sulfit als undissoziierte schweflige Säure bei niedrigem pH

Störung der Glykolyse und der Zellatmung

WALLNÖFFER u.

REHM 1965

Sulfit Spaltung von

Disulfidbindungen durch

Sulfit Spaltung von Thiamin und seinem Co-Enzym

Störung der Zellatmung PULS 1994; NICHOLLS 1975; BEAUCHAMP et al. 1984

H2S Hemmung der Superoxid-Dismutase und der Gluatathion-Peroxidase

Verminderter Schutz der Zellen vor Peroxiden und Radikalen

KHAN et al. 1987a, b

Bei Experiment 5 konnte zu Versuchsbeginn von einer marginalen Schwefelversorgung ausgegangen werden (s. MITTROWANN 1999), so daß das zugelegte Sulfit schwefelabhängige Vorgänge positiv beeinflußte. Die Protozoenkonzentration stieg dann auch in den ersten fünf Tagen um 38 % an. Insbesondere die Fraktion der kleinen Protozoen profitierte von der Zulage (+30 %). Der nachfolgende Rückgang um 18 % ist darauf zurückzuführen, daß entweder das zugegebene Sulfit akkumulierte und bereits toxische Wirkungen zeigte oder daß die zusätzliche Thiamingabe negativen Einfluß auf die Protozoenpopulation nahm. Für eine solche Kombinationswirkung gibt es in der Literatur keine Anhaltspunkte.

Die Gabe von 400 mg Sulfat überstieg dagegen offensichtlich die Protozoen-Toleranz gegenüber Schwefelverbindungen. Die Konzentration der kleinen Protozoen fiel um 55 %, die

der mittleren um bis zu 100 % ab, so daß sich letztere in der Nachlaufphase nicht wieder erholen konnten.

Gründe für die positiven oder negativen Effekte untersuchter Schwefel-Verbindungen sind der Tab. 5.2 zu entnehmen.

Insgesamt reagieren Protozoen rasch auf verfügbare Schwefel-Verbindungen. Sie steigern das Wachstum bei vorangegangenen Mangelsituationen, sterben jedoch rasch ab, wenn Schwefelgehalte von 0,5 mg S/ml Pansensaft erreicht werden.

5.4.4 Auswirkungen durch Thiamin-Zulagen

In der folgenden Tabelle sind die beobachteten Protozoenkonzentrationsänderungen während der Thiamin-Zulagephasen in den unterschiedlichen Experimenten aufgeführt und die diskutierten Wirkungsmechanismen zugeordnet.

Tab. 5.3: Effekte von Thiamin-Zulagen in den unterschiedlichen Experimenten positive Effekte während der

Thiamin-Zulagephase

negative Effekte während der Thiamin-Zulagephase

Schadgras-Versuch (Exp. 1)

- Konzentrationsanstieg der mittleren Protozoen ab dem 1. Tag der

Thiamin-Zulagephase um 10 % in allen Fermentern

- Rückgang der Anzahl kleiner Protozoen um 11 %

- Stabilisation der

Protozoenpopulation ab dem

- Stabilisation der

Protozoenpopulation ab dem 1. Tag der

Thiamin-Zulagephase in allen Fermentern

- Konzentrationsanstieg der mittleren Protozoen ab dem 2. Tag der

Protozoenzahl um 18 % in den Sulfitfermentern

Stabilisierung der mittleren sowie Anstieg der kleinen Protozoenfraktionen unter Thiamingabe ist möglicherweise darauf zurückzuführen, daß Thiamin (vgl. a. Exp. 4 unter azidotischen Bedingungen) die Widerstandsfähigkeit von Protozoen gegenüber Nahrungskonkurrenten, Toxinen und veränderten Umweltbedingungen fördert. Der Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt. Allerdings kennt man die große Bedeutung des Vitamin B1 im Energiestoffwechsel der Wirbeltiere. So dient es in Form von Thiaminpyrophosphat als Koenzym bei der oxidativen Dekarboxylierung von Pyruvat und α -Ketoglutarat sowie bei der Transketolase-Reaktion im erythrozytären Pentosephosphatstoffwechsel (WIESNER u. RIBBECK 1991). Inwieweit ähnliche Abhängigkeiten für die Protozoen vorliegen, wodurch deren Widerstandsfähigkeit und Vermehrungsraten positiv beeinflußt werden, sollte mit weiterführenden Untersuchungen geklärt werden.

Um zu klären, inwiefern Thiamin die Erholung der mittleren Protozoenfraktion beeinflußt hat oder nur eine Gewöhnung der Einzeller (an die Schadfuttermittel) eintrat, wurde ein weiteres Experiment (s. Exp. 6 in Anhang B) ausgewertet, in dem Selen als toxischer Stoff fungierte, Thiamin jedoch zu keinem Zeitpunkt zugesetzt wurde.

Selen ist als Antioxidans und notwendiger Bestandteil einiger Enzymsysteme bei pro- und eukaryotischen Zellen aktiv (WILSDORF et al. 1984), wirkt in höheren Konzentrationen bei bovinen Wirtstieren aber auch zytotoxisch. Selenüberdosierungen zeigten im Selenversuch (s.

Anhang B) allerdings keine Wirkung, da es entweder für in-vitro-Verhältnisse zu niedrig dosiert oder durch chemische oder Stoffwechselreaktionen im RUSITEC nicht frei verfügbar war. Auch ist unbekannt, ob Protozoen überhaupt von Selen negativ beeinflußt werden.

Um die Rolle des Thiamin für die Protozoen endgültig abzuklären, müßten somit weitere Versuche dieser Art (z. B. durch alleinige Zugabe der in Experiment 2 und 3 verschimmelten Heue) durchgeführt werden.

Daß die Protozoen sensibel auf Vitamin B1 reagieren, lassen auch die Ergebnisse aus 5.4.3 erkennen (Rückgang der Protozoenanzahl um 18 % während der Zulagephase II beim Sulfit-Versuch ebenso wie um 10 % bei den kleinen Protozoen im Schadgras-Sulfit-Versuch). Wo die Versorgungsoptima liegen, läßt sich zur Zeit noch nicht sagen, sollte aber durch in-vitro-Versuche mit Thiaminzulagen in unterschiedlichen Konzentrationen abgeklärt werden.