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2.2 Bedeutung der Protozoen für die ruminale Fermentation und das Wirtstier insgesamt

2.2.2 Bedeutung der Protozoen im Kohlenhydratstoffwechsel

Der Kohlenhydratstoffwechsel im Pansen wird maßgebend von Protozoen mitbestimmt:

Strukturpolysaccharide werden von entodiniomorphen, lösliche Zucker und Nicht-Strukturpolysaccharide von holotrichen Ziliaten metabolisiert (ANNISON u. LEWIS 1959;

HARMEYER 1973).

Als Endprodukte werden an das umgebende Medium Salze kurzkettiger Fettsäuren wie Azetat, Butyrat, Propionat und Laktat sowie Glyzerol und Gase wie Kohlendioxid, Wasserstoff und Methan abgegeben (HEALD u. OXFORD 1953; ABOU AKKADA u.

HOWARD 1960). Das Verhältnis der einzelnen zueinander wird beeinflußt durch die durch das Futter zur Verfügung stehenden, verschiedenen Kohlenhydrate (WILLIAMS u.

HARFOOT 1976; PRINS u. VAN HOVEN 1977), durch den Stoffwechselstatus der Protozoen (HILLMAN et al. 1995), durch den pH-Wert und die Temperatur des Mediums

(WILLIAMS u. HARFOOT 1976), durch Monensin (HINO 1981), durch metabolische Interaktionen mit Bakterien und Pansenpilzen [z. B. Methanogenese (HILLMAN et al. 1988)], durch Anwesenheit geringer Mengen an Sauerstoff und durch die gesamte Zusammensetzung der gelösten Gase (PRINS u. PRAST 1973; YARLETT et al.

1983b; HILLMAN et al. 1985a, 1990; LLOYD et al. 1989; ELLIS et al. 1991a, b, c).

Außerdem wird ein kleiner Teil der als Zwischenprodukte entstehenden Mono- und Disaccharide frei (HARMEYER 1973).

Die Meinungen über die tatsächlichen Stoffwechselleistungen der Protozoen gehen auseinander. Während YOKOYAMA und JOHNSON (1988) primär den Protozoen diese Fähigkeiten zuschreiben, vermuten FAHEY und BERGER (1988), daß die Enzyme der inkorporierten Bakterien für den Abbau von Stärke und Zellulose verantwortlich sind.

Von entodiniomrophiden Protozoen werden 30 – 40 % des mikrobiellen Faserabbaues bestritten (DEMEYER 1981; BONHOMME-FLORENTINE 1990; WILLIAMS u.

COLEMAN 1992):

Stärkepartikel werden von Entodinium spp. und Epidinium spp. zu Beginn schnell (z. B.

Entodinium caudatum: > 770 µg pro mg Protein pro Minute) und später langsam (z. B.

Entodinium caudatum: ca. 3 % der Anfangsrate) phagozytiert. Große Entodiniomorpha nehmen dagegen zwar langsam (1 – 3 % der Anfangsrate von Entodinium caudatum), aber über mehrere Stunden konstant Stärke auf (COLEMAN 1992).

Die Amylase-Aktivität ist bei Eremoplastron bovis, Diploplastron affine, Ophryoscolex caudatus und Polyplastron multivesiculatum am höchsten, bei Ostracodinium obtusum bilobum, Entodinium caudatum und Entodinium bursa am niedrigsten (COLEMAN 1986b).

Stärke wird zu Maltose und Glukose abgebaut und dient entweder via Glykolyse der Energiegewinnung (COLEMAN 1981) oder im Ektoplasma als Speicheramylopektin (EADIE et al. 1963; WAKITA u. HOSHINO 1980). Intraprotozoale Bakterien nutzen Maltose und Glukose ebenfalls als Energiequelle, darüber hinaus baut z. B. Klebsiella aerogenes hieraus in Entodinium caudatum - Kulturen eine Polysaccharidkapsel als Digestionsschutz auf (COLEMAN 1969b, 1975b). Maltose und Glukose haben einen negativen Feedback-Effekt auf die Enzyme Amylase und Maltase, so daß die Konzentration dieser Produkte annähernd konstant bleibt.

Hinsichtlich der Zelluloseverdauung gehen die Meinungen über die tatsächlichen Stoffwechselleistungen der Protozoen ebenfalls auseinander. Während YOKOYAMA und JOHNSON (1988) diese Fähigkeiten wiederum primär den Protozoen zuschreiben, vermuten THINÈS-SEMPOUX et al. (1980) und FAHEY und BERGER (1988), daß die Enzyme der von den Protozoen inkorporierten Bakterien für den Zelluloseabbau verantwortlich sind.

