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Positive Effekte transformationaler Führung auf individuelle Kreativität

3 Modellentwicklung und Hypothesen

3.2 Transformationale Führung und individuelle Kreativität

3.2.1 Positive Effekte transformationaler Führung auf individuelle Kreativität

Empirische Belege für den positiven Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und individueller Kreativität der Mitarbeiter liefert die bereits erwähnte Studie von Shin und Zhou (2003). Wie bereits in 2.3.1 skizziert, kann transformationale Führung nach Gebert (2002) die individuelle Kreativität der Geführten auf zwei Arten fördern: zum einen motivational, zum anderen kognitiv.

Auf der motivationalen Ebene sind nach Gebert (2002) zwei Evaluationsprozesse entscheidend, damit individuelle Kreativität stimuliert wird: im ersten Schritt müssen die

Mitarbeiter den Status quo als veränderungsbedürftig erleben, im zweiten Schritt müssen sie ihn als veränderungsfähig einschätzen. Diesen Prozess der zweistufigen Situationsbewertung entlehnt Gebert (1987) der Stressverarbeitungstheorie von Lazarus (1991). Transformationale Führung kann dazu beitragen, dass die Geführten die aktuelle Situation als veränderungsbedürftig bewerten. Mittels inspirierender Motivierung fungieren transformationale Führungskräfte als „Change Agents“ und entwickeln eine attraktive organisationale Zukunftsvision46 (Avolio, 1994). Diese Vision setzt einen neuen Sollwert und macht den Mitarbeitern den Veränderungsbedarf der aktuellen Situation in Form der Differenz zwischen Soll- und Istwert bewusst. Zudem fördern transformationale Führungskräfte die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter, indem sie ihnen Wert und Bedeutung ihrer Arbeit sowie ihren Beitrag zur Verwirklichung einer übergeordneten Vision explizit aufzeigen (siehe auch 2.1.3). Gebert (2002) weist darauf hin, dass intrinsisch motivierte Mitarbeiter den Status quo eher als veränderungsbedürftig einschätzen, da sie sich in hohem Grade mit ihrer Aufgabe identifizieren und ihnen daher Verbesserungspotentiale stärker auffallen. Auch Amabile (1996, S. 119) betont die zentrale Rolle intrinsischer Motivation in der revidierten Fassung ihres Modells über die Einflussfaktoren individueller Kreativität: „Intrinsic motivation is conducive to creativity“. Dass der Einfluss transformationaler Führung auf die individuelle Kreativität der Mitarbeiter tatsächlich über eine Steigerung ihrer intrinsischen Motivation vermittelt wird, konnten Shin und Zhou (2003) bereits empirisch nachweisen.

Allerdings reicht es nicht aus, dass die Mitarbeiter die aktuelle Situation als veränderungsbedürftig wahrnehmen, sie muss ihnen auch veränderungsfähig erscheinen.

Transformationale Führungskräfte können dies erreichen, indem sie die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter stärken (vgl. Conger & Kanungo, 1998; Kirkpatrick & Locke, 1996; Shamir et al., 1993). Kennzeichnend für Mitarbeiter mit ausgeprägter Selbstwirksamkeit ist, dass sie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzen und sich zutrauen, selbst schwierige Situationen zu meistern (vgl. Bandura, 1998). Aufgrund ihrer positiven Ergebniserwartungen empfinden diese Mitarbeiter Veränderungsbedarf nicht als verunsichernd, sondern stellen sich den neuartigen Aufgaben mit Motivation und Begeisterung (Agrell & Gustafson, 1996).

46 Damit eine Vision attraktiv und effektiv ist – sich letztlich also positiv auf die organisationale Leistung auswirkt, muss sie nach Baum, Locke und Kirkpatrick (1998) folgende sieben Merkmale besitzen:

Kürze, Klarheit, Abstraktheit, Herausforderung, Inspiration, Stabilität und Zukunftsorientierung.