COLEMAN (1978b), COLEMAN und HALL (1980), BONHOMME et al. (1986), BONHOMME (1988) und CLAYET et al. (1992) schreiben Infusorien zumindest die Produktion zellulolytischer Enzyme zu. Nach Untersuchungen von COLEMAN (1985a) stammen 70 % der mikrobiellen Zellulase-Aktivität von Protozoen, speziell von entodiniomorphiden außer Entodinium spp.. Laut COLEMAN (1986c) ist die absolute Menge an Zellulase beim Schaf, das nur Eudiplodinium magii im Pansen beherbergt, 2,9 - 4,2mal höher als bei ziliatenfreien Tieren. Bei Schafen, die nicht-zellulolytische Entodinia caudata enthalten, sind 65 % der Zellulase bakteriellen Ursprungs. Insbesondere Eudiplodinium maggii bevorzugt zur Phagozytose Zellulose gegenüber Stärke (COLEMAN 1992), nach deren Verdauung intrazelluläre Polysaccharide synthetisiert werden (HUNGATE 1942, 1943;

COLEMAN 1992). Der Mechanismus zur Aufnahme von Zellulosefasern scheint dabei von

Spezies zu Spezies unterschiedlich zu sein (BOHATIER et al. 1990; BENYAHYA et al.

1992).

Alle entodiniomorphiden Infusorien außer Entodinium spp. besitzen zusätzlich Hemizellulase B, Xylanase und Glykosid-Hydrolase zur Spaltung der Substrate in Monosaccharide und Endopektat-Lyase zur Spaltung von Polygalakturonsäure, die bei Polyplastron mutivesiculatum aber nicht vorhanden ist (COLEMAN et al. 1980; WILLIAMS et al. 1984;

WILLIAMS u. COLEMAN 1985).

Zucker und lösliche Stärke werden von Epidinium und Entodinium erst nach dem Verlust der intrazellulären Speicherkohlenhydrate genutzt.

Stärkepartikel (< 10 - 25 µm) und Inulin können auch von Isotricha spp., Maltose, Zellobiose, Raffinose, Saccharose, Fruktose und Laktose von Dasytricha ruminantium metabolisert werden (HEALD u. OXFORD 1953; GUTIERREZ 1954; HOWARD 1959a; YOSHIDA u.

KATSUKI 1980). Mittels ihrer katabolen Enzyme [z.B. Zellulase, Hemizellulolyase, Pektolyase, Endopektatlyase, Pektinesterase, Karbohydrase, Polygalakturonase, Amylase und Protease (MOULD u. THOMAS 1958; ABOU AKKADA u. HOWARD 1961; COLEMAN et al. 1980; WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985)] können sie pflanzliche Zellwände derart schwächen, daß lösliche und leichter verdauliche, intrazelluläre Kohlenhydrate frei werden. Die Enzyme, deren optimale pH-Werte sich unterscheiden, sind in zwei verschiedenen membranständigen, subzellulären Organellen lokalisiert (YARLETT et al. 1981, 1983a; WILLIAMS et al. 1986; PAUL 1990) und können von ABOU AKKADA und HOWARD (1961) und von WILLIAMS (1979b) auch extrazellulär nachgewiesen werden. Die Organellen dienen darüber hinaus der Anheftung an die pflanzliche Zellwand und der Aufnahme der frei werdenden Zellsubstrate (ORPIN u. LETCHER 1978).

Lösliche Zucker ziehen holotriche Ziliaten durch Chemotaxis an (ORPIN u. LETCHER 1978), die diese durch einen nicht selektierenden Transportmechanismus aufnehmen (WILLIAMS 1979a). Galaktose wird von Dasytricha ruminantium durch einen Energie-verbrauchenden Weg vereinnahmt. Die Zuckeraufnahme wird allgemein beeinflußt durch dessen Konzentration, den pH-Wert und die Temperatur des Mediums (WILLIAMS u.

HARFOOT 1976). Die Glukoseaufnahme und -metabolisierung wird durch Laktat gemindert (WILLIAMS u. MORRISON 1982), durch verschiedene ruminale Sauerstoffkonzentrationen (ELLIS et al. 1991c) und durch Molybdän (ZENBAYASHI et al. 1969) aber gefördert.