Mitarbeiter mit hoher Selbstwirksamkeit verwenden mehr Zeit auf die Suche nach Lösungen, strengen sich stärker an, zeigen erhöhte Frustrationstoleranz und geben bei Hindernissen oder Schwierigkeiten nicht so schnell auf wie Mitarbeiter mit geringer Selbstwirksamkeit. Folglich wirkt sich eine hohe Selbstwirksamkeit vermutlich nicht nur auf Leistung positiv aus (Harrison, Rainer, Hochwarter, & Thompson, 1997; Wood & Bandura, 1989), sondern spielt insbesondere für kreative Aufgabenstellungen eine zentrale Rolle. Denn diese implizieren per Definition Schwierigkeiten und Hindernisse bei der Ausführung, da sie sich durch hohe Komplexität, geringe Strukturierung und Unsicherheit bezüglich der Güte des Resultats auszeichnen (Mumford et al., 2002; Runco & Sakamoto, 1999).

Transformationale Führung stärkt die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter zum einen durch individuelle Wertschätzung der Geführten. Indem die Führungskraft auf die Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Mitarbeiter gezielt eingeht sowie jeden Mitarbeiter als Individuum wahrnimmt und systematisch fördert, wächst das Bewusstsein der Mitarbeiter für die eigenen Fähigkeiten (Avolio & Bass, 1998). Zudem drücken die hohen Leistungserwartungen, die transformationale Führungskräfte an ihre Mitarbeiter stellen, auch das Vertrauen der Führungskraft in die Fähigkeiten der Mitarbeiter aus. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter aus (Gardner & Avolio, 1998;

Shamir et al., 1993). Pillai und Williams (2004) wiesen den positiven Effekt transformationaler Führung auf die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter empirisch nach (siehe auch 2.1.3). Darüber hinaus konnten Redmond, Mumford und Teach (1993) auch den positiven Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit und individueller Kreativität nachweisen: In ihrer experimentellen Studie konnten sie mittels Manipulation des Führungsverhaltens zeigen, dass Verhaltensweisen einer Führungskraft, die darauf abzielen, die Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter zu stärken, die Qualität und Originalität der Lösungen der Mitarbeiter beim Bearbeiten einer Problemstellung aus dem Marketingbereich steigern.

Auf der kognitiven Ebene fördert transformationale Führung die Kreativität der Mitarbeiter in erster Linie durch intellektuelle Stimulierung (Waldman & Bass, 1991).

Transformationale Führungskräfte versuchen, unübliche Perspektiven aufzuzeigen, alte Denkmuster aufzubrechen und radikales Umdenken der Mitarbeiter zu ermöglichen. Sie fordern ihre Mitarbeiter auf, den Status quo immer wieder kritisch zu hinterfragen und Annahmen, Regeln oder Verfahrensweisen regelmäßig auf ihren Sinn beziehungsweise ihre Berechtigung hin zu überprüfen. Darüber hinaus ermutigen sie ihre Mitarbeiter,

Problemstellungen neu zu überdenken und diese spielerisch und unvoreingenommen anzugehen. Dadurch sollen die Geführten lernen, ihre intellektuelle Neugier zu entdecken, ihren Einfallsreichtum zu benutzen und selbstständig unkonventionelle Lösungswege zu suchen (Avolio et al., 1999; Bass, 1985). Zusätzlich verstärkt werden die positiven Effekte transformationaler Führung auf kognitiver Ebene dadurch, dass die Führungskraft als Rollenmodell agiert (Bandura, 1977), indem sie selbst immer wieder Arbeitsgrundsätze oder Vorgehensweisen in Frage stellt und nach originellen Ideen und Lösungsansätzen sucht (Conger & Kanungo, 1998; Gardner & Avolio, 1998). Dieses Modellverhalten stimuliert die Geführten zu differenzierter Reflexion bestehender Annahmen und zur Entwicklung neuer Ideen. Basierend auf den ausgeführten Überlegungen wird erwartet, dass transformationale Führung positiv mit individueller Kreativität verbunden ist.

Hypothese 1a:

Transformationale Führung ist positiv verbunden mit der individuellen Kreativität der Geführten.