Als Speicherpolysaccharid wird ein verzweigtes, unlösliches Homoglukan temperaturabhängig (EADIE u. OXFORD 1955) und unter Aufwand von Energie gebildet, das Amylopektin sehr ähnlich ist (FORSYTH u. HIRST 1953). Nahezu 75 – 80 % der aufgenommenen Zucker werden zunächst in diese Form mit einer maximalen Konzentration 2 bis 4 Stunden nach der Fütterung konvertiert (WILLIAMS u. HARFFOT 1976; HILLMAN et al. 1995). Die höchste Bildungsrate liegt bei Dasytricha ruminantium und Isotricha prostoma bei 130 und 1300 pmol pro Protozoon pro Stunde aus Glukose, aber nur bei 7 und 120 pmol pro Protozoon pro Stunde aus Galaktose (PRINS u. VAN HOVEN 1977). Holotriche Infusorien kontrollieren dabei die Menge des Speicherpolysaccharids, aber nicht den Zuckereintritt (WILLIAMS 1979a). So kann nach dessen Metabolisierung im Protozoon eine zu hohe Konzentration an azidotischen Fermentationsprodukten entstehen, vor allem an Laktat (PRINS u. VAN HOVEN 1977). Es kommt zur Zell-Lyse.

Insgesamt gesehen fördern Protozoen die Futterverdaulichkeit, insbesondere die der schwer verdaulichen Zellwandbestandteile. So sinkt nach Defaunation die Abbaueffizienz für Stärke um ca. 12 % (LINSDAY 1970; VEIRA et al. 1983).

Darüber hinaus stabilisieren Infusorien die Fermentation im Pansen, indem sie Futterpartikel aufnehmen, in Speicherpolysaccharide umwandeln und nur langsam wieder abbauen. Somit wird für eine gleichmäßige Fermentation zwischen den Futteraufnahmen gesorgt (YOKOYAMA u. JOHNSON 1988).

Tab.2.11: Enzyme und deren optimale pH-Bereiche in den ersten Schritten des Zelluloseabbaus

a) Enzyme entodinio- morpher Protozoen:

Optimale pH-Bereiche: Autor und Jahr:

Endopektatlyase 8,5 (bei einem pH-Wert von

6,0 sinkt die enzymatische Aktivität auf 14 % ab)

COLEMAN 1985a

Zellulase 5,0 - 7,5 COLEMAN 1985a

Chitinase keine näheren Angaben MAORGAVI et al. 1996

Hemizellulase B keine näheren Angaben COLEMAN u. WILLIAMS 1997 Xylanase keine näheren Angaben COLEMAN u. WILLIAMS 1997 Glykosidhydrolase keine näheren Angaben COLEMAN et al. 1980; WILLIAMS

et al. 1984; WILLIAMS u.

COLEMAN 1985

Amylase 6,0 COLEMAN 1986b

Protease 3,0 - 8,0 COLEMAN 1983; FORSBERG et al.

1984; NAGASAWA et al. 1994 b) Enzyme holotricher

Protozoen:

Optimale pH-Bereiche: Autor und Jahr:

Chitinase keine näheren Angaben MORGAVI et al. 1996

Amylase 5 - 6 (Dasytricha

ruminantium) 4,8 (Isotricha)

MOULD u. THOMAS 1958;

WILLIAMS et al. 1984 Karbohydrase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1986

Zellulase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

Hemizellulase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

Pektolyase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

β-D-Xylanase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

Tab.2.11: Enzyme und deren optimale pH-Bereiche in den ersten Schritten des Zelluloseabbaus (Fortsetzung)

b) Enzyme holotricher Protozoen:

Optimale pH-Bereiche: Autor und Jahr:

β-D-Xylosidase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

α-L- Arabinofuranosidase keine näheren Angaben WILLIAMS et al. 1984; WILLIAMS u. COLEMAN 1985

Pektinesterase, -hydrolase, -lyase

keine näheren Angaben ABOU AKKADA u. HOWARD 1961; COLEMAN et al. 1980 Polygalakturonase keine näheren Angaben ABOU AKKADA u. HOWARD

1961; COLEMAN et al. 1980 Glykosidase keine näheren Angaben ABOU AKKADA u. HOWARD

1961; COLEMAN et al. 1980

Invertase 5,5 - 6,0 CHRISTIE u. PORTEOUS 1957;

CARNIE u. PORTEOUS 1959;

HOWARD 1959b; THOMAS 1960;

BAILEY u. HOWARD 1963;

WILLIAMS 1979b; YARLETT et al.

1981, 1983a; WILLIAMS et al. 1984;

DAUVRIN u. THINÈS-SEMPOUX 1989a, b

α-Glukosidase (Maltase) keine näheren Angaben CHRISTIE u. PORTEOUS 1957;

CARNIE u. PORTEOUS 1959;

HOWARD 1959b; THOMAS 1960;

BAILEY u. HOWARD 1963 β-Glukosidase (Zellobiase,

Laminaribiase)

keine näheren Angaben CHRISTIE u. PORTEOUS 1957;

CARNIE u. PORTEOUS 1959;

HOWARD 1959b; THOMAS 1960;

BAILEY u. HOWARD 1963 Saure Phosphatase keine näheren Angaben YARLETT et al. 1985; PAUL 1